LIEBE
Warum Sie mehr
verdienen und wie Sie
mehr bekommen
Liebe kennt nur Lösungen!
Ganz herzlichen Dank für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit, liebe Leserin, lieber Leser – ich freue mich sehr, dass Sie mehr über die Liebe erfahren wollen. Ein Thema, das zutiefst in uns verwurzelt ist, ein Thema, das – leider – kaum systematisch behandelt, geschweige denn vermittelt wird. Und genau das ist unser Problem!
Doch um direkt mit dem Buch ins Haus zu fallen:
Wollen Sie glücklich sein?
Wollen Sie lieben und geliebt werden?
Wollen Sie ein erfülltes Leben führen?
Dann stellen Sie sich vor:
Sie wissen nicht, wo Ihnen der Kopf steht. Und es ist Ihnen auch völlig gleich. Ihr Herz klopft heftig, gerät aus dem Takt, hüpft, und eine warme Woge wabert durch Sie hindurch. Jede Faser Ihres Körpers strotzt vor unbändiger Energie. Sie sind voller Glück, Sie sind voller Leben. Sie könnten Bäume ausreißen. Nähe, Geborgenheit, Heimat – genau das spüren Sie; auch, wenn Sie manchmal sich selbst vergessen, einfach nur sind, im Moment, in der Ewigkeit. Ein tiefes Verlangen erfasst Sie. Wieder und wieder. Ihre Zuneigung ist grenzenlos, und jeder Gedanke an Ihren Schatz katapultiert Sie erneut himmelhoch auf diesem Karussell Ihrer unglaublichen Gefühle. Sie sind voller Liebe – ja, Sie sind die Liebe selbst!
Mit diesen Worten beschrieb mir kürzlich ein Klient seinen Zustand, das, was er für seine Frau empfindet. Nach sage und schreibe 27 Ehejahren. Ansteckend – möchte ich behaupten. Wie kann das sein? Was ist sein Geheimnis? Wo gibt es das Rezept? Genau darum geht es in diesem Buch. Es geht um die Liebe. Es geht um diese unscheinbaren fünf Buchstaben, hinter denen sich unser aller Verlangen verbirgt. Es geht um die Frage (und natürlich auch um die Antworten), warum Sie mehr Liebe verdienen und – vor allem – wie Sie mehr Liebe bekommen.
Unsere heutige Zeit schreit förmlich nach einem Wandel im Verständnis dessen, was im Leben und in der Liebe möglich ist, das belegen der Genderdiskurs und auch ein Roman wie ›Fifty Shades of Grey‹, der zu einem Weltbestseller wurde und auf seine Weise zeigt, wie sehr sich unser Verständnis von Sexualität verändert hat. Nach vielen, vielen Jahren intensiver Praxistätigkeit, Paartherapie, Mediation / Konfliktvermittlung und Coaching, in denen ich meine Klientinnen und Klienten in alle erdenklichen Höhen und Tiefen begleiten durfte, ist mir dieses Buch ein besonderes Anliegen: Denn von den geschilderten »Erfolgsfaktoren« können Sie sich inspirieren lassen – und eigene Lehren aus dem ziehen, was bei anderen weniger gut gelaufen ist. Mein riesengroßes Dankeschön gilt deshalb all denen, deren Geschichten (anonymisiert) in dieses Buch eingegangen sind und es mit Leben füllen. Das Dargestellte ist sowohl wissenschaftlich fundiert als auch sehr praxisbezogen, und wir werden sehen, dass die Liebe, das Menschheitsthema Nummer eins, bereits von klitzekleinsten Kindesbeinen an eine gigantische Rolle spielt und die Weichen für die weitere Entwicklung früh gestellt werden. Insbesondere jedoch finden Sie jede Menge Rüstzeug, sehr hilfreiche und spannende Tools, sodass Sie selbst aktiv werden können, um Ihr Leben und Ihr Lieben erfüllend und beglückend zu gestalten.
Den ersten Schritt in Ihr neues Leben und Lieben haben Sie bereits getan, indem Sie dieses Buch aufgeschlagen haben – weiter geht’s!
Nur das Beste für Sie, Ihr
Köln, im goldenen Herbst 2016
Nach diesem kurzen Vorspann könnten wir loslegen, könnten wir loslieben und auf das eingangs beschriebene köstliche Empfinden hinarbeiten – denn ich unterstelle Ihnen einfach mal, dass sich das auch für Sie verlockend anhört.
Und das tun wir auch.
Auf dem Weg dahin wenden wir uns noch eben der Psychologie zu, den Religionen, der Marktwirtschaft, Biologie, Soziologie und der Pädagogik, die alle mitmischen wollen, die alle ihre eigenen Definitionen und Anschauungen parat halten – und unser Vorhaben damit nicht unbedingt leichter machen. Abgesehen davon, dass jeder von uns seine eigene Vorstellung kreiert und pflegt. Was einerseits schön ist, uns individuell macht. Und gleichzeitig Missverständnisse, Konflikte und Streitigkeiten provoziert, dazu führt, dass wir munter aneinander vorbei leben und lieben.
Das ist tragisch, denn die Liebe ist ein sehr scheues Gefühl, das sich zurückzieht, wenn es sich bedroht sieht.
Doch nun von vorne, nähern wir uns dem Begriff als Erstes von sprachlicher Seite:
Der Duden weiß ja immer alles ganz genau und hilft uns dankenswerterweise mit folgender Bedeutungsübersicht: Liebe wird definiert als …
Für den Anfang sicher nicht ganz verkehrt, dennoch klingt alles recht spröde und nüchtern – irgendwie fehlt das Verlangen, das komplett Irrationale, das Unersättliche und damit nicht in eine kurze Definition zu Fassende …
Vielleicht versuchen wir es einmal mit den Dichtern der Romantik, die schreiben von Jauchzen, Singen, Tanzen, Jubilieren, ewigen Schwüren, von Düften und vom Drängen, Lodern, von Feuern und Flammen, Wonne und Entzücken – Worte, die übrigens zunehmend vom Aussterben bedroht sind. Hoffentlich kein Omen!
Was die Dichter im 18. Jahrhundert besingen, ist die »romantische Liebe«, die Liebe um ihrer selbst willen, die als unser heutiger Maßstab gilt. Während in der Zeit davor mit »Liebe / Partnerschaft / Ehe« ein sehr pragmatischer Prozess von Nachwuchszeugung, Versorgung und Absicherung gemeint war.
In ihrer ursprünglichen Wortbedeutung stand »Liebe« für Zuneigung, Barmherzigkeit, Wohlgefallen, auch Freundlichkeit oder Gunst, und erst im 15./16. Jahrhundert ersetzte sie die nun als anstößig empfundene »Minne«.
Wer weiß also, wohin die »Liebe« sich noch entwickeln wird – aktuell wollen wir jedenfalls folgende zehn Arten von Liebe differenzieren:
Vielleicht wollen Sie an dieser Stelle für einen kurzen Moment innehalten und überlegen, welche Arten von Liebe Ihnen bislang so begegnet sind:
Woran haben Sie die Unterschiede bemerkt? Wie haben Sie das jeweils empfunden? Was hat Ihnen daran gefallen? Was fanden Sie schwierig? Was haben Sie aus dieser Erfahrung gelernt? Welche Vorsätze haben Sie gefasst?
Manche von uns sind »Wiederholungstäter« und ziehen wie ein Magnet immer und immer wieder denselben Typus Mensch an. Und sind immer wieder aufs Neue bass erstaunt, warum sich bestimmte Erfahrungen stets und ständig wiederholen. Ursächlich dafür können bestimmte verborgene dysfunktionale Glaubenssätze sein, unser großes und gewichtiges Thema in Kapitel 5, so viel sei vorab verraten.
Wie dem auch sei: Die Qualität jeder zwischenmenschlichen Beziehung ist einem steten Wandel unterworfen, was wiederum die Liebe so spannend, unvorhersehbar und manchmal auch tückisch macht:
In der ersten Phase des Verliebtseins sind wir sprichwörtlich blind. Alles wird als romantisch, leidenschaftlich und lustvoll empfunden. Die Schmetterlinge kaschieren alles Störende.
Es folgt die zweite Phase des Realismus: Wir nehmen die rosarote Brille ab und die Eigenheiten des anderen wahr. Das kann bis zu einem gewissen Grad noch, nennen wir es, interessant sein.
Die dritte Phase der Aus-einander-setzung (im wörtlichen Sinne) ist von Konflikten geprägt. Wir testen Grenzen aus – es kommt zu einer Weichenstellung: Die meisten Beziehungen überleben diese dritte Phase nicht; die Protagonisten gehen frische Bindungen ein und starten einen neuen Kreislauf mit dem Verliebtsein. Es sei denn, es handelt sich um eine unerwiderte Liebe, die den Blick nach vorne verhindert.
In einer vierten Phase versuchen wir, ein Gleichgewicht zwischen dem »Wir«, dem »Du« und dem »Ich« herzustellen. Die konkrete Ausgestaltung hängt in starkem Maße von den individuellen Interessen und Bedürfnissen der Partner ab. Zwänge und Egoismen erleichtern das Ganze nicht unbedingt.
Die fünfte Phase führt im Idealfall in eine gemeinsame Heimat: Wir lieben uns bedingungslos, familiär – und in vielen Fällen auch überwiegend platonisch, das körperliche Verlangen kann nämlich bereits nach sechs Monaten deutlich nachlassen. Dazu später mehr. Allerdings muss sich auch in dieser letzten Phase erweisen, ob die Partnerschaft wirklich auf »ewig« angelegt ist – oder ob die Beteiligten besser auf Reset drücken.
Und was lernen wir jetzt daraus? Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit! Der werden wir uns auch gleich intensiv gemeinsam widmen. Ein Hinweis sei allem Folgenden vorangestellt: Bi- und Homosexualität und auch Trans- und Inter-Themen sind ohne weitere Erwähnung stets und selbstverständlich inkludiert – es geht immer »nur« um die Begegnungen von Mensch zu Mensch oder Menschen, unabhängig von biologischem Geschlecht und Gender, dem psychosozialen Geschlecht.
Mit dem Stichwort »psychosozial« haben wir auch schon den ersten Punkt auf unserem interdisziplinären Streifzug:
Die Psychologie ist die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten – wenngleich etliche ihrer Forschungsergebnisse von Versuchen mit Ratten, Hunden oder wahlweise auch Tauben abstammen. Dennoch verdanken wir der Sozialpsychologie, die sich dem menschlichen Miteinander widmet, wichtige Erkenntnisse, die in dieses Buch eingeflossen sind.
Gefühle, das wiederum sagt uns die Emotionspsychologie, bestehen aus mindestens zwei Komponenten:
In zahlreichen Studien haben findige Forscher versucht, diese beiden Komponenten – (1) Körper versus (2) Kopf – getrennt voneinander zu steuern, um herauszufinden, wie sich Gefühle beeinflussen oder gar manipulieren lassen.
Eines der bekanntesten dieser Experimente funktioniert wie folgt:
Männliche Versuchspersonen gehen über eine Hängebrücke, an deren Ende nimmt sie eine junge, attraktive Dame in Empfang. Sie gibt ihnen ihre Telefonnummer: Sollten sie Rückfragen zu einem Psychotest haben, den sie später ausfüllen müssen, können die Herren gerne bei ihr anrufen. Die Versuchsbedingungen unterscheiden sich dabei wie folgt: Während Gruppe A eine lange, schwankende, gefährliche Brücke überqueren muss, spaziert Gruppe B über eine deutlich harmlosere. Das Ergebnis: Probanden, die dem Risiko (A) ausgesetzt waren, riefen die Dame signifikant häufiger an und schrieben im Psychotest viel öfter über sexuelle Themen als die Probanden der Gruppe B, die eine sichere Versuchsbedingung vorfanden.
Wie kommen diese Ergebnisse zustande?
Wir haben hier ein schönes Beispiel für eine sogenannte Fehlattribution eines körperlichen Zustandes. »Attribution« bedeutet so viel wie Zuschreibung: Wer unter gefährlichen Bedingungen auf die andere Seite kam, erlebte das als Abenteuer und war aufgeregt, erregt – und nach der Begegnung mit der attraktiven Dame interpretierten die Teilnehmer diesen Zustand körperlicher Unruhe (unbewusst) als Zuneigung oder Liebe.
Was wurde daraus gefolgert?
Gefühle, die an spannungsgeladenen, erregenden Orten, wie zum Beispiel Kirmes, Kneipe, Disco et cetera, wahrgenommen werden, sollte man mit Vorsicht genießen – es könnte sich um Fehlinterpretationen handeln. Nicht umsonst heißt es »sich jemanden schön trinken«: Je beschwipster, je angeregter wir sind, desto eher sind wir geneigt, diesen Aktivierungszustand als Sympathie (und mehr) für unser Gegenüber zu deuten.
Wenn Sie also Ihren Supercoup landen wollen, dann versuchen Sie es doch einmal wie folgt: Finden Sie eine geeignete Gelegenheit, einen stimmigen Ort, eine passende Aktion, um Ihren Schwarm auf ein gewisses körperliches Aufregungsniveau zu bringen: Achterbahn, Hochseilgarten, Actionthriller, Konzert … Seien Sie selbst ganz präsent, bieten Sie sich attraktiv, womöglich aufreizend dar – so liefern Sie die perfekte Steilvorlage, um mit dem positiven Zustand assoziiert zu werden. Alles wissenschaftlich belegt!
Davon kann der liebe Gott hingegen nur müde träumen:
Dieses Thema ist derart groß und vielschichtig, dass sich ein eigenes Buch lohnen könnte; mit ein paar Gedanken über die göttliche Liebe wollen wir uns an dieser Stelle vertraut machen.
Wobei der Begriff »Gott« interreligiös verwendet wird und stellvertretend für alle Göttinnen, Götter, Formen und Manifestationen des Göttlichen, für Energie, Kraft, das Universum, die kosmische Wonne et cetera steht.
Die meisten Religionen sind sich darüber einig, dass es irgendwo »da oben« eine allumfassende Kraft geben müsse, die bei uns »hier unten« die Fäden zusammenhält. Menschen, die im Gebet oder in der Meditation Gotteserfahrungen gemacht haben, berichten von tiefgreifenden und nicht in Worte zu kleidenden Erlebnissen der Verbundenheit beziehungsweise des Einsseins mit allem und jedem. Denn wir alle, so die Logik, tragen die göttliche Energie in uns und sind gleichzeitig miteinander verwoben. Unser irdisches Dasein, unser Alltag, unsere zwischenmenschlichen Interaktionen, unser Stress, unsere kleineren und größeren Querelen lenken uns von der Gewahrwerdung ab, sodass wir häufig eher durch die Weltgeschichte dümpeln, als der Erleuchtung oder dem Himmelreich oder wem auch immer entgegenzufiebern. Gebet und Meditation sind daher wunderbare Konzentrationsübungen, die es uns ermöglichen, kosmische Zusammenhänge zu erkennen und zu spüren. Das klingt sehr einfach. Und das ist es auch. Theoretisch jedenfalls. Es braucht lediglich eine gewisse Disziplin – doch genau die erlaubt unser Hamsterrad-Alltag (leider) nicht. Aus diesem guten Grund gibt es Menschen, die sich Gott in Gänze hingeben, einen ewigen Bund mit ihm eingehen, sich mit Ihm »vermählen« – sei es als Mönch, Nonne, Priester, wer oder was auch immer … In dem Zusammenhang spielt auch der Zölibat eine gewichtige Rolle: Je stärker wir uns von Energie raubenden irdischen Verstrickungen, zum Beispiel in Form von privaten Beziehungen, Familie und Sexualität, abschirmen, desto besser gelingen uns schlicht die Konzentration, das Gebet, die Meditation, die Begegnung mit Gott. Theoretisch jedenfalls.
Die »Nächstenliebe« wiederum stellt eine wunderbare Möglichkeit dar, die göttliche Liebe unter uns Gemeinsterblichen aufleben zu lassen. Und auch die Selbstliebe, auf die wir gleich noch näher eingehen werden, stellt eine Form der göttlichen Liebe dar, eine Ehrung der Schöpfung, die wir ganz unabhängig von unseren Mitmenschen, von einem Partner, in uns selbst kultivieren können.
Während hier also Innerlichkeit ein Dreh- und Angelpunkt ist, zielt die Marktwirtschaft beim Thema »Liebe« auf unseren Geldbeutel ab.
Gehen Sie ins Internet, gehen Sie in den Supermarkt: Es gibt inzwischen ein ganzes Sammelsurium an Produkten, für das die Liebe ihren guten Namen hergeben muss: Liebes-Tee, Liebes-Kissen, Liebes-Schmuck, Liebes-Wandtattoo, Liebes-Windlicht, Liebes-Marmelade, Liebes-Kalender, Liebes-Keksförmchen, Liebes-Kuscheltier, Liebes-Katzenfutter, Liebes-Gewürzmischung, Liebes-Bettwäsche, Liebes-Schießmichtot – der Kommerz macht vor nichts halt; ja sogar Bücher soll es zu diesem Thema inzwischen geben ;-). Dazu ist es wichtig zu wissen, dass wir Psychologen eine Rangfolge von Grundbedürfnissen unterscheiden – und am Ende des Tages läuft immer alles darauf hinaus, dass wir geliebt werden wollen. Egal, was wir zu welcher Zeit an welchem Ort tun oder lassen, es dient stets nur diesem einen Ziel. Selbst jemand, der vordergründig andere Motive hat und beispielsweise primär finanzielle Interessen zu verfolgen scheint, wird letztlich seine monetären Mittel so einsetzen, dass er gemocht, begehrt, geliebt wird. Deshalb lässt sich über Gefühle, und am besten natürlich über das stärkste Gefühl, die Liebe, auch so gut verkaufen.
Das muss per se nicht verwerflich sein – wichtig ist nur, dass wir uns dessen stets bewusst sind, um vor Manipulationen möglichst gefeit (oder sagen wir: nicht allzu anfällig dafür) zu sein und unsere eigenen mehr oder weniger freien Entscheidungen treffen zu können.
Wenn in diesem Punkt also marktwirtschaftliches Interesse und Biologie zusammenkommen, stellt sich natürlich als Nächstes die Frage, wie lange die Biologie der Gefühle denn überhaupt so hält.
Ob wir das jetzt gerne hören oder nicht: Es gibt einen vielfach wissenschaftlich nachgewiesenen Zusammenhang zwischen sexueller Anziehungskraft und partnerschaftlicher Liebe. Einzig die konkreten Studienergebnisse differieren ein wenig: Unter anderem aus hormonellen Gründen lässt die sexuelle Anziehungskraft nach circa sechs Monaten bis maximal drei Jahren stark nach. Was bedeutet das jetzt rein praktisch für das Leben und Lieben? Am Anfang sind wir wahnsinnig verliebt und können uns nicht vorstellen, dass dieser Gefühlssturm jemals enden werde. Doch der Zahn der Zeit nagt unbarmherzig an unseren Illusionen – und eines Tages ist es einfach aus und vorbei. Manchen Paaren gelingt es, sich eine Partnerschaft jenseits der Sexualität aufzubauen. Diese kann zum Beispiel von eher freundschaftlicher Nähe und allgemeinmenschlicher Wertschätzung geprägt sein. Denken Sie in diesem Zusammenhang an die verschiedenen Arten von Liebe (siehe Seite 17). Die Frage ist: Was wollen wir? Manche von uns suchen und finden im Idealfall einen neuen Menschen, bei dem (anfänglich) Eros und Zuneigung (wieder / noch) eine Einheit bilden. Andere suchen und finden ihr Vergnügen außerplanmäßig außerehelich. Die entsprechenden Daten, Zahlen und Fakten betrachten wir später noch. Und wieder andere suchen und finden famose Modelle des Zusammenseins und -lebens – aktuell steht die »Polyamorie«, die Vielliebe, hoch im Kurs. Was sich hinter diesem recht neuartigen und sehr interessanten Begriff verbirgt, beleuchten wir ausführlich in Kapitel 3. Halten wir an dieser Stelle also abschließend fest, dass uns die Biologie nicht unbedingt hold ist, wenn es um die Gestaltung längerfristiger zwischenmenschlicher Beziehungen geht.
Vielleicht hilft uns ja die Selbstliebe aus der Patsche?
Wir werden uns in Kapitel 5 noch intensiv und praxisorientiert damit auseinandersetzen, wie wichtig Selbstliebe oder zumindest Selbstannahme für ein gesundes und erfülltes Leben, Miteinander und Lieben ist. Nur, wenn wir uns selbst ausreichend zugewandt sind, sind wir gefestigt genug, um uns anderen zuwenden zu können und ihnen wiederum zu ermöglichen, sich uns zuzuwenden. Gleichzeitig stellt diese Form der Liebe eine recht vertrackte Gratwanderung dar, denn die Grenzen zwischen Selbstannahme, Selbstfürsorge, Selbstliebe, Egozentrismus, Egoismus bis hin zu Narzissmus sind äußerst fließend beziehungsweise durchlässig.
Der vergleichsweise »harmlose«, weil unbewusste Egozentrismus bedeutet lediglich das Unvermögen, eine andere Perspektive einzunehmen, durch eine andere Brille zu schauen, in den Schuhen eines anderen zu gehen. Sie kennen das von kleinen Kindern: Die spielen Verstecken, indem sie sich die Augen zuhalten und sagen: »Du siehst mich nicht.« Obwohl sie direkt vor Ihnen stehen. Was verbirgt sich hinter dieser Formulierung? Wenn kleine Kinder jemanden nicht sehen können, dann schließen sie automatisch von sich auf andere und gehen davon aus, gleichfalls nicht gesehen zu werden. Das ist eine ganz »normale« Entwicklungsstufe in der Ich-Werdung. Sie sollte sich nur ab einem gewissen Alter wieder verlieren. Ansonsten nehmen Tendenzen in Richtung Egoismus ihren Lauf: Diese doch eher negativ behaftete Ich-Sucht findet in den meisten Fällen auf Kosten der Mitmenschen statt. Jeder von uns hatte schon mal das »Vergnügen« mit derart akzentuierten Persönlichkeiten, sei es im Bekannten- oder Freundeskreis, in der Familie oder in der Firma.
Eine »krankhafte« Form der Selbstbezogenheit (die sozusagen ihren Gipfel darstellt) wird als Narzissmus bezeichnet. Die Weltgesundheitsorganisation legt dieser Persönlichkeitsstörung unter anderem folgende Kriterien zugrunde: Jemand verspürt ein Gefühl der Großartigkeit, hegt ein übertriebenes Bedürfnis nach Bewunderung und weist gleichzeitig einen deutlichen Mangel an Einfühlungsvermögen auf. Insgesamt eine recht unerquickliche Gemengelage, zumal die Enttäuschung des Narzissten vorprogrammiert ist, der wiederum seinem Umfeld viel Kummer bescheren kann.
Wieso spannen wir an dieser Stelle den Bogen so weit?
Es gibt deutliche Hinweise auf zunehmend narzisstische Züge in unserer Gesellschaft. Denken Sie nur an den aktuellen Selfie-Wahn. Und eine Studie aus dem Jahr 2011 belegt eindrücklich, dass in den Liebesliedern der letzten 30 Jahre zunehmend vom »Ich« statt vom »Wir« gesungen wird. Komisch irgendwie …
Dieser Wandel ist auch soziologisch erklärbar: Oft besteht unsere berufliche Tätigkeit aus zeitlich befristeten Jobs, was uns eine deutlich höhere Flexibilität abfordert. Das betrifft den Orts- und Wohnungswechsel, aber auch Beziehungen, die abgebrochen oder aus der Ferne aufrechterhalten werden. Was dazu führt, dass wir uns nicht mehr so intensiv auf andere einlassen können und wollen. Und sei es aus Selbstschutz, um uns weniger verletzlich zu machen. Darüber hinaus bietet der Staat dem Einzelnen eine gewisse soziale Sicherheit, sodass wir nicht mehr in dem Maße wie früher darauf angewiesen sind, Allianzen / Familien zu bilden, um uns gegenseitig zu stützen und abzusichern. Die Zahl der Singles steigt und steigt. Selbst um Nachwuchs zu zeugen, braucht es keine »intakte« klassische Familie mehr – das Modell »Kind mit dem besten Freund« erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Ohne diese Tendenzen einer Wertung zu unterziehen, denn alles hat jeweils Vor- und Nachteile, lässt sich zusammenfassend festhalten: Jeder kreist im Wesentlichen nur noch um sich!
Und zu allem Überfluss haben möglicherweise unsere eigenen Eltern den Grundstein zu all diesen Entwicklungen gelegt:
Wir bleiben beim Thema »Gratwanderung« – auch das Elternsein stellt eine solche dar. Dass der Mensch Liebe braucht, ist unstrittig. Doch wie viel genau darf es, bitte schön, sein? Und wie viel Liebe kann der Mensch gerade noch so aushalten?
Im frühen 19. Jahrhundert wurde in Nürnberg ein männlicher Jugendlicher aufgefunden, der den Eindruck erweckte, auf dem geistigen Entwicklungsstand eines Kleinkindes zu sein. Man vermutete, er wäre allein in einem Verlies aufgewachsen, und als er zittrig die Worte »Kaspar Hauser« zu Papier brachte, gab man ihm diesen Namen. Nach ihm sind die späteren Kaspar-Hauser-Experimente benannt: Dabei werden den Versuchstieren Kontakte mit Artgenossen komplett vorenthalten, sie wachsen depriviert auf.
Diese ethisch durchaus fragwürdigen Versuche belegen unter anderem, dass
Was Menschen anbelangt,
Bindung macht also frei: Wer relativ früh im Leben ein intensives und gefühlvolles Verhältnis zu Bezugspersonen aufbauen kann, ist später sozial kompetenter, kreativer, fantasievoller, aufmerksamer, frustrationstoleranter, gesünder und weist ein höheres Selbstwertgefühl auf – speziell im Vergleich zu vernachlässigten oder gar traumatisierten Kindern.
Das ist die eine, durchaus nachvollziehbare Seite der Medaille. Doch wie sieht das andere Extrem aus?
Seit einiger Zeit geistert der Begriff »Helikopter-Eltern« durch die Medien: Überbesorgte und überbehütende Eltern kontrollieren und überwachen ihre Kinder auf fast schon zwanghafte Weise. Wer es mit dieser Art der Fürsorge jedoch (zu) gut meint, kann zur Entstehung ausgeprägter und entwicklungspsychologisch nachgewiesener Störungen beitragen:
Überbehütete Kinder
Keine guten Aussichten also. Was lernen wir daraus? Ein Zuviel an (sogenannter) »Liebe« kann genauso problematisch wie ihr Mangel sein.
Dabei haben wir doch eigentlich noch viel mehr Liebe verdient?! Ja, und dabei geht es auch um die Ausgestaltung, um Maß und Form.
Während wir weiter vorne das marktwirtschaftliche Gebaren rund um unsere Gefühle eher kritisch betrachtet haben, zeigt sich im Folgenden, dass unsere Liebe durchaus von einer erprobten Anlagestrategie profitieren kann:
Jeder von uns trägt unzählige Eigenschaften, Interessen, Neigungen und Talente in sich, deutlich – ich wiederhole: deutlich – mehr, als uns bewusst ist. Allein schon deswegen hat jeder von uns definitiv viel mehr Liebe verdient, als uns bislang zuteilwurde. Wir sind unendlich viel toller, als wir selbst und andere glauben!
Ich habe im Lauf meiner langjährigen Praxistätigkeit die Freude gehabt, viele Klientinnen und Klienten kennenlernen und begleiten zu dürfen, die wirklich (fast) alles waren: sozial kompetent, einfühlsam, verständnisvoll, kameradschaftlich, unterstützend, zuverlässig, charmant, gütig, loyal, ehrlich, dankbar, optimistisch, mutig, einfallsreich, kreativ, lustig, analytisch, sprachbegabt, sportlich, attraktiv, sonnig, entspannt … und noch viel, viel mehr!!!
Eigentlich hatten sie auch gar kein »Problem«. Ihr »Problem« waren beziehungsweise ein solches hatten die anderen: Die hatten nämlich Angst. Und zwar vor meinen Klienten. Es war ihnen unheimlich, dass jemand so »toll« sein konnte.
So etwas anzuerkennen ist in unserer Kultur immer noch keine Selbstverständlichkeit. Und so kam es, dass diese aufrichtig netten, höchst interessanten und interessierten, liebevollen und liebenswürdigen Menschen keinen Partner fanden. Die langjährig erfolgreich als Coach arbeitende US-amerikanische Autorin Barbara Sher schreibt in ihren Büchern (siehe Literaturverzeichnis) über die zugrunde liegenden Phänomene.