Christian Lunzer - Henner Kotte
Der Fall Pöffel
Arbeitsvertrag
© 2016 cc-live
Kreittmayrstr. 26, 80335 München
Cover: cc-live
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95616-576-4
www.cc-live.net
Inhalt
Arbeitsvertrag
Quellen
Literatur
Lust auf mehr?
Mütter, Töchter, Ehefrauen
Gift & Galle
Auf Messers Schneide
Weibliche Tugenden
Mörderische Arbeitsmarktverwaltung
Mord am Arbeitsplatz
Arbeitsplatz und Ausbildung
Die Autoren
Der Verlag
Impressum
Die außerordentliche Redaktionssitzung im „Neuen Wiener Journal“ am Nachmittag des 12. März 1925 verlief äußerst stürmisch und turbulent. Bruno Wolf, Betriebsratsobmann und leitender Lokal- Redakteur des Blattes hatte sie einberufen. Anlass war, wie schon des Öfteren, ein für den Journalismus und das Pressewesen der Zeit typisches Problem, die Verbindung, besser Trennung, von Geschäft und Nachricht, von bezahlten und daher tendenziösen Anzeigen und Artikeln zu objektiven, redaktionellen Meldungen.
Naturgemäß werden gute Anzeigenkunden und Finanziers generell nicht mit für sie negativen Meldungen gequält. Und dass Nachrichten und die Art, wie und ob sie gebracht werden, profitabel sein können, war auch damals schon keine neue Erkenntnis. In derartig wirtschaftlich labilen Zeiten aber musste das Problem besonders virulent werden, die Grenzen von professionell Erklärbarem zu kriminellem Verhalten, zu Betrug und Erpressung, fließend. Wie sehr sich mit gelenkten Nachrichten ganze Industrie-Imperien aufbauen ließen, zeigte das Beispiel des österreichisch-ungarischen Spekulanten Imre Békessy, dessen Machenschaften Karl Kraus zuerst bekämpft und dann zu Fall gebracht hatte.
Auch das neue Wiener Journal, schon vor der Jahrhundertwende als „gehobene“ Boulevardzeitung gegründet und durchaus erfolgreich, hatte diesbezüglich keinen guten Ruf. Die Arbeiterzeitung hatte sie mehrmals unwidersprochen der Korruption beschuldigt. Für Karl Kraus war der Herausgeber Jacob Lippowitz direkter Nachfolger Békessys, ein „Krämer, der glaubte, sich für sein Geld alles, auch jede Feder, kaufen zu können. „ Kaum eine Nummer der Fackel ohne „Geschichten von Lippowitz“.
Daher musste die Zeitung, zumindest nach außen hin, alles tun, um die Glaubwürdigkeit seiner Redaktion zu verteidigen, allen voran der Betriebsratsobmann Bruno Wolf, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit vom notwendigen Ethos des Journalisten und von der moralischen Verantwortung der Presse und der Unvereinbarkeit von Kommerz und Nachricht sprach. Daher musste er auch entschieden auftreten, als ein einschlägiger Fall in der eigenen Redaktion ruchbar wurde: