
gilt als einer der führenden internationalen Faszienforscher, ist promovierter Humanbiologie, Certified Rolfer und Diplom-Psychologe. An der Universität Ulm leitet er als Wissenschaftler seine eigene Forschungsgruppe zu Faszien, zusätzlich arbeitet er als Manualtherapeut in eigener Rolfing-Praxis. Als Dozent hält er Vorträge im Bereich Physiotherapie, Trainingswissenschaft sowie Osteopathie und arbeitet zusammen mit Wissenschaftlern und Therapeuten in einem weltweiten Netzwerk an der Erforschung des Bindegewebes.

ist Wissenschaftsjournalistin und Autorin für Fernsehsendungen in ARD, WDR und Arte sowie für Publikumsmagazine. Sie arbeitet regelmäßig zu medizinischen Themen, darunter Muskeln und Bewegung, Hirnforschung und Anthropologie sowie zu Ernährung, auch auf ihrem mehrfach ausgezeichneten Blog »Quark und so«. Mit der Faszienforschung und ihrer Bedeutung für Training, Alltag und Schmerztherapie beschäftigt sie sich seit 2009 und hat darüber in Fernsehsendungen und Presseartikeln berichtet.
Galloway, Jeff: Die Run Walk Run Methode: Jeder kann laufen, Meyer & Meyer, Aachen 2016
Kreutzer, Martin; Larsen, Anne: Die Anti-Entzündungs-Diät, riva Verlag, München, 2017
Müller-Wohlfahrt, Dr. Hans-Wilhelm: Mensch, beweg dich! So stärken Sie Ihr Bindegewebe, dtv, München 2004
Myers, Thomas: Anatomy Trains – Myofasziale Leitbahnen, 3. Auflage, Elsevier, München 2015
Pischinger, Alfred, Heine, Hartmut, Missoni, Gerda: Das System der Grundregulation, Grundlagen für eine ganzheitsbiologische Theorie der Medizin, Verlag Karl. F. Haug, Heidelberg 2014
Schifter, Roland; Harms, Elke (Hrsg.): Bindegewebsmassage: Neuronale Abläufe – Befund – Praxis, 16. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart 2016
Schleip, Robert; Baker, Amanda: Faszien in Sport und Alltag, riva Verlag, München 2015
Schleip, Robert; Buschmann, Berengar; Bayer, Johanna: Faszien-Krafttraining, riva Verlag, München 2016
Schleip, Robert u. a. (Hrsg.): Lehrbuch Faszien, Elsevier Urban & Fischer, München 2014
Fascial Fitness in Deutschland: Trainingsnetzwerk mit Informationen, Liste zertifizierter Trainer in ganz Deutschland sowie Informationen zur Ausbildung:
www.fascial-fitness.de
Fasziales Beckenbodentraining sowie weitere faszienorientierte Fortbildungsveranstaltungen, organisiert von der Körpertherapeutin Divo Müller, München und Kollegen:
www.somaticsacademy.de
Rolfing-Organisation in Deutschland, mit Therapeutenliste, auch international:
rolfing.org
Unsere Faszienforschungsgruppe an der Universität Ulm (engl.):
www.fasciaresearch.de
Hartschaumrollen für Faszienübungen im Sportfachhandel oder über:
www.perform-better.de
www.corocord.de
www.playfit.de
www.gartenderbewegung.at
Adobe Stock/zstock: 25
Barto: 116 li.
Beate Michalke/www.beate-michalke.de: 9
BLACKROLL©Sebastian Schöffel: 247, 250 2. v.o., 250 3. v.o., 250 2. v. u., 251 1. v. u, 251 2. v. u.
Collage unter Verwendung von Bildern von Shutterstock: 258
Dr. Christian Schmelzer, Dr. Andrea Heinz, Institut für Angewandte Dermatopharmazie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V., Halle (Saale): 27 re., 81
Endovivo Productions und Dr. J. Guimberteau, mit freundlicher Genehmigung: 17
European Rolfing Association e. V.: 45, 239
fascialnet.com: 12, 33, 37 o., 80
fle.xx Rückgratkonzept GmbH, fle-xx. com: 251 2. v. o.
Fotografie Meyer im Hagen/Hamburg: 8
Fotolia: adimas: 38; bilderzwerg: 144
Getty Images: Mark Wieland: 84; Steve Schapiro: 58
Hermann Baumann, Berlin, aus: Medau, Hinrich: Deutsche Gymnastik. Lehrweise Medau, Union Deutsche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 1940: 77
imago/Ulmer: 16
iStockphoto/Lorado: 98
Karger Publishers, mit freundlicher Genehmigung, Bild modifiziert nach Nishimura et al. 1994 (Acta Anat. 151: 250–257): 37 u.
Kristin Hoffmann, nach einer Illustration aus: Rode, Christian (2010): Interaction Between Passive and Contractile Muscle Elements: Re-evaluation and New Mechanisms, PhD thesis, Jena, Germany, siehe auch: http://wiki.ifs-tud.de/_media/biomechanik/projekte/interaktion_zwischen_passiven_und_kontraktilen_muskelelementen_neubewertung_und_neue_mechanismen_von_dr._christian_rode.pdf, basierend auf einer Illustration aus: Hill, A. V.: The heat of shortening and the dynamic constants of muscle. Proceedings of the Royal Society of London: Series B, 1938, 126, 136–195: 62
Kristin Hoffmann: 30, 63, 69 re., 70, 146
Leni Riefenstahl © Archiv Leni LRP: 76 u. li., u. re.
PINO Pharmazeutische Präparate GmbH, www.pinoshop.de: 250 4. v. o.
riva Verlag, in Anlehnung an shutterstock/Soul wind: 114, 118 u.
riva Verlag: 29, 115, 117, 118 o., 120 ff., 123 f, 126 ff, 191, 241, 251 3. v.o.
Robert Schleip, mit freundlicher Genehmigung, modifiziert nach: Kawakami, Y, Muraoka, T, Ito, S, Kaneshisa, H, Fukunaga, T (2002): In Vivo Muscle Fibre Behaviour during Countermovement Exercisen in Humans Reveals a Significant Role for Tendon Elasticity. J Physiol 540 (2): 635–646: 87 ff.
Robert Schleip, mit freundlicher Genehmigung, modifiziert nach: Reeves, ND, Narici, MV, Maganaris, CN (2006): Myotendinous Plasticity to Ageing and Resistance Exercise in Humans. In: Exp Physiol 91(3): 483–498: 79 o.
Robert Schleip: 21
Schelke Fotografie: 10, 269 o.
Schünke M, Schulte E, Schumacher U et al., Hrsg. Prometheus LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 4. Auflage, Thieme, Stuttgart 2014, Abb. 1. 9 B, S. 118, Illustration von Karl Wesker: 55
ScienceFoto.de/Dr. André Kempe: 27 li.
Shutterstock com: Andrey Plis: 104; Andrey_Popov: 53; AntonMaltsev: 86; Barber 6: 64 li.; bitt24: 256; chaoss: 19; Claire Lucia: 60; De Visu: 95; Digital Genetics: 72 ff., 75; dlodewijks: 64 re.; eastern light photography: 83 re.; Elena Schweitzer: 264; fizkes: 141, 234; george green: 65; iLight photo: 246; Jose Gil: 116 re.; KieferPix: 259; Kingapl: 261; Lapina: 59; leonori/bearbeitet von Manuela Amode: 257; Maridav: 83 li.; mokokomo: 68; Nanette Grebe: 237; Petar Djordjevic: 236; ProSha: 69 li.; Radu Razvan/bearbeitet von Maria Wittek: 220; Rawpicel.com: 100; Samo Trebizan: 92; Scott Tomer: 93; SJ Allen: 66; snapgalleria: 52; stihii: 61; Suzanne Tucker: 96; Syda Productions: 232; topseller: 31; Valeria Aksakova: 263; VIZAPHOTO PHOTOGRAPHER: 255
Springer Science + Business Media aus Järvinen, Tero A. H.: Organization and Distribution of Intramuscular Connective Tissue in Normal and Immobilized Skeletal Muscles. In: Journal of Muscle Research and Cell Motility, Jan. 2002, fig. 6: 79 u.
Tittel, Kurt: Beschreibende und funktionelle Anatomie, 15. Auflage, Kiener Verlag, München 2012, S. 273: 76 o. li.
Tittel, Kurt: Beschreibende und funktionelle Anatomie, 15. Auflage, Kiener Verlag, München 2012, S. 324: 76 o. re.
TOGU GmbH, www.togu.de: 250 3. v. u., 4. v. u.
TRJavelin [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], vom Wikimedia Commons: 82
Vukašin Latinović: 103, 107, 109, 111 f, 133 f., 137, 143, 145, 147, 149, 151, 153, 155, 157, 159, 161, 163, 165 ff., 169, 170 ff., 173, 175 ff., 179, 181 f, 184 f, 187 ff., 190, 192 ff., 196 ff., 200 ff., 203 f, 206 f, 209, 212 f, 215 ff., 218 f, 221 ff., 224 ff., 227, 250 1. v. o, 1. v. u., 251 1. v. o., 269 u.
www.bv-osteopathie.de, Bundesverband Osteopathie e. V., BVO: 240
www.eden-reha.de, mit freundlicher Genehmigung: 7
Das Basisprogramm
Füße ausrollen
Elastische Sprünge für Waden und Achillessehne
Vordere und hintere Linie dehnen: der Adlerflug
Taille und Seiten dehnen: die Adlerschwinge am Stuhl
Schultern und Schultergürtel aktivieren: Rückfedern mit den Armen
Nacken und Rücken entspannen: die Wirbelschlange
Übungen für Problemzonen: Rücken, Nacken, Arme, Hüften, Füße
Ein kleines Rückenprogramm
Die Lendenfaszie ausrollen
Den Rücken dehnen: die Katze
Afrikanisches Bücken
Das fliegende Schwert
Die Wirbelkette entlasten
Im Büro: Probleme in Nacken, Armen und Schultern
Die Schultern dehnen
Freiheit für den Nacken
Entspannung für müde Unterarme
Schwung für den ganzen Körper: der schwingende Bambus
Rund um die Hüfte
Die Oberschenkelaußenseite ausrollen
Die Oberschenkel außen aktivieren
Die Beine schwingen
Der Rochen
Für Füße und Gang
Ausrollen der Plantarfaszie
Die Fußsohlen sensibilisieren
Die Beine schwingen
Elastische Sprünge für Füße, Waden und Achillessehne
Die Achillessehne dehnen
Für Wikinger, Schlangenmenschen und Crossover-Typen
Wikinger mit festem Bindegewebe
Den Brustkorb öffnen
Das fliegende Schwert
Schlangenmenschen mit eher weichem Bindegewebe
Für Schulter und Brust: Bruststraffer
Crossover-Typen
Die Achillessehne dehnen
Die Lendenfaszie ausrollen
Was Männer und Frauen interessiert
Übungen und Tipps für Frauen
Die Oberschenkel ausrollen
Oberschenkel und Po straffen
Der Bauchstraffer
Übungen und Tipps für Männer
Der Flamingo
Werfen
Die Adduktoren dehnen
Übungen für Sportler
Sportartspezifische Faszienpflege
Selbsthilfe bei Muskelkater
Die Waden ausrollen
Ausrollen anderer Körperstellen bei Muskelkater
Langsames Dehnen bei Muskelkater: der Elefantenschritt
Ausgleichsübungen für Läufer
Die Achillessehne dehnen
Laufvarianten
Hinweise für Radfaherer
Der Alltag als Übung: mehr kreative Bewegung!
Der Treppentanz
Lichtschalter-Kung-Fu
Afrikanisches Bücken im Alltag
Ältere Menschen
Der schwingende Bambus
Das fliegende Schwert
Bevor Sie trainieren, sollten Sie mehr über die Faszien und die Bedeutung des Bindegewebes für Ihren Körper wissen. Denn das Bindegewebe ist erstaunlich vielfältig und hat Funktionen, die den ganzen Organismus betreffen. Deshalb möchte ich Ihnen in diesem Kapitel einen Überblick über die verschiedenen Typen von Fasziengewebe und seine Eigenschaften geben. Sie werden sehen, dass bestimmte Grundfunktionen des Bindegewebes für fast alle Typen gleich sind. Und nicht nur das – die Faszien sind über weite Körperstrecken vernetzt, auch über verschiedene Organe hinweg. Das alles hat Auswirkungen auf die Art des Trainings, das ich mit meinen Kollegen entwickelt habe und das wir Ihnen in Kapitel 3 vorstellen. Noch wichtiger werden diese Eigenschaften oder Funktionen dann, wenn man bedenkt, dass sie auch mit Schmerzen, bestimmten Krankheiten oder Funktionseinschränkungen zusammenhängen, sich im Alter verändern und sogar die psychische Gesundheit beeinflussen können. Dazu werfen wir in diesem Kapitel auch einen Blick auf die Wissenschaft von den Faszien.
Die folgenden Abschnitte sind daher wichtig, wenn Sie von Ihrem Training maximal profitieren wollen. Wer es sehr eilig hat, wird sie vielleicht überspringen wollen und gleich zu den Übungen in Kapitel 3 blättern. In einer ruhigen Minute sollten Sie die Lektüre allerdings besser nachholen – Sie werden mehr von den Übungen haben und vielleicht wichtige Erkenntnisse in Ihren Alltag übernehmen können.
Wahrscheinlich hat jeder schon einmal ein Stück Fasziengewebe in der Hand gehabt und sogar mit dem Messer traktiert – in der Küche. Wenn wir Fleisch zubereiten, ist das meistens das Muskelfleisch von Tieren, und dort bekommen wir oft die dazugehörigen Faszien zu Gesicht: Sie durchziehen als feine Marmorierung die Fleischstücke und sitzen sichtbar als weiße Schicht darauf. In der Regel schneiden Metzger, Koch oder Hausfrau die Sehnen und fast alle weißen Schichten weg. Je nach Fleischsorte und Gericht behält man sie manchmal aber auch, denn sie geben Geschmack und Fett ab. Wenn man es bei einem Schweinebraten zum Beispiel auf eine schöne, knusprige Schwarte abgesehen hat, lässt man ein dickes Stück der Bauchfaszie samt Fett am Braten. Bei einem typischen Roastbeef, das aus der Lende stammt, ist wie hier im Bild meistens ein Teil der großen Rückenfaszie des Tieres zu sehen. Sie wird zum Braten eingekerbt. Diese Faszien, die Sie im Bild sehen, sind also Muskelfaszien, es gibt aber auch andere Typen von faszialem Gewebe, etwa in den Eingeweiden. In diesem Buch konzentrieren wir uns jedoch auf Faszien des Bewegungsapparates, also auf die Muskelfaszien.

Faszien live: ein typisches Roastbeef, innen fein marmoriert mit Fett und Bindegewebe. Die weiße Schicht obendrauf ist ein Stück der großen Rückenfaszie.
Faszien bestehen im Wesentlichen aus den Urbausteinen des Lebens: Protein und Wasser. Wie das Gewebe genau zusammengesetzt ist, entscheidet die Funktion an der Körperstelle, an der es sich befindet. Diese Funktionen und damit die Bautypen sind so vielfältig, dass dies für Nicht-Fachleute verwirrend sein kann. Und auch Fachleute haben sie bis vor Kurzem nicht unter einem einheitlichen Blickwinkel betrachtet. Sehr wohl bekannt war den Medizinern, Physiologen und Anatomen allerdings, dass die großen Faszienblätter, auch Sehnen und Bänder, die strammen Hüllen um Organe wie Niere oder Herz, die hauchdünnen Schichten rund um Muskelbündel sowie die Gelenkkapseln aus denselben Grundelementen bestehen und dass sie alle mit dem lockeren Unterhautfettgewebe, dem losen, netzartigen Füllgewebe im Bauchraum und sogar mit Knorpeln und Fettgewebe wesentliche Bau- und Funktionsprinzipien gemein haben. Tatsächlich handelt es sich bei allem Bindegewebe um eine Art Universalbaustoff im Körper: Es sind Fasern in einem Netz, das mal fester, mal lockerer geknüpft ist und mal mehr, mal weniger Flüssigkeit enthält. Dieses Netz kann sowohl dehnbar als auch dicht, zug- und reißfest oder weich und lose sein. Und immer besteht es aus denselben Bausteinen in unterschiedlichen Anteilen: Kollagen, Elastin und einer wässrigen bis gelartigen Grundsubstanz.
Auf dem ersten Weltkongress zur Faszienforschung 2007 haben daher die Initiatoren, zu denen auch ich gehörte, beschlossen, den Begriff neu zu fassen: Das faserige Bindegewebe im Bewegungsapparat sowie die festen Hüllen um die Organe bezeichneten wir fortan als »Faszien«. Wir wollten außerdem die Gesamtheit der Bindegewebsfunktionen im Blick behalten. Unser Veranstaltungsteam zog damit die Konsequenz aus dem Wissen, das Ärzte, Physiologen, Biologen, Orthopäden, Anatomen, aber auch Physiotherapeuten und Masseure, Bewegungstherapeuten und alternative Heiler aller Disziplinen seit den 1960er-Jahren zusammengetragen hatten.
Als dieses Buch 2014 erschien, gab es an dem umfassenden Faszienbegriff, den wir hier verwenden, vereinzelt noch Kritik aus der Fachwelt. Doch inzwischen hat sich das geändert: Das Konzept eines zusammenhängenden Fasziennetzwerkes im menschlichen Körper ist unter Orthopäden und auch bei Sportwissenschaftlern inzwischen akzeptiert. Weitere Kritik betraf das Faszientraining, etwa mit folgendem Einwand: »Faszien kann man nicht gezielt trainieren, denn sie sind untrennbar mit den Muskeln verbunden.«
Diese auf den ersten Blick plausible Überlegung wurde immer wieder vorgebracht, auch von renommierten Experten. Aber auch hier haben die Kollegen inzwischen umgelernt. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass das kollagene Gewebe andere Reizschwellen und Anpassungszeiten hat als die Muskelfasern, und dass es daher richtig ist, ein spezifisch dosiertes und ausgerichtetes Faszientraining zu praktizieren. In einigen Fällen sind es dieselben Kritiker, die sich bei der Erstausgabe des Buches noch klar gegen eine spezifische Trainierbarkeit der Faszien aussprachen, die heute – und das erfüllt uns mit Freude – umgeschwenkt sind und jetzt auch selbst das Faszientraining propagieren.
Als Bestandteil der Faszien spielen vor allem Kollagene eine Rolle. Kollagene sind recht feste Fasern, die dem Menschen und allen Wirbeltieren buchstäblich Form geben. Man nennt sie deshalb auch Gerüsteiweiße oder Strukturproteine. Mit einem Anteil von 30 Prozent sind Kollagene die am häufigsten im Körper vorkommenden Proteine, also wahrhaft ein Urstoff: Sogar die Knochen gehen ursprünglich aus Kollagenfasern hervor. Im Mutterleib produziert der Embryo zunächst Kollagen, das dann Mineralien, darunter Kalzium, einlagert. So wird aus weichen Fasern harter Knochen.

Diese Aufnahmen von Kollagenfasern stammen von einem Rasterelektronenmikroskop mit extremer Vergrößerung.
Die Kollagene gibt es in rund 28 unterschiedlichen Typen, davon sind vier sehr häufig. Und sie haben interessante mechanische Eigenschaften: Sie sind leicht dehnbar und trotzdem sehr reißfest – ihre Zugfestigkeit ist höher als die von Stahl!
Elastin ist das zweite Faserelement, das im Fasziengewebe vorkommt. Elastinfasern sind besonders dehnbar: Bei Zug können sie sich auf bis zu 150 Prozent der Ausgangslänge ausdehnen und anschließend in ihre alte Form zurückkehren, wie ein Gummi. Der Name »Elastin« deutet auf diese wichtige Eigenschaft hin, denn Elastin kann sich auf mehr als die doppelte Länge ausdehnen, bevor es – bei Überlastung – schließlich reißt.

Stark vergrößert dargestellte Elastinfasern aus der Hauptschlagader.
Die Dehnbarkeit ist gerade für Körperteile wichtig, die mechanisch beansprucht werden oder ihre Form verändern müssen, für die Blase zum Beispiel, die sich abwechselnd füllt und entleert. Dank des hohen Anteils an Elastin kann sie sich wie ein Luftballon ausdehnen und wieder zusammenziehen. Auch die Haut, die bei Bewegungen immer gedehnt wird, enthält Elastin.
Allerdings stimmt es nicht, dass die Elastinfasern für die elastische Federung der Faszien verantwortlich sind. Elastin ist zwar, ähnlich einem Kaugummi, sehr dehnbar, aber es sind die Kollagenfasern, die Bewegungsenergie speichern und sie wie ein Katapult wieder abgeben. Dieses Phänomen erklären wir noch ausführlich im nächsten Kapitel. Fürs Erste ist der Unterschied zwischen Elastin- und Kollagenfasern wichtig. Die Verwirrung dabei liegt an unserer Alltagssprache: Hier ist bei dem Begriff »Elastizität« oft unklar, ob damit hohe Dehnbarkeit wie bei einem Kaugummi oder eine hohe Speicherfähigkeit für Bewegungsenergie wie bei einer Stahlfeder gemeint ist. Elastinfasern sind auf die erste Eigenschaft spezialisiert, Kollagenfasern hingegen auf die zweite.
Beide Faserproteine, Kollagen und Elastin, werden von Zellen in den Faszien hergestellt, den eigentlichen Bindegewebszellen. Diese Fibroblasten sitzen verteilt in dem Geflecht, aus dem das Fasziengewebe insgesamt besteht. Nur die Fibroblasten produzieren die Fasern des Bindegewebes, und zwar in der Menge, wie sie im dazugehörigen Organ gerade gebraucht wird. Dabei reagieren sie auch auf Anforderungen von außen: Trainiert man viel und entwickelt Kraft, stellen die Fibroblasten mehr Fasern her, die dem wachsenden Muskel helfen. Diese Bindegewebszellen tauschen das Gewebe auch regelmäßig aus, was allerdings eher langsam geschieht: Sie brauchen mehr als ein halbes Jahr, um den Großteil der Kollagenfasern zu erneuern. Meist dauert es 7 bis 14 Monate, bis das alte Material abgebaut und durch neue Fasern ausgetauscht ist.
Außer den nötigen Strukturproteinen produzieren die Bindegewebszellen auch Enzyme und Botenstoffe, mit denen die Fibroblasten untereinander sowie mit anderen Zellen kommunizieren. Mittels der Botenstoffe wirken sie außerdem auf das Immunsystem ein. Fachleute nennen diese biochemischen Elemente zusammen mit der wässrigen bis gelartigen Flüssigkeit, in der sie schwimmen, »Grundsubstanz«.
Die Bindegewebszellen und Fasern sind umgeben von Flüssigkeit mit darin schwimmenden weiteren Stoffen – das ganze Gemenge an Fasern und Grundsubstanz zusammen wird als »Matrix« bezeichnet. Dabei besteht der Flüssigkeitsanteil – die Grundsubstanz – aus Wasser, Zucker-Eiweiß-Molekülen, die das Wasser binden, und anderen Stoffen wie den Enzymen und Botenstoffen, welche die Zellen produzieren.
Die Matrix spielt eine entscheidende Rolle für die Versorgung der Bindegewebszellen und auch des Organs, zu dem das Bindegewebe gehört. Wir kommen darauf etwas später noch zurück, wenn wir uns den tieferen Geheimnissen der Faszien in der Wissenschaft zuwenden. Wichtig an dieser Stelle ist aber, dass die Matrix in verschiedenen Bindegewebstypen unterschiedlich große Anteile an Abwehrzellen, Lymphzellen oder Fettzellen sowie Nervenendigungen und Blutgefäßen beherbergt und dass ihr Wassergehalt variiert.

Faszien und ihr Aufbau: Der Anteil der Bestandteile, die genaue Zusammensetzung und die Art der Fasern sind abhängig von der Funktion im Körper und vom Organ, zu dem das Gewebe gehört.
Das Wasser ist als Medium für den Zellstoffwechsel entscheidend. Verschiedene Techniken, mit denen man Faszien behandelt, zielen genau auf den Wassergehalt und auf den Austausch von Flüssigkeit ab, auch dazu kommen wir später noch. Mitverantwortlich für den Wassergehalt ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Matrix: das Hyaluronan, bisher bekannt als »Hyaluronsäure«, zum Beispiel aus der Werbung für Kosmetik. Auf die neue Bezeichnung haben sich Fachleute vor Kurzem geeinigt, auch weil es sich eigentlich nicht um eine Säure handelt, denn Hyaluronan ist chemisch gesehen ein Zuckermolekül. Hyaluronan wird von speziellen Bindegewebszellen, den sogenannten Fasciazyten, produziert und kann seine Konsistenz von einem zähen Gel zu einem dünnflüssigen Gleitmittel verändern. Es bildet deshalb die Gelenkschmiere in Knie, Schulter oder Hüfte. Weil Hyaluronan hervorragend Wasser speichern kann, spielt es auch eine wichtige Rolle für den Flüssigkeitsanteil in den lockeren Typen des Bindegewebes. Von diesem Stoff findet sich auch besonders viel in den Bandscheiben. In der Haut sammelt Hyaluronan zwischen den Kollagen- und Elastinfasern viel Wasser an und bewirkt dadurch im Gesicht einen prallen, faltenfreien Teint. Deshalb erfreut sich der Stoff bei der Kosmetikindustrie so großer Beliebtheit: Hyaluronan wird in Cremes und Präparaten verarbeitet, und Schönheitschirurgen spritzen damit die Lippen von Starlets auf.

Das lockere Bindegewebe hat viele Bestandteile, hier ein Querschnitt.
Der erstaunlichen Allgegenwart von Faszien im Körper entsprechen verschiedene Bautypen und Aufgaben. Grob lassen sich dabei folgende Gewebearten unterscheiden:
In diesem Gewebetyp gibt es relativ viel Grundsubstanz, also Flüssigkeit, aber auch Bindegewebszellen sowie Kollagen- und Elastinfasern. Es ist wie ein zartes, weitmaschiges Netz geknüpft. Im Bauch füllt lockeres Bindegewebe Zwischenräume rund um die Organe aus, schützt, polstert und stabilisiert sie und hat sehr wichtige Funktionen für den Stoffwechsel und die Versorgung der inneren Organe. Lockeres Bindegewebe polstert auch unsere Haut in den unteren Schichten ab und beherbergt Haar-, Talg- und Schweißdrüsen, Blutgefäße sowie viele Nervenenden und Sensoren für Druck, Berührung, Bewegung oder Temperatur. Typisch für lockeres Bindegewebe sind sein Reichtum an Abwehr- und Lymphzellen und die Tatsache, dass darin, wie in der Haut, viele Nervenendigungen, Bewegungssensoren, Drüsen oder andere Zellen zu finden sind. Es hat den größten Anteil an Bindegewebe im ganzen Körper.
Das elastische Bindegewebe hat einen höheren Anteil an Elastin. Diesen Typ findet man in Organen, die stärker gedehnt werden, etwa in Unterhaut, Blase, Gallenblase, Aorta und Lunge.
Dieses Gewebe mit sehr hohem Kollagenanteil bildet Sehnen, Bänder, die festen Kapseln rund um die Organe wie etwa um die Nieren oder den Herzbeutel und all die dünnen Schichten, welche die Muskeln umgeben. Die Fasern liegen parallel in eine Richtung ausgerichtet, in der aus anatomischen und physiologischen Gründen oft starker Zug erfolgt. Sie halten durch die parallele Anordnung sehr starke Zugkräfte aus.
Hier gibt es weniger Grundsubstanz und dafür viele Fasern, vor allem dicke Kollagenbündel, demgegenüber sehr wenig Elastin. Solches Gewebe bildet die Hirnhaut und die Unterhaut (Lederhaut). Dieser Typ hält hohe Dehnbelastungen und Zug aus. Seine Fasern sind in Richtung der verschiedenen Zugkräfte, denen sie ausgesetzt sind, angeordnet. Es können jedoch mehrere Zugrichtungen auftreten, weshalb dieser Typ von Fachleuten als »mehrdirektional« bezeichnet wird. Zwischen den Fasern liegen die Bindegewebszellen charakteristisch eingequetscht, der Flüssigkeitsanteil ist deutlich geringer als bei lockerem Bindegewebe, beträgt aber immer noch über 60 Prozent.
Dieser Typ Bindegewebe besteht aus einer Kollagenart, die sehr dünne Fasern bilden kann. Er ist typisch für das Bindegewebe von Milz, Lymphknoten, Thymusdrüse sowie frisch verheilenden Narben.
Fettgewebe, Knorpel und die gallertartige Substanz der Nabelschnur gehören ebenfalls zum Bindegewebe. Fettgewebe enthält allerdings weniger Grundsubstanz und weniger Kollagen. Seine spezialisierten Zellen sind die Adipozyten, die außer Fett auch Wasser speichern. Diese Fettzellen sind von Elastinfasern umgeben. Fettgewebe hat erstaunlich viele Funktionen im Körper, es speichert Energie, isoliert gegen Kälte, sondert Hormone und Botenstoffe ab, ist also stoffwechselaktiv, polstert Organe und Gelenke, etwa an Knie und Fersen oder um die Nieren, und formt typische Körperstellen wie Oberschenkel, Po oder die weibliche Brust.
Zurzeit arbeiten weltweit Anatomen unter den Faszienforschern, etwa Carla Stecco von der Universität Padua oder Hanno Steinke an der Universität Leipzig, an neuen Darstellungen des Körpers speziell im Hinblick auf die Faszien. Der Atlas des menschlichen Fasziensystems von Carla Stecco ist 2016 erschienen, ihre und andere innovative Darstellungen revolutionieren das Fachgebiet. Unter anderem zeigt Stecco, wie die erste derbe Faszienschicht unter der Haut fast den gesamten Körper wie ein Taucheranzug umschließt.
So unübersichtlich die Liste der verschiedenen Bindegewebstypen auf den ersten Blick wirkt – man kann darin vier Grundfunktionen erkennen:

Weiß statt rot – so zeigen die neuen anatomischen Darstellungen den Körper unter der Haut.

Ein Kontinuum mit vier Dimensionen: die Grundfunktionen der Faszien. Faszien erbringen damit Leistungen für den ganzen Organismus.
Da die verschiedenen Funktionen praktisch immer zusammen auftreten, sich ergänzen und gegenseitig bedingen, sehen wir sie als eine Art Kontinuum. Deshalb stellen wir sie in einen Kreis – dieses Symbol wird Ihnen im Buch öfter begegnen.
Die vier Grundfunktionen gehören also zu jedem Typ von Faszien- oder Bindegewebe, ganz gleich, an welchem Körperteil oder Organ es seinen Dienst tut. Nur die Anteile und Schwerpunkte verschieben sich – Teile der Muskelfaszien enthalten mehr Wasser und dienen eher der Versorgung, andere haben einen geringeren Wasseranteil, die Sehnen wiederum haben praktisch keine Versorgungsfunktion. Aber alle Faszien schicken Signale, denn sie enthalten Rezeptoren und Sensoren, und alle dienen auch der Bewegung.
Formen und Bewegen gehen dabei auf rein mechanische Eigenschaften des Materials zurück. Faszien dienen mechanischen oder statischen Zwecken im Körper: Sie sorgen für Struktur, für Körperform, für Spannung in den Muskeln, für Bewegung der Körperglieder, für Stütze, Schutz, Umhüllung oder Polsterung. Diese Aufgaben sind schon von Anatomen im Mittelalter erkannt worden. Doch man sah die Leistungen lange Zeit vor allem abhängig von Muskeln, Knochen und anderen Organen und hielt das Bindegewebe im Grunde für passiv – für relativ totes Material, ähnlich den Haaren und den Nägeln.
Heute wissen wir, dass das nicht so ist: Denn die beiden anderen Grundfunktionen – Versorgen und Kommunizieren – kommen fast immer beide dazu. Sie sind physiologische Leistungen des lebendigen Gewebes. Und durch die Allgegenwart des Bindegewebes, das jedes Organ umgibt, sind sie unentbehrlich für den gesamten Zellstoffwechsel im Körper, für die innere Wahrnehmung von Bewegung und Organaktivität sowie für die Weiterleitung von vielen Signalen.
Die physiologischen Aufgaben des Fasziennetzwerks zogen Mediziner im Wesentlichen erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Betracht. Und erst in unserer Zeit, etwa seit den 1960er-Jahren, werden sie systematisch erforscht. Seitdem hat sich das Bild vom Bindegewebe massiv verändert: vom toten Füll- und Stützgewebe zum eigenen Organ und sogar zu einem unentbehrlichen Sinnesorgan.
Besonders wichtig sind die physiologischen Leistungen des Bindegewebes rund um die Organe sowie unter der Haut. Sie ermöglichen den Stoffwechsel von Zellen und Organen: Lymphe, Blutbahnen und Nerven verlaufen im Bindegewebe, es gibt einen Wasser- und Stoffaustausch sowie viele Immunzellen. Die allgemeine Stoffwechselfunktion dieser Bindegewebsschichten wird heute von Physiologen als zentrale Aufgabe eingeschätzt. Und da sich gerade das lose Bindegewebe unter der Haut wie ein Netz durch den ganzen Körper zieht, gehen Forscher inzwischen auch von Kommunikationsphänomenen aus: Wird an einer Stelle das Versorgungsnetzwerk gestört oder verwundet, gibt es oft körperweite Reaktionen und Stressantworten im Bindegewebe.
In diese faszinierende Welt der Faszien tauchen wir im Abschnitt über die Wissenschaft von den Faszien noch etwas tiefer ein. Und Sie werden den vier Grundfunktionen wieder begegnen, wenn es in Kapitel 2 um die vier Dimensionen des Faszientrainings geht.
Werner Klingler, mit dem ich an der Universität Ulm in der Faszienforschung zusammenarbeite, ist Chefarzt in der Anästhesie. Fast jeden Tag steht er im Operationssaal, der einer Hightech-Werkstatt gleicht, mit lichtstarken Endoskopen und vielen Monitoren, auf denen die Ärzte die Vorgänge im Inneren beobachten und operieren können. Von älteren Chirurgen weiß er, dass man früher bei Eingriffen im Inneren recht beherzt und großzügig vorgegangen ist: Um bei einer Operation im Bauchraum, etwa an der Galle oder dem Blinddarm, die Organe zu erreichen, machte man lange und tiefe Schnitte. Dabei wurde das bindegewebige Polster beiseitegeräumt, durchtrennt oder weggeschnitten. Dies geschah aus der Not heraus – man wollte schlicht an den Ort des Geschehens gelangen, um dort so gut wie möglich arbeiten zu können. Dem unscheinbaren Füllgewebe maß man dabei nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Also wurden die Organe freigelegt und bearbeitet, dann nähte der Chirurg die Bauchdecke zu, und nicht selten war er besonders stolz auf seine schöne äußere Naht. Dass man im Inneren sensibles Gewebe zerstört und Narben und Verwachsungen verursacht hatte, die das operierte Organ und seine Versorgung dauerhaft beeinträchtigten, nahmen die Chirurgen in Kauf – es gab keine andere Lösung.
Erst nach und nach, mit den Fortschritten der Technik, zeigte sich, dass kleinere Narben und möglichst geringe Verletzungen im Inneren der Bauchhöhle, auch wenn diese »nur« das Füllgewebe betrafen, für die Patienten wesentlich besser waren: Sie hatten weniger Schmerzen, die Wunden heilten schneller, und es gab weniger Folgeschäden und Nachwirkungen. Das war so augenfällig, dass man Verfahren entwickelte, die man heute Schlüssellochchirurgie nennt: Operationen mithilfe kleiner Kameras, optischer Instrumente und mikrochirurgischer Geräte, die bei geringer Öffnung der Haut und des Körpers eingesetzt werden. Mediziner bezeichnen diese Eingriffe als minimalinvasiv. Sie hinterlassen nur ganz kleine Schnitte und Eingriffe gerade im inneren Gewebe. Und viele Studien haben bestätigt: Je weniger Schnitte im Bindegewebe es gibt und je weniger Narben entstehen, desto besser verläuft der Wundheilungsprozess, desto weniger Schmerzen haben die Patienten, desto schneller sind sie wieder gesund.
Das Ganze beruhte auf einem häufigen Irrtum, der nicht nur bei Sportmedizinern verbreitet war: Wie eng die Faszien der Eingeweide und des Bewegungsapparates vernetzt sind, beachtete man nicht. Diese ungesunde Trennung lag auch an der mangelnden Kommunikation zwischen den medizinischen Fachrichtungen. Störungen in den Faszien der Eingeweide können, das weiß man heute, zu deutlichen Haltungsstörungen führen und umgekehrt. Zudem haben auch Gefäße und Nerven ihre eigene Faszienhülle, etwa der fingerdicke Ischiasnerv an der Beinrückseite oder die Gefäß-Nervenbündel, die vom Nacken in die Arme strahlen. Operationsnarben und Verfilzungen können die Gleitfähigkeit der faszialen Hülle so stören, dass auch in weit entfernten Körperregionen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen auftreten.
Trotz neuer Techniken sind die Chirurgen aber noch nicht am Ziel. Wie sich gezeigt hat, hinterlassen minimalinvasive Eingriffe zwar kleinere Narben in der Haut, die kosmetisch weniger stören. Das ist attraktiv für die Patienten, denn wer will schon gerne eine lange Narbe auf dem Bauch haben? Aber es führt auch dazu, dass heute immer öfter unauffällige Einstiegsstellen gesucht werden, die vom Operationsort weit entfernt liegen. Und je nachdem, wie das Zielorgan erreicht wird, durchtrennt man auf dem Weg dorthin immer noch Fasziengewebe – manchmal sogar mehr als vorher mit dem Schnitt direkt über dem Organ. Denn in dem Bestreben, an möglichst unauffälligen Stellen in den Körper einzudringen und sich dann im Inneren vorzuarbeiten, werden die Wege, die der Chirurg mit seinem Instrument nimmt, sogar länger als vorher. Die Folge: Ganze Schichten von Faszien werden jetzt über längere Strecken voneinander gelöst, Schnitte und Verletzungen gehen horizontal durch das Bindegewebe. Vorher war es ein vertikaler Schnitt. Wie es scheint, ist auch das neue Vorgehen daher nicht unproblematisch. Dass wegen des Bindegewebes möglichst schonend operiert werden muss, ist dadurch noch klarer geworden – aber wie das am besten geht, dafür gibt es noch kein Patentrezept. Einer von mehreren Ansätzen ist etwa, dass Chirurgen verklebte Faszienschichten mit einer stumpfen Schere auseinander spreizen anstatt sie mit scharfer Klinge zu schneiden.
also auch zum faszialen Aufbau des Muskels. Denn jeder Muskel ist über Sehnen mit Knochenansatzpunkten verbunden. Darüber hinaus verbinden lange Leitbahnen von Faszien-Muskel-Einheiten mehrere Körperteile miteinander, und zwar über weite Strecken, von den Füßen über den Rücken bis zum Kopf oder über die Körperseiten.