Unter der Drachenwand

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Fußnoten

Arno Geiger sei ausdrücklich gedankt für die Geduld und Sorgfalt, mit der er Fragen für diesen Lektüreschlüssel beantwortet hat.

Der Schlüsselbegriff der Rezeptionsästhetik stammt von Wolfgang Iser (1926–2007) und bezeichnet jene ›Lücken‹ im Text, die zwangsläufig durch die Versprachlichung und erzählerische Vermittlung (auch intentional durch den Autor) bleiben und vom Leser / der Leserin in der Imagination aufgefüllt werden müssen.

Ab 1940 wurden über 200 000 Menschen mit körperlichen, seelischen oder geistigen Behinderungen bzw. Erkrankungen systematisch von den Nationalsozialisten ermordet. 1941 wurden die Morde vor allem nach kirchlichem Protest vorübergehend unterbrochen und ab 1942 nicht mehr zentral, sondern dezentral und damit weniger sichtbar weitergeführt. Das Wissen um die Ermordung von Menschen mit einer unheilbaren Erkrankung oder einer Behinderung war weit verbreitet.

Vgl. dazu die entsprechende Anmerkung in Kapitel 9 »Wort- und Sacherläuterungen«.

Vgl. dazu Kapitel 4 »Form und literarische Technik«.

Der höchste Mannschaftsdienstgrad im Heer, der nächsthöhere Dienstgrad wäre der eines Unteroffiziers.

Dass es sich um solche handelt, thematisiert Veit Kolbe selbst (vgl. S. 419), siehe dazu aber auch die Diskussion in Kapitel 6 »Interpretationsansätze«.

Eine posttraumatische Belastungsstörung ist eine verzögerte psychische Reaktion auf ein sehr belastendes Ereignis bzw. auf eine Reihe belastender Ereignisse. Neben einer generellen vegetativen Übererregbarkeit kommt es häufig zu Flashbacks, also dem lebhaften Erinnern und Wiedererleben der traumatischen Situation(en).

Vgl. aber zur näheren Diskussion dieses Aspekts das Kapitel 6 »Interpretationsansätze«.

Vgl. auch hierzu die ausführlichere Diskussion in Kapitel 6 »Interpretationsansätze«.

Schwarzindien ist heute ein Ortsteil von St. Lorenz, während die deutlich größere Marktgemeinde Mondsee noch immer selbstständig ist.

Arno Geiger in einem Interview mit Sascha Feuchert für diesen Lektüreschlüssel.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 1. In diesem Sinne sind die Schrägstriche auch ein textimmanentes Fiktionssignal, d. h. sie markieren auch, dass es sich eben nicht um authentische Texte handelt, sondern um erfundene. Vgl. auch Kap. 6 »Interpretationsansätze«, wo die Schrägstriche innerhalb des fiktionalen Spiels interpretiert werden.

In der Verlagsfachsprache werden die Umschlagseiten durchnummeriert: U1 ist das vordere Cover, U2 und U3 sind die inneren Umschlagseiten, die in der Regel unbedruckt sind, U4 ist die hintere Umschlagseite.

Es gibt natürlich auch Tagebücher, bei denen das von vorneherein anders geplant ist und bereits ein Leser mit bedacht wird (etwa bei Tagebüchern von Schriftstellern, die zur späteren Publikation vorgesehen sind). Bei Veit Kolbe gibt es nur sehr wenig und dann auch nur dezente Hinweise, dass sein Text an jemand anderen gerichtet sein könnte, so etwa wenn er im Zusammenhang mit seiner Liebesgeschichte vermeintlich einen Leser anspricht: »Nimm es oder lass es.« (S. 205)

Es gibt weitere ähnliche Stellen (etwa S. 342). Dazu Arno Geiger: »Die kursiv gesetzten Stellen sind Teil der ›Authentizitätsfiktion‹, unmittelbare Briefzitate und unmittelbare Tagebuchzitate. Sie deuten, wenn man so will, auf eine spätere Bearbeitung durch Veit Kolbe hin.« Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 5 f.

Im Interview verweist Arno Geiger darauf, dass die Frage nach dem genauen Erzählzeitpunkt natürlich etwas betrifft, das »jenseits der eigentlichen Romanhandlung [liegt]. Aber mir würde als in den Text eincodierte Antwort gefallen: Zweite Dezemberhälfte 1944.« Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 6.

Vgl. Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 1. Ein längeres Zitat zu dieser Recherche findet sich in Kapitel 6 »Interpretationsansätze«.

Wie sehr Geigers Interesse auch dem Schreiben als Überlebensmittel gilt, wird schon aus der Gestaltung des Covers deutlich. Vgl. dazu Kapitel 6 »Interpretationsansätze«.

Eine gute Einführung zu diesem gewaltigen und einmaligen Projekt findet man bei Eckehard Czucka, »Das Echolot«, in: Walter-Kempowski-Handbuch, hrsg. von Carla Damiano, Andreas Grünes und Sascha Feuchert, Berlin/Boston 2020, S. 84–119.

Archiv der Akademie der Künste: www.adk.de/de/archiv/index.htm (Stand: 20. 4. 2020).

Auch Arno Geiger hat sich auf diesen umgetan, um geeignetes Material zu finden, wie er im Interview erwähnt. Vgl. Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 2 und Kapitel 4 »Form und literarische Technik«.

Bei der Sütterlin-Schrift handelt es sich um eine vereinfachte Ausgangsschrift der deutschen Kurrentschrift, die seit der Neuzeit bis ungefähr zur Mitte des 20. Jahrhunderts die übliche Schreibschrift in Deutschland war.

Das heißt aber nicht, dass es nicht auch Passagen gibt, die uns unverständlich bleiben (sollen). Dazu Geiger: »Bei Oskar Meyer in der Anfangspassage tritt es am stärksten hervor, der Text ist an jemand Eingeweihten gerichtet (Jeannette). Es ist mir wichtig, dass die Leserinnen und Leser keine Eingeweihten sind. Wir Nachgeborenen bleiben bis zu einem gewissen Grad uneingeweiht, außenstehend.« Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 6. Vgl. dazu auch Kapitel 9 »Wort- und Sacherläuterungen«.

Mit Landsersprache bezeichnet man den unter (den damaligen) Soldaten üblichen Jargon.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 5.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 3.

Vgl. dazu Kapitel 8 »Rezeption«.

Dies ist der hinteren Umschlagseite der Originalausgabe zu entnehmen. In der Taschenbuchausgabe findet sich ein entsprechender Vermerk im Impressum, allerdings ist da von einem »Motiv[ ]« und nicht von einer Fotografie die Rede (S. 4).

August Geiger, dem sein Sohn Arno auch ein bewegendes Buch widmete (Der alte König in seinem Exil), wurde 1926 geboren.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 2.

Vgl. dazu etwa die Rezension von Karin Großmann in der Sächsischen Zeitung vom 6. 1. 2018: »Ein abgenagtes Stück Herz. Arno Geiger inszeniert einen düsteren Reigen über die Liebe am Ende des Krieges und sieht nicht zuletzt einen Hoffnungsschimmer.«

Andreas Platthaus, »Keine Hoffnung ohne Horror. Arno Geigers meisterlicher Roman Unter der Drachenwand führt ins Weltkriegsjahr 1944 und zeigt das erschreckende Nebeneinander vom Untergang der Gesellschaft und dem Beharrungswillen des Einzelnen«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (9. 1. 2018), S. 10.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 1.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 1.

Zu diesen (fiktiven) Eingriffen in die Texte vgl. das Kapitel 4 »Form und literarische Technik«.

Manchmal schreibt sich auch der Schrecken in die Sätze Veits ein, die er dann offenbar nicht überarbeitet, um dieses Entsetzen sichtbar zu halten: so etwa, als er beobachtet, wie die beiden Gestapo-Beamten auf das Gewächshaus zugehen und dabei den Hund misshandeln. Gleich sieben Sätze hintereinander beginnen an dieser Stelle mit »[u]nd« (S. 176), um zu verdeutlichen, wie atemlos Kolbe das Geschehen verfolgt.

Vgl. dazu Kapitel 4 »Form und literarische Technik«.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 5.

Meike Fessmann, »In der Schutzblase. Mondsee, 1944: In seinem neuen Roman Unter der Drachenwand erzählt der österreichische Schriftsteller Arno Geiger von Leben, Leid und Lieben eines jungen Kriegsversehrten«, in: Süddeutsche Zeitung (10. 1. 2018), S. 12.

Fessmann (s. Anm. 40), S. 12. Das bedeutet aber nicht, dass Veit Kolbe nicht auch zur Ironie fähig ist (S. 14).

Es sei nur am Rande bemerkt, dass es erstaunlich ist, dass mit Kurts Vater ein an und für sich überzeugter Nationalsozialist diesen Ratschlag erteilt.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 3.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 3.

Mit der Erwähnung des Heimhofs, dessen Name hier wie eine Art Codewort zwischen den beiden funktioniert, ist – wie es Arno Geiger selbst formuliert – »ganz leise eine Verbindung zwischen dem Brasilianer und der Lagerlehrerin an[ge]deutet«. Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 6.

Es sei darauf hingewiesen, dass Margarete und Margot eigentlich denselben Namen tragen (beide bedeuten ursprünglich »Perle«): Vielleicht ist damit angedeutet, dass die Chance zu einer glückenden und für Veit befreienden Beziehung bei beiden bestanden hätte.

Die biografischen und bibliografischen Informationen verdanken sich – wo nicht anders vermerkt – dem informativen Eintrag von Jürgen Nelles im Kritischen Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur: Vgl. Jürgen Nelles, »Arno Geiger«, in: Munzinger Online / Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, hier S. 1, http://www.munzinger.de/document/16000000766, (Stand: 18. 5. 2020).

Nelles (s. Anm. 47), S. 12.

Der nachstehende Überblick über Geigers Werk konzentriert sich auf die Romane, sein Erzählungsband Anna nicht vergessen (2007) und weitere kleinere Arbeiten bleiben hier unberücksichtigt.

Nelles (s. Anm. 47), S. 2.

Nelles (s. Anm. 47), S. 3.

Nelles (s. Anm. 47), S. 3.

Nelles (s. Amn. 47), S. 4.

www.deutscher-buchpreis.de/archiv/jahr/2005/ (Stand: 28. 4. 2020).

Nelles (s. Anm. 47), S. 5.

Aus der umfangreichen und komplexen Romanhandlung mit ihren unterschiedlichen Ebenen kann hier nur ein kleiner Teil herausgegriffen werden. Ausführlich und fehlerfrei wird der Inhalt aber auf Wikipedia zusammengefasst: https://de. wikipedia.org/wiki/Es_geht_uns_gut (Stand: 28. 4. 2020). Das gilt im Übrigen nicht für die dortige Zusammenfassung von Unter der Drachenwand, die einige Fehler bzw. Ungenauigkeiten enthält und zudem Erzählstränge einfach weglässt.

Nelles (s. Anm. 47), S. 7.

Meike Fessmann, »Wo ist bloß die Postkarte aus Argentinien geblieben? Ein Abenteuerroman über die Ehe, in dem zum Glück ein Stützstrumpf allgegenwärtig ist: Arno Geigers neues Buch Alles über Sally«, in: Süddeutsche Zeitung (11. 2. 2010), S. 18.

Nelles (s. Anm. 47), S. 11.

Felicitas von Lovenberg, »Wenn einer nichts weiß und doch alles versteht. Arno Geiger hat ein Buch über seinen dementen Vater geschrieben«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (4. 2. 2011), S. 32.

Christopher Schmidt, »Die Krone des Sohnes. Falsche Idylle: Arno Geiger hat ein rührseliges Buch über seinen demenzkranken Vater geschrieben«, in: Süddeutsche Zeitung (11. 2. 2011), S. 14.

Hubert Spiegel, »Das Paradies ist ein Tümpel mit Flusspferd. Arno Geigers neuer Roman handelt von einem jungen Mann, der altersbedingt nicht weiß, dass er nicht weiß, was er will – in der Liebe und im Leben«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (7. 2. 2015), S. 12.

Nelles (s. Anm. 47), S. 12.

Paul Jandl, »Von der Geschäftstüchtigkeit der Firma Blut und Boden. In den Kriegswinter 1944 schaut Arno Geiger in seinem neuen Roman. Er findet in den Winzigkeiten des Lebens einen Rest an Menschlichkeit«, in: Neue Zürcher Zeitung, (6. 1. 2018), S. 40.

Eine ausführliche Webseite orientiert über die Aktionen, gibt aber auch viele zusätzliche Informationen zum Roman bzw. seinem Kontext: www.stuttgarter-schriftstellerhaus.de (Stand: 20. 4. 2020). Ebenso ist eine überaus informative Nachlese erschienen, die beim Schriftstellerhaus Stuttgart angefordert werden kann.

Fritz Kuhn, »Stuttgart liest ein Buch!«, in: Arno Geiger: Unter Drachenwand. Sonderausgabe für ›Stuttgart liest ein Buch‹, München 2019, S. 1.

Hier zitiert nach Kuhn (s. Anm. 66), S. 4.

Zitiert nach Victor Ströver, »Der Bremer Literaturpreis 2019 geht an Arno Geiger / Förderpreis für Heinz Helle, in: Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung, www.rudolf-alexander-schroeder-stiftung.de/der-bremer-literaturpreis-2019-geht-an-arno-geiger-foerderpreis-fuer-heinz-helle/ (Stand: 28. 4. 2020). 2019 folgte auch noch der mit 10 000 Euro dotierte Europese Literatuurprijs für die niederländische Übersetzung des Romans.

Fessmann (s. Anm. 40), S. 12.

Fessmann (s. Anm. 40), S. 12.

Fessmann (s. Anm. 40), S. 12.

Fessmann (s. Anm. 40), S. 12.

Jandl (s. Anm. 64), S. 40.

Jandl (s. Anm. 64), S. 40.

Jandl (s. Anm. 64), S. 40.

Vgl. dazu Kapitel 5 »Quellen und Kontexte«.

Iris Radisch, »Stimmen des Krieges. Was weiß man schon vom Lebensgefühl vergangener Zeiten? Arno Geigers Roman Unter der Drachenwand rekonstruiert einfühlsam die Gemütslage am Ende des Zweiten Weltkrieges«, in: Die Zeit (11. 1. 2018), S. 43.

Radisch (s. Anm. 77), S. 43. 

Platthaus (s. Anm. 33), S. 10.

Platthaus (s. Anm. 33), S. 10. – Arno Schmidt (1914–1979) gilt als einer der bedeutendsten – und schwierigsten – Autoren der Nachkriegszeit. Seine Erzählung Leviathan oder Die beste der Welten entstand bereits 1946 und beginnt mit einer Herausgeberfiktion, durch die deutlich wird, dass die eigentliche Erzählung das Tagebuch eines deutschen Soldaten ist, der von seiner Flucht aus Schlesien bis offenbar kurz vor seinem Selbstmord berichtet. Innerhalb der Binnenerzählung kommt es u. a. zu einer harten Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus.

Werner Krause, »Arno Geiger und die Liebe in Zeiten des Krieges. Es mag verwundern, schon jetzt von einem Buch des Jahres zu schwärmen. Aber Arno Geigers großartige Kriegsgeschichte Unter der Drachenwand macht diese frühe Kür völlig risikofrei«, in: Kleine Zeitung (5. 1. 2018), www. kleinezeitung.at/kultur/buecher/5348331/Buch-der-Woche_Arno-Geiger-und-die-Liebe-in-Zeiten-des-Krieges (Stand: 28. 4. 2020).

Krause (s. Anm. 81).

Judith von Sternburg, »So muss sich das damals angefühlt haben, im Jahr 1944. In seinem neuen Roman Unter der Drachenwand erzählt der 1968 geborene Arno Geiger wie selbstverständlich vom Allesverschlinger Krieg«, in: Frankfurter Rundschau (8. 1. 2018), S. 21.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 6.

Interview Geiger/Feuchert (s. Anm. 12), S. 6.

Veit Kolbe äußert schon recht früh in der Erzählung einen ähnlichen (zynischen) Gedanken, der ihm angesichts der Tatsache kommt, im Gegensatz zu seinem Beifahrer überlebt zu haben: »Das Unglück der anderen macht das eigene Davonkommen gut sichtbar.« (S. 15)

Autor

Arno Geiger (geb. 1968), österreichischer Schriftsteller

Erscheinungsjahr

2018

Gattung

Roman

Handlungszeit

Dezember 1943 bis Dezember 1944 (inkl. Rückblicke)

Erzählerische Vermittlung

Vier Ich-Erzähler, ein auktorialer Erzähler

 

Handlung: Der Roman hat zwei Parallelhandlungen Handlungsstränge. Die Haupterzählung entfaltet sich um den anfangs knapp 24-jährigen Soldaten Veit Kolbe, der 1944 im Krieg an der Ostfront verwundet wurde und das Lazarett schließlich verlassen darf, um sich zu Hause weiter zu erholen. In Wien bei seinen Eltern hält er es aber nicht allzu lange aus und begibt sich zu seinem Onkel Johann an den Mondsee im Salzkammergut. Der Bruder seines Vaters amtiert dort als Postenkommandant der Gendarmerie und kann Veit bei einer Quartierfrau in seiner Nähe unterbringen. Der junge Mann ist vom Krieg hoch traumatisiert und erleidet immer wieder Angstanfälle, die er schließlich auf Anraten eines örtlichen Arztes mit Pervitin, einem Metaamphetamin, zu bekämpfen sucht. In der vom Krieg noch weitgehend verschonten Gegend trifft Veit zwei junge Frauen, die ihn interessieren: Margarete, eine etwa gleichaltrige Lehrerin aus Wien, die in Schwarzindien, einem kleinen Ort am See, landverschickte Mädchen beaufsichtigt und unterrichtet, und Margot, eine junge Darmstädterin, die mit einem

Als Parallelhandlung, die nur lose mit den anderen Figuren verknüpft ist, wird vom Schicksal des jüdischen Zahntechnikers Oskar Meyer und seiner Familie berichtet. Meyer hat einmal in derselben Gasse in Wien gewohnt wie Veit Kolbe, bevor die Judenverfolgung einsetzte. Die fortgesetzten Erniedrigungen und die enorme Gefahr, deportiert zu werden, bringen ihn 1942 dazu, mit seiner Frau Wally und seinem Sohn Georg nach Budapest zu fliehen (ein weiterer Sohn, Bernhard, konnte ins Exil nach England gehen). In Budapest geht es der Familie zunächst etwas besser. Doch 1944 marschieren

Werkaufbau: Die Handlung wird nicht aus einer übergeordneten Perspektive vermittelt, sondern es kommen vier Vier Ich-Erzähler Ich-Erzähler zu Wort: Der wichtigste ist Veit Kolbe, der in einem (offenbar überarbeiteten) Tagebuch über seine Zeit in Mondsee berichtet. Ergänzend zu seinen Schilderungen treten Briefe von Margots Mutter Lore Neff, die über das Leben im vom Luftkrieg erschütterten Darmstadt und über Margots Familie berichtet, sowie von Kurt Ritler, der mit seiner 13 Jahre alten Cousine Nanni Schaller eine erste Liebe gefunden hat, die tragisch endet.

Der zweite Erzählstrang wird durch die Briefe und Tagebuchaufzeichnungen Oskar Meyers vermittelt, der vom Schicksal seiner Familie in Wien und Budapest berichtet und dessen Stimme ein letztes Mal zu vernehmen ist, als er in Hainburg zur Zwangsarbeit angekommen ist. Noch einmal wird er danach in Veits Tagebuch erscheinen, der ihm zufällig begegnet, ohne ihn freilich zu (er-)kennen. Nur an dieser Stelle sind die beiden Erzählstränge direkt verbunden.

Abgeschlossen wird der Roman von den Nachbemerkungen eines fiktiven Fiktiver Herausgeber Herausgebers, der über den weiteren Lebensweg der wichtigsten Figuren informiert.

Mithilfe einer genauen Rekonstruktion der Handlung und der sorgsamen Analyse der komplexen erzählerischen Vermittlung will dieser Lektüreschlüssel versuchen, auch diese weitereichenden Fragen freizulegen und im Kontext des Romangeschehens zu problematisieren. Immer wieder kann dabei auf Aussagen des Autors zurückgegriffen werden, der in einem Interview Aufschluss über seine Motivation und seine Arbeitsweise gegeben hat.1 Auch wenn der Leser letztendlich ›den Text macht‹, indem er mit seiner Phantasie und mit

Im Himmel, ganz oben: Der Roman beginnt Plötzlicher Beginn plötzlich (medias in res) und dramatisch: Rückblickend erzählt Veit Kolbe vom Moment seiner Verwundung im Russlandfeldzug, bei der er sich Wunden an der Wange, unter der Schulter, am Kiefer und vor allem am Oberschenkel zuzieht (S. 7). Die Nächte im saarländischen Lazarett, in das er transportiert wird, stehen in denkbar größtem Kontrast zu jenen an der Ostfront, sie erscheinen geradezu idyllisch. Und doch ist mit dieser scheinbaren Idylle einiges nicht in Ordnung: Ein »Bäckerjunge aus der Stadt« (S. 16) berichtet Kolbe, dass das Militärspital »früher ein Pflegeheim gewesen« sei, das »vor einigen Jahren geleert« wurde (S. 16).3

Im Laufe des ersten Kapitels wird auch deutlich, wie sehr der Krieg Veit körperlich, vor allem aber seelisch zerstört, das Soldatendasein schrumpft für ihn zusammen auf »fünf verlorene[ ] Jahre« (S. 17). Da Veit Kolbe »kein schwerer Fall« (S. 10) ist, wird er zur häuslichen Pflege heim nach Wien geschickt.

Seit meinem letzten Aufenthalt: 15 Monate war Veit nicht mehr zu Hause und die Kriegserfahrung hat ihn weit von seinen Konflikte mit Eltern Eltern entfernt. Vor allem das Gerede

Eine halbe Fahrstunde von Salzburg: Veit bezieht ein kaltes, karg eingerichtetes Unterkunft in Mondsee Zimmer in einem Bauernhaus, dessen Bett einem »hin- und herschaukelnden Gerüst« (S. 34) gleicht, »das obendrein unangenehm roch«. Da Veit »reichlich mit Geld versehen« (S. 44) ist, investiert er sogleich in eine erträglichere Ausstattung. Er beschreibt ausführlich seine neue Umgebung, die ihm durchaus gefällt, und auch seine Nachbarin, die neben ihm im Bauernhaus ein Zimmer bezogen hat: Es ist eine junge Frau aus Darmstadt, die mit einem Soldaten aus der Nähe verheiratet ist und ein kleines Kind dabeihat. Von seiner Vermieterin, der schroffen und tratschenden Quartierfrau, erfährt der junge Soldat ungewollt von den gesundheitlichen Problemen der Darmstädterin. Auch einen Antrittsbesuch beim Onkel absolviert der knapp

In Mondsee beginnt sich Veits Verhältnis zum Krieg zu verändern: Zum einen ist er durch den Rückzug in die Provinz nur noch in einer Beobachterposition, doch zum anderen erleidet Veit, der schon daran gewöhnt war, dass sein »Körper von einer Sekunde auf die andere in einen akuten Alarmzustand wechselte« (S. 34), eine erste PanikattackePanikattacke als Ausdruck seines Kriegstraumas (S. 39).

Während der neue Ofen: Veit beginnt sich in seinem neuen Zuhause einzurichten, er legt an Gewicht zu, seine Muskeln entspannen sich. Mit dem Onkel kommt er sich offenbar näher (S. 51), sein Verwandter vertraut ihm auch an, warum er sich von seiner Ehefrau, die er »dumm« (S. 52) und »egoistisch« nennt, getrennt habe.

Veit trifft zusammen mit dem Onkel die Lehrerin der landverschickten Wiener Mädchen wieder und spricht sie mutig an. Margarete und Margot Margarete Bildstein, so ihr Name, lässt Veit aber abblitzen. Zu ihrer Distanz trägt sicher auch bei, dass Veit erstaunt wirkt und einen Moment zu lange zögert, als sie ihm erzählt, sie wohne in Wien im Heimhof (S. 54).4

Mit seiner Zimmernachbarin, der Darmstädterin, beginnt er indes zarte Bande zu knüpfen: Sie enthüllt ihm, dass er offenbar »Selbstgespräche führ[e], [s]ein Lieblingssatz sei ›Das werden wir noch sehen!‹« (S. 59). Er

Nach einem zweitägigen kurzen Antäuschen: Veit lernt seine Quartierfrau immer besser kennen – und fürchten. Die Vermieterin ist eine aufbrausende Parteianhängerin, die im ganzen Dorf verschrien zu sein scheint (S. 60).