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Bereits erschienen:

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eISBN: 978-3-649-62325-0

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eISBN: 978-3-649-66865-7

eISBN 978-3-649-62732-6

© 2018 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,
Hafenweg 30, 48155 Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise
Text: Kai Lüftner, vertreten durch:
Literatur Agentur Hanauer, München
Illustrationen: Fréderic Bertrand
Lektorat: Jutta Knollmann
Satz: Sabine Conrad, Bad Nauheim

www.coppenrath.de

Kai Lüftner

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Mit Illustrationen von Fréderic Bertrand

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Inhalt

Stellt euch vor

Projektwoche

Die Uhr tickt

Mein Kiez – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Sylvia Haake

Die eine Frage

Keine Antwort

Es braut sich was zusammen

Ein Plan, der keiner ist

Das Kriegsbeil begraben

Gefangen

Duelle, Duelle, Duelle

Krokodil voraus

Sylvia Haake

Bambule im Labor

Ewiges Leben

Auf dem Friedhof

In der Höhle des Löwen

Die Kavallerie

In der Falle

Habernuck

Köpenick bei Nacht

Sylvia Haake

Am Ende

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Stellt euch vor

Stellt euch vor, ihr begegnet morgens auf dem Weg zur Schule einem leibhaftigen Ork.

Und dann stellt euch vor, ihr geht einfach weiter, weil dieser Typ euch schon lange nicht mehr schockt. Denn seitdem der euch zum ersten Mal begegnet ist, passierte so viel anderer krasser Kram, dass ein Ork auf dem Weg zur Schule ziemlich unspektakulär rüberkommt. Fast schon zum Gähnen.

So, und wenn wir schon dabei sind.

Stellt euch jetzt mal vor, ihr hättet eine vor 400 Jahren versteinerte Adelsfamilie mit Namen von Finsterstein zum Leben erweckt. Durch einen bekloppten Spruch auf einem alten Pergament. Und diese Familie lebt jetzt bei euch, und die jüngste Tochter, Sina von Finsterstein, ist der heißeste Feger, der euch jemals untergekommen ist. Vielleicht ist sie sogar so was wie eure erste Freundin.

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Man nennt euch den Erwecker, und euer bester Kumpel Franz Ferdinand – ein Freak, wie er im Buche steht – hat Dinge über die Finstersteins herausbekommen, die jeden Indiana-Jones-Film alt aussehen lassen.

Wo soll man da anfangen? Bei dem Haustier der Finstersteins? Dem etwa fünf Meter langen Leistenkrokodil namens Peppi, das mir schon mal das Leben gerettet hat und das sich eigentlich mehr wie ein überdimensionaler Hundewelpe aufführt?

Womit soll man aufhören? Mit dem Geheimbund »Die Erben«, dessen Meister Rassmus de Habernuck allem Anschein nach ein 400 Jahre alter Zombie ist, der den Finstersteins an den Kragen und ihr Geheimnis lüften will?

Verdammte Axt, ist das alles gaga?

Keine Geschichte von Joanne K. Rowling oder den guten alten Brüdern Grimm, nein, seit knapp einem Monat mein echtes Leben. Von einem langweiligen Landei ohne Freunde bin ich zum Ork-Jäger, zum Superhelden, zum Über-meinen-Schatten-Springer, kurz, zum Erwecker mutiert.

Ich habe viel gelernt in den letzten Wochen. Über mich, über meine Familie und die, die irgendwie zu einem Teil von ihr geworden sind. Ich habe verstanden, dass die offensichtlichen Gegner nicht immer die wirklich gefährlichen sind. Und ich habe Ängste ausgehalten und überwunden, von denen ich bis vor Kurzem noch nicht einmal wusste, dass es sie gab.

Wenn ihr euch das jetzt also alles vorstellt oder euch möglicherweise auch an das Geschehene erinnert, weil ihr die ersten beiden Teile dieser Geschichte bereits gelesen habt, könnt ihr vielleicht ansatzweise nachempfinden, wie ich mich fühlte, als plötzlich jener Prof. Dr. Habernuck leibhaftig vor mir stand, der oberste Kopf des Geheimbunds, um den sich hier scheinbar alles dreht.

Aber Moment.

Von vorn.

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Projektwoche

Es fühlte sich seltsam und aufregend an, als ich mit Sina, Julius und Anton – offiziell nun meine Cousine und meine Cousins aus Stralsund – auf dem Lidl-Parkplatz eintraf, auf dem wir uns mit Franz verabredet hatten, um gemeinsam zur Schule zu gehen.

Die Zwillinge steckten in den dunklen Kapuzenjacken, die Sina und ich ihnen im Einkaufszentrum besorgt hatten, über der Schulter je eine Sporttasche von Ante mit Trinkflasche, Turnschuhen und anderem Kram. Am Nachmittag sollte es ein Sportturnier geben, soweit ich das verstanden hatte.

Sina trug ihre unvermeidliche Latzhose und das Holzfällerhemd und ich hatte ihr einen meiner Eastpack-Rucksäcke geliehen. Auf den ersten flüchtigen Blick waren wir einfach nur ein paar Kinder auf dem Weg zur Schule.

Die Zwillinge wirkten ziemlich entspannt und kamen extrem cool rüber. Sie hatten bei alldem, was auf sie einprasselte, ja auch immer noch einander und waren sowieso ziemlich resistent, also unberührbar gegen äußere Einflüsse. So schnell brachte sie nichts aus der Fassung, schon gar nicht der erste Schultag. Auch wenn es in ihrer Zeit weder eine Schulpflicht noch Schulen, Klassen, geschweige denn einen Lehrplan gegeben hatte. In ihrer Zeit waren sie von Bende oder einem anderen Gelehrten direkt in der familieneigenen Burg unterrichtet worden. Also schon bewundernswert, wie abgebrüht sie auftraten.

Sina dagegen wirkte extrem angespannt. Ich persönlich war ganz froh, dass wir mit der Projektwoche erst mal nur einen Testballon für das Leben der Finstersteins im 21. Jahrhundert starteten und Sina nicht komplett ins kalte Wasser geworfen wurde. Es wäre wohl kaum zu vermeiden gewesen, dass ihre Unwissenheit über die Grundlagen der Mathematik oder Geschichte aufgefallen wären. Eine 400 Jahre große Wissenslücke sozusagen.

»Alles easy?«, fragte ich sie.

»Was heißt das noch mal?«, fragte sie zurück und mir wurde schlecht. Wie sollte sie nur diesen Schultag überleben?

»Ähm … Geht es dir gut?«

Sina schaute auf ihre Brüder, die sich aber gerade mit einem Chrysler beschäftigten, dessen spiegelverglaste Scheiben sie faszinierten. Sie zuckte mit den Schultern. »Ich glaube ja. Oder nein. Meinst du, wir kriegen das hin?«

»Die Schule? Hm … Wir haben ja wohl keine Wahl.«

»Ich meine das alles«, sagte sie und kam ein Stück näher an mich heran. Wie gern hätte ich sie umarmt und ihr versprochen, dass ich zusammen mit ihr alles hinkriegen würde.

»Was spürst du denn, wenn du in dich hineinhörst?«

Das war wohl die falsche Frage, denn Sinas Aufregung steigerte sich deutlich.

»Wenn ich das nur wüsste. Da drinnen herrscht ein totales Chaos … Vielleicht verlier ich die Kontrolle.«

Ich legte ihr – so, dass es keiner sah – die Hand auf die Schulter. »Beruhig dich. Du bist nicht allein, du hast ja uns!«

Wie auf ein Signal tauchte nun Franz Ferdinand am anderen Ende des Parkplatzes auf und sah schon von Weitem aus wie ein Vollidiot. Er trug einen breiten Mexikanerhut und eine Art Bluse mit Kordeln oder Bommeln.

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»Vernebelungstaktik!«, raunte er verschwörerisch, nachdem er näher gekommen war und ihn mein ungläubiger Blick einmal von oben bis unten gemustert hatte.

»Wie bitte?« Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme einen leicht schnippischen Unterton bekam.

»Ich lenke durch mein Verhalten und meinen Aufzug ein bisschen von unseren Freunden ab, verstehste?«, erklärte Franz.

»Aha«, sagte ich knapp und wollte mich wieder Sina zuwenden, aber sie war ihren Brüdern gefolgt, die es offensichtlich nicht abwarten konnten und zielstrebig auf den Schulhof zusteuerten.

Wieder einmal hatte der Held der Geschichte, der Erwecker, die Hosen voll. Warum eigentlich? Hm, vermutlich weil ich nicht verhindern konnte, dass ich mir um alles und jeden einen Kopf machte.

Warum ließ ich das nicht einfach bleiben?

Die mögliche Antwort darauf ging im ersten Schulklingeln unter.

Heute trafen wir uns nicht in unseren Klassen, sondern in der Mensa. Dort standen alle Edison-Schüler, grob in ihre Klassen unterteilt, und ein Grüppchen von etwa 30 Gastschülern, die ich noch nie gesehen hatte.

Links von mir entdeckte ich Aaron Ork und seine Bande. Er registrierte mich, aber nur kurz. Sein Blick streifte die Zwillinge und Sina, dann Franz mit seinem Mexikanerhut. Schließlich ging Aaron wieder dazu über, einen Schüler aus einer der unteren Klassen in die Seite zu piksen, wenn gerade kein Lehrer schaute.

Ich atmete auf.

Die Direktorin, Frau Wolf, wartete, bis sich der Geräuschpegel gelegt hatte. »Guten Morgen, liebe Schülerinnen und Schüler. Ich begrüße euch und die Gastschüler zu unserer Projektwoche mit dem Thema: Mein Kiez – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wir haben viele spannende Exkursionen vorbereitet, Spezialisten und Experten eingeladen und morgen Nachmittag wird es einen Leichtathletik-Wettkampf geben. Jeder, der will, darf mitmachen. Großartige Preise winken.«

Die Zwillinge wirkten enttäuscht, weil der Wettkampf nicht schon heute stattfinden sollte.

»Bitte begebt euch nun zu euren Lehrern und tragt euch für die Projekte ein, die euch interessieren. Nach dem Frühstück treffen wir uns wieder alle hier und werden dann in den verschiedenen Gruppen weiterarbeiten.« Sie suchte und fand Aaron und seine Bande. »Und für diejenigen unter euch, die Schulregeln gern ein bisschen uminterpretieren: Ihr dürft euch aussuchen, was ihr macht, aber es besteht Schulpflicht, und ich bitte euch ausdrücklich, unsere großzügigen Angebote zu nutzen und dabei die üblichen Regeln einzuhalten!«

Ich war mir nicht mal sicher, ob Aaron mitbekommen hatte, dass die Direktorin ihn ansprach. Ich war zu sehr damit beschäftigt, nach den Zwillingen Ausschau zu halten, die sich gerade – vollkommen selbstverständlich – zu einer Gruppe Jungs aus den 7. und 8. Klassen gesellt hatten und wie nebenbei ins Plaudern kamen. Natürlich war Antons Handprothese eines der ersten Gesprächsthemen.

Oh Gott, hoffentlich verplapperten sie sich nicht!

Oh Gott, hoffentlich nervte ich mich selbst nicht eines Tages zu Tode! Aaaarrrrgh!

Sina wich nicht von meiner Seite. Sie mied die Blicke der anderen und erfüllte jedes Klischee einer neuen, unsicheren Schülerin.

Ich gebe es ungern zu, weil es mir irgendwie peinlich ist, aber genau in dieser Situation versuchte ich erstmals bewusst, mit ihr Kontakt über meine Gedanken aufzunehmen. Sinas Onkel, der Druide Bende, hatte gesagt, dass zwischen ihr und mir eine besondere telepathische Verbindung bestünde, dass allein wir der Grund für die Erweckung der Familie Finsterstein waren. Sollte ich diese Verbindung dann nicht auch nutzen, um Sina Mut zuzusprechen? Ich konzentrierte mich und versuchte, ihr ein paar beruhigende Worte zu schicken. So was wie: Wir kriegen das schon hin! – Sie reagierte nicht mal.

Da zog Franz Sina und mich beiseite. »Habt ihr gesehen? Es gibt eine Exkursion in den Müggelwald. Sie heißt: Köpenick – Sagen und Mythen. Wenn das nix für uns ist! Was meint ihr?«

Er hielt mir einen Zettel hin, auf dem in ein paar kurzen Sätzen Thema und Inhalt der Exkursion beschrieben waren. Sie ging über die nächsten drei Tage und würde gewährleisten, dass wir weitestgehend aus dem Schussfeld der Schule gelangten, weil wir einen Großteil der Zeit außerhalb verbringen würden. So versprach es zumindest die Beschreibung.

Plötzlich stockte ich beim Lesen. »Hast du das hier gesehen?«, fragte ich Franz und zeigte auf den Namen des Spezialisten, der diesen Kurs betreute.

Franz nahm mir den Zettel aus der Hand und grinste. »Ante Vierau. – Na, wenn das nicht der Super-Förster ist! Und wenn das nicht das ultimative Argument für genau diesen Kurs ist«, jubelte er. »Gibt es eigentlich was, das dieser Kerl nicht kann?«

Ich zuckte mit den Schultern, fühlte mich aber tatsächlich gleich ein bisschen besser. Es war gut, einen Eingeweihten (ich wollte mit Absicht nicht »Familie« denken!) dabeizuhaben.

Wir erklärten Sina kurz, worum es ging, und sie schien ähnlich erleichtert wie ich.

Als wir die Zwillinge überreden wollten, sich uns anzuschließen, stießen wir auf taube Ohren. Sie sprachen gar nicht erst mit uns, sondern waren bereits umgeben von einer Gruppe größerer Jungs. Es schien ausgeschlossen, dass sich Julius und Anton von Finsterstein auf so eine bekloppte Exkursion mit ihrer kleinen Schwester und den beiden Schulfreaks einließen. Soweit ich es mitbekommen hatte, wollten sie an einem Workshop teilnehmen, in dem man – am Ufer der Spree und unter fachkundiger Anleitung – ein Fischerboot nachbauen konnte, so wie es vor ein paar hundert Jahren etliche im Fischerkiez gegeben hatte.

Wie auch immer. Da war nichts zu machen. Die Dinge nahmen ihren Lauf, und ich musste lernen, dass ich mir keinen Kopf um all die Sachen zu machen brauchte, die sowieso nicht in meiner Hand lagen. Kümmerte ich mich mal lieber um mich selbst. Damit hatte ich genug zu tun.

Als Franz, Sina und ich uns gerade für die Exkursion eingetragen hatten, wurde mein Vorhaben, mich auf mich selbst zu besinnen, jedoch sofort auf eine schwere Probe gestellt.

Aaron und ein paar aus seiner Gang kamen auf uns zu, fixierten Franz und mich aus ihren Ork-Augen und blieben vor Sina stehen.

»Du bist doch die … Cousine von …« Er sah an Sina vorbei auf mich, als wäre ich ein Klecks Vogelkacke. »Von dem da, oder?« Sina, sonst nicht um eine freche Antwort verlegen, nickte nur.

Aaron hatte sie ja bereits im H&M im Forum Köpenick getroffen. Wenn auch unter etwas anderen Umständen. Dass er sich allerdings mit seinem Ork-Gehirn daran erinnerte, wunderte mich doch ein bisschen.

Aaron nickte und musterte Sina zum zweiten Mal von oben bis unten. Ich ballte meine Faust in der Tasche, für den Fall, dass er irgendwas Gemeines zu ihr sagen würde. Aus dem Augenwinkel hielt ich nach Julius und Anton Ausschau. Die aber hatten sich bereits mit ihrem neuen Groupie-Rudel nach draußen auf den Schulhof verdrückt. Super, wo waren denn die großen Cousins, wenn man sie mal brauchte?

Aaron nickte ein paarmal, während Sina weiter auf den Boden blickte.

Dann sagte er: »Coole Hose!«, und ging weiter. Einfach so. Ohne eine Fiesheit.

Ich war baff. Auch die anderen Orks verstanden offenbar nicht so richtig, was ihr Anführer da gerade getan hatte. Sie feixten und grinsten dämlich, als sie an uns dreien vorbeigingen, aber sie wirkten schon ein bisschen verunsichert und taten dies eher aus Gewohnheit als aus Überzeugung.

»So, dann werd ick mir mal für die Exkursion hier eintragen!«, sagte Aaron übertrieben laut, als er am Tisch hinter uns stand. »Köpenick – Sagen und Mythen … Klingt doch super!« Demonstrativ hielt er den Kuli in die Höhe und schrieb dann seinen Namen auf den Zettel. Thomas und Sandro taten es ihm nach, obwohl man ihnen deutlich ansah, dass sie viel lieber bei dem Projekt »Schwächere quälen und piesacken« mitgemacht hätten.

»Na toll!«, sagte ich leise.

Franz zuckte nur mit den Schultern und knibbelte an einer seiner Blusen-Kordeln herum.

Sina sah Aaron nach. »Ein seltsamer Junge, dieser Arnold. Man kann irgendwie komplett durch ihn hindurchschauen.«

»Ist doch klar«, sagte ich. »Er heißt übrigens Aaron, aber ist ja nicht so wichtig. Bei dem Erbsenhirn gibt’s auch wirklich nichts zu entdecken!«

»Da wär ich mir nicht so sicher«, entgegnete Sina und ich spürte einen Stich in meinem Herzen.

Aua, dachte ich. Verdammt noch mal Oberaua.

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Die Uhr tickt

Er gestand es sich nicht gern ein, aber er musste etwas übersehen haben.

Lag es an der Komplexität der ganzen Angelegenheit? Oder lag es daran, dass er wirklich und immer unaufhaltsamer verfiel? Dass sein mit unendlich wertvollem Wissen angereichertes Gehirn Stück für Stück seinen Dienst quittierte?

Er beschloss, dass es an noch etwas anderem liegen musste: an der Unfähigkeit all derer, mit denen er sich umgab. Die ihm ums Maul gingen, ständig auf der Suche nach einem eigenen Vorteil, nach der Adelung durch die Mitgliedschaft im elitärsten und einflussreichsten Geheimbund aller Zeiten.

Templer oder Freimaurer? Pah!

Lächerlich, der Rosenkranz-Orden und alle anderen Möchtegern-Eliten.

Einzig die Erben, nur ER, er hatte den wahren Weg der Erkenntnis nicht nur betreten, nein, er war ihn auch gegangen. Seit 400 Jahren bereits ging er ihn. Und nun? War er am Ende? Mündete dieser ewige Weg letztlich doch in einer Sackgasse? War all das jahrhundertelange Streben, die scheinbar nicht enden wollende Suche umsonst?

Was nur hatte er übersehen?

Jeden einzelnen Schritt im Finsterstein-Fall konnte er nachvollziehen. Er wusste, dass Bärbachs Versteinerungs-Schockfluch gegen Bende von Finsterstein und seine Familie damals funktioniert hatte. Bärbach war weiter gewesen als alle seine Zeitgenossen. Nicht nur mit seinem Wissen, auch in seiner Kompromisslosigkeit. Oh ja, dafür hatte er mit dem gesunden Menschenverstand bezahlt. Aber wer brauchte schon Verstand, wenn er unendliche Macht besaß?

Habernuck wusste auch von all den Gegenmaßnahmen, die Bende von Finsterstein eingeleitet hatte – und sah nun das Ergebnis vor sich: eine Familie, die 400 Jahre versteinert gewesen war und sich nun wieder bewegte und lebte, als sei nichts geschehen. So jung, so stark, so voller Lebensenergie. Körperlich und seelisch scheinbar unversehrt.

Wie war das möglich?

Als ihn die Information durch diesen dämlichen Journalisten erreichte, konnte er erst gar nicht glauben, was er hörte. Aber es stimmte. Unfassbar!

Seine eigene Zeit lief ihm davon, rann durch die immer steifer werdenden Finger wie Sand. Sämtliche Tinkturen, Elixiere, Zaubersprüche, alle lebensverlängernden Maßnahmen und Selbstversuche wirkten nicht mehr. Sein Ende stand unmittelbar bevor. Der Körper stellte die Funktionen ein und er, der Verwahrer allen Wissens, der größte Geist der Menschheitsgeschichte, verfiel mit ihm.