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Tomos Forrest

Bitter und süß: Berlin 1968 Kriminalroman – Band 3

Bitter und süß: Berlin 1968 Kriminalroman – Band 3


Kriminalroman von Tomos Forrest



Der Umfang dieses Buchs entspricht 117 Taschenbuchseiten.



Katharina Becker spürt, dass Hansen sie jetzt töten will. Doch sie ahnt nicht, warum. Er glaubt nicht an ihre Warnung, dass sie auch nach ihrem Tod dafür sorgt, dass er nicht ungeschoren davonkommen wird.

Noch fühlt sich Peter Hansen, ihr Mörder, sicher, dass sein Plan aufgeht. Als der Privatdetektiv Bernd Schuster bei Hansen auftaucht und ihm ein Tonband abspielt, bekommt seine Selbstsicherheit die ersten Risse, aber er verliert trotzdem sein Ziel nicht aus den Augen … und diesmal könnte es auch für den Privatdetektiv brenzlig werden.





Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

Cover: Nach Motiven und Grischa Georgiew 123rf – Steve Mayer, 2021

Titel/Charaktere/Treatment © by Marten Munsonius & Thomas Ostwald, 2021

Roman – Nach Motiven – by Tomos Forrest, 2021

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Die Hauptpersonen des Romans:

Katharina - Sie wird umgebracht. damit sie den verbrecherischen Plänen ihres Mörders nicht gefährlich werden kann.

Hansen - ihr Mörder, der nicht ahnt, dass eine Tote Alarm schlagen kann.

Thea - die Tochter Katharinas, die sich der Mörder als nächstes Opfer ausersehen hat.

Hilda Gericke - Sie macht Bernd Schuster durch einen geheimnisvollen Anruf mobil, und damit bringt sie den Stein ins Rollen.

Franziska - ist Bernds Assistentin und unterstützt ihn bei seinen Fällen.

Bernd Schuster - ist Privatdetektiv mit einer illustren Vergangenheit. Einst in Frankfurt bei den Feldjägern, übersiedelt er nach West-Berlin mit Tochter Lucy nach seiner Scheidung. Seine Eltern haben ihm ein Vermögen hinterlassen, so dass er keine Existenzsorgen kennt und seiner Leidenschaft, den privaten Ermittlungen, nachgehen kann. In der Kurfürstenstraße eröffnet er in einem ehemaligen Ladengeschäft sein Büro, und neben Franziska ist ihm auch Knut eine echte Hilfe.

Schuster hat ein gutes Netzwerk aufgebaut, hat Freunde bei der Kriminalpolizei und durchaus positive Kontakte zum BKA und zum MAD. Sein Spürsinn und seine Kombinationsgabe führen ihn immer wieder zu interessanten Fällen…





1.

„Es ist soweit“, sagte Peter Hansen.

Die Worte ließen Katharina Becker zusammenzucken. Sie versuchte ruhig zu bleiben, aber sie hatte plötzlich Angst, schreckliche Angst.

Peter stellte seinen Cognacschwenker beiseite und erhob sich. Er war breitschultrig und schmalhüftig, fast 1,80 m groß. In seinem untadelig geschnittenen Anzug wirkte er attraktiv und anziehend, Typ Dressman, aber Katharina wusste, was sich hinter der eindrucksvollen Fassade verbarg. Er war hier, um sie zu töten.

„Du wirst es bereuen“, sagte sie.

Er stand im Lichtkreis einer Stehlampe. Sein gebräuntes Gesicht mit den dunklen Augen zeigte Erstaunen. Es war von markanter Eigenwilligkeit und hatte das Zeug für einen Hollywoodhelden.

Katharina musterte ihn aus feucht gewordenen Augen.

Er hat nie begriffen, wer du bist und was dich auszeichnet, fuhr es ihr durch den Kopf. Er weiß nichts von deiner Fähigkeit, Menschen zu erkennen und zu durchschauen. Intuition ist für ihn ein Fremdwort, mit dem er nichts beginnen kann.

„Was werde ich bereuen?“, fragte er.

„Du willst mich umbringen, nicht wahr?“

Er öffnete und schloss die Hände, alles in ihm drängte danach, sie mit festem Griff um Katharinas schönen Hals zu legen und ihn so lange unbarmherzig zuzudrücken, bis ihn nicht länger Luft, Blut und Leben durchströmten.

Er war verwirrt. Sicherlich war es ihm in den letzten Wochen immer schwerer gefallen, eine Liebe zu heucheln, die er niemals empfunden hatte, andererseits hatte es Katharinas noch immer sehr reizvoller Körper bis zuletzt verstanden, seine Sinne zu entflammen. Er starrte ihr ins Gesicht. Das weiche, sanfte Licht der braunen Lampenschirme ließ Katharina jünger erscheinen, als sie war.

Du kannst nicht zurück, hämmerte er sich ein. Alles ist vorbereitet. Dies ist die Stunde X, von der du seit Monaten träumst.

Seine Mundwinkel zuckten. Er ging auf Katharina zu, nur ein paar Schritte. Dann blieb er wieder stehen. Er begriff nicht, dass Katharina entdeckt hatte, was er beabsichtigte, es grenzte für ihn an Zauberei.

Gewiss, er war in letzter Zeit weniger zärtlich gewesen, er hatte sie gelegentlich merken lassen, was ihn bewegte, aber daraus hatte sie doch unmöglich den Schluss ziehen können, dass er sie töten wollte.

„Ja, ich will dich umbringen“, sagte er leise. „Wie hast du es herausgefunden?“

„Deine Augen haben dich verraten.“

„Du spinnst“, entfuhr es ihn. Er wollte nicht wahrhaben, was sie sagte. Es durfte einfach nicht stimmen!

Mit seinen großen, dunkelbraunen, samtigen Augen, die so mühelos männlichen Charme versprühen konnten, hatte er es im Leben stets leicht gehabt, die Gunst der Frauen zu erobern. Peter Hansen war bis jetzt davon überzeugt gewesen, dass er seine Augen wie verlässliche und gehorsame Werkzeuge zu handhaben vermochte. Hatten sie auch die Eigenschaft, ihn zu verraten?

„Es war in dir“, sagte Katharina und blickte ihn an. „Ich glaube, es hat vor drei Monaten in Baden-Baden begonnen. Habe ich recht?“ Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Ihre Hand zitterte kaum merklich. Auch in ihrer Stimme war ein leichtes Beben. Katharina gab sich Mühe, ihre Haltung zu bewahren, aber das gelang ihr nur unvollkommen.

„Ja, du hast recht“, murmelte er verblüfft.

Seine Verwirrung wuchs. Konnte Katharina hellsehen? Und wenn ja - wieso hatte er niemals etwas davon bemerkt? Bis jetzt war er der Meinung gewesen, dass Katharina nicht einmal ahnte, was er mit ihr vorhatte.

„Baden-Baden, vor drei Monaten“, sagte er kaum hörbar. „Was ist dir da aufgefallen?“

„Die Blutspritzer an deinem Sakko. Du sagtest, du hättest dich verletzt, aber du hattest nirgendwo eine Wunde. Und am nächsten Tag fanden sie die Tote.“

„Du hast den Mord mit mir in Verbindung gebracht?“, staunte er.

„Auf Anhieb. Ich wusste einfach, dass du es gewesen bist“, sagte Katharina.

„Du hast dir nichts anmerken lassen.“

„Ich wollte dich nicht verlieren.“

Er verspürte plötzlich Durst, er hatte den Wunsch, sein Cognacglas mit einem Schluck zu leeren. Aber der Schwenker stand hinter ihm, und es lag nicht in seiner Absicht, auch nur einen Schritt zurückzugehen. Erst musste er Katharina töten.

Er grinste eitel. Sie wollte ihn nicht verlieren! Das war typisch. Die Weiber waren verrückt nach ihm, das macht sie dumm und blind, sie fraßen ihm buchstäblich aus der Hand.

„Du hättest mich anzeigen können“, staunte er.

Katharina schwieg. Es gab nichts mehr zu sagen. Alles war vorbei, ihr ganzes Leben war sinnlos geworden. Sie selbst hatte es zerstört.

„Du wirst es bereuen“, wiederholte sie.

„Ich bereue niemals etwas“, versicherte er, trat vor sie hin und legte seine kräftigen Hände um den Hals der Frau. Katharina blickte ihn an. Ihre Augen schwammen in Tränen. Sie schwieg, sie wehrte sich nicht.

Plötzlich hasste er sie.

Warum machte sie es ihm so schwer? Warum unternahm sie keinen Versuch, sich zu verteidigen, warum biss und kratzte sie nicht?

Er drückte zu.

Katharinas Augen traten aus den Höhlungen. Ein tiefes Stöhnen entrang sich dem weit geöffneten Mund.

Irgendwo klirrte eine Fensterscheibe.

Peter Hansen erstarrte, ihn durchzuckte ein eisiges Erschrecken.

Hatte Katharina die Wahrheit gesagt, nahm ihre Drohung schon jetzt Gestalt an?

Er spürte, wie Katharinas Körper erschlaffte. Peter Hansen stieß die Frau zurück. Sie fiel, ohne sich zu rühren.

Peter Hansen hastete zur Tür. Er presste sein Ohr gegen die Füllung.

Stille.

Es war null Uhr fünfzig, er befand sich mit Katharina allein in dem großen Haus. Die beiden Dienstboten wohnten außerhalb. Katharina hatte sie weggeschickt - und Sylvia, Katharinas achtzehnjährige Tochter, war vor drei Tagen mit einer Freundin nach Paris geflogen.

Einbrecher? Es gab keine andere Erklärung. Peter Hansen zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen. Er warf einen Blick über seine Schulter. Katharina lag leichenblass auf der Couch, ihre Augen standen weit offen. War sie bereits tot?

Hansen begann zu schwitzen. Er durfte sich dem Einbrecher nicht zeigen, er durfte ihn nicht einmal verjagen - das würde sein Alibi zerstören. Es würde ihn anfällig machen für alle möglichen Dinge, für eine Strafanzeige zum Beispiel, oder für eine Erpressung.

Hansen hörte das Knarren eines Dielenbrettes. Er schluckte. Was bewog einen Einbrecher dazu, ein Haus zu betreten, in dessen Erdgeschossräumen Licht brannte? Plante der Unbekannte einen Überfall, oder glaubte er, dass die Bewohner weggegangen waren und das Licht nur als Einbrecherabschreckung angelassen hatten?

Es wäre für ihn kein Problem gewesen, über die Terrasse zu verschwinden und im Dunkel des Gartens unterzutauchen, aber erstens befanden sich auf dem Cognacschwenker seine Fingerabdrücke, die mussten beseitigt werden, und zweitens hing in der Dielengarderobe sein dünner Regenmantel. Im Futter befand sich ein eingenähtes Schild mit seinem Namen.

Peter Hansen löste sich von der Tür. Er huschte auf Zehenspitzen zu den beiden Lampen und knipste sie aus. Das deutliche Schalterklicken irritierte ihn.

Er kehrte an seinen Lauscherplatz zurück und schrak zusammen, als er in dem fahlen Mondlicht, das durch die geschlossenen Fenstervorhänge sickerte, entdeckte, wie sich die Türklinke bewegte.

Peter Hansen presste sich mit dem Rücken gegen die Wand. Die Tür öffnete sich im Zeitlupentempo. Sie bot ihm Deckung, aber sie machte es ihm gleichzeitig unmöglich, den Eindringling zu sehen.

Eine dunkle, hochgewachsene Gestalt schob sich in den Raum. Peter Hansen griff in seine Hosentasche, er zog das Schnappmesser hervor, das er fast immer bei sich führte. Er bewegte sich behutsam, er verursachte kein Geräusch, aber der Eindringling witterte trotzdem die jähe Gefahr. Sein Kopf flog herum, seine Hand zuckte ins Innere seines Sakkos.

Er kam nicht mehr dazu, eine Waffe aus dem Hosenbund zu reißen. Ein Knopfdruck genügte, um die Klinge von Hansens Messer einrasten zu lassen. Dann stieß er zu. Ein jähes Übelkeitsgefühl schoss in seine Kniekehlen, als er spürte, wie sein Messer bis ans Heft in den fremden Körper eindrang. Der Mann brach in die Knie, dabei entzog sich der glatte Messergriff Hansens Hand.

Stöhnend kippte der Niedergestochene mit dem Oberkörper nach vorn. Er schlug mit dem Schädel hart auf den teppichbespannten Boden.





2.

Peter Hansen verkrampfte seine Rechte in der Magengegend. Er atmete mit offenem Mund und starrte zur Tür. Jenseits des ins Zimmer ragenden Türflügels staute sich die Dunkelheit der großen Halle. War der Eindringling mit einem Komplizen gekommen? Lauerte am Ende irgendwo in der Nähe der Villa ein Aufpasser und Helfer? Galt es, auch diesen Mann unschädlich zu machen?

Hansen stand am Rande eines hysterischen Ausbruchs, ihm wurde übel.

Er war hergekommen, um Katharina zu töten.

Die Umstände hatten ihn dazu gezwungen, einen Doppelmord auszuführen.

Er schaltete das Licht an. Der Unbekannte hatte sich auf den Rücken gewälzt. Er war nicht älter als 30, ein dunkelhaariger Bursche im Jeansanzug. Der Revolver war seinen Fingern entglitten. Er lag neben ihm auf dem Boden.

Der Mann starrte mit brechenden Augen zur Zimmerdecke hoch, sein Körper reagierte mit ein paar letzten, hilflosen Zuckungen.

Peter Hansen stieß sich von der Wand ab. Er merkte, dass ihm die Wäsche am Leibe klebte. Es hatte keine Bedeutung. Er trat an die Couch heran und starrte Katharina ins Gesicht. Er fand, dass es hart aussah, es war im Tod gealtert und wirkte beinahe drohend.

Ihm fielen Katharinas Worte ein. Er verdrängte sie, machte kehrt, betrat die Halle und fing an, sich im Haus umzusehen. Ehe er Klinken und Lichtschalter berührte, umwickelte er seine Finger mit dem Taschentuch. Er hatte nicht die Absicht, mehr Fingerabdrücke als notwendig zurückzulassen.

Er entdeckte, dass der mutmaßliche Einbrecher ein Fenster in der Küche eingedrückt und geöffnet hatte.

Peter Hansen kehrte ins Wohnzimmer zurück und beugte sich über den Mann. Er war tot. Hansen beruhigte sich langsam. Er griff nach seinem Cognacglas und leerte es. Er spürte die belebende Wirkung des Alkohols und holte tief Luft. Er brachte das Glas in die Küche und wusch es sorgfältig aus, dann stellte er es zurück in den Schrank.

Er ging zu seinem in der Diele hängenden Mantel, entnahm ihm ein paar Lederhandschuhe und zog sie über. Dann lud er sich den Toten auf den Rücken und trug ihn an der Küche vorbei zum Keller. Hier befand sich eine stählerne Verbindungstür zur Garage. Hansen öffnete sie mit einer Hand. In der Garage stand neben Katharinas Opel sein BMW. Hansen lud den Toten in den Kofferraum des Wagens und bemerkte erst jetzt, dass der Weg, den er zurückgelegt hatte, von einer Blutspur gekennzeichnet worden war.

Hansens Erschrecken verwandelte sich in jähe Heiterkeit. Er lachte laut. Das Lachen schwoll in der Betongarage zu einer höllisch anmutenden Lautstärke an. Hansen brach es abrupt ab.

„Morgen finden sie die Tote”, sagte er halblaut zu sich selbst. „Sie, die Blutspur und das zerbrochene Fenster in der Küche. Die Polizei wird daraus konstruieren, dass Katharina den Einbrecher überraschte, und dass es dabei zu einer Auseinandersetzung kam, in deren Verlauf Katharina von dem Mann getötet wurde. Er wurde dabei verletzt. Das jedenfalls wird die plausibelste Erklärung für die Blutspuren sein, die zur Garage führen. Klasse! Was ich für einen lästigen und gefährlichen Zwischenfall hielt, entpuppt sich jetzt als eine Ideallösung ...“

Er machte kehrt und schlüpfte in der Halle in seinen Mantel. Er betrat ein letztes Mal das Wohnzimmer und schaute sich prüfend darin um. Es war ein riesiger, sehr eindrucksvoll möblierter Raum, aber es gab eine Menge Plunder darin, der nicht Hansens Geschmack entsprach.

„Das lasse ich ändern”, sagte er. „Das meiste davon fliegt heraus. Ich habe nicht vor, mit Sylvia in einem besseren Trödelladen zu leben!“