Daniel Stelter
DAS
MÄRCHEN
VOM REICHEN
LAND
Wie die Politik uns ruiniert
FBV
Stimmen zum Buch
»Euro-Rettung, Energiewende, Massenzuwanderung und zukunftsvergessener Ausbau des Sozialstaats – faktenreich analysiert Daniel Stelter die folgenschweren Fehler der Wirtschaftspolitik unter Angela Merkel. Wer wissen will, warum Deutschland bald wieder zum kranken Mann Europas zu werden droht und wie wir dies verhindern können, der sollte dieses Buch lesen.
Bleibt nur zu hoffen, dass das Buch seinen Weg auf den Schreibtisch der Kanzlerin und diese die Zeit findet, es zu lesen. Denn die Zeit drängt.«
MALTE FISCHER,
Chefvolkswirt Wirtschafts Woche
»Daniel Stelter reißt dem Leser den Schleier von den Augen und seziert in gewohnter Präzision die Lage: Die Deutschen leben in einer Wohlstandsillusion, die von billigem Geld und der geistigen Monokultur unserer Eliten genährt wird. Der Echoraum der Mainstream-Medien stützt verzweifelt die ökonomische Blase. Diese Willfährigkeit ermöglicht es der Politik, auf dem Pfad schlechter Entscheidungen viel zu lange voranzuschreiten. Doch die Rechnung dafür wird bitter werden.
Politik und Geldpolitik sollen nicht sagen, dass dies alles nicht schon lange ausgesprochen wurde. Sie wurden gewarnt.«
DR. MARKUS KRALL,
Risikound Strategieberater, Bestsellerautor
»Das deutsche Erfolgsmodell ist schwer beschädigt: Die Mittelschicht schrumpft, die Gesellschaft ist polarisiert, unsere Reserven werden angegriffen und unsere Zukunftsfähigkeit wird zerstört. Daniel Stelter zeichnet das Punkt für Punkt nach und zerstört dabei die Sandmännchen-Mythen, die von Politik und Medien verbreitet werden. Und er unterbreitet fundierte Vorschläge, was zu ändern ist.
So klar und verständlich, schonungslos und doch ökonomisch nüchtern hat es noch niemand geschrieben. Daniel Selter ist für mich aktuell der Krisenökonom Nummer eins.«
PROF. DR. MAX OTTE,
Wirtschaftsund Finanzexperte, Bestsellerautor
»Mit dem Märchen vom reichen Land stellt endlich einmal ein profilierter Ökonom die deutsche Selbstzufriedenheit infrage, die sich immer mehr in Lethargie auszuwachsen droht.«
STEFFEN KLUSMANN,
Chefredakteur manager magazin
»Vom Weltmeister zum Verlierer – was wir beim Fußball erleben mussten steht uns in der Wirtschaft bevor. In seinem lesenswerten Buch zeigt Daniel Stelter, wie die in der Ära Merkel aufgelaufenen Politikfehler auf den Gebieten der Eurorettung, Energieversorgung, Migrationssteuerung, Sozialversicherung und Infrastrukturinvestitionen unweigerlich den wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands einleiten werden. Eine Korrektur dieser Fehler, wie Stelter sie fordert, dürfte mit dem für die Fehler verantwortlichen politischen Personal nicht mehr möglich sein.«
PROF. DR. THOMAS MAYER,
Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Instituts
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Redaktion: Daniel Bussenius
Korrektorat: Silvia Kinkel
Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer
Umschlagabbildung: franckreporter/iStock
Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
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Meinen Kindern
Vorwort
Leider ein Märchen
Kapitel 1
Warum die Deutschen zu den Ärmeren in Europa gehören
Über den Unterschied zwischen Einkommen und Vermögen
Kapitel 2
Die Einkommensillusion
Warum unser Exporterfolg nicht unser Verdienst ist
Kapitel 3
Sparen ohne anzukommen
Hohe Abgaben, eine schrumpfende Mittelschicht und schlechte Geldanlage der Deutschen
Kapitel 4
Die Milliarden, die wir nicht wiederbekommen
Über das Zusammenspiel von Handelsüberschüssen und Kapitalexport und die schlechte Anlage deutscher Ersparnisse im Ausland
Kapitel 5
Deutschland als Kreditgeber der Eurozone
Über Target2 und die Erpressbarkeit der Deutschen
Kapitel 6
»Schwarze Null« statt nachhaltiger Finanzen
Der Staat spart nicht und schon gar nicht an der rechten Stelle
Zwischenbilanz
Das Märchen vom reichen Land
Kapitel 7
Die Leistungsfähigkeit sinkt
Die alternde Gesellschaft übernimmt sich und sorgt nicht vor
Kapitel 8
Zuwanderung: Quantität statt Qualität
Warum die derzeitige Art der Zuwanderung nur die Staatskassen belastet
Kapitel 9
Euro(pa) um jeden Preis
Ein politisches Projekt gegen jede ökonomische Logik
Kapitel 10
Wie man ein Land ruiniert
Die Politik vernichtet unseren Wohlstand gleich mehrfach
Kapitel 11
So sanieren wir Deutschland
Es genügen keine Reformen, wir brauchen einen grundlegenden Neustart
Nachwort
Zu spät?
Anmerkungen
»Die meisten Menschen spüren gelegentlich, dass sie in einem Netz von Illusionen hinleben. Wenige aber erkennen, wie weit diese Illusionen reichen.«
FRIEDRICH NIETZSCHE
Mit Mitte 50 ist es höchste Zeit, für das Alter vorzusorgen. Da bleiben nur noch wenige Jahre, um Reserven für den Ruhestand anzulegen. Zeit, mehr zu sparen, die Ersparnisse sicher und ertragreich anzulegen und an der eigenen Fitness zu arbeiten. Schließlich will man ja möglichst lange etwas von den Ersparnissen haben.
Was für jeden Einzelnen von uns gilt, gilt auch für das Land. Deutschland altert rapide und der deutliche Rückgang der Erwerbsbevölkerung setzt gerade ein. Der geburtenstärkste Jahrgang, der 1964er, hat nur noch 10 bis 15 aktive Jahre vor sich. Jahre, in denen wir das Land fit machen müssen.
Vordergründig steht Deutschland gut da. Die Wirtschaft wächst so schnell wie lange nicht. Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf einem Rekordtief und die Bundesregierung erwartet schon bald Vollbeschäftigung. Die Exportwirtschaft boomt. Die Politik freut sich und spricht vom »reichen Land«.
Blickt man hinter die Kulissen, erkennt man jedoch schnell, dass es Deutschland ergeht wie einem Mittfünfziger, der seine Hausaufgaben für die Altersvorsorge nicht macht. Wir überschätzen die Sicherheit unseres Arbeitsplatzes, wir überschätzen die reale Kaufkraft unseres Einkommens, wir überschätzen die Reserven fürs Alter und wir geben zu viel Geld für die falschen Dinge aus.
Unser Einkommen mag zurzeit – begünstigt von tiefen Zinsen und schwachem Euro – vielleicht hoch sein. Unser Vermögen ist es jedoch nicht. Die Ursachen dafür sind vielfältig: zwei verheerende Weltkriege, die Kosten der Wiedervereinigung, die geringe Eigentumsquote an Immobilien und nicht zuletzt, die Wirkungen einer völlig verfehlten Politik, die Sparen in Form von Sparbuch und Lebensversicherungen propagiert hat.
Auch die sichere Rente ist eine Illusion. Während sich die Politik für die »Schwarze Null« feiert, die nur eine Folge der tiefen Zinsen und nicht besonderer Sparanstrengungen ist, explodieren die verdeckten Schulden des Staates förmlich. Berücksichtigt man die ungedeckten Zusagen für künftige Renten-, Pensions- und Gesundheitszahlungen, liegt die deutsche Staatsverschuldung mit 161 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich über der italienischen. Diese Lücke kann nur über höhere Abgaben und Leistungskürzungen geschlossen werden.
So wie Rentner ihre Ersparnisse aufbrauchen für einen vergnüglichen Lebensabend, müssen auch wir als Land unsere angesparten Forderungen gegen das Ausland in Zukunft dazu nutzen, um Waren zu importieren, die wir dann nicht mehr selbst herstellen können. Während Länder wie die Schweiz, Singapur und Norwegen gezielt werthaltige Forderungen und Vermögenswerte kaufen, sind wir bereitwillig die Finanziers von Schuldnern, die uns am Ende im Regen stehen lassen werden. Alleine in der Finanzkrise verloren deutsche Banken und Versicherungen mehr als 400 Milliarden Euro unseres Geldes. Im Zuge der fortschreitenden Krise der Eurozone dürften die Verluste deutlich über einer Billion Euro liegen, wenngleich noch offen ist, auf welche Weise wir diese Verluste realisieren werden.
Versagen wir schon bei der Aufgabe, ordentlich vorzusorgen und unsere hart erarbeiteten Ersparnisse gut anzulegen, sollten wir wenigstens die Grundlage für ein weiterhin hohes Einkommen in der Zukunft legen. Voraussetzungen dafür wären Investitionen in Infrastruktur und Bildung, verbunden mit einer Einwanderungspolitik, die sich an unseren ökonomischen Erfordernissen orientiert. Eine Gesellschaft von Rentnern, deren Ersparnisse gefährdet sind, kann nichts weniger gebrauchen als schlechte Infrastruktur, Unternehmen, denen qualifizierte Mitarbeiter fehlen, und Migranten, die von Transferzahlungen leben.
Doch auch hier versagt unsere Politik eklatant. Straßen verfallen, schnelles Internet kennt man nur aus anderen Ländern und das Bildungsniveau befindet sich im Sturzflug. Migration in die Sozialkassen wird zu einer dauerhaften Belastung, abgesehen von den Folgen für den sozialen Zusammenhalt und die innere Sicherheit.
Damit stehen wir vor enormen Herausforderungen. Unsere Wirtschaftskraft wird, allein bedingt durch die demografische Entwicklung, in den kommenden Jahren sinken. Die finanziellen Lasten durch die alternde Gesellschaft werden steigen, während die Art der Zuwanderung, wie wir sie heute zulassen und befördern, die Belastungen zusätzlich erhöht. Zeitgleich dürften in den kommenden Jahren die Verluste aus Europolitik und einseitiger Exportorientierung nicht nur in der Theorie bestehen, sondern Realität werden.
Deutschland droht eine massive Altersarmut, nicht nur, weil die individuelle Vorsorge unzureichend ist, sondern weil wir als Land von der Hand in den Mund leben und uns an der irrigen Vorstellung beseelen, reich zu sein. Wir sind es nicht. Es droht ein Albtraumszenario, wenn die demografische Entwicklung mit voller Wucht einsetzt und wir aus unseren Träumen gerissen werden. Mit dem Eintritt in das Rentenalter dürfen wir dann feststellen, dass unsere Ersparnisse verloren sind und wir um die Früchte unserer Arbeit gebracht wurden.
Tritt dies ein, sind politische Verwerfungen in einem Ausmaß denkbar, wie wir sie uns heute nicht vorstellen können. Die CDU dürfte dasselbe Schicksal erleiden wie die Democrazia Cristiana in Italien und die SPD wie die Sozialisten in Frankreich: den völligen Untergang. Sind es doch diese beiden Parteien, CDU und SPD, die uns den Schlamassel, auf den wir zusteuern, im Wesentlichen eingebrockt haben.
Unsere Politiker berauschen sich derweil am Märchen vom reichen Land. Aus dieser Hybris heraus bürden sie uns immer mehr Lasten auf. Statt vorzusorgen, untergraben sie unseren Wohlstand gleich von mehreren Seiten.
Wir brauchen eine neue Politik, die unsere Einkommen nachhaltig stärkt und unsere Ersparnisse sichert. Voraussetzung ist, dass wir uns eingestehen, dass wir einer allzu strahlenden Illusion aufgesessen sind – eben dem Märchen vom reichen Land. Die Realität ist deutlich trister.
Dieses Buch soll einen Beitrag dazu leisten, diese Illusion zu zerstören. Es soll aber auch Anregungen geben, wie wir die Politik noch korrigieren können. Noch können wir umsteuern und handeln. Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr.
»Reich wird man nicht durch das, was man verdient, sondern durch das, was man nicht ausgibt.«
HENRY FORD, amerikanischer Industrieller
»Wir sind ein reiches Land«, ist immer wieder zu hören, wenn Politiker ihre Handlungen begründen. Wir sind »reich«, weshalb wir es uns »leisten können«, der Welt ein »freundliches Gesicht zu zeigen« und Millionen an Flüchtlingen aufzunehmen. Wir sind ein »reiches Land«, weshalb wir die Hauptlasten der politischen Union in Europa und der Stabilisierung des Euro schultern sollen. Wir sind ein reiches Land, weshalb wir mehr Geld für unsere Rentner aufwenden können. Wir sind ein reiches Land, weshalb wir es schaffen, eine ökologische Energiewende zu schultern. Was immer wir auch aus politischen Gründen machen wollen, »wir schaffen das«, denn wir sind ja ein reiches Land.
Natürlich sind wir ein reiches Land, wenn wir uns im weltweiten Maßstab vergleichen. Es gibt viele Länder der Welt, in denen Menschen deutlich weniger zum Leben haben als bei uns. Es gibt viele Staaten, in denen wirklich Armut herrscht. Doch die Frage lautet: Ist das der richtige Maßstab? Kann man daraus schließen, dass wir wirklich so reich sind, dass wir alle Arten von Lasten tragen können und sollten? Vor allem, wenn die Nutznießer dieser Unterstützung nicht in Afrika sitzen, sondern unsere Partner und Nachbarn in der EU sind? Ich habe Zweifel daran.
Schaut man genauer hin, so muss man feststellen, dass wir es mit einer Politik in Deutschland zu tun haben, die die grundlegenden ökonomischen Dinge nicht versteht und nicht verstehen will. Das beginnt mit der eigentlich einfachen Unterscheidung zwischen Einkommen (= Flussgröße) und Vermögen (= Bestandsgröße).
So gibt es eine »Reichensteuer«, die – so würde man vom Namen her meinen – eine Steuer ist, die vor allem von »Reichen« bezahlt wird. Das ist aber nicht der Fall. In Wahrheit zahlen diese Steuern all jene Menschen, die »viel« verdienen. Genauer gesagt, ab einem zu versteuernden Einkommen von 254 447 Euro für Ledige (§ 32a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 52 Abs. 41 EStG) und ab 508 894 Euro bei Zusammenveranlagung (§ 26, §26b i.V.m. § 32a Abs. 5 EStG). Dann beträgt der Steuersatz 45 Prozent.
Natürlich sind das beeindruckende Gehälter, die weit über dem liegen, was der Durchschnittsbürger verdient. Doch bedeuten sie noch lange nicht, dass derjenige, der so viel Geld verdient, reich ist. Er mag eine gute Ausbildung haben und einen sehr guten Beruf. Doch ein Vermögen geht mit diesem hohen Einkommen nicht immer einher. Umgekehrt kann jemand über ein Millionenvermögen verfügen, aber ein weitaus geringeres laufendes Einkommen haben und deshalb die Reichensteuer nicht bezahlen. Zum Beispiel, weil er Abschreibungen geltend macht oder aber die laufenden Erträge – wie bei Immobilien – relativ gering sind im Vergleich zum Wert.
Immer, wenn die Politik von den »Reichen« spricht, landet sie am Ende bei denjenigen, die gut verdienen. Gut verdienen und reich sein sind aber zwei verschiedene Sachverhalte. Der Spitzensteuersatz – also der Höchstsatz vor der »Reichensteuer« – wird ab einem Einkommen von knapp über 54 000 Euro fällig. Das entspricht rund dem 1,3-Fachen des Durchschnittseinkommens. 1965 musste man noch das 15-Fache des Durchschnittseinkommens verdienen, um den Spitzensteuersatz zu bezahlen. Auf heute bezogen wären das über 620 000 Euro!
Hohe Steuern auf Einkommen vermindern die Möglichkeit der Vermögensbildung aus eigener Arbeit und reduzieren so die soziale Mobilität. Während Vermögen tiefer besteuert werden, schlägt der Staat bei den Gutverdienern gnadenlos zu. Diese werden sich nach Steuern und Sozialabgaben beim Gang durch die besseren Viertel unserer Metropolen und mit Blick auf die Immobilienpreise keineswegs »reich« fühlen, sondern eher merken, dass ihnen von ihrem hart erarbeiteten Geld herzlich wenig bleibt.
Doch wie steht es um die Einkommen in Deutschland im weltweiten Vergleich? Gut kann man sagen. Blickt man auf den entscheidenden Maßstab für die Einkommen, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, so liegt Deutschland nach Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit 48 111 US-Dollar auf Platz 20 in der Welt. Zweifellos ein gut wirtschaftendes Land. Vor uns rangieren neben einigen Exoten wie Katar und Brunei, die ihr Einkommen vor allem den Öl- und Gasvorkommen verdanken, wirtschaftsstarke Nationen wie Singapur (87 855 US-Dollar), die Schweiz (59 561 US-Dollar), die USA (57 436 US-Dollar) und die Niederlande (51 049 US-Dollar).
Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der übrigen Länder der Eurozone befindet sich unter deutschem Niveau, so Frankreich bei 42 314 US-Dollar, Italien bei 36 833 US-Dollar und Spanien bei 36 416 US-Dollar. Portugal mit 28 933 US-Dollar und Griechenland mit 26 669 US-Dollar liegen deutlich tiefer und bilden die Schlusslichter der Eurozone, sind aber immer noch weit oberhalb des weltweiten Durchschnitts von 16 318 US-Dollar.1
Fazit ist also, dass wir zur Spitzengruppe der Länder nach Wirtschaftskraft gehören. Wir produzieren ein beeindruckendes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung, was ausdrückt, dass ein großer Teil der Bevölkerung einer Arbeit nachgeht und wir zudem überaus produktiv wirtschaften.
Doch es wäre zu früh, dass Einkommenskapitel an dieser Stelle abzuschließen. Ebenso interessant ist die Frage nach dem durchschnittlichen Einkommen, welches wir in Deutschland verdienen und wie sich dies im Vergleich mit anderen Staaten darstellt. Dahinter steht die Frage, wie die Einkommen verteilt sind. Zum einen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern und zum anderen zwischen den Bürgern.
Die Statistiker schauen deshalb auf das sogenannte Medianeinkommen (mittleres Einkommen). Also die Einkommenshöhe, bei der die Anzahl der Haushalte oder Personen, die über höheres beziehungsweise niedrigeres Einkommen verfügen, genau gleich ist. Gemessen von diesem Punkt aus, verdient die eine Hälfte der Bevölkerung weniger und die andere Hälfte mehr. Deshalb ist die
Höhe des Medianeinkommens ein weitaus besseres Indiz dafür, wie es der Breite der Bevölkerung geht, als das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, weil wenige sehr hohe Einkommen den Durchschnittswert zu stark verzerren.
Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Union, veröffentlicht regelmäßig eine Rangliste der EU-Staaten nach dem verfügbaren Medianeinkommen je Haushalt, also dem mittleren Einkommen nach Steuern und Abgaben. Die Rangordnung ähnelt jener nach BIP pro Kopf, ist aber angesichts der hohen Abgabenbelastung hierzulande nicht identisch. So schrumpft der Unterschied gerade im Vergleich zu den anderen Ländern der Eurozone deutlich (Angaben jeweils pro Haushalt):2
• Luxemburg: 33 838 Euro,
• Niederlande: 22 745
Euro,
• Frankreich: 21 720 Euro,
• Deutschland: 21 263 Euro,
• Italien: 16 247 Euro,
• Spanien: 13 685 Euro,
• Portugal: 8 782 Euro,
• Griechenland: 7 504 Euro.
Erwirtschaften wir nach BIP pro Kopf noch 14 Prozent mehr als die Franzosen, liegen wir beim verfügbaren Haushaltseinkommen zurück. Der Unterschied zu Italien ist beim Haushaltseinkommen mit 31 Prozent genauso hoch wie der Unterschied bei der Wertschöpfung pro Kopf.
Fazit: Unsere Einkommen liegen im Spitzenfeld, selbst nach Abgaben hat das Medianeinkommen der Haushalte in Deutschland ein hohes Niveau. Wir sind ein Land, in dem die Menschen im internationalen Vergleich gut verdienen.
Gut zu verdienen (= Flussgröße) bedeutet jedoch nicht automatisch, dass jemand über ein großes Vermögen (= Bestandsgröße) verfügt. Das kann daran liegen, dass man erst seit kurzem gut verdient und am Anfang der Vermögensbildung steht. Es kann auch daran liegen, dass man sein Einkommen lieber ausgibt, als zu sparen. Es kann auch daran liegen, dass man zu viel von seinem Einkommen als Steuern und Abgaben abzuführen hat und deshalb nur wenig sparen kann.
Auf ein ganzes Land bezogen, müsste man davon ausgehen, dass sich gute Einkommen auf Dauer in entsprechenden Vermögenswerten niederschlagen. Komischerweise tun sie das bei uns in Deutschland nicht.
Da sind zunächst die Zahlen des französischen Reichtumsforschers Thomas Piketty, der mit umfangreichem Datenmaterial der Entwicklung von Volksvermögen über die Zeit nachgegangen ist. Demnach lag die Vermögensquote – also das Vermögen relativ zum Volkseinkommen im Jahre 20153
• in Spanien bei 659 Prozent (2014),
• in Frankreich bei 591 Prozent,
• in Italien bei 587 Prozent,
• in den Niederlanden bei 530 Prozent (2014),
• in Griechenland bei 499 Prozent,
• in Deutschland bei 446 Prozent.
Die Deutschen besitzen also im Durchschnitt weniger Vermögen als die Italiener, Franzosen und Spanier, die im Rahmen der europäischen »Solidarität« eine größere Anstrengung von uns verlangen, und sogar weniger als die Griechen, deren Staatsschulden wir in einem erheblichen Umfang übernommen haben. Mit Blick auf die Einkommen mag es gerechtfertigt erscheinen, Hilfsleistungen im Rahmen der europäischen Solidarität zu fordern, mit Blick auf die Vermögen nicht. Das ist so, als würde man Arbeitnehmer höher besteuern, um damit die Vermögenden – also die »Reichen« – zu retten. Während der Finanzkrise wurde genau diese Rettung des Finanzsystems heftig kritisiert, in der Eurozone scheint das gleiche Verhalten für unsere Politiker hingegen opportun.
Schauen wir uns noch eine weitere Quelle zu den Vermögen im Euroraum an. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhebt regelmäßig Daten zum Medianvermögen im Euroraum. Das Ergebnis deckt sich mit den Daten von Piketty und zeigt, dass wir Deutschen, obwohl wir viel verdienen, nur über ein geringes Vermögen verfügen:4
Abbildung 1: Nettovermögen von Privathaushalten in der EU (2014, Tsd. Euro) (2014, Tsd. Euro)
Quelle: EZB
Deutschland belegt einen der hinteren Plätze. Die privaten Haushalte in Spanien, Italien und Frankreich liegen deutlich vor uns.
Deshalb: Ein hohes Einkommen bedeutet nicht, dass man »reich« ist. Weltweit betrachtet sind wir Deutschen natürlich »reich«. Im Umfeld der EU und der Eurozone kann man diese Aussage so nicht treffen. Wir schaffen das Wunder, hart zu arbeiten und gut zu verdienen und dennoch weniger Vermögen zu besitzen. Die Ursachen dafür sind vielfältig und werden uns später ausführlich beschäftigen.
An dieser Stelle nur der Hinweis: Als die Daten zum ersten Mal erschienen, beeilte sich die deutsche Politik – allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – zu betonen, dass die Zahlen nicht zuträfen, da die Rentenansprüche nicht (korrekt) berücksichtigt seien. Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Politik es nicht versteht oder bewusst nicht verstehen will. Denn zum einen gibt es keinen Geldspeicher wie in Entenhausen, wo unsere Rentenanwartschaften aufbewahrt werden, sondern sie sind zukünftige Steuern und Abgaben. Wir müssen also dafür in Zukunft mehr bezahlen. Zum anderen zeigten Daten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), dass die Rente im Vergleich zum Lohn in Deutschland nicht höher ist als in Südeuropa.5
Wir haben gesehen, dass wir gut verdienen, aber im europäischen Vergleich nicht reich sind. Dabei bräuchten wir entsprechende Vermögen, um die Kosten der alternden Bevölkerung tragen zu können. Nur wenn wir sparen und Vermögen bilden, haben wir in Zukunft Kapitaleinkünfte, aus denen wir die steigenden Ausgaben begleichen können. Alleine durch die demografische Entwicklung werden wir von einem Land mit einem erheblichen Überschuss im Außenhandel zu einem Land, welches mehr importiert als exportiert. Wie jeder Einzelne von uns, wird das ganze Land im Alter weniger verdienen und mehr konsumieren. Ein Leben von der Substanz. Diese sollte so hoch wie möglich sein, bevor die Phase des Verbrauchs beginnt.
Deshalb sollten wir beim Management unseres Landes genauso wie beim Management unserer eigenen Finanzen zwischen dem laufenden Einkommen und der Wirkung unserer Entscheidungen auf unser Vermögen, also das Potenzial für künftige Einnahmen, unterscheiden. Wir müssen planen, welchen Teil unseres Einkommens wir sparen, und vor allem, wie wir die Ersparnis investieren.
So können wir ...
a) ... die laufenden Ausgaben steigern, um damit das (Volks-)Vermögen zu erhöhen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn wir einen Teil unseres Einkommens für Fortbildung oder körperliche Fitness aufwenden. Auf das Land bezogen bedeutet dies, mehr Geld in Forschung, Entwicklung, Bildung und eine gute Infrastruktur zu stecken. Weniger Konsum heute für mehr Vermögen = Fähigkeit zur Erzielung von Einkommen morgen. Gut.
b) ... aber auch die laufenden Ausgaben erhöhen, um ein schönes Leben zu führen. Restaurantbesuche und (unnötiger) Konsum statt Vorsorge für das Alter. Verschuldet man sich dafür, reduziert sich gar noch das Vermögen. Auf das Land bezogen, können wir die laufenden Einnahmen für Sozialleistungen aller Art verwenden. Gießen wir diese Leistungen noch dazu in Gesetze, machen wir daraus dauerhafte Lasten. Diese verringern das künftige Vermögen, weil sie eine nachhaltige Belastung darstellen. Ein Beispiel wären die Beschlüsse zur Mütterrente in den letzten Jahren.
c) ... genauso laufende Ausgaben senken und die freigewordenen Mittel besser verwenden. Ein Beispiel ist der Verzicht auf Restaurantbesuche zugunsten einer Fortbildung. Der Staat könnte konsumtive Ausgaben reduzieren und die freigewordenen Mittel zukunftsorientiert verwenden. Eine positive Umschichtung im Staatshaushalt.
d) ... Ausgaben an investiven Stellen senken, um mehr Konsum zu finanzieren. Also Restaurantbesuche statt Fortbildung. Beim Staat Kürzungen bei Schulen, um laufende Ausgaben zu decken. So geschehen in Berlin, wo man sich »plötzlich« einem Investitionsrückstau von mehr als vier Milliarden Euro im Schulbau gegenübersieht. Kaputtgespart im wahrsten Sinne des Wortes. Sicherlich die falsche Strategie.
Die Formel für Reichtum ist einfach: gut verdienen, sparen und die Ersparnis richtig verwenden.
Das Problem in Deutschland: seit Jahren überwiegen b) und d), also Konsum und Verzicht auf Investitionen in der Politik. Weil diese zugleich mit übermäßiger Abgabenbelastung und der Förderung einer falschen Vermögensbildungsstrategie der Bürger die private Vermögensbildung hemmt, haben wir es mit einem doppelten Problem zu tun. Wir bilden (zu) wenig privates und staatliches Vermögen. Wir sorgen nicht vor.