Mr. Bashful

Turbulenter, witziger Liebesroman - Liebe, Sex und Leidenschaft...

Edna Schuchardt


ISBN: 978-3-95573-248-6
1. Auflage 2015, Bremen (Germany)
Klarant Verlag. © 2015 Klarant GmbH, 28355 Bremen, www.klarant.de

Titelbild: Unter Verwendung eines Bildes von Mayer George (shutterstock).

Sämtliche Figuren, Firmen und Ereignisse dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Inhalt

1. Kapitel

„Was, zum Teufel, willst du hinter dem Mond?“, hatte Clarence Floyd seine Tochter Mandy entsetzt gefragt, als sie ihm mitteilte, dass sie nach Eagles-Pike gehen wollte. „Die würden dort noch Plumpsklos benutzen und Missionare auffressen, wenn ihnen die Gesundheitsbehörde nicht die Kanalisation mit Waffengewalt aufgezwungen hätte und der erste Pfarrer statt mit der Bibel mit dem entsicherten Colt auf der Kanzel gepredigt hätte. Im afrikanischen Busch findest du mehr Zivilisation als in diesem gottverlassenen Nest in den Rocky Mountains.“

Mandy hatte sich nicht abschrecken lassen. Für einen Menschen, der sein ganzes Leben in einer Stadt wie New York verbracht hatte, mochte ein Sechzehntausend-Seelen-Ort wie Eagles-Pike sowas ähnliches sein wie das Sports-Center-Hallenschwimmbad während der Renovierungspause. Aber für Mandy war es genau die richtige Umgebung, um endlich wieder durchatmen und klar denken zu können. Also hatte sie ihren Job am St. Patrick‘s Memorial Hospital gekündigt, sich ein One-Way-Ticket für den Greyhound gekauft und war in Begleitung von zwei prall gefüllten Koffern einfach losgefahren, ohne sich großartig Gedanken über ihr Handeln zu machen.

Sie wollte nur fort, weg von ihrem alten Leben, das ihr immer eingefahrener und reglementierter vorgekommen war, und sich neuen, interessanten Aufgaben stellen, die in Eagles-Pike ganz bestimmt auf sie warteten.

So weit, so gut. Nur – niemand wartete in Eagles-Pike auf eine junge, unverheiratete Frau, die viel zu hübsch war, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und die zudem auch noch einen Beruf ausübte, den der altgediente Arzt und Geburtshelfer Doc Sam Walter bisher verrichtet hatte.

Einem Baby auf die Welt zu helfen, war eine seiner leichtesten Aufgaben. Früher hatte er sie entweder in seiner Praxis oder bei den werdenden Eltern zu Hause erledigt und bei den wenigen Malen, wo sich Komplikationen eingestellt hatten, war der forsche Doc mit seinem damals schon museumsreifen Chevy vorgefahren, hatte die Schwangere auf den Rücksitz seines Wagens verfrachtet und war mit ihr nach Eagles Wood gefahren, wo sich die nächste Klinik befand. Aber das war, wie bereits gesagt, nur ganz selten nötig gewesen.

Heute besaß Eagles-Pike ein eigenes, sehr modernes Krankenhaus, in dem der inzwischen alte Doktor ein ausgebildetes Kreißsaal-Team mit strenger Hand und Stimme regieren durfte. Wozu also brauchte man in Eagles-Pike eine junge, hübsche Hebamme, die todsicher nicht halb so viel von ihrem Beruf verstand wie Doc Walter? Außerdem: Doc Walter war für seine fast achtzig Jahre noch erstaunlich rüstig und sein doppelt so alter Chevy ebenfalls.

So sah man Mandy Floyds Ankunft äußerst ablehnend entgegen. Als sie an einem nebligen Märzmontag aus dem Bus stieg und die Main-Street entlang zur Allen Baker Street lief, folgten ihr zwar viele Augenpaare, aber in denen war kein freundliches Willkommen zu erkennen.

„Sie ist da“, flüsterte man sich in den Geschäften und beim Tratsch an der Ecke verstohlen zu. „Mal sehen, wie lange sie es bei uns aushält.“

Mandy, die nichts von dem Aufsehen ahnte, das ihr Erscheinen auslöste, lief munter zur Harper Street, suchte dort ein rosa gestrichenes Holzhaus mit der Nummer 052 und betätigte den altmodischen Türklopfer. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis die Tür aufgerissen wurde und eine junge Frau auf Mandy zugeschossen kam. Ehe diese wusste, wie ihr geschah, fand sie sich an der Brust der Fremden wieder und von zwei Armen so kräftig gedrückt, dass ihr kurzfristig die Luft wegblieb.

„Du bist ganz sicher Mandy Floyd!“ Die Frau zerrte Mandy mitsamt ihren Koffern die Treppe hinauf ins Wohnzimmer. Hier sah es aus wie in einem Second-Hand-Shop, aber Mandy blieb keine Zeit, sich über das seltsame Mobiliar zu wundern. „Setz dich!“, forderte die Frau und stopfte Mandy resolut in den nächstbesten Sessel. „Mach es dir bequem, zieh die Schuhe aus, leg die Füße auf den Tisch, ganz wie du willst. Du bist ja ab jetzt hier zu Hause.“

„Äh…ja…aber“ Eigentlich hatte Mandy sich ihre neue Bleibe erst mal ansehen wollen, ehe sie sich hier einmietete. „Dürfte ich vielleicht zuerst mal…“

„Oh, ist gleich um die Ecke“, erklärte die junge Frau hilfsbereit. „Du gehst den Gang entlang, dann rechts…“

„Nein, ich möchte eigentlich…“

„Ah, zu Hause anrufen“, wurde Mandy erneut unterbrochen. „Das Telefon hängt im Gang an der Wand. Du gehst dran vorbei, wenn du zum Bad…“

„Einen Kaffee!“, rief Mandy, um den Wortschwall zu durchbrechen. „Ich hätte unheimlich gerne einen Kaffee.“

„Kaffee?“ Die junge Frau stutzte, dann erschien ein breites Lachen auf ihrem hübschen Gesicht. „Na klar, einen Kaffee! Den kannst du haben. Warte, ich hole dir eine Tasse.“

Damit war sie auch schon aus dem Zimmer gewirbelt. Sekunden später hörte Mandy sie irgendwo in den Tiefen des Hauses mit dem Geschirr klappern. Ein merkwürdiger Vogel war das! Mandy schüttelte den Kopf, während sie sich gleichzeitig im Zimmer umsah. War diese Frau etwa Honey Birdswell oder auch nur eine Mitbewohnerin?

Bevor Mandy nach Colorado gereist war, hatte sie im Internet eine Suchanzeige geschaltet, auf die Honey Birdswell sich nur wenige Tage später gemeldet hatte. Freimütig hatte sie berichtet, dass sie ihr Haus untervermietete, weil sie erstens nicht gerne alleine war und zweitens so die Kosten nicht alleine tragen musste. Außer Mandy sollten noch zwei weitere Frauen hier wohnen, eine Zeichnerin und Kinderbuchautorin und eine Verkäuferin, aber im Moment schien niemand außer dieser Betriebsnudel anwesend zu sein.

„Sind Sie Honey Birdswell?“, fragte Mandy, als die junge Frau zurückkehrte, in den Händen ein beladenes Tablett.

„Ich?“ Die Frau blieb abrupt stehen und sah Mandy unter zusammengezogenen Brauen an. „Ja, oh ja!“ Sie stellte das Tablett auf den Tisch und streckte Mandy die Rechte entgegen. „Entschuldige, ich bin manchmal ein bisschen meschugge. Ja, also, ich bin Honey Birdswell. Ein blöder Name, ich weiß, aber meine Eltern fanden ihn super. Tja, die anderen sind noch nicht da. Joy arbeitet als Verkäuferin im Zentrum und Cathy ist nach Denver zu ihrem Verlag gefahren. Aber heute Abend lernst du sie beide kennen. Sie sind schwer in Ordnung und freuen sich schon auf dich. Wir hatten eine kleine Begrüßungsparty für dich gedacht. Ist dir doch recht, nicht wahr?“

Wann holt diese Frau Luft, fragte Mandy sich, total überwältigt von der Wortflut ihrer Vermieterin. Die schien verborgene Kiemen zu besitzen, denn sie plapperte ohne Unterbrechung weiter.

„Ja, und was deine Praxisräume angeht, da hatten wir ja ausgemacht, dass du das gesamte Erdgeschoss mieten willst. Wir haben schon alles ausgeräumt, lag eh nur lauter Gerümpel drin. Wie das so ist, wenn Räume nicht gebraucht werden, man stellt sie mit Krempelkrams voll. Oh, ich freu mich ja so auf unser Zusammenleben! Wir werden sicherlich viel Spaß miteinander haben!“

Mandy zweifelte daran. Wenn Honey sich weiterhin als die Quasselstrippe erwies, als die sie sich gerade darstellte, würde das Zusammenleben mit ihr eher unerträglich als spaßig werden. Vielleicht hätte sie, Mandy, doch besser das Angebot aus Allowhere annehmen sollen, wo sie ein ganzes Haus für sich alleine hätte mieten können? Aber es war zu spät. Sie saß hier in Eagles-Pike und musste das Beste aus der Situation machen.

Wenigstens der Kaffee war prima! Während Mandy ihn in kleinen Schlucken trank, lauschte sie Honeys wortreichen und ausschweifenden Berichten, die ihr ein erstes Bild von der Kleinstadt vermittelten. Nach einer Weile gelang es Mandy sogar, sich zu entspannen, denn Honeys Verbaldiarrhö machte es nicht nötig zu antworten. Es reichte, ab und zu leicht den Kopf zu neigen oder auch mal zu schütteln, während Honey plapperte wie ein Endlostape.

Das Haus erwies sich dann tatsächlich als ideal für Mandys Pläne. Es verfügte über acht helle, sehr geräumige Zimmer, vier im Erdgeschoss und vier im ersten Stock. Alle waren groß genug, um sich darin nicht wie in einem Schuhkarton zu fühlen.

Betrat man das Haus durch die Vordertür, so fand man sich in einer großen Diele wieder, von der rechts und links jeweils zwei Türen in die zukünftigen Praxisräume abgingen, zudem befand sich linker Hand eine kleine Küche und am Ende des Ganges Bad und Gäste-WC.

Mandy beschloss spontan, das rechtsseitige, vordere Zimmer als Kurs- und Schulungsraum zu benutzen. Mit den entsprechenden Möbeln würde es sehr gemütlich aussehen, denn neben den Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungs-Kursen wollte Mandy auch Seminare in Säuglingspflege, Ernährung, Stillkunde und häuslicher Medizin anbieten. Im Nebenzimmer würde sie den Beratungs- und Untersuchungsraum einrichten. Er war etwas kleiner als das erste Zimmer, so dass man hier eine vertraulichere Atmosphäre schaffen konnte, in denen die Frauen ihre Scheu oder auch ihre Ängste ablegen konnten. Die Räume links würde Mandy als Geburtszimmer und Büro nutzen.

„Zufrieden?“, erkundigte Honey sich, nachdem sie Mandy durch das gesamte Erdgeschoss geführt hatte. Beinahe wäre diese Frage zusammen mit dem ganzen Wortfluss an Mandys Ohren vorbeigerauscht. Zum Glück filterte ihr Gehirn den Satz heraus.

„Sehr!“ Sie nickte begeistert. „Es ist genau das, was ich mir vorgestellt habe.“ Sie trat an das Fenster und lehnte sich gegen das Sims. „Hier möchte ich meine Schulungen durchführen“, begann sie Honey ihr Vorhaben zu erklären. „Ich werde den Raum mit hellen Möbeln ausstatten, die man leicht zur Seite rücken kann, damit wir Matten auslegen können. Ich werde Blumen brauchen und ein paar hübsche Bilder.“

„Blumen sind kein Problem!“, rief Honey begeistert. „Ich habe draußen jede Menge davon. Joy behauptet immer, dass ich hätte Gärtnerin werden sollen. Und Poster?“ Sie überlegte einen Moment. „Poster kriegst du im Kaufhaus. Sie haben eine ganz nette Auswahl.“

„Kaufhaus?“ Mandy legte die Stirn in Falten. Wo, um alles in der Welt sollte hier ein Kaufhaus sein?

„Kaufhaus“, bestätigte Honey, nicht ohne Stolz. „Okay, okay, es ist nicht Walmart oder Harrolds Starship, aber für ein Nest wie Eagles-Pike ist es fast schon sensationell groß. David Ellwood führt alles, was wir hier so brauchen. Er hat sogar einen Internet-Versandhandel eingerichtet, damit auch die jungen Leute bei ihm einkaufen. Ob du eine Melkmaschine oder einen Küchenhocker brauchst, auf Davids Internetseite kannst du das alles bekommen.“

Eine Melkmaschine, aha! Mandy unterdrückte einen Seufzer. „Und die Preise?“

Obwohl sich niemand außer ihnen beiden im Haus befand, trat Honey näher an Mandy heran und flüsterte ihr zu: „Du musst mit David persönlich reden. Bei größeren Mengen gibt er im allgemeinen Rabatte.“

„Ich kaufe aber sicherlich keine so großen Mengen“, gab Mandy zu bedenken, worauf Honey abwinkte.

„Aber du bist Unternehmerin“, behauptete sie überzeugt. „Schließlich richtest du dir kein Wohnzimmer ein, sondern eine richtige Praxis. Da muss David dir Prozente geben! Joy wird einen Termin für dich machen, nachdem du dir im Internet sein Angebot angesehen hast. Wenn du weißt, was du kaufen möchtest, reden wir mit David und handeln mit ihm einen Mengenrabatt aus. Lass mich nur machen, ich lebe hier seit meinem ersten Atemzug. Eagles-Pikes Bürger sind zwar stur, aber geschäftstüchtig. Und David weiß, was ein gutes Geschäft ist.“

Wahrscheinlich würde Honey so lange auf den armen Mann einreden, bis er ihnen vor lauter Verzweiflung einen großzügigen Preisnachlass einräumte, überlegte Mandy und hätte beinahe Honeys nächste Worte überhört.

„Komm.“ Sie deutete zur Treppe, die am Ende des Ganges in das obere Geschoss führte. „Ich zeige dir die anderen Zimmer.“

Das Wohnzimmer und die Küche hatte Mandy ja bereits gesehen. Nun führte Honey sie zu dem Zimmer, das Mandy bewohnen sollte. Es befand sich auf der rechten Seite des Ganges und war mit einem breiten Bett, einem Schreibtisch, einem schmalen Schrank und einem urgemütlich aussehenden Ohrensessel möbliert. Und weil es recht großzügig bemessen war, bot es genügend Platz, um auch noch eine Sitzgruppe oder andere Möbel unterzubringen. Allerdings hasste Mandy vollgestellte Räume, weshalb sie beschloss, den Schreibtisch in das kleinere Zimmer im Parterre zu tragen und stattdessen einen kleinen Lesetisch ans Fenster zu stellen. Dazu den Lehnsessel, das war bestimmt gemütlich und sie konnte beim Lesen immer wieder aus dem Fenster schauen.

Der Schrank, der an der langen Wand seltsam verloren wirkte, passte super hinter die Tür, dann konnte sie an seiner Stelle ein langes halbhohes Regal stellen, in dem sie Platz für ihre Bücher und allen möglichen Krimskrams haben würde. Das breite Bett, das jetzt an der gegenüberliegenden Wand stand, würde sie so herumdrehen, dass das Fußteil in den Raum ragte. Dann hatte sie noch jede Menge Platz, um rechts und links jeweils zwei dieser Würfel aufzustellen, die es in allen möglichen Farben und Größen gab und die nahezu endlose Möglichkeiten boten, sie zu stapeln.

Ja, genauso würde sie ihr Zimmer herrichten. Vorausgesetzt, Honey bestand nicht darauf, dass sie, Mandy, gemeinsam mit der enormen Pflanzenpracht zu leben hatte, die den Raum momentan eher wie einen Botanischen Garten aussehen ließ.

„Die Blumen nehme ich zu mir“, sagte Honey, bevor Mandy etwas zu dem Thema sagen konnte. „Du kannst dir aussuchen, welche du für deine Praxis oder auch dein Zimmer haben möchtest, den Rest verteile ich im Haus.“

Erleichtert stieß Mandy die Luft aus. Nun, das Problem hatte sich praktisch von alleine gelöst.

„Du willst dich sicher ein bisschen ausruhen“, sprach Honey schon weiter. „Schlaf ein bisschen oder pack aus, ach, mach einfach, wonach dir der Sinn steht. Und falls du räumen möchtest, die Blumen kannst du einfach auf den Gang stellen.“

Und dann war Mandy endlich alleine. Viel zu aufgeregt, um sich hinlegen zu können, räumte sie als erstes die Blumen in den Gang hinaus. Da sie jedoch nicht gänzlich auf Pflanzen verzichten mochte, übernahm sie eine riesige Yuccapalme, die sie neben das Fenster schob. Auch ein Drachenbaum und ein paar kleinere Grün- und Blühpflanzen durften bei ihr bleiben. Ihren festen Platz würden sie allerdings erst erhalten, wenn Mandy die fehlenden Möbel eingekauft und aufgestellt hatte.

Das Bett erwies sich als erstens sehr schwer und zweitens total störrisch. Aber Mandy ließ sich nicht entmutigen. Schließlich war sie Hebamme und als solche hatte sie in ihrem Beruf mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Ja, dachte sie, als sie schließlich ihr Werk beendet hatte und sich in ihrem Reich umsah, es war doch kein Fehler gewesen, hierher zu kommen.

Zufrieden mit sich und ihrem neuen Zuhause ging sie ins Bad hinüber und drehte die Dusche auf.


2. Kapitel

David Ellwood trat vom Fenster zurück und rieb sich nachdenklich die schmerzende Nase. Er hatte der fremden jungen Frau so intensiv hinterher gesehen, dass sich seine Nase fast durch das Glas gebohrt hatte, aber das störte ihn nicht. Das unangenehme Kribbeln nahm er nur im Unterbewusstsein wahr, denn seine Gedanken beschäftigten sich mit der jungen Frau, die gerade unter seinem Fenster vorbeigegangen war.

Hübsch hatte sie ausgesehen, sehr hübsch sogar. Die Farbe ihres Haares erinnerte ihn an die Blätter der Blutbuche, die bei seinen Großeltern auf der Wiese vor dem Haus stand. Und ihr Gang war – ja, ihm schien es, als würde sie über den Gehweg tanzen. Gerne hätte David ihr Gesicht näher betrachtet, aber sie hatte den Kragen ihres Mantels hochgeschlagen, sodass er nur die Fülle ihres Haares bewundern konnte, das über ihre Schultern und den Rücken floss.

Wer war sie? Verbrachte sie ihre Ferien hier, worauf der Trolley und die große Tasche, die sie mit sich führte, hindeuten mochten. Oder war sie nach Eagles-Pike gekommen, um hier zu leben?

Die Gerüchte, die seit Tagen in der Stadt kursierten, kamen David in den Sinn. Man erwartete die Ankunft einer Hebamme. Angeblich wollte sie hier eine Praxis eröffnen, was besonders die konservativen Bürger der Stadt (also die meisten) zu pausenlosem Kopfschütteln veranlasste. Kinder wurden im Krankenhaus geboren mit tatkräftiger Unterstützung eines Arztes, da bedurfte es keiner weiteren Helfer oder gar des neumodischen Krams, den die Frauen heute glaubten, mitmachen zu müssen!

David holte tief Luft. Nein, das war bestimmt nicht die neue Hebamme gewesen, überlegte er weiter. Die sahen doch bestimmt ganz anders aus. Das waren doch solche Dragonertypen in Halbschuhen und Kitteln, die bis an die Knöchel reichten? Major Smithersen, der fünf Jahre in Deutschland stationiert gewesen war, wusste dies jedenfalls zu berichten. Mrs. Smithersen hatte damals ihr erstes Kind in einem Wiesbadener Krankenhaus zur Welt bringen müssen, weil das Lazarett für die Verletzten des ersten Golfkrieges freigehalten werden musste. Die burschikose Dame, die Mrs. Smitherson damals im Kreißsaal betreut hatte, hatte Mr. Smitherson gehörigen Respekt eingeflößt.

David hörte auf, seine Nase zu reiben und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Nein, ein so zartes, graziles Persönchen wie diese Fremde, die eben unter seinem Fenster vorbeigegangen war, konnte unmöglich einem Baby auf die Welt helfen! Sicherlich handelte es sich bei der Schönen um eine Urlauberin, die hier ausruhen und entspannen wollte. Sie würde ein paar Tage in Eagles-Pike bleiben und dann nach New York, LA oder sonst eine Großstadt zurückkehren. Schade!

„Mr. Ellwood?“ Laura Smith, Davids Sekretärin, versuchte schon zum dritten Mal die Aufmerksamkeit ihres Chefs auf sich zu lenken. „Mr. Ellwood, ein Anruf für Sie auf Leitung drei.“

„Hä?“, machte David verwirrt und riss sich gewaltsam von seinen Gedanken los.

Lauras mit Strasssteinchen besetzter Fingernagel deutete auf das Telefon neben ihm.

„Ein Anruf“, erwiderte sie, wobei sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. „Auf Leitung drei. Mr. Shane möchte Sie sprechen, Sir.“

„Danke.“ David seufzte hörbar und griff zum Hörer, stockte aber mitten in der Bewegung. „Ähm, Miss Smith?“

Laura, die eben das Büro verlassen wollte blieb stehen und blickte sich um. „Ja, Sir?“

„Wissen Sie, wie Hebammen aussehen?“

Auf Lauras glatter Stirn erschien eine steile Falte. Ihr Gesichtsausdruck verriet pure Verständnislosigkeit, die sich ganz langsam in Misstrauen und schließlich in Verstimmung wandelte.

„Nein, Sir.“ Pikiert zog sie die linke Braue hoch. „Ich weiß es nicht.“

„Noch nie eine gesehen?“, hakte David nach.

Lauras Miene wurde abweisend.

„Nein Sir, ich habe bisher keine gebraucht.“

David schüttelte enttäuscht den Kopf, dann besann er sich auf seinen Anrufer, der immer noch in irgendwelchen Kabeln steckte. „Na gut. Vielleicht lernen Sie ja mal eine kennen.“

Laura machte vor Empörung eine derart heftige Kehrtwende, dass sich die Absätze ihrer Pumps in den Teppichboden bohrten und kleine Abdrücke hinterließen. David bemerkte es nicht.

3. Kapitel

Joy Pinkerton war eine eher stille, zurückhaltende Person. Mit ihrem aschblonden Haar, den graublauen Augen und der hellen Haut wirkte sie ein bisschen langweilig, farblos, aber wenn man mit ihr sprach, vergaß man diese Äußerlichkeiten ganz schnell, denn Joy besaß eine sehr angenehme Stimme. Zudem trug sie alles, was sie zu sagen hatte, auf eine so reizende Art vor, dass man sie einfach gern haben musste.

Cathy Talbot war dagegen eine Mischung aus Honey und Joy. Groß, schlank, mit großen braunen Augen und kurzgeschnittenen dunklen Haaren wirkte sie ein wenig burschikos. Aber in ihrem schlanken, knabenhaften Körper schlug ein sehr romantisches Herz, das sich in den Zeichnungen ausdrückte, die Cathy für ihre Kinderbücher anfertigte.

Mandy verstand sich auf Anhieb mit ihren Mitbewohnerinnen. Alle fanden die Idee großartig, im Erdgeschoss eine Hebammenpraxis einzurichten und boten spontan ihre Hilfe an. Joy, die in dem einzigen Kaufhaus der Stadt arbeitete, brachte gleich am nächsten Tag einen dicken Einrichtungskatalog mit und Cathy bot Mandy an, sich eine ihrer Zeichnungen auszusuchen, die dann eine Wand der Praxis zieren sollte.

In den kommenden Tagen hatte Mandy alle Hände voll zu tun, um ihr zukünftige Wirkungsstätte herzurichten. Dazu mussten die Zimmer erst einmal renoviert werden. Tatendurstig machten sich Mandy und Honey ans Werk, rissen die alten Tapeten herunter, klebten neue, schliffen, strichen, bohrten und hämmerten, um den Räumen einen neuen Look zu verschaffen. Während des gemeinsamen Werkelns hatten die Frauen ausreichend Zeit sich zu unterhalten und eine der ersten Fragen, die Mandy seit ihrer Ankunft beschäftigte, lautete: „Wie um alles in der Welt kommst du an ein so riesiges Haus?“

Honey lachte fröhlich. Sie legte den Pinsel quer über die Farbdose und streckte sich, um die verspannte Muskulatur zu lockern.

„Ach, das ist schnell erzählt“, behauptete sie gut gelaunt. „Das Haus gehörte meinen Urgroßeltern, die Dank Uropas Schuhfabrik sehr wohlhabend waren. Damals haben hier neben Uropa und Uroma noch drei Kinder und fünf Hausangestellte gelebt.“ Sie hob in einer leicht resigniert wirkenden Geste die Schultern. „Tja, dann kamen die großen Hersteller. Mein Großvater, der die Fabrik übernommen hatte, musste schließlich das Werk schließen und das gesamte Fabrikgelände verkaufen. Alles, was von dem Reichtum zuletzt geblieben ist, ist dieses Haus, das mir meine Oma vererbt hat. Und ich bringe es einfach nicht übers Herz, den Riesenkasten zu verkaufen. Leisten kann ich ihn mir eigentlich gar nicht, aber ich will mich nicht trennen. Jedenfalls jetzt noch nicht“, schränkte sie ihre Aussage ein. „Es ist halt die letzte und einzige Erinnerung an meine Altvorderen.“

„Das kann ich gut verstehen.“ Mandy nickte, während in ihrer Phantasie das Bild einer großen, lauten Familie entstand, die die Räume mit Leben erfüllte. „Ich glaube, ich könnte es auch nicht so einfach aufgeben.“ Im nächsten Moment lächelte sie. „Im Übrigen bin ich die totale Nutznießerin deines Erbes. Wenn das Haus nicht so schön groß wäre, könnte ich hier nicht meine Praxis einrichten.“

„Stimmt“, stellte Honey lachend fest, um dann augenzwinkernd hinzuzufügen: „Ich sollte vielleicht gleich mal die Miete erhöhen.“

4. Kapitel

Nach zwei guten Wochen fleißigen Werkelns erstrahlten sämtliche Praxisräume in neuem Glanz und es ging ans Einrichten. Im Katalog hatte Mandy sich bereits etliche Möbel ausgesucht, darunter drei faltbare Wickelkombinationen, die man, wenn sie nicht benötigt wurden, in den Einbauschrank im Entree stellen konnte, dazu zwei kleine Tische, zehn Stühle, eine Liege, einen Schreibtisch, einen Bürostuhl, zwei Schränke und eine gemütliche Sitzgruppe. Auch eine Kinder-Spielecke sollte eingerichtet werden, denn manche Frau würde eventuell ihre erstgeborenen Kinder mitbringen müssen.

Andere Dinge, wie Bodenmatten, Sterilisatoren und einige medizinische Geräte, musste sie per Internet in einem speziellen Fachmarkt bestellen. Die Möbel hingegen wollte Mandy direkt im hiesigen Kaufhaus erwerben. Auf ihre Bitte hin, ihr einen Termin bei David Ellwood zu besorgen, marschierte Joy in ihrer Mittagspause in die Chefetage und verhandelte mit Laura Smith, die ihren Chef strenger als ihren wertvollsten Familienschmuck bewachte.

„Worum geht es?“, fragte sie abweisend, als Joy vor ihrem Schreibtisch stand.

Joy, die die Sekretärin nicht ausstehen konnte, verzog ärgerlich das Gesicht.

„Miss Floyd, die neue Hebamme, möchte ihre Praxis einrichten.“ Joy bemühte sich zwar um einen freundlichen Ton, aber es misslang ihr gründlich. „Es handelt sich also um einen umfangreichen Einkauf und da ist es wichtig zu wissen, mit welchen Lieferzeiten sie bei den einzelnen Posten rechnen muss.“

„Das können Ihnen die Abteilungsleiter am besten sagen“, versetzte Laura hochmütig. „Mr. Ellwood ist für solche Dinge nicht zuständig.“

„Miss Floyd möchte mit ihm verhandeln“, beharrte Joy. „Sollte dies nicht möglich sein, denke ich, dass Miss Floyd sich anderweitig umsehen wird.“

„Ach ja?“, Laura lachte spöttisch. „Und wo? Wir sind das einzige Kaufhaus in der gesamten Umgebung.“

Joy beugte sich vor und sah der Sekretärin fest in die Augen.

„Internet, Miss Smith, Internet, schon mal davon gehört?“

Das saß. Laura sah zur Seite, stand endlich auf und trippelte mit tief beleidigter Miene in David Ellwoods Büro, um ihm Joys Anliegen vorzutragen.

Er saß in der gemütlichen Besucherecke, das Laptop auf den Knien und las irgendwelche Einträge. Als Laura eintrat, sah er nur kurz auf, dann klappte er den Computer zu.

„Was ist?“

„Miss Pinkerton aus der Wäscheabteilung bittet um einen Termin für die neue Hebamme.“ Laura machte dabei eine Miene als würde sie in eine Wanne voller dicker schleimiger Regenwürmer sehen.

„Ja?“ Fragend blickte David seine Sekretärin an. Kam da noch was? Eigentlich war Laura eine sehr gute Sekretärin, aber manchmal ging sie die Dinge schrecklich umständlich an, was David ziemlich nervte.

„Die Dame möchte direkt mit Ihnen sprechen“, wurde Laura konkreter und ihre Miene noch angewiderter. „Ich habe gesagt, dass sie sich an die jeweiligen Abteilungsleiter wenden soll, aber Miss Pinkerton besteht auf einem Termin bei Ihnen.“

„Okay.“ David war nicht erstaunt. Es kam häufiger vor, dass Kunden direkt mit ihm verhandeln wollten. In neunzig von einhundert Fällen ging es dabei um Preisnachlässe, die das Kaufhaus grundsätzlich gewährte. Allerdings richtete sich die Höhe der Rabatte nach der Höhe der Einkaufssumme. „Was genau möchte die Dame denn mit mir besprechen?“

Lauras Mundwinkel zeigten in Richtung ihrer Schuhspitzen.

„Angeblich möchte die Kundin eine Hebammenpraxis einrichten“, gab sie endlich Genaueres preis. „Doch das ist normalerweise Sache der Möbelabteilung. Der zuständige Abteilungsmanager…“

„Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, Miss Smith“, unterbrach David sie. Die Schärfe in seinem Ton ließ Laura zusammenzucken. „Wenn ein Kunde oder eine Kundin meinen Rat einholen oder mit mir verhandeln möchte, dann werden wir ihm oder ihr das nicht abschlagen. Und wissen Sie auch weshalb?“

Laura schluckte betroffen.

„Ich wollte Sie nur entlasten, Sir“, versuchte sie, sich zu verteidigen.

„Weil sie wiederkommen und noch mehr bei uns einkaufen soll“, sprach David weiter, Lauras Einwurf übergehend. Er stand auf. „Also machen Sie einen Termin mit der Dame oder ihrer Stellvertreterin aus und gut ist es.“

„Jawohl, Sir.“ Laura presste die Lippen so fest zusammen, dass sie nur noch einen Strich bildeten. Sie war beleidigt, denn David Ellwood wies sie immer wieder an, ihn nicht mit jeder Kleinigkeit zu belasten. Wozu hatte er seine Manager, wenn er sich dann doch um jeden Kleinkram selber kümmern musste?

„Mittwochnachmittag, drei Uhr“, verkündete sie der wartenden Joy mit säuerlicher Miene, als sie kurz darauf aus dem Büro ihres Chefs zurückkehrte. „Und bitte, sagen Sie der Dame, dass sie sich pünktlich einzufinden hat. Mr. Ellwood ist ein vielbeschäftigter Mann.“

„Danke“, knurrte Joy verbiestert. Den Zusatz „Blöde Tippzicke“ hörte Laura nicht mehr, weil sie bereits wieder zu ihrem Schreibtisch eilte.

5. Kapitel

Man mutete Eagles-Pike in diesen Wochen einiges zu. Nicht nur, dass sich eine Hebamme in der Kleinstadt niederlassen wollte, jetzt verschreckte Doc Walter seine Patientinnen auch noch mit der Nachricht, dass er in den Ruhestand treten und sich auf seine Farm draußen vor der Stadt zurückziehen wollte. Aber damit nicht genug: Doc Walter hatte auch einen Nachfolger gefunden, der seine Praxis übernehmen sollte! Angeblich einen Jungspund, dem noch die Eierschalen hinter den Ohren klebten. Viel zu jung, meinten die Bürger der Stadt, und noch dazu aus Texas! Wie konnte man nur einem Texaner sein Haus und seine Praxis überlassen, wo doch jeder weiß, dass Texaner dumme und ungebildete Kuhtreiber sind, die sich in ihrer Freizeit mit getrockneten Kuhfladen bewerfen.

„Wenn er wenigstens Tierarzt wäre“, hieß es allgemein. „Den könnten wir hier gut gebrauchen. Aber keinen texanischen Kuhmistschubser.“

So wartete auf Doktor Simon Stark keine leichte Aufgabe, als er zwei Wochen nach Mandys Ankunft zum ersten Mal seinen Wagen durch die Straßen von Eagles-Pike lenkte. Es hatte kurz zuvor geregnet, in den ausgefahrenen Kuhlen des Asphalts standen riesige Pfützen und der Himmel hatte die Farbe von Haferschleim. Zum Glück hatte Doc Walter seinen jungen Kollegen vorbereitet. Simon wusste also, dass man ihn nicht mit offenen Armen aufnehmen würde, doch er hatte sich geschworen, allen Widerständen zu trotzen und sich durchzusetzen.

Der Gedanke, dass er nicht allein um seine Anerkennung und damit Existenz kämpfen musste, hatte etwas Tröstliches an sich und machte ihm den Anfang etwas leichter. Auch die Hebamme, die sich vor kurzer Zeit in der Kleinstadt niedergelassen hatte, stand vor den gleichen Problemen wie er. Noch hatte sie ihre Praxis nicht eröffnet, was aber nicht schlimm war, denn auch Simon benötigte eine gewisse Anlaufzeit. Er hoffte inständig, dass diese Miss Floyd bereit war, mit ihm zusammenzuarbeiten.

In Knoxville, wo er herkam, hatte er tauben Ohren gepredigt, wenn er den Einsatz einer Hebamme gefordert hatte. Am Laurent Hospital war man der gleichen Meinung wie an vielen der meist kleineren amerikanischen Krankenhäuser, nämlich, dass man sich die Kosten für eine Hebamme getrost sparen konnte. Wozu gab es schließlich Ärzte? Simon sah dagegen überhaupt nicht ein, weshalb er bei einer völlig normalen Geburt eingreifen sollte. Eine voll ausgebildete Hebamme war absolut in der Lage, eine Geburt zu leiten. Traten Komplikationen auf, so war sie eine hervorragende Mittlerin zwischen Arzt und Patientin.

Was Simon aber noch mehr aufbrachte als die ablehnende Haltung gegenüber Hebammen, war die totale Unaufgeklärtheit der jungen Frauen. Das traf hauptsächlich auf die Dörfer und Kleinstädte zu. Je ländlicher die Gegend, desto verklemmter war die Bevölkerung, was das Thema Sex anging. Er hatte tatsächlich mehrfach erlebt, dass Frauen in die Klinik kamen und noch nicht einmal wussten, was nun eigentlich mit ihnen geschah und wie ein Baby auf die Welt kommt. Themen wie Sex, Schwangerschaft oder gar Verhütung waren in solchen ländlich geprägten Gegenden absolut tabu. Als Arzt riskierte man, von aufgebrachten Eltern gelyncht zu werden, wenn man vor jungen Leuten Aufklärungsthemen ansprach.

Aus diesen Erfahrungen heraus drängte es Simon, Mandy Floyd so schnell wie möglich kennen zu lernen. Aber zunächst musste er sich um seine Praxis und sein neues Heim kümmern. Da lag ein hartes Stück Arbeit vor ihm, denn Doc Walter hatte in den letzten dreißig Jahren oder noch länger keine neuen Anschaffungen mehr getätigt. Zu sagen, dass die Praxis nicht den Ansprüchen moderner Medizin entsprach, wäre eine glatte Untertreibung gewesen. Tatsächlich war das gesamte Mobiliar derart veraltet, dass Simon überlegte, es dem American Museum of Natural History in New York anzubieten.

Die Einrichtung des übrigen Hauses hätte er gleich dazugeben können, aber damit würde Simon noch eine Weile warten müssen, denn die Anschaffung der neuen Praxismöbel, Gerätschaften und des Labors würde den größten Teil des Kredits verschlingen, den ihm die Bank zugestanden hatte. Nur neue Tapeten und Anstriche würde er sich leisten, denn mit bunten Farben konnte man die alten Möbel und verwohnten Zimmer wunderbar herrichten.

So zog Simon Stark also in das hübsche alte Häuschen am Ende der Allee, die direkt auf den Winston Park zuführte, auf den er aus den Fenstern des ersten Stockwerkes hinabsehen konnte. Weshalb der Winston Park Winston Park hieß, hatte Simon noch nicht begriffen, denn die Statue an der großen Fontäne zeigte deutlich Abraham Lincolns Abbild, aber das war nur eine der vielen Ungereimtheiten in dieser Kleinstadt, die ihm bereits begegnet waren. Er ahnte, dass es nicht die letzten waren.