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Vorwort

Der Verfasser dieses berühmten Werkes, Oberforstmeister Walter Frevert (*13. Oktober 1897 in Hamm/Westf.) war eine der prägendsten, wenn nicht die bedeutendste Gestalt der deutschen Jagd um die Mitte des letzten Jahrhunderts. Er nahm im Waidwerk eine einmalige Stellung ein, die er aus­schließlich durch eigene Kraft und sein besonderes Charisma im Laufe eines schicksalsmächtigen Jägerlebens erreicht und definiert hatte. Seine unwider­sprochen kompetente Position in der Jagd war das Resultat seiner speziellen Persönlichkeit, die sich unter ganz bestimmten Umständen gebildet hatte.

Gleichzeitig besaß Frevert, wie der ihm in vielen Dingen ähnliche und streitbare Altmeister Ferdinand v. Raesfeld, der die »Hege mit der Büchse« entwickelt, praktisch erprobt und eingeführt hatte, viele Kritiker und Gegner im charakterlichen Bereich. Wie jener war Frevert Westfale und Sohn eines Mediziners, wie jener war er sehr begabt, führte eine hervorragende Feder und blieb immer ein sogenannter »ganzer Kerl«.

Man muss bedenken, dass das höhere Forstpersonal damals – in einer mehr militärisch geprägten Zeit – noch ein bedeutend weniger kollegiales Auftreten gegenüber den unteren Chargen an den Tag legte, als dies heute der Fall ist. Auch Frevert hatte ein schneidiges Wesen. Irgendwelcher Widerspruch ihm gegenüber empfahl sich jedenfalls für Leute mit nur durchschnittlichem Selbstbewusstsein nicht. Auch dass er seine ausgezeichneten Gaben nicht zu verbergen suchte und im Gebrauch des offenen Wortes die volle Freiheit in Anspruch nahm, trug ihm Vorbehalte ein. Er besaß aber auch viele Freunde, die ohne Wenn und Aber zu ihm standen, wie etwa Oberlandforstmeister Hans Gussone und viele, sehr viele Bewunderer.

Nach den Akten ist Frevert, als er im Auftrag Görings den Wald von Bialowies als Reichsjagdgebiet einrichten sollte, ein rücksichtsloses Ver­halten gegenüber den Landesbewohnern, die er teilweise aus dem Gebiet zu »evakuieren« hatte, zu bescheinigen. Er selbst hat die vielen Erschießungen, die dort vorgenommen wurden, bedauert, aber doch für notwendig gehalten. Partisanen, die natürlich das Recht dazu in Anspruch nahmen, bedrohten sowohl die einheimische Bevölkerung als auch die deutschen Truppen und Forstbeamten. Einer von Freverts Revierförstern aus der Rominter Heide, Kurt Roegler, sagte hierzu: »Partisanenkrieg ist gnadenlos und es ist mir ziemlich klar, dass Frevert so manches hat befehlen müssen, was heute besehen gegen die Menschlichkeit verstoßen hat … Er war Soldat und Partisanen-Bekämpfung ist kein Kaffeekränzchen!«

Ich habe zu Anfang der 1980er-Jahre bei der Witwe Walter Freverts die leeren Stellen in den Fotoalben ihres Mannes gesehen, wo die Aufnahmen aus Bialowies herausgetrennt waren. Er wollte sich an diese dunklen Zeiten nicht mehr erinnern.

Die Vorgänge in diesem ostpolnisch-weißrussischen Waldgebiet hätten zu Beginn der Sechzigerjahre zu einem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Beteiligung an nationalsozialistischen Gewalttaten geführt, wäre Walter Frevert nicht in den Abendstunden des 30. Juli 1962 in einer Dickung seines Forstamts Kaltenbronn, um die Hand den Riemen seines Schweißhundes geschlungen, durch eine Kugel aus seiner Büchse ums Leben gekommen.

Obwohl Jäger mit Leib und Seele, besaß Frevert auch als reiner Forstmann und Waldbauer beste Zeugnisse, wie beispielsweise dasjenige seines Vorgesetzten Klein im Forstamt Wolfgang bei Hanau, wo er als Assessor gewirkt hatte, aber auch von Professor Eilhard Wiedemann aus der Rominter Heide. Frevert strebte danach, das überwiegend gleichförmige Buchenrevier, das er in Battenberg verwaltete, als auch die umfangreichen Nadelholzreviere, die ihm später überantwortet waren, in bunten und ungleichaltrigen Mischwald zu überführen.

Als nachahmenswerte Lebensmaxime setzte es sich Frevert in jungen Jahren zum Ziel, auf irgendeinem Gebiet mehr zu leisten als alle übrigen Menschen. Seine Lebensgeschichte zeigt, dass er damit recht hatte. Dieses Spezialgebiet war für ihn das Waidwerk, dem er sich voll und ganz verschrieb, und darin besonders der Rotwildhege, der Zucht und Führung des Hannoverschen Schweißhundes und dem jagdlichen Brauchtum. Da er mit der Fähigkeit ausgestattet war, in Wort und Schrift seine Anliegen mit großer Überzeugungskraft zu verbreiten, wurde er besonders unter Rotwildfachleuten und Schweißhundführern als Autorität anerkannt. Die Jugend schaute mit großer Verehrung zu ihm auf.

Als Frevert im Oktober 1944 durch den Zusammenbruch der Ostfront seine Lebensstellung verloren hatte, fiel es in seinen letzten Lebensabschnitt, seine Erinnerungen in mehreren Büchern zu verewigen, und damit – nach dem verlorenen Krieg und dem Verlust der Ostprovinzen – Jagdgeschichte zu überliefern, die sonst unwiederbringlich verloren gegangen wäre.

Sein Hauptwerk ist das vorliegende Buch »Rominten«, das literarische Zeugnis über alles, was in jener Epoche in der Rominter Heide geleistet worden war. Es zu verfassen entschloss sich Frevert schon in dem katastrophalen Winter 1945/46, als er als Nachtwächter und Fuchsfänger tätig war. Da ihm damals nur seine Erinnerung auf die knapp acht Jahre, die er als Forstmeister und Oberforstmeister in der Rominter Heide gewirkt hatte, zur Verfügung stand, bat er seine ehemaligen Beamten, deren zerstreuten Aufenthalt er ausfindig machen konnte, ihm Fotos und schriftliches Material ausleihen zu wollen: »Lassen Sie meine Bitte um Mithilfe nicht unerfüllt. Wir haben unsere beste Mannesarbeit in Rominten geleistet, alles, was uns das Leben noch zu bieten vermag, wird dagegen kümmerlich sein, sorgen wir nun dafür, dass die Erinnerung an diese Leistungen nicht verloren geht.«

Die Unterstützung wurde ihm nicht versagt, doch hielten die meisten der angefragten Mitarbeiter und Kollegen die Herausgabe eines solchen Buches vorerst für nicht sinnvoll. Die Stimmung im Land sei für ein solches Buch zu indolent und zu hasserfüllt, meinte der Warner Forstmeister Hans Holm, und Ferdinand Wallmann, der Vorgänger Freverts im Forstamt Nassawen, fand die Idee ebenfalls schlecht, wenn er die Antwort gab: »Betreffs der Notwendigkeit, jetzt ein Buch über die Rominter Heide zu schreiben, womöglich mit einer kleinen Verbeugung vor der gerade modern gewordenen Demokratie, kann ich mich den Ausführungen in Ihrem Rundschreiben nicht anschließen. Ein solches Buch objektiv zu schreiben und den Kaiser und auch Göring bei sonstigem Bildschmuck zu übergehen, ist, wenn es historischen Wert haben soll, gar nicht möglich und wird zweifellos vom Publikum abgelehnt werden. Das, was historisch wissenswert ist und erhalten bleiben muss, ist ja – wie Sie selbst schreiben – festgelegt in den der Vernichtung entgangenen Hauptmerkbüchern, den Akten der Forstlichen Hochschule in Hannoversch Münden und in den vielen vorhandenen alten Jahrgängen der Jagdzeitschriften.«

Frevert hatte aber recht behalten, wenn er das Buch dennoch schrieb, es kam allerdings erst im Jahre 1957 auf den Markt. Eine Herausgabe beim Verlag Paul Parey war aus kleinlicher politischer Bedenkenkrämerei gescheitert, sodass es nun im Bayerischen Landwirtschaftsverlag erschien. Mehr als in alle übrigen Schriften hat Frevert in dieses sein Hauptwerk investiert, mehr Bedeutung als allem anderen hat er dessen Abfassung beigemessen und sogar einmal gesagt, es sei überhaupt die einzig wichtige Aufgabe, die er noch vor sich habe.

Wie jedes Buch besitzt Freverts »Rominten« Stärken, aber auch Schwächen. Zu Ersteren zählten die so herrlich zu Papier gebrachte Begeisterung, mit der er und seine Beamten die Aufgaben in der Rominter Heide anpackten, und die so lebendig geschilderte sorgfältige und sachkundige Hege und Reviergestaltung, die dort betrieben wurde. Dadurch ist das Werk zum literarischen Denkmal der letzten Jahre dieses traditionsreichen Rotwildreviers geworden, bevor die Furie des Krieges und die Neuziehung der Grenzen in Ostmitteleuropa diese Wildbahn vernichteten, aber auch zu einem persönlichen Vermächtnis Walter Freverts.

Die Hege des Rotwildes in allen ihren Facetten, die Revierpflege, die Handhabung des Kahlwildabschusses, die Schonung einzelner kapitaler Hirsche, die Bewirtschaftung des Schwarzwildes sowie auch viele interessante Schilderungen von Jagderlebnissen und Begegnungen mit Gästen bilden den Hauptinhalt dieses Buches.

Naturgemäß hat Frevert hauptsächlich aus seinen eigenen Jahren berichtet, er schilderte aber auch die alten Zeiten anschaulich. Hierbei stützte er sich auf Forstamtsakten und gedruckte Quellen, was die ältesten Epochen betrifft aber hauptsächlich auf das jagdhistorische Standardwerk »Wildbahn und Jagd Altpreußens« von Professor Mager, der vormals auch bei Frevert in Nassawen recherchiert hatte. In der Liste der Quellen führte Frevert dieses Buch an erster Stelle an.

Was für waldkundlich und forstgeschichtlich interessierte Leser noch wünschenswert gewesen wäre, sind nähere Angaben über standörtliche und waldbauliche Verhältnisse, über Besonderheiten der forstlichen Bewirtschaftung (wie das Kramer für den Elchwald getan hat), alte Baumdenkmäler und Bestände, Denksteine und Forstleute früherer Zeit. Auch wäre es zu begrüßen gewesen, gewisse Örtlichkeiten in der Heide, wie beispielsweise die sogenannte Lindenhütte, mittels der Jagen-Nummern anzugeben, damit man diese auch später wiederfinden kann. Da aber Freverts Buch vom Umfang her gewisse Grenzen nicht überschreiten durfte, entschloss sich sein Verfasser, die jagdlichen Aspekte in den Vordergrund zu rücken und diese dafür ausführlich zu gestalten. Walter Frevert sah sich veranlasst, auch einiges zu vernebeln, wie etwa dort, wo er die Erlegung des Hirsches »Lasdehnkalnis« schilderte: Er bezeichnete Göring als »prominenten ausländischen Jagdgast«.

Obwohl er seine Revierbeamten gesamthaft als sehr idealistisch gesonnene, ehrliche, tüchtige und jagdlich hoch erfahrene Männer bezeichnete, würden es diese doch nicht ungern gesehen haben, wenn er auch einigen herausragenden Vertretern ihres Standes zu früheren Zeiten lobend Erwähnung getan hätte, nicht bloß den Revierverwaltern.

Gelegentlich schrieb Frevert Schilderungen, bei denen ihm der Schwung etwas durchgebrannt war, jedenfalls setzte Oberförster Roegler einmal die Marginalie an den Rand: »Nicht so viel Pedal, Herr Oberforstmeister!«

Einige Unrichtigkeiten, wie beispielsweise, die Rominter Heide habe zu den Hofjagdrevieren Wilhelms II. gehört, wurden bei der vorliegenden Auflage berichtigt, ebenso zwei unzutreffend angegebene Jagen-Nummern. Die Benennung des Igter Sees als »Igler See«, was vermutlich von Freverts schlecht zu entziffernder Handschrift im Manuskript herrührte, wurde eben­falls korrigiert. Schließlich hat Walter Frevert auch das Bildmaterial recht großzügig verwendet und Fotos eines Keilers und von Wölfen, die in Bialowies gemacht worden sind, kurzerhand als Rominter Jagdstrecke deklariert.

Dies sind sogenannte »Kleinigkeiten«, mit denen Frevert stets unbekümmert umgesprungen ist und diejenigen »Aktenonkels« verachtete, die es damit genau nahmen. Es kam ihm ausschließlich auf die Großen Linien der Darstellung an und er rechnete wohl nicht damit, dass solche Details zu späteren Zeiten noch von Interesse sein könnten, nachdem das Revier nicht mehr zu Deutschland gehörte. Denn nun war es in seiner Einheit durch eine Staatsgrenze zerschnitten, die repräsentativen Baulichkeiten lagen vernichtet und die jagdliche Bedeutung der Wildbahn war auf null gesunken.

Die Rotwildhege unter Verfütterung von Kraftfutter mit dem Ziel, Rekordgeweihe zu erzielen, stößt heute richtigerweise auf Ablehnung. Das war auch damals schon so bei Forstleuten wie Ferdinand Wallmann, welche nur eine verhältnismäßig bescheidene Erhaltungsfütterung betrieben hatten. Man muss bedenken, dass die Rominter Heide zu früherer Zeit sehr winterkalt war und große Schneemengen aufwies. Bei dem recht hohen Wildstand, welcher schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorhanden war, kam den zahlreichen Waldwiesen, Mooren und der Winterfütterung die Aufgabe zu, Schälschaden zu vermeiden und die Hauptmasse des Wildes über den Winter zu bringen. Außer Fichte und Erle mussten sämtliche Baumarten gegattert werden. Die Beobachtung und Zählung an den Fütterungen bot die Grundlage des Beschussplans und mithin der Rotwildhege.

Leider ist es in den Jahren vor Frevert nicht immer möglich gewesen, einen entsprechend hohen Abschuss zu tätigen und den Bestand im Griff zu behalten. Daher war es nach seiner Amtsübernahme am 4. Dezember 1936 einer seiner ersten und wichtigsten Anordnungen, in Übereinkunft mit Oberstjägermeister Scherping eine starke Reduzierung des Wildstandes herbeizuführen. Es sollte nach seinem richtigen, damals aber noch nicht überall geteilten Verständnis wenig, aber starkes, gesundes Wild vorhanden sein, und diesem verhältnismäßig geringen Wildstand durch einen ungleichaltrigen, artenreichen und von zahlreichen Wiesen durchsetzten Mischwald überall der Tisch gedeckt werden. Voraussetzung für den Erfolg war eine scharfe jagdliche Bestandeskontrolle.

Zu jener Zeit wurde die Bedeutung von Geweihmerkmalen zu stark in den Mittelpunkt aller direkten Hegeüberlegungen gestellt, obwohl die kapitalen Trophäen in einem ideal bewirtschafteten Bestand ganz von selbst zutage getreten wären und als Lohn der Hege hätten gewonnen werden können. Es hätte durchaus genügt, die kapitalen Hirsche möglichst ausreifen zu lassen, auch unter dem Risiko, dass sie geforkelt wurden, statt mithilfe des Sesamkuchens eine möglichst schnelle Produktion von Kapitalgeweihen zu betreiben und dadurch die »Umtriebszeit« der Hirsche zu senken. Dies Frevert anlasten zu wollen, wäre aber verfehlt, denn es war weitgehend eine Folge des großen Andrangs an Jagdgästen, die sämtliche auf höchsten Befehl »abgefrühstückt« werden mussten.

Walter Frevert wusste sehr wohl, dass das Rotwild vom Schöpfer nicht erschaffen worden war, damit der Jäger mit Monokel und Bandmaß um die erlegten Hirsche herumstiefelt und die Geweihe ausmisst, eine Punktzahl auf Zehntel genau berechnet und diese mit den entsprechenden Daten von Karpaten- oder Donau-Hirschen vergleicht. Dies sind gewisse Verirrungen, welche in jagdhistorischer Gelassenheit zu betrachten sind.

Allerdings, auch Frevert war bloß ein Mensch seiner Zeit, kam doch in seiner Denkweise der Erzeugung kapitaler Geweihe die selbstverständliche Hauptrolle zu. Er bekannte sich zur Auslese nach den als edel empfundenen Geweihmerkmalen und beabsichtigte, durch entsprechenden Wahlabschuss den Bestand mit solchen Geweihformen genetisch anzureichern. Auch auf höheren Befehl musste er zum Rekord streben und die Ziele immer höher schrauben. Dennoch gibt es Äußerungen von ihm, die zeigen, dass er die Übertreibungen und Schattenseiten eines solchen Jagdbetriebes erkannte.

Derjenige Teil der »Hege mit der Büchse«, welcher das vermehrte Vorhanden­sein kapitaler, edel geformter Geweihe im Erbgut festschreiben will, wird heute von der genetischen Wissenschaft nicht gutgeheißen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass in alten Zeiten häufig gerade die endenreichsten und kapitalsten Kronenhirsche vorzeitig abgeschossen worden waren, und dass daher eine Korrektur dieser unvorteilhaften früheren Auslese – ein gewisses Entgegenwirken – nicht von vornherein abgelehnt werden sollten. Auch sind neben der Auslese nach Geweihmerkmalen, die der Heger betreibt, in winterkalten Gebieten noch genügend natürliche Auslesefaktoren wirksam, die das Wild anpassungsfähig und gesund erhalten.

Selbstverständlich wusste Frevert, dass es starke und kapitale Geweihe nur in einem gesunden, idealen Rotwildbestand geben konnte, und dass die Beobachtung der Stärke der Stirnwaffen dem Heger ein sehr taugliches Mittel in die Hand gibt, um richtig zusammengesetzte oder eben jagdlich verdorbene Rotwildbestände zu erkennen.

Walter Frevert war ein großer Anhänger nicht nur der Ästhetik des jagdlichen Tuns und des Brauchtums, sondern auch ein Bewunderer der Waldesschönheit. Überhaupt hat er sein Leben lang der Schönheit gedient. Seine Beobachtungsschirme und die seltenen Hochsitze und Kanzeln ließ er möglichst gut der Umgebung anpassen, damit sie das Auge nicht störten und in ihren Baumaterialien nicht als Fremdkörper wirkten. Heute müsste man wohl einen Forstmann oder Jäger, dem dies ebenso wichtig wäre, mit der Laterne suchen. Frevert zeigte sich im Übrigen zunehmend besorgt wegen des Überhandnehmens technischer Hilfsmittel bei der Jagd. Er wollte die deutsche Art zu jagen bewahren und lehnte angloamerikanische Einflüsse auf die deutsche Jagdkultur ab.

Es ist zu begrüßen, wenn nunmehr der Kosmos Verlag die Rechte er­worben und sich nochmals zu einer Neuauflage dieses Standardwerks über die Rominter Heide im verlorenen Ostpreußen entschlossen hat, wird es doch – wie auch sein Verfasser schon sagte – auch in Zukunft immer wieder Menschen geben, welche sich für all das, was dort in jagdkultureller Beziehung geleistet worden ist, für all die vernichtete hochwertige jagdliche Maßarbeit interessieren. Dies dürfte selbst dann noch der Fall sein, wenn eine neue Art zu »jagen« – oder vielleicht zu schießen – die letzten Reste der klassischen deutschen Jagd vernichtet hat, wie sie von Ulrich Scherping, Hans Kramer, Roman Beninde und Walter Frevert im 20. Jahrhundert repräsentiert und vorgelebt wurde.

Rominter Heide, im Herbst 2020Dr. Andreas Gautschi

Einfahrt in die Rominter Heide (Foto Forstmeister Micke)

Heinke Frevert im Jahr 1977

Ein besseres Jahr als dieses – 1977 – konnte für die Neuauflage des Buches »Rominten« nicht gefunden werden: Es jähren sich »runde« Gedenk­tage, die mit dem Werk und seinem Autor in unmittelbarem Zusammenhang stehen.

Vor 30 Jahren – im Frühjahr 1947 – war mein Mann, aus kanadischer Gefangenschaft entlassen, immer noch arbeitslos. Eine Zukunft schien es für uns nicht zu geben, nur ein trauriges Zurückschauen, ein schmerzliches Erinnern an das, was wir verloren hatten: unser glückliches Leben in der ostpreußischen Rominter Heide.

Die Erkenntnis, daß er als letzter Verwalter dieses herrlichen Waldkomplexes und einmaligen Jagdreviers die Pflicht habe, der Nachwelt aufzuzeigen, was er erlebt und geschaffen hatte, ließ ihn erste Notizen und anekdotische Erinnerungen aufschreiben. Im Oktober 1947 bekam er ein Forstamt im schönen Schwarzwald-Murgtal. Wir hatten wieder ein Zuhause, einen neuen Anfang. Die dichtbeschriebenen Heftseiten mit dem Titel »Rominter Heide« mußten zunächst einmal beiseite gelegt werden. Das neue, andersgeartete Tätigkeitsfeld verlangte den ganzen Einsatz, aber als mein Mann sich im neuen Forstamt gut und sicher eingearbeitet hatte, reifte in ihm der Plan, den mehr emotionellen Erzählungen Geschichtliches, Jagdwissenschaftliches und Statistisches über die Rominter Heide beizufügen und das Ganze zu einem druckreifen Manuskript werden zu lassen.

Es begann eine mühevolle Arbeit. Um das notwendige Material zusammenzubekommen, wurde nach ehemaligen Kollegen und Jagdgästen der Rominter Heide gesucht, Experten verschiedener Teilgebiete um Begutachtungen des Textes gebeten, alte Schriften und Aufzeichnungen ausgewertet, Photomaterial gesichtet.

Deutschland war zerrissen in Besatzungszonen, die postalischen Möglichkeiten waren mangelhaft, die Menschen verstört und mißtrauisch. Aber mein Mann ließ sich durch nichts beirren. Sein Ziel stand fest, er wollte der geliebten Rominter Heide durch Wort und Bild ein bleibendes Denkmal setzen.

Sein Durchhaltevermögen und schriftstellerisches Talent wurden belohnt. Im Juli 1957 – zehn Jahre waren vergangen, seit die ersten Aufzeichnungen für das Buch gemacht wurden – erschien »Rominten«. Zwei Jahre später wurde es mit dem DJV-Literaturpreis ausgezeichnet. Vor 15 Jahren ist Walter Frevert auf der Jagd tödlich verunglückt. Er hinterließ mir das Vermächtnis seiner Bücher, allen voran »Rominten«.

Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung erscheint nun dieses Buch noch einmal als Neuausgabe. Ein schöneres Geschenk hätte man meinem Mann – im Herbst 1977 wäre er 80 Jahre alt geworden – nicht machen können.

Die Hirschbrücke, in Richtung des Dorfes Rominten

Geschichte

Die Rominter Heide war ursprünglich ein Teil der sogenannten »Großen Wildnis«, die bis ins 15. und 16. Jahrhundert hinein den ganzen Ostteil Ostpreußens einnahm. Während noch im 12. Jahrhundert ausgedehnte Teile der »Großen Wildnis« von den preußischen Stämmen der Schalauer, Sudauer, Nadrauer und Galinder besiedelt waren, wurde später durch Stammesfehden und Kämpfe mit den benachbarten Polen und Litauern die Bevölkerung stark dezimiert und eine fast vollständige Entsiedlung und Wüstlegung des Gebietes herbeigeführt. So wurde es dem deutschen Ritterorden verhältnismäßig leicht, die Reste der Bevölkerung unter seine Obrigkeit zu bringen, als er vom Jahre 1230 an begann, das Land der Pruzzen zu erobern und zu kolonisieren. Durch diese Kämpfe, die infolge der Einfälle der Litauer und Polen immer wieder auflebten, entstand im Osten der Provinz Ostpreußen ein großes, fast menschenleeres Gebiet, welches beinahe die gesamten heutigen Regierungsbezirke Allenstein und Gumbinnen umfaßte und darüber hinaus tief in den polnischen und litauischen Raum hineinragte. Durch die Wüstlegung derartig großer Flächen rückte der Wald überall wieder vor, um etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts als fast geschlossene Wald- und Bruchzone ein Revier von etwa 50–60 000 qkm zu bedecken. Dieses riesige, nur von Jägern und Fallenstellern durchstreifte Waldgebiet entwickelte sich naturgemäß zu einem hervorragenden Wildreservat.

Um das Jahr 1280 war die Eroberung Preußens durch den deutschen Orden im allgemeinen abgeschlossen. Es setzte nun eine Kolonisation ein, die in erster Linie die Randgebiete der »Großen Wildnis« erfaßte und vor allem die fruchtbaren Flußniederungen der unteren Weichsel entlang und die Landstriche längs des Frischen Haffs bis zum Samland einschloß. Von hier aus wurde die weitere Kolonisierung in Richtung Osten vorgetrieben. Durch die zahlreichen Kriege mit Polen-Litauen wurde jedoch diese Kolonisationstätigkeit immer wieder empfindlich gestört. Weite Gebiete wurden verwüstet und immer wieder vom Wald bedeckt. Die eigentliche »Große Wildnis« wurde erst in stärkerem Maße kultiviert, als nach dem Zweiten Thorner Frieden (1466) infolge des Verlustes von Westpreußen die Wildnis­zone für den deutschen Orden als Siedlungsreserve an Bedeutung gewann. Im 15. und 16. Jahrhundert wurden dann entscheidendere, große Fortschritte erzielt, besonders im nordöstlichen Teil, wo vom deutschen Orden litauische Kolonisten angesetzt wurden. Diese machten weite Teile des Landes urbar, rodeten den Wald und gewannen fruchtbares Ackerland. Dabei wurde auch der Raum um die Rominter Heide erfaßt. Zahlreiche litauische Namen erinnern noch heute daran; daneben finden wir aber auch Namen aus der altpruzzischen Zeit, die an die alten preußischen Stämme erinnern. Pellkawen, Markawen, Nassawen sind solche pruzzischen Namen. Alle Ortsbezeichnungen mit den Endungen »kehmen« und »lauken«, wie Szittkehmen, Mehlkehmen, Aschlauken usw. sind dagegen litauischen Ursprungs.

Die weitere Kultivierung im 17. und 18. Jahrhundert wurde durch landes­herrliche Schatull-Kolonisation bewirkt, die durch Ansiedlung von deutschen Bauern besonders das Gebiet der südlichen »Großen Wildnis«, den Bezirk Allenstein und die Memelniederung erfaßte. Sehr viel hat König Friedrich I. für die Umwandlung der Wildniszone in Kulturland getan und im Jahre 1739 den Namen »Wildnis« abgeschafft, weil »Se. Kgl. Majestät keine Wildnis in ihren Landen erkenneten«. Leider wurde bei diesen Rodungen und Umwandlungen in Ackerland auch stellenweise des Guten zuviel getan. Während das Gebiet Ostpreußens ursprünglich ein ungeheures Wald- und Bruchland darstellte, war die Provinz im Vergleich mit anderen deutschen Gauen zu unserer Zeit geradezu als »waldarm« zu bezeichnen. Nur wenige größere Waldgebiete waren von der »Großen Wildnis« übriggeblieben, vor allem im Osten der Memelwald, nach Süden dann die Rominter Heide, die Borker Heide und die Johannisburger Heide. Die Belassung gerade dieses Waldgürtels im Osten der Provinz ist einmal sicherlich auch aus jagdlichen Gründen erfolgt. Die Hochmeister des Ordens und die späteren Herzöge und Könige von Preußen hatten hier ihre Leibjagdreviere, die zur Rodung nicht freigegeben wurden. Vielleicht mögen aber auch strategische Gesichtspunkte für die Belassung dieser Waldbarriere gegen Polen und Litauen maßgebend gewesen sein.

Wenn wir uns ein Bild machen wollen von den Bestandesverhältnissen der »Großen Wildnis« und damit auch der Rominter Heide zur Ordenszeit, so geben uns die heutigen Verhältnisse im Urwald von Bialowieza einen guten Anhalt. Dieser Urwald ist noch zum Teil in völlig unberührtem Zustande und wächst unter ganz ähnlichen Klima- und Bodenverhältnissen wie die Rominter Heide. Demgemäß war ursprünglich auch der Laubholz­anteil in der Rominter Heide erheblich größer als heute. Der Grundwasserstand war im Durchschnitt höher, und dadurch waren weite Gebiete laubholzfähig, die heute nur noch Nadelholz tragen können. Große Brücher und Sümpfe unterbrachen die dichten Urwaldbestände. Auch Wiesen waren vorhanden, die aus den Biberteichen entstanden. Die Biber, die damals sehr zahlreich waren, bauten an allen Wasserläufen Stauanlagen und errichteten in den so entstandenen Stauseen ihre Burgen. Bei dem geringen Gefälle der Wasserläufe traten Anstauungen von mehreren Kilometern Länge ein, wodurch der Waldbestand abstarb und zusammenbrach. Durch Ablagerung von Schlick und Sand wurde das zusammengebrochene Holz überlagert. Die in der Nähe befindlichen Weichhölzer, vor allem Aspe, Weide, Birke und Erle wurden vom Biber durch kreisförmiges Benagen zu Futterzwecken gefällt. Waren diese Futterbäume in der Nachbarschaft des Wassers aber aufgebraucht, so wanderte der Biber flußauf- oder abwärts, um andere, bessere Äsungsplätze aufzusuchen und dort einen neuen Staudamm zu errichten. Die verlassene Kolonie verfiel, und bei Hochwasser wurde eines Tages der Staudamm fortgerissen, die überflutete Fläche wurde frei, und so entstand eine Wiese, die dann im Laufe der Jahrzehnte wieder vom Walde durch Anflug erobert wurde. Durch diese Biberwiesen war also zweifellos – zum mindesten entlang der Flußläufe – eine gewisse Durchlichtung des Urwaldes gegeben.

Weiterhin spielte das Feuer eine große Rolle im Leben des Urwaldes. Durch Blitzschlag entstanden Waldbrände, die große Gebiete verwüsteten. Langsam eroberte der Wald dann durch Anflug von Samen auch dieses Terrain zurück. Durch diese Entwicklung wurde auch bedingt, daß der Wald im Urzustand – d. h. durch keine menschliche Bewirtschaftung beeinflußt – keineswegs überall einen plenterwaldähnlichen Charakter trug, daß also keineswegs alle Altersklassen auf kleinster Fläche vertreten waren, sondern es gab auch große Flächen gleichalterigen Hochwaldes, insbesondere im Nadelholz, in dem die Bäume dicht wie »Haare auf dem Hunde« standen. Erst durch Sturm, Eis und Schneebruch wurden wieder Lücken in die auf Brandflächen entstandenen gleichalterigen, dichten Bestände gebrochen, und durch Verjüngung auf diesen Lücken entstand dann das Bild des Plenterwaldes. So beeinflußten damals Feuer, Sturm, Schnee und Biber das Aussehen des Urwaldes an Stelle der Axt und Säge des heutigen Forstmannes.

Wenn auch zweifellos das Laubholz erheblich stärker vertreten war als im heutigen Kulturwalde, so hat doch auch schon in alten Zeiten das Nadelholz, besonders im östlichen Teil der »Großen Wildnis«, einen erheblichen bestandesbildenden Anteil am Aufbau des Waldes gehabt. Die Fichte und die Kiefer sind in der Rominter Heide autochthon und nicht etwa später künstlich eingebracht. Das beweisen auch die im Gebiet der Rominter Heide durchgeführten pollenanalytischen Untersuchungen.

Schon frühzeitig setzte eine Ausplünderung des Waldes in der »Großen Wildnis« ein. Insbesondere die Eichen wurden schon zur Ordenszeit rücksichtslos eingeschlagen und für Haus- und Schiffsbau verwertet. Da nichts für den Wiederanbau dieser Holzart geschah, mußte die rücksichtslose Nutzung selbst bei dem ungeheuren Holzvorrat der damaligen Zeit allmählich stark vermindernd auf diese Holzart wirken. Daß mächtige Eichen in der »Großen Wildnis« gewachsen sind, beweisen heute noch zahlreiche gute Eichenbestände im Gebiet der ehemaligen »Großen Wildnis«, ich erinnere nur an die berühmten Eichenalleen Trakehnens! (Das Vorbild für die Eiche auf der Rückseite der alten Fünfmarkstücke steht in Trakehnen!) Der größte Teil des Waldes der »Großen Wildnis« bestand jedoch zweifellos aus Mischbestän­den von Eiche, Birke, Aspe, Winterlinde, Hainbuche, Esche, Ulme, Erle und Fichte. Auf trockenen und sandigen Partien trat die Kiefer stärker hervor. Diese anpassungsfähigste aller Holzarten kam aber auch auf allen übrigen Standorten vor. In den weitverbreiteten Mooren war die Kiefer die Hauptholzart; dort, wo infolge stagnierender Nässe weder Edellaubhölzer noch Erlen sich halten konnten, und wo es der Fichte zu naß war, fand die Kiefer noch eine Existenzmöglichkeit. Allerdings waren in diesen Brüchern hundertjährige Kiefernbestände nur wenige Meter hoch und hatten in Brusthöhe Durchmesser von 15–20 cm. Nur dort, wo beste Bodenverhältnisse herrschten, insbesondere den Flußläufen im alluvialen Schwemmland entlang und auf frischen Lehmböden, wurde die Kiefer von den üppig wachsenden Laubhölzern verdrängt. Hier fand sich auch die Fichte nur in wenigen Exemplaren. An allen etwas weniger feuchten Stellen war aber sofort das Nadelholz in stamm- und horstweiser Mischung wieder da, um auf den trockenen Partien zu dominieren. Wildobst, Eberesche, Hasel, die beiden Holunderarten und andere Waldsträucher spielten im Urwald eine erheblich größere Rolle als im heutigen Wirtschaftswald. Die schon erwähnten rücksichtslosen Einschläge an Eichenholz erfolgten während der Ordenszeit vor allem auch zum Zwecke der Ausfuhr – das Holz wurde auf den Flußläufen geflößt! –, während die Winterlinde zur Herstellung von Holzkohle Verwendung fand. Die Lindenholzkohle war besonders begehrt zur Metallbearbeitung und Pulverfabrikation. Aber auch aus anderen Laubhölzern wurde Asche für gewerbliche Zwecke gewonnen. Die sogenannten »Aschbuden« haben für den Laubholzbestand des Waldes minierend gewirkt. Neben den Aschbuden (Aschlauken bei Nassawen am Nordrand der Rominter Heide!) wurden an vielen Stellen Teerbuden errichtet, in denen auf die damalige primitive Weise Holzkohlen­teer gewonnen wurde. In der Rominter Heide war der heutige Ort Rominten eine solche Teerbude. Erst Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Name »Teerbude« in »Rominten« umgeändert. Die Revierförsterei Teerbude in Rominten erinnert bis heute an dieses waldverwüstende Gewerbe.

Wenn wir uns auch die »Große Wildnis« als einen dichten Urwald vorstellen müssen mit zusammengebrochenen Stämmen, mit Unterholz und Fallholz, mit Windbruchpartien, die undurchdringlich waren, mit großen Mooren und Brüchern, mit versumpften Flußläufen und ohne Weg und Steg, so gab es doch, wie schon oben ausgeführt, lichtere Stellen, an denen der Wald auch passiert werden konnte. Die sogenannten »Wegeberichte«, die zwischen 1384 und 1402 von ortskundigen Waldläufern der Ordensverwaltung eingereicht wurden, lassen erkennen, daß die »Große Wildnis« nur stellenweise so dicht war, daß von den durchziehenden Ordenstruppen der Wald erst mit der Axt geräumt werden mußte. Wenn auch die beschriebenen Routen zweifellos dem jeweils günstigsten Gelände folgten, so ist doch zu ersehen, daß die Wildnis­zone auch ausgedehnte, lichtere Partien besaß, die berittene Abteilungen passieren konnten. Auch natürliche Lichtungen, die Grasfutter für die Pferde boten, waren stellenweise bereits vorhanden und sind in den Wegeberichten erwähnt. Andere Teile dagegen waren wieder sehr schwer passierbar, weil Windwurf und Schneebruchholz und gestürzte, abgestorbene Stämme sich zu hohen Barrikaden häuften, die, mit Jungholz und Gestrüpp dicht bewachsen, so gut wie undurchdringlich waren.

Im 14. Jahrhundert errichtete der deutsche Orden in der »Großen Wildnis« an verkehrswichtigen Punkten sogenannte Wildhäuser, die einerseits als militärische Stützpunkte gegen die Einfälle der Polen und Litauer dienten und als Proviant- und Waffendepots benutzt wurden, andererseits Abnahme­stellen für alle Produkte der Wildnis waren. Dort wurden von den Jägern und Fallenstellern, von den Randkolonisten und Fischern Wildbret, Felle, Honig, Wachs (von der damals fast ausschließlich geübten Waldbienenweide), Fische usw. abgeliefert und dafür Ausrüstungsgegenstände, Proviant und alle sonstigen Bedarfsartikel entgegengenommen. Diese Wildnishäuser waren Blockhausbauten mit Vorratsräumen und Magazinen, die durch einen hohen Palisadenzaun gegen räuberische Überfälle geschützt waren. Die Besatzung dieser Wildnishäuser scheint nur gering gewesen zu sein – so wird überliefert, daß das Wildhaus Angerburg, welches im Jahre 1365 von den Litauern überrumpelt wurde, nur eine Besatzung von acht Mann hatte. Die wichtigsten Wildnishäuser wurden später zu festen Ordensburgen ausgebaut, an die sich Siedlungen anschlossen. Auf diese Weise sind fast alle heutigen Städte im Raum der »Großen Wildnis« wie Allenstein, Ortelsburg, Willenberg, Johannisburg, Lötzen, Angerburg, Insterburg und viele andere entstanden.

Zu Ende der Ordenszeit traten an Stelle der Wildhäuser die sogenannten Jagdbuden, die ausschließlich jagdlichen Zwecken dienten. Die letzten Hochmeister des Ordens und besonders die späteren Herzöge von Preußen, Kurfürsten und Könige waren passionierte Jäger, und die Jagd war nun zu einer herrschaftlichen Lust geworden. Während sie im Gebiet der »Großen Wildnis« zunächst von den Randsiedlern, Fallenstellern, überhaupt von den Anwohnern ausgeübt worden war, nahm zum Ende des 15. Jahrhunderts der Orden für sich das alleinige Recht darauf in Anspruch. Es wurde das Jagdregal geschaffen, welches, mehr oder minder scharf gehandhabt, bis zur Regierungszeit Friedrichs des Großen erhalten blieb. In der Forstordnung von 1775 wurde dann die Verpachtung der Jagden auf den Feldmarken der königlichen Domänen und Dörfer zur Pflicht gemacht und die Jagd in den Staatsforsten administriert. Diese Rechtsverhältnisse blieben im großen und ganzen bis zur Revolution im Jahre 1848 erhalten. Erst 1848 wurde formell das vom deutschen Orden eingeführte Jagdregal zu Fall gebracht.

Die Jagdbuden enthielten das damals zur Jagd benötigte Jagdgerät, also vor allem das große Zeug, die Netze und Lappen; daneben waren Wohnungen für die Jäger vorhanden. Unter den in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erwähnten zahlreichen Jagdbuden ist auch die in Romitten (Rominten) aufgeführt. 1748 werden jedoch nur noch acht Jagdbuden aufgezählt, dar­unter die in Rominten.

Wie die »Romittische Jagdbude in der Heyde an der Romitte« in den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts aussah, erfahren wir von Lucanus (»Preußens uralter und heutiger Zustand, 1748«): »Dieses mit dicken Plancken umbgebene und mit einer umblaufenden Gallerie auf einem Hügel auffgeführte Jagdhaus ist kurtz vor oder bey Anfang der Regierung Churfürst Friedrich Wilhelms des Großen unweit dem Ambte Kiauten errichtet, von ihm darauf erneuert und ausgebessert, auch einem Förster zur Wohnung angewiesen worden. Im alten Jagdhause, so darneben fast von gleicher Form, nun aber verfallen ist, hat sich Churfürst Johann Sigismund 1612, im Julio, einige Tage auffgehalten. Unten am Berge wohnen die Warten oder Waldschützen, wobey ehemals ein langer Pferdestall angebauet gewesen.«

Heute liegt an der Stelle, an der die alte Jagdbude stand, eine Waldarbeitersiedlung, die »Jagdbude«, oben »auf dem Hügel« jedoch sind noch die Grundmauern der alten Jagdbude erhalten und auf ihnen steht ein altes, als Jagdhütte benutztes Haus, welches in Anlehnung an die Geschichte »Kurfürstliche Jagdbude« genannt wird. »Unten am Berge« liegen die beiden Förstereien Fuchsweg und Jagdbude; einige Waldarbeiterhäuser, eine Schule und eine forstfiskalische Gastwirtschaft ergänzen die Siedlung an dieser althistorischen Stätte. Die Stelle für die alte Jagdbude an der »Romitte« war sehr geschickt gewählt. Hoch über dem romantisch schönen Romintetal gelegen, ist man hier mitten im Herzen des westlichen Teiles der Rominter Heide, des alten Forstberitts Warnen. Dieser westliche Teil der Rominter Heide spielte früher jagdlich eine größere Rolle als der östliche Teil, weil letzterer, sehr nahe an der litauischen Grenze gelegen, erheblich mehr unter Wilddiebereien zu leiden hatte und daher einen geringeren Wildbestand aufwies. Daß auch früher schon nach froh verlebter Jagd die Jägerei gern den Humpen schwang, geht aus einer Verordnung des Regenten Georg Friedrich vom Jahre 1583 hervor, wonach bei den Jagdbuden Eisgruben angelegt werden sollten … »dieweil wir umb eines kühlen Truncks wegen uff unsem Heusern den Sommer über gefroren frisch Eyss haben wöllen …«. Zu diesem kühlen Trunke lieferte das Revier den zarten Hirschziemer, die vorbeifließende Rominte barg schwere Forellen und viele Biber, von denen als besonderer Leckerbissen der Schwanz, der sogenannte Biberzagel, gegessen wurde; der nahe Marinowosee steckte voller Krebse – das Leben und Jagen auf der »Romittischen Jagdbude« war sicher voll Lust und alle Tage neu!

Blick auf die »Kurfürstliche Jagdbude« von der Rominte aus

Wann, d. h. in welchem Jahre die Jagdbude in Rominten gebaut worden ist, ist leider nicht festzustellen. Am Ende des 16. Jahrhunderts war sie bestimmt schon vorhanden. Auch ist überliefert, daß Herzog Albrecht bereits in der Rominter Heide jagte. 1572 wird die »Bude Romitten sampt ihrer Zubehörung im Insterburgischen« in einer Verordnung erwähnt. 1583 erlegte der Regent des Herzogtums Preußen, Markgraf Georg Friedrich, in der Rominter Heide innerhalb von zwei Tagen zwei Zwölfender von 878 und 850 Pfund und einen Zehnender von 666 Pfund Gewicht. 1612 wohnte Joh. Sigismund, der große Jäger und preußische Waidwerkmeister, wie man ihn in Anlehnung an den großen Waidwerkmeister Maximilian I. nennen könnte, auf der »Jagdbude Romitten«. In der Beschreibung der preußischen Ämter 1683 heißt es, in der Rominter Heide habe der Kurfürst »die hohen und besten Jagten«. Es ist daher anzunehmen, daß auch schon die früheren Hochmeister des Ordens in der Rominter Heide gejagt haben, wenn hierfür auch keine Beweise zu erbringen sind. Allerdings waren die Leibreviere der Hochmeister vornehmlich die Wildnisse von Neidenburg, Ortelsburg, Johannisburg, und später, nach dem Verlust Westpreußens und der Verlegung des Hochmeistersitzes nach Königsberg, wurden die Reviere um Labiau, Tapiau, Wehlau, die Kurische Nehrung und auch Insterburg Leibreviere der Hochmeister. Da die Rominter Heide damals zum Verwaltungsbezirk Insterburg gehörte, ist somit die Wahrscheinlichkeit gegeben, daß schon zur Ordenszeit die Rominter Heide Hofjagdrevier war, und daß schon da­mals die alte Jagdbude bestand. Daß die Wildbestände in der Rominter Heide im 16. und 17. Jahrhundert sehr gut gewesen sein müssen, geht aus zahlreichen Überlieferungen hervor. So jagte, wie schon erwähnt, Kurfürst Johann Sigismund in Rominten, und bei der unglaublichen Jagdpassion dieses Fürsten ist sicher, daß er nur in allerbesten Jagden gejagt hat. Die Strecke dieses Kurfürsten ist für die Jahre 1612–1619 von seinem Wildwäger Korn überliefert und enthält alles Wild, das der Kurfürst in diesen Jahren im Herzogtum Preußen zur Strecke brachte. Es sind dies im Ganzen:

Eine ungeheure Strecke, insbesondere, wenn man die primitiven Hilfsmittel zur Jagd in der damaligen Zeit berücksichtigt. Zur Durchführung der Jagden wurde in der Umgebung der Jagdbude eine sogenannte Stellstätten-Einteilung geschaffen. Eine »Stellstätte« war ein von Schneisen eingefaßtes Viereck, welches man später »Jagen« nannte. Die Stellstätten-Einteilung ist also als Vorläufer einer geregelten Forsteinrichtung zu betrachten, diente jedoch ursprünglich nur jagdlichen Zwecken. In dem dichten Urwald ohne Schneisen und Wege wäre die Durchführung von Treibjagden, die Aufstellung von Lappen, Netzen, Garnen gar nicht möglich gewesen. Da die Herrenjäger aber große Strecken machen wollten und sich nicht mit der Pirsch auf Wild begnügten, auch ein sicheres Ergebnis einer Jagd verbürgt sein mußte, wenn sich die langen, weiten Reisen zum Jagdrevier lohnen sollten, so wurden in den Leibrevieren diese Stellstätten eingerichtet. Die Schneisen sollten stets geräumt werden von Unterholz und Graswuchs, um übersichtlich zu bleiben und auch um auf ihnen gut spüren zu können. Die Jägerei war dadurch leicht in der Lage festzustellen, wieviel Wild in einer Stellstätte sich eingestellt hatte und konnte danach den Plan der Jagd machen. Auf den Schneisen wurden auch die Netze aufgestellt, in die das Wild getrieben wurde, um dann mit Spießen, Saufedern, Hirschfängern und Schweineschwertern abgefangen zu werden. Es würde hier zu weit führen, eine eingehende Darstellung der Jagdmethoden der damaligen Zeit zu geben. In jedem Werk über Jagdgeschichte sind diese Schilderungen enthalten. Sicher ist, daß die Jagd von der Zeit der selbständigen Jäger, also der Fallensteller und Randkolonisten, an über die Ordenshochmeister bis zu den preußischen Königen in keiner Weise waidgerecht im heutigen Sinne ausgeübt wurde. Schonzeiten gab es im allgemeinen nicht, das Wild wurde wahllos gefangen, getötet oder sonstwie erbeutet, dazu waren alle Mittel recht. Die heute so verpönte Schlinge war ein beliebtes Hilfsmittel. Fallgruben, Lappen, Netze, Garne dienten der Erbeutung des Wildes. Niemand fand etwas dabei, Kolbenhirsche zu erlegen; führende Stücke genossen keinerlei Schonung, und der Begriff »den Schöpfer im Geschöpf zu ehren« kam erst viel später auf. Gewisse Schonvorschriften, die nach Einführung des Jagdregals erlassen wurden, galten meistens nur den schon damals selten werdenden Wildarten. Fütterungen, Salzlecken und andere Hegemaßnahmen hatten den Zweck, mengenmäßig das Wild zu vermehren, damit bei den herrschaftlichen großen Jagden möglichst hohe Strecken erzielt werden konnten. Auch die Bewertung der Trophäe hatte lange nicht die Bedeutung wie heute. Gewiß legte man auch damals schon Wert auf besonders starke Trophäen, aber wichtiger war das Wildbret und die Decke – die Jagd hatte damals noch viel mehr Ursprüngliches, sie war in erster Linie ein Fleischmachen für die Ernährung. Und auch als später die Jagd zu einer »fürstlichen Lust« geworden war, war immer noch die Masse, nicht die Qualität das Entscheidende.

Die Romintenbrücke unterhalb des Jagdbudenbergs

Die Rominter Heide war zuerst eingeteilt in zwei »Wiltnusberitte« – es waren dies die Beritte Warnen und Nassawen. Später wurden die Wildnisberitte in Forstberitte umbenannt. Es ist verschiedentlich von dem Groß-­Nassawischen Forstberitt die Rede. Die Leitung und Verwaltung eines Wildnisberittes hatte ein Wildnisbereiter, dem Jagdknechte zur Unterstütz­ung beigegeben waren. Vielfach wurden diese Wildnisbereiter auch Wildschützen genannt, wobei aber zweifellos das Wort nicht die heutige ominöse Bedeutung hatte. Zur Ordenszeit stand den Ordenskomturen ein sogenannter Waldmeister zur Seite, der auch wohl die Amtsbezeichnung Jägermeister oder Jagdmeister (magister venacionum) führte. In der herzoglichen Zeit traten an die Stelle der Waldmeister Oberförster oder Forstmeister, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Bezeichnung Oberforstmeister erhielten. Es gab in Ostpreußen zwei derartige Oberforstmeister, die ursprünglich beide ihren Dienstsitz in Königsberg im Großen und Kleinen Jägerhof hatten. Als im 18. Jahrhundert der Kammerbezirk Gumbinnen gegründet wurde, siedelte der Oberforstmeister, dem der litauische Kreis unterstellt war, nach Gumbinnen über. Die alten Forstberitte wurden Ober­förstereien genannt und unterstanden einem Oberförster bzw. Forstmeister. Bis zum Jahre 1869 blieb es bei dieser Zweiteilung der Rominter Heide in die Beritte und späteren Oberförstereien Warnen und Nassawen. Im Sommer 1869 wurden die beiden Oberförstereien Szittkehmen und Goldap neu eingerichtet. 1898 wurde die Oberförsterei Szittkehmen in Rominten umbenannt. Um die Jahrhundertwende wurde auch die Oberförsterei Goldap von Goldap nach dem Ort Rominten (früher Teerbude) verlegt und im Jahre 1926 Oberförsterei Rominten benannt, während die Oberförsterei Rominten nunmehr ihren alten Namen Szittkehmen zurückerhielt. Bei der Verdeutschung der Namen wurde die Oberförsterei Szittkehmen 1938 in Oberförsterei Wehrkirchen umgetauft. Am 1.4.1938 wurde die Rominter Heide zum Staatsjagdrevier erklärt und als besonderer Oberforstmeisterbe­zirk mit der Bezeichnung »Oberforstamt Rominter Heide« aus der allgemeinen Forstverwaltung herausgelöst und un­mittelbar dem Reichsjagdamt in Berlin in forstlicher und jagdlicher Beziehung unterstellt. Die örtliche Leitung erhielt der Oberforstmeister in Nassawen, der gleichzeitig die Forstmeistergeschäfte des Forstamtes weiterführte.

Im Jahre 1885 wurde mit der Eingatterung der Rominter Heide begonnen, die im Jahre 1890 etwa beendet war. Es wurde ein weitmaschiger Draht verwendet, über dem zwei Sprungplatten angebracht waren. Der Zaun war ziemlich rotwildsicher, aber nicht geeignet, Sauen zurückzuhalten. In den Jahren 1936 und 1937 wurde der gesamte Zaun zum ersten Mal erneuert, und zwar mit dem Ovalstahldrahtgatter. Die einzelnen ovalen Stahldrähte wurden straff gespannt und nach einem besonderen Verfahren verknotet, so daß ein Knoten­gatter entstand, das äußerst widerstandsfähig war. Unten war das Gatter durch Maschendraht verstärkt, um das Durchkriechen von Frischlingen oder anderem Jungwild zu verhindern. Rehwild, Fuchs und Hase überkletterten den Maschendraht, der etwa 30 cm in der Erde und 70 cm über der Erde gespannt war, mühelos, schlüpften durch das weitmaschige Knotengatter hindurch und hatten so freie Wechsel zum Felde. Die Ovalstahldrähte waren so stabil, daß sie nicht rissen, wenn Bäume, vom Winde geworfen, auf das Gatter fielen. Die Lebensdauer eines solchen Gatters war jedenfalls lang. Immerhin hatte der Maschendraht von 1885 auch rund 50 Jahre ausgehalten. Zu Pfählen wurde Fichtenholz verwendet, da Eichenholz in nicht genügendem Maße vorhanden war. Jedoch wurden die Pfosten nach dem Osmoseverfahren sorgfältig imprägniert und hielten dann etwa 15 Jahre.

Die Größe der Rominter Heide betrug rund 26 000 ha, davon waren rund 25 000 ha im Gatter. Als Teil der »Großen Wildnis« beherbergte sie ursprünglich fast alles europäische Wild, an Nutzwild also Ur- oder Auerochsen, Wisent, Wildpferd, Elch, Rotwild, Sauen, Rehwild, Biber, Hase, Auerwild, Birkwild, Haselwild, Rebhuhn, Wasserwild, dann an Raubwild Bär, Wolf, Luchs, Fuchs, Dachs, Wildkatze, Otter, Marder, Iltis, Wiesel sowie die Tag- und Nachtraubvögel, darunter auch den Uhu. Der Auerochse