Die Autorin

Lucy Score – Foto © privat

Lucy Score wuchs in einer buchverrückten Familie in Pennsylvania auf. Bevor Lucy anfing hauptberuflich zu schreiben, versuchte sie so zu tun, als wäre sie eine ganz normale Erwachsene und arbeitete als Eventplanerin, Barkeeperin, Yogalehrerin und Mädchen für alles bei einer Zeitung. Lucy und Mr. Lucy verbringen gerne Zeit mit ihren zehn Neffen und Nichten und haben sich fest vorgenommen, irgendwann Segeln zu lernen, damit sie eines Tages auf einem Segelboot in der Karibik leben können.

Das Buch

Du bist so gar nicht mein Typ, aber das macht nichts!

Franchesca Baranski, genannt Frankie, ist nicht nur die erste Brautjungfer ihrer Freundin, sondern auch die beste erste Brautjungfer der Welt. Der Bräutigam wird entführt und die versnobten Hochzeitsgäste benehmen sich unmöglich? Alles kein Problem für Frankie. Aiden Kilbourn, seines Zeichens Trauzeuge, arrogant und verboten gutaussehend, ist ihr dabei keine große Hilfe. Und obwohl Frankie sich liebend gern von ihm fern hält, übt er eine Anziehungskraft auf sie aus. Aber Frankie lässt sich von Geld und Macht nicht beeindrucken. Da muss schon ein bisschen mehr kommen…
Aiden hat in der Geschäftswelt alles erreicht, kann jede Frau haben, die er will, und kennt das Wort Nein nur vom Hörensagen. Frankie Baranski ist die erste, die ihn vehement abweist. Sein Interesse ist geweckt und sein Ehrgeiz erst recht. Aber es könnte sein, dass die temperamentvolle Frau aus Brooklyn die erste ist, die er nicht erobern kann. Und gleichzeitig die einzige, die er wirklich will...

Von Lucy Score sind bei Forever erschienen:
Mr Fixer Upper - Bauplan für die Liebe
Not My Type

Lucy Score

Not My Type

Roman

Aus dem Amerikanischen
von Uta Hege

Forever by Ullstein
forever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever.
Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Februar 2019 (2)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019
Copyright © 2018. The Worst Best Man by Lucy Score.
Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Worst Best Man
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Titelabbildung: © FinePic®
E-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-331-5

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Widmung

Für Joyce und Tammy für die vielen Stunden, die ihr mir gewidmet habt, und für die sanfte Führung, all die zutreffenden Mahnungen und die uneingeschränkte Unterstützung, die mir bis zur Fertigstellung dieses Buchs durch euch zuteilgeworden sind.

1


Die Verlobungsparty war die Hölle. Die Kristalllüster, das Blattgold und der teure Marmorboden aus Italien konnten nicht drüber hinwegtäuschen, dass im großen Ballsaal des Hotels das Chaos ausgebrochen war. Von ihrem Platz hoch oben auf der Galerie aus konnte Frankie alles sehen.

Die Trauzeugen des Bräutigams in ihren Maßanzügen von Armani und Brioni führten sich so auf wie während ihrer Zeit in ihren exklusiven Collegebruderschaften und würden wahrscheinlich bis ans Lebensende von den dort verübten Heldentaten zehren. Aber schließlich hatten alle diese Typen von Hause aus genügend Geld, um sich problemlos freizukaufen, falls es jemals irgendwelche echten Schwierigkeiten gab.

Wobei die Brautjungfern noch schlimmer waren. Sie alle waren auf der Suche nach dem zweiten – oder wie im Fall von Taffany – dem dritten Ehemann mit einem möglichst dicken Konto und mit einer Jacht in Saint Tropez.

Frankie kam das alles wie der reinste Affenzirkus vor. Aber sie würde alles für die Braut tun, und deshalb wäre sie auch bei ihrer Hochzeit für sie da. Für diesen ganzen Irrsinn ließ Prus alter Herr 350.000 Dollar springen, aber schließlich waren Pru und Chip das goldene Paar der Upper West Side, das mit einer kurzen Unterbrechung schon seit der Zeit am College glücklich miteinander war. Und Frankie freute sich, an ihrem extravaganten, großen Tag dabei zu sein.

Falls die Verlobungsparty einen Hinweis darauf gab, wie die auswärts stattfindende Hochzeit werden würde, hätte Frankie es als arme Kirchenmaus aus Brooklyn und mit ihrer großen Klappe zwischen all den VIPs auf Barbados bestimmt nicht leicht, doch Pru zuliebe würde sie nichts unversucht lassen.

Als eine der Bedienungen zu ihr an das Geländer trat, nahm sie augenzwinkernd ein Champagnerglas von dem Tablett, das Jana in den Händen hielt, und lenkte ihren Blick nach unten, wo der Trauzeuge des Bräutigams ein wenig abseits stand. Er wirkte ziemlich distanziert, war aber tadellos gekleidet und vor allen Dingen beinah schmerzlich gut aussehend.

»Ich kann einfach nicht glauben, dass wir die Veranstaltung bekommen haben«, raunte Jana ihr verstohlen zu. »Ich hätte nie gedacht, dass ich den begehrtesten Junggesellen von Manhattan jemals aus der Nähe sehen oder ihm sogar ein Glas Champagner reichen würde!«

»Pass nur auf, dass du den Schampus nicht auf seine Jacke schüttest«, warnte Frankie sie.

»Du meinst, ich soll mich nicht so anstellen wie du«, feixte Jana.

»Der Kerl hat mich begrabscht. Da ist mir das Tablett mit Kanapees eben vor Schreck in seinen Schoß gefallen«, klärte Frankie sie mit einem gleichmütigen Achselzucken auf.

»Du bist meine Heldin«, stellte Jana seufzend fest.

»Nun übertreib mal nicht. Und jetzt geh wieder runter, bevor jemand von der Meute wieder nüchtern wird. Und sag Hansen, dass er seinen Posten bei der Frauentoilette räumen soll. Heute Abend kriegt er sicher keine Telefonnummern zugesteckt.«

»Zu Befehl, Boss.« Jana salutierte, nahm die Treppe zurück in den Ballsaal und bot dort den Gästen Gläser prickelnden Champagners an.

Kaum dass Pru und Chip vom Heiraten gesprochen hatten, hatte Frankie sich den Nebenjob bei einem Caterer besorgt. Sie wusste, welchen Preis man dafür zahlte, wenn man sich unter die Reichen mischte. Und obwohl die Freundin sich erboten hatte, für ihr Kleid und ihren Flug zu zahlen, war sie fest entschlossen, dieses eine Mal für alles selber aufzukommen, auch wenn sie dadurch wahrscheinlich in Konkurs geriet.

Sie glitt mit einer ihrer Hände über das Marchesa aus der vorletzten Saison, auf das sie und Pru in einem exklusiven Secondhandladen gestoßen waren. Es war nicht einfach, Haute-Couture zu finden, in die sie mit ihren Kurven passte, denn die meisten Frauen, die solche Stücke trugen, waren spindeldürr wie Pru und ihre anderen Brautjungfern. Sie waren alle blond, alle mager und hatten alle Körbchengröße B. Das hieß, alle außer Cressida, deren Doppel-Ds aus ihrem Marc Jacobs Größe 32 quollen. Entweder die Frau hatte phänomenale Gene, oder ihre Mädels waren nicht echt. Um das herauszufinden, hätte Frankie einmal zulangen müssen, aber so weit würde sie dann doch nicht gehen.

Apropos phänomenale Gene, dachte sie und wandte sich erneut dem Typen mit der weißen Smokingjacke zu. Er hatte eine Hand in einer Tasche und strahlte die souveräne Lässigkeit aus, mit der die Reichen auf die Welt zu kommen schienen.

Mit seinen vierzig Jahren war er Manhattans Junggeselle Nummer eins, der mit keiner Frau je länger als drei Monate zusammen war. Und anders als die anderen Mitglieder der sogenannten besseren Gesellschaft, deren aufgesetztes Grinsen zeigen sollte, dass sie alle beste Freunde waren, machte er ein beinah mürrisches, gelangweiltes Gesicht. Anscheinend fühlte er sich auf der Feier mindestens so unwohl wie sie selbst.

Aus der Mitte des Gedränges winkte Pruitt Frankie zu. Entschlossen setzte Frankie ebenfalls ein breites Lächeln auf, nahm die Treppe in den Ballsaal und bahnte sich ihren Weg vorbei an Stühlen mit goldenen Kissen und an Stehtischen mit cremefarbenen Leinendecken dorthin, wo ihre Freundin stand. Es war seltsam, aber Reichtum hatte einfach einen eigenen, herrlichen Geruch. Die Menschen hier in diesem Raum verströmten alle einen zwar subtilen, aber wunderbaren Duft.

»Du siehst fantastisch aus.« Pru küsste sie auf beide Wangen und drückte ihr die Hand.

»Ich? Hast du heute Abend selbst schon mal in einen Spiegel gesehen? Du siehst wie ein Supermodel bei einem Verlobungs-Shooting aus.«

»Einfach zum Anbeißen«, erklärte Chip, der goldene Bräutigam, und küsste seine Braut.

Die zukünftigen Eheleute strahlten sich so selig an, dass Frankie das Gefühl hatte, als störte sie die beiden nur. »Ich sollte vielleicht langsam wieder ...«

»Nein. Jetzt stellen wir dich erst mal Aiden vor«, erklärte Pru, und wie aufs Stichwort winkte Chip den Mann zu sich heran.

»Schon gut. Ich kann ihn auch noch bei der Trauung kennenlernen.«

»Frankie hat nichts übrig für die High Society«, flüsterte Pru ihrem Verlobten hörbar zu.

Chip legte freundschaftlich den Arm um Frankies Schulter und erklärte lächelnd: »Na, da bin ich aber froh, dass sie eine Ausnahme für uns gemacht hat, aber wir haben ja auch verdammt viel Klasse.«

Franchesca lachte. »Das hätte gut auf eure Hochzeitseinladung gepasst.«

Hansen vom Catering tauchte, ein Tablett voll Häppchen in den Händen, bei der Gruppe auf, und Chip schob sich ein knuspriges Crostino in den Mund und meinte augenrollend: »Hmm. Wir sind dir etwas schuldig, Frankie, dafür, dass du uns den Caterer vorgeschlagen hast. Die Sachen schmecken einfach wunderbar.«

Mit einem Nicken schickte Frankie Hansen dorthin, wo Prus Vater schlecht gelaunt in einer Ecke stand. Der Mann hatte noch immer nicht verwunden, dass sein kleines Mädchen nach dem Collegeabschluss zunächst statt eines Verlobungsringes den Laufpass von dem Kerl bekommen hatte, der die Liebe ihres Lebens war. Trotzdem zahlte er für diese Party wie für alles andere, deshalb wollte Frankie unbedingt verhindern, dass er außer unter schlechter Laune auch noch unter Hunger litt.

»Chip. Pru«, erklang in ihrem Rücken eine Stimme, die eine Oktave tiefer war als die von Chip. Dunkel, weich und kultiviert. Am liebsten hätte Frankie ihren Urheber aufgefordert, ihr die Einkaufsliste, die in ihrer Secondhand-Clutch steckte, vorzulesen, einfach um zu hören, ob auch ein Wort wie Edamame aus dem Mund dieses Mannes wie ein verbales Vorspiel klang.

»Aiden!« Automatisch setzte Chipper Randolphs ausgezeichnete Erziehung ein, und höflich stellte er die zwei einander vor. »Frankie, das ist Aiden Kilbourn, mein Trauzeuge. Aiden, das ist Franchesca Baranski, die Trauzeugin von Pru.«

»Frankie.« Aiden reichte ihr die Hand und sah sie reglos an. »Das ist ein interessanter Name.«

Sie nahm seine Hand und schüttelte sie kurz. »Wir haben hier eine Taffany und einen Davenport, und ich bin die mit einem interessanten Namen?«

Seine auch schon vorher kalte Miene kühlte sich noch etwas stärker ab. Er war es offensichtlich nicht gewohnt, dass eine Untergebene ihn in die Schranken wies. »Das war nur eine Feststellung.«

»Oh nein, das war ein Vorurteil«, gab sie in barschem Ton zurück.

»Was man mitunter nicht so einfach voneinander unterscheiden kann.«

Sie hielt noch immer seine Hand, und als sie ihren Griff vor lauter Zorn verstärkte, tat er es ihr nach, und eilig ließ sie seine Pranke fallen.

»Also, Aiden«, setzte Pru mit heller Stimme an. »Ich kenne Franchesca von der Uni. Sie ist so brillant, dass sie ein Vollstipendium hatte und ihr Studium ein Semester vor mir mit summa cum laude abgeschlossen hat. Jetzt arbeitet sie in Teilzeit für eine gemeinnützige Organisation, während sie nebenher noch ihren Master macht.«

Frankie hatte es nicht nötig, dass jemand versuchte, sie bei diesem arroganten Schnösel anzupreisen, und sie funkelte die Freundin zornig an.

»Aiden ist der leitende Geschäftsführer seines Familienunternehmens«, griff Chip den Faden auf. »Fusionen und Übernahmen. Ich kann mich nicht erinnern, was für einen Abschluss er in Yale gemacht hat, doch an deinen, Frankie, hat er sicher nicht herangereicht.«

Gerade als sie sich entschuldigen und sich den nächsten Sekt holen wollte, stürzte die betuchte Elite von Manhattan auf die Tanzfläche, als würde dort die neueste Birkin-Handtasche verkauft, und Pru umklammerte entschlossen ihren Arm.

»Nun komm schon! Das ist unser Lied!«

Frankie ließ sich von der Freundin mitzerren, und mühelos begannen sie den zwei Jahre zuvor von ihnen selbst zu »Uptown Funk« erdachten Tanz. Frankie hatte damals gerade eine ihrer mittelmäßig dramatischen, doch etwas unglücklichen Trennungen verwinden müssen, und nach zwei Riesenpizzen und drei Flaschen Rotwein hatten sie und Pru den Rest des Abends mit der Choreografie des rundherum perfekten Arschwacklers verbracht.

»Ich war mir nicht ganz sicher, ob ihr beide euch gestritten oder eher geflirtet habt«, schrie Pru ihr über die Musik hinweg ins Ohr.

»Machst du Witze? Ich bin ja wohl eindeutig eine Nummer zu groß für ihn.«

2


Aiden hatte bereits Kopfschmerzen, als er durch das Foyer des Regency Hotels, das neben einer Reihe anderer Unternehmen dem Brautvater gehörte, auf den Ballsaal zugelaufen war. Und durch die Gesellschaft der verwöhnten Kumpel seines besten Freundes, irgendwelcher Modepuppen, die versuchten, sich ihm an den Hals zu werfen, und mehrerer Dutzend Leute, die ihn dazu bringen wollten, entweder in ihre Unternehmen zu investieren oder ihnen irgendwelche kostenlosen Ratschläge zu geben, hatte sich das Dröhnen seines Schädels noch verstärkt.

Doch das war eben der Preis, den er für sein privilegiertes Leben zahlte, dachte er und drückte einem vorbeikommenden Kellner sein leeres Sektglas in die Hand. Er sehnte sich nach einem anständigen Scotch, aber wenn er seine Kopfschmerzen in Alkohol ertränkte, würde er damit wahrscheinlich niemandem einen Gefallen tun.

»Wie steht es mit Margeaux?«, erkundigte sich Chip und wies mit seinem Kopf auf eine hochgewachsene, gertenschlanke, platinblonde Frau in einem praktisch bis zum Kinn geschlitzten, goldenen Kleid. Sie war gnadenlos gestylt, perfekt frisiert und tadellos geschminkt, gestattete sich aber nie, zu essen oder wenigstens zu lächeln, wenn sie in Gesellschaft war.

»Nie im Leben. Sie sieht aus, als wäre sie der reinste Eiswürfel im Bett.«

Seit Chip sein dauerhaftes Glück mit Pru gefunden hatte, hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass auch Aiden endlich eine Frau fürs Leben fand.

»Okay, sie ist echt grauenhaft«, stimmte er zu. »Aber Pru war eine ihrer Brautjungfern, deshalb ...« Er fuhr zusammen. »Ich werde dir einen Gefallen tun und Taffany gleich überspringen.«

»Vielen Dank!«

Um ihre Einmaligkeit zu unterstreichen, hatte sie, nachdem eine Cousine zweiten Grades ihrem Kind den Namen Tiffany gegeben hatte, kurzerhand das erste i in ihrem Namen gegen ein a getauscht. Sie war der Inbegriff des Partygirls, und es verging nicht eine Woche, ohne dass sie in den Klatschblogs abgebildet wurde, während sie in Kleidern, die so kurz wie Tops waren, vor irgendeinem angesagten Club aus dem SUV irgendeines Rockstars fiel.

»Und Cressida?«, fragte Chip und wies mit seinem Glas auf eine dritte junge blonde Frau, deren Haute-Couture-Korsett wahrscheinlich drei Nummern zu klein für ihre Riesenbrüste war. Der Rest von ihr jedoch war dürr wie ein solariumgebräuntes Skelett. Sie runzelte die Stirn und stapfte wütend auf und ab, während sie auf Deutsch Verwünschungen in ihr Handy schrie.

»Sie wirkt echt sympathisch«, stellte er sarkastisch fest.

»Wahrscheinlich schneidet sie den Kerlen im Schlaf die Eier ab, damit sie Lösegeld erpressen kann«, stimmte der Freund ihm unbekümmert zu.

»Wie wäre es mit Frankie?« fragte Aiden, der sich langsam für das Spiel erwärmte, und sah auf die Tanzfläche, wo sie die dichten schwarzen Locken fliegen ließ. Sie trug ein schlichtes goldfarbenes Trägerkleid, das ihre Rundungen vorteilhaft betonte, und als Pruitt etwas zu ihr sagte, verzog sie die vollen Lippen erst zu einem breiten Grinsen und brach dann in schallendes Gelächter aus.

»Oh, die ist zu gut für dich«, gab Chip zurück. »Sie ist intelligent, kann fürchterlich sarkastisch sein und wäre einfach viel zu anstrengend für dich.«

»Ich weiß, was du versuchst.« Aiden winkte einem Kellner und bestellte einen Scotch. Wenn er bei einem bliebe, nähme seine Anspannung vielleicht ein wenig ab.

»Ach ja? Ich will dich nur davor bewahren, dich an eine Frau heranzumachen, die nicht in dein Beuteschema passt.«

»Und was für Frauen passen in mein Beuteschema?«, fragte Aiden und bereute es sofort.

»Große, dünne Frauen, die niemals lächeln und auch sonst den Mund nicht aufbekommen. Frauen, die mit dir ins Bett wollen, um für ihren nächsten potenziellen Ehemann noch reizvoller zu sein.«

»Das ist nicht unbedingt mein Typ. Das ist ganz einfach der Typ Frau, mit dem man sich ein bisschen amüsieren und den man dann problemlos wieder abservieren kann.«

»Das könntest du bei Frankie nicht bringen«, sagte Chip. »Aber ich denke tatsächlich, dass sie diejenige wäre, bei der du eine schnelle Nummer bereust. Sie ist eine Wahnsinnsfrau.«

Aiden blickte auf die Frau, um die es ging. Noch immer schwenkten sie und Pru synchron die Hüften oder sprangen fröhlich auf der Tanzfläche herum. Sie bewegte sich wie eine Göttin, die Sterbliche mit ihrem sündig-kurvenreichen Körper verführte. Seiner Erfahrung nach betonten Frauen ihre Reize entweder im Ess- oder im Schlafzimmer. Und bei Franchesca war eindeutig Letzteres der Fall.

Entschlossen kehrte er der Tanzfläche den Rücken zu.

»Du wirst mich niemals davon überzeugen, dass das Glück bei einer Frau allein zu finden ist«, wandte er sich an Chip.

»Oh doch. Du brauchst dazu nur eine Frau zu finden, für die du was Ähnliches empfindest wie ich selbst für Pru«, klärte der Freund ihn grinsend auf.

»Ich bin ein Kilbourn, und wir Kilbourns haben keine Emotionen. Wir können nur Geschäfte machen, aber das können wir gut.«

»Das ist traurig«, antwortete Chip und schlug ihm auf die Schulter, während die Bedienung, eine junge Frau mit einer leuchtend blauen Strähne in den dunklen Haaren, mit einem Scotchglas vor sie trat.

»Bitte, Mr Kilbourn«, flüsterte sie atemlos.

»Danke ... Jana«, fügte er nach einem Blick in Richtung ihres Namensschilds hinzu.

Mit offenem Mund und Sternen in den Augen wandte Jana sich zum Gehen.

»Siehst du? Warum setzt du diesen Charme nicht auch bei Frankie ein?«

»Ich habe kein Interesse an ...«

»Intelligenz? An Spaß? An echtem Sex-Appeal?«

»Prollig. Sie tanzt, als hätte sie Erfahrungen im Poledance. Und wenn sie das hören würde, nähme sie das sicher noch als Kompliment.«

»Oh nein, das tut sie nicht«, erklärte eine atemlose Stimme hinter ihm.

Fuck!

Wie stets der Friedensstifter, drehte sich auch Chip mit einem unschuldigen Grinsen um. »Frankie! Aiden hat dich gar nicht gesehen.«

»Ich schätze, dass er Leute, die nicht jährlich Hunderttausende von Dollars Steuern zahlen, grundsätzlich übersieht. Das wäre schließlich reine Zeitverschwendung.«

Sie zögerte nicht, Aiden ins Gesicht zu sehen. Im Gegenteil durchbohrte sie ihn regelrecht mit ihrem Blick, denn schließlich hatte er sich wie ein Arschloch aufgeführt. Normalerweise war er vorsichtiger, in Gegenwart von anderen Leuten etwas zu sagen, was man falsch verstehen könnte, doch anscheinend hatten ihn sein Kopfweh und drei Gläser Sekt auf leeren Magen unachtsam gemacht.

»Pru hat mich geschickt. Du sollst ihr bitte was zu trinken holen und sie vor den Danby-Zwillingen retten, die ihr bei der Treppe aufgelauert haben«, wandte Frankie sich erneut an Chip und zeigte mit dem Finger dorthin, wo ihre Freundin stand.

»Bitte entschuldigt mich. Ich muss meine Verlobte retten. Seht zu, dass hier kein Blut vergossen wird«, wies er die beiden mit erhobenem Zeigefinger an.

»Das kann ich nicht versprechen«, rief ihm Frankie hinterher und drehte sich mit zornblitzenden Augen abermals zu Aiden um. »Wenn du mich entschuldigst – was du von mir aus auch gerne lassen kannst –, bringe ich den Abend lieber nicht noch länger damit zu, dich anzusehen.«

Sie warf den Kopf zurück, sodass der Vorhang dunklen Haars auf ihren Rücken fiel, und machte auf dem Absatz kehrt.

»Moment«, sagte er leise und schloss seine Finger um ihr Handgelenk.

»Hände weg, Kilbourn, oder du bist ein toter Mann, wenn ich mit dir fertig bin.«

Er zog die Hand zurück, trat ihr aber entschlossen in den Weg. »Erst musst du mir noch die Chance geben, mich zu entschuldigen.«

»Ich muss überhaupt nichts.« Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Hör zu, wahrscheinlich bist du es gewohnt, mit Angestellten und mit Untergebenen zu sprechen, aber willst du einen guten Rat? Verlang niemals, dass irgendwer sich deine lächerlichen Entschuldigungen anhört? Klar?«

Das Pochen hinter seinen Augen nahm noch zu. So sprach kein Mensch mit ihm. Nicht einmal seine besten Freunde hätten das jemals gewagt.

»Dann bitte ich dich hiermit höflich um Entschuldigung«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen aus, nahm ihren Ellbogen und führte sie zu einem Alkoven, vor dem ein schwerer goldener Vorhang hing.

Das Dröhnen seines Schädels nahm im Dunkeln etwas ab, und Aiden kniff sich in die Nase, weil er hoffte, dass es sich dadurch vollends vertreiben ließ.

»Wir sollten uns die Mühe sparen, uns gegenseitig etwas vorzumachen«, schlug ihm Frankie vor. »Du vergisst deinen lächerlichen Versuch einer Entschuldigung, weil wir beide wissen, dass du es genauso fies gemeint hast. Und ich werde nicht so tun, als ob ich dir vergebe, weil es mir, ehrlich gesagt, scheißegal ist. Einverstanden?«

Aiden ließ sich auf ein cremefarbenes Zweiersofa fallen. Von dem dumpfen Pochen hinter seinen Augen wurde ihm allmählich schlecht. »Hör zu. Mir ist klar, dass mein Benehmen nicht das Beste war, und dafür bitte ich dich nochmals um Entschuldigung.«

»Hast du’s immer noch nicht kapiert? ›Ich bitte um Entschuldigung‹ ist etwas völlig anderes als ›Es tut mir leid‹. Hast du Kopfschmerzen?«

Von dem abrupten Themenwechsel wurde Aiden schwindlig. Er nickte schwach und kniff die Augen zu.

»Migräne?«, hakte Frankie nach.

»Kann sein«, räumte er achselzuckend ein.

Als sie etwas murmelte, schlug er die Augen wieder auf und sah, dass sie in ihrer Clutch nach irgendetwas suchte.

»Hier«, erklärte sie und hielt ihm zwei Tabletten hin. »Die sind verschreibungspflichtig.«

»Hast du auch manchmal Migräne?«

»Nein, die habe ich für Pru dabei. Sie kriegt Migräne, wenn sie unter Stress steht, und ich wollte nicht, dass sie auf ihrer eigenen Verlobungsparty auf dem Klo verschwindet, um sich dort die Seele aus dem Leib zu kotzen.«

»Das ist wirklich umsichtig und nett von dir.«

»Ich bin ihre Trauzeugin. Also ist das mein Job. Und jetzt sei ein braver Junge und nimm die Tabletten.«

Er hob sein Glas an seinen Mund, aber sie griff nach seinem Handgelenk und stellte tadelnd fest: »Sei doch kein Idiot. Durch Alkohol wird es noch schlimmer.« Sie nahm ihm das Scotchglas ab, schob den Vorhang leicht zur Seite, rief mit einem leisen Pfiff nach jemandem vom Personal, bedankte sich bei ihm mit Namen und hielt Aiden ein Glas Wasser hin.

»Du kennst das Personal?«, fragte Aiden, um etwas zu sagen, während er die ihm von Frankie überlassenen Tabletten nahm.

»Ich gehöre selbst zum Personal. Das mache ich als Nebenjob. Aber heute ist mein freier Abend.« Ihre Stimme forderte ihn regelrecht dazu heraus, sich abermals herablassend zu äußern, aber plötzlich fragte sie: »Soll ich dir ein Taxi rufen?«

»Nein. Ich habe einen Wagen hier.«

»Natürlich.«

Er massierte sich die Schläfe und erkundigte sich müde: »Warum bist du plötzlich derart nett zu mir?«

»Vielleicht will ich dir ja nur unter die Nase reiben, was für ein Idiot du bist. Und vielleicht waren die Pillen, die du gerade genommen hast, ja auch gar nicht gegen Kopfschmerzen, sondern gegen etwas völlig anderes, und ich wollte, dass du sie nimmst, damit’s dir noch dreckiger geht.«

»Das hätte ich wahrscheinlich tatsächlich verdient.«

Abermals bewegte sich der Vorhang, und die junge Frau mit blauem Haar streckte den Kopf herein.

»Hier ist die Cola«, sagte sie mit der bereits bekannten Flüsterstimme, riss die Augen auf, als sie ihn sah, und zog sich schnellstmöglich wieder zurück.

»Ich mache sie nervös«, bemerkte er, als sie verschwunden war.

»Nur gut, dass du gut aussiehst und jede Menge Kohle hast, denn mit deinem Charme würdest du bei Frauen bestimmt nicht allzu viele Punkte machen«, stellte Frankie trocken fest. »Hier, trink! Das Koffein tut gut.«

Gehorsam leerte er das Glas und lehnte seinen Kopf ermattet an Rücklehne des Sofas an. »Danke!«

Diese Frau umsorgte ihn, nachdem er angedeutet hatte, dass sie offenbar als Stripperin ihr Geld verdiene. Was mal wieder zeigte, was er selbst inzwischen für ein Riesenarschloch war.

»Bleib so lange hier, bis die Tabletten anfangen zu wirken.« Sie griff nach dem leeren Glas und wandte sich zum Gehen.

»Wo willst du denn hin?«

»Ich gehe wieder auf die Party und wackle weiter all den reichen Junggesellen mit meinem Stripperhintern vor der Nase rum.«

»Schade, dass ich das nicht sehen kann.«

»Klappe, Kilbourn«, fauchte sie und ließ ihn in dem Alkoven zurück.

3


Der Flieger krachte auf die Landebahn, und der Pilot bremste so hart, dass er die Fluggäste in der Touristenklasse unsanft erst gegen die Rücklehnen der Vordersitze und danach genauso schnell wieder nach hinten donnern ließ. Von ihrem Mittelsitz aus konnte Frankie kaum was von dem Tropenparadies hinter dem Fenster sehen. Sie war zwischen einem kleinen alten Männchen, das gleich nach dem Start an ihrer Schulter eingeschlafen war, und einem hünenhaften Kerl, der roch, als ob er höchstens einmal in der Woche duschen würde, eingequetscht, musste dringend Pipi machen und hätte im Tausch gegen ein Roastbeef-Sandwich einen Mord begangen. Doch zumindest war sie jetzt gelandet, müsste sich noch durch den Zoll und durch die Passkontrolle kämpfen und in ein, zwei Stunden säße sie, die nackten Zehen im weißen Pulversand, mit einem Drink und besagtem Sandwich in der Hand, in einem Liegestuhl mit Blick aufs leuchtend blaue Meer.

Ungeduldig wartete sie darauf, dass der Narkoleptiker sich umständlich von seinem Platz erhob, schlängelte sich in den Gang und half ihm noch mit seinem Handgepäck.

Die anderen Hochzeitsgäste waren mit Privatflugzeugen angereist, und da die Kleider für die Feier allesamt von Pru im Flieger ihres Vaters mitgenommen worden waren, hatte Frankie ebenfalls nur Handgepäck mit an Bord gebracht.

Sie schob sich mit der Reisetasche durch den Gang, nickte den Stewards und den Stewardessen, deren Lächeln seit Beginn des Flugs nicht einmal nachgelassen hatte, zu, trat durch die Tür und setzte auf dem Weg über die Treppe Richtung Rollfeld ihre Sonnenbrille auf. Dreißig Grad mit einer herrlich milden Brise. Vielleicht würde die Zeit auf Barbados ja doch gar nicht so schlecht. Obwohl ihr Haar aufgrund der feuchten, warmen Luft noch voluminöser war als sonst.

Zusammen mit den anderen Passagieren lief sie zu dem lang gestreckten, niedrigen Gebäude, das am Rand des Rollfelds lag. Die Menschen bahnten sich dort einen Zickzackweg zwischen den Absperrbändern Richtung Passkontrolle, und die meisten Reisenden verkürzten sich die Wartezeit auf ihrem Weg ins Paradies mit ihren Handys, während Frankie sich damit begnügte, ihnen dabei zuzusehen. Die Schlange der Einheimischen, die nach Hause kamen, war kurz und wurde eilig abgefertigt, und zu Frankies Rechter wurden Reisende mit riesengroßen Sonnenhüten und Louis-Vuitton-Gepäck von Angestellten der Resorts, in denen sie die nächsten Tage oder Wochen residieren würden, durch die Schnellabfertigung gelotst.

Nur in den Schlangen für Normaltouristen, in denen gestresste Eltern mit dem Ausfüllen der offiziellen Formulare und mit ihren nörgeligen kleinen Kindern kämpften, während junge Backpacker so intensiv mit ihren Handys spielten, dass man ihnen, wenn sie einen Schritt nach vorne machen sollten, einen Ellenbogen in die Rippen rammen musste, ging es einfach nicht voran.

Einer dieser Backpacker, der in der Nebenschlange stand, sah jedoch auf und lächelte sie an. »Hallo«, grüßte er sanft und schob sich eine blonde Strähne aus der Stirn.

Oh, grundgütiger Jesus, ein Australier.

»Hi!«

»Bist du öfter hier?«

Sie lachte auf.

»Kann ich dich auf einen Drink einladen?«, schlug er ihr ironisch vor.

»Wenn du hier einen Barkeeper findest, gern.«

In seiner Schlange ging es abermals voran, und eine Frau in leuchtendem Hawaiihemd und mit einer Schirmmütze mit Blumen auf dem Schirm stieß ihn von hinten an.

Lächelnd zwinkerte der Aussie Frankie zu: »Bis dann!«

Als die Schlangen wieder zum Stillstand kamen, stellte Frankie fest, dass sie direkt an seiner Seite stand.

»Jetzt sehen wir uns schon zum zweiten Mal. Wenn das kein Schicksal ist.«

»Haha. Ohne deinen Akzent kämst du mit dem Spruch bestimmt nicht durch«, klärte ihn Frankie auf.

»Ich finde deinen Akzent viel schöner«, stellte er mit einem neuerlichen Grinsen fest.

Die Großmutter aus Boca Raton stieß ihn wieder an. »Tut mir leid, Schätzchen, aber auf mich wartet eine Frozen Margarita«, warf sie Frankie im Vorbeigehen zu.

Frankies Pass wurde von einer ernsten, sorgfältig geschminkten jungen Frau von Anfang zwanzig kontrolliert. Sie schob den Ausweis wieder durch den Schlitz im Plexiglas und wünschte Frankie einen schönen Aufenthalt. Ihr Ton jedoch verriet, dass ihr im Grunde völlig schnuppe war, ob Frankie schöne Ferien hätte oder nicht, was sicher daran lag, dass dies für sie an diesem Tag bereits der dritte Flieger voller nörgelnder Touristen war.

Zur Gepäckausgabe brauchte Frankie nicht zu gehen. Da Pru ihr Kleid schon mitgenommen hatte, hatte sie die anderen Dinge, die sie brauchte, in ihr Handgepäck gestopft und sich die Aufgabegebühr für weiteres Gepäck gespart. Ein kleiner Sieg in einem Jahr, in dem das Geld ihr nur so durch die Finger rann. Am besten hätte sie sich einen zweiten Nebenjob gesucht, denn für die beiden Brautpartys, eine Verlobungsparty nur mit Pru und ihren Freundinnen, die größere Verlobungsparty mit dem ganzen Trupp, den Junggesellinnenabschied und jetzt noch die Hochzeit hatte sie verschiedene möglichst schicke Outfits und natürlich Accessoires gebraucht. Doch jetzt war es geschafft, sie brauchte nicht mehr mit dem Geld um sich zu werfen, als ob jeden Morgen ein auf wundersame Weise frisch gefüllter Geldbeutel auf ihrem Nachttisch läge. Und wenn sie noch ein paar Wochen länger als Bedienung jobben würde, wären die Schulden von ihrer Kreditkarte getilgt.

Innerhalb von wenigen Minuten war sie durch den Zoll. Sie brauchte nur die Tasche kurz zu öffnen, und schon zeigte man ihr, wo der Ausgang war.

Auf dem Weg zur Tür schrillte ihr Handy in der Strandtasche, die zugleich den Dienst als Handtasche tat.

»Hi, Ma!«

»Oh, Gott sei Dank! Ich dachte, du wärst tot.« Frankies Mutter May war die geborene Dramaqueen.

»Nicht tot, nur im Paradies.« Die Automatiktür glitt auf, und sie trat auf die Straße, wo sie von verloren wirkenden Touristen, Taxifahrern, die wie Geier um die Leute kreisten, und von herrlich warmer Tropenluft umgeben war.

»Warum hast du mich nicht sofort nach der Landung angerufen? Du hast mir versprochen, sofort anzurufen, wenn du angekommen bist.« Ihre Mutter war der festen Überzeugung, dass all ihren Kinder ständig irgendwelche tödlichen Gefahren drohten oder dass sie – was noch schlimmer wäre – bis ans Lebensende kinderlose Singles bleiben würden und sie als einzige von ihren Freundinnen niemals das Glück erleben würde, Großmutter zu sein.

»Ich bin jetzt gerade durch den Zoll. Und es wird nicht gern gesehen, wenn man am Handy plappert, wenn man dort an die Reihe kommt.«

Ihre Mutter schnaubte laut. Sie würde sich von keinem Menschen jemals daran hindern lassen, sich zu vergewissern, dass die Reise eines ihrer Kinder gut verlaufen war.

»Und jetzt erzähl von deinem Flug«, verlangte May.

Wahrscheinlich war es Frankies eigene Schuld. Sie liebte ihre Eltern, unterhielt sich gern mit ihrer Ma und rief sie praktisch täglich an, nur um zu hören, wie es ihr ging, oder um zu fragen, ob es irgendwelche Neuigkeiten in der alten Nachbarschaft oder Familie gab.

»Lang und voll«, gab sie zurück und blickte blinzelnd auf ein Taxischild, auf dem verschiedene Ziele und die Fahrpreise dorthin aufgelistet waren, obwohl sie erst noch einmal nachschauen müsste, wo genau die Anlage, in der sie alle wohnen würden, lag.

»Dein Dad und ich haben unsere Hochzeitsreise damals zu den Keys gemacht«, erklärte May mit einem Mal. »Ist Barbados so schön wie die Keys?«

Frankie war noch nie in Florida gewesen, und das Einzige, was sie bisher von Barbados gesehen hatte, waren der Flughafen und jetzt der Taxistand. »Die Keys sind sicher wunderschön«, erklärte sie. »Hör zu, Ma. Ich muss wirklich los. Kann ich dich morgen anrufen?«

»Warum? Was ist passiert?«

»Nichts. Ich muss nur ein Taxi kriegen, weiter nichts.«

»Warum hat Pru denn niemanden zum Flughafen geschickt?« beschwerte sich die Mutter. »Heißt das, dass du jetzt zu einem Fremden in den Wagen steigen musst?«

»Wenn Pru jemanden schicken würde, wäre der genauso fremd für mich«, gab Frankie zu bedenken, doch es nützte nichts.

»Ich verbiete dir, dich ausrauben oder belästigen zu lassen.«

Frankie stieß mit jemandem zusammen und sah auf.

»Da bist du ja. Ich dachte schon, das Schicksal hätte uns dazu verdammt, uns nie wiederzusehen.« Der Australier setzte seinen Rucksack, den sie unsanft angerempelt hatte, richtig auf.

»Bitte, Ma, ich muss jetzt wirklich los.«

»Was ist jetzt wieder passiert?«

»Hier ist ein süßer Typ.«

Der Aussie grinste breit.

»Leg auf, flirte mit ihm und komm verlobt zurück!« May legte auf um mit der Planung für die überfällige Hochzeit der einzigen Tochter anzufangen.

»Tut mir leid«, entschuldigte sich Frankie lächelnd. »Ich habe kurz nicht aufgepasst.«

»Du kannst so oft mit mir zusammenstoßen, wie du willst.«

Anders als Satan-im-Anzug Kilbourn war er nicht betörend attraktiv, aber echt süß, charmant, phänomenal gebräunt, mit länger schon nicht mehr geschnittenem, von der Sonne ausgebleichtem Haar. Seine Kleider waren zerknittert und bequem, und seufzend meinte sie: »Sag mir, dass du ein Surfer bist.«

Es war schon eine ganze Weile her, dass sie einen Zwei-Personen-Orgasmus hatte. Sie hatte in den letzten Monaten mit ihren beiden Jobs kaum Zeit für irgendwelche Dates und nackten Spaß gehabt. Vielleicht wäre ein Flirt mit einem sexy Surfer aus Australien genau das Richtige für sie.

»Das bin ich in der Tat. Sag mir, dass du auf Surfer aus Australien stehst, damit wir uns ein Taxi teilen können und ich dich von einem Date überzeugen kann.«

Sie lachte. Der Typ war locker, witzig und charmant. Perfekt.

Sie klapperte mit ihren Wimpern und erklärte kess: »Da ich noch nie etwas mit einem Surfer aus Australien hatte, kann ich dir nicht sagen, ob ich darauf stehe oder nicht.«

Seine Augen, die dieselbe Farbe hatten wie das Meer, auf das sie während ihres Flugs herabgesehen hatte, drückten Anerkennung aus. »Wo wohnst du hier auf Barbados?«

»Im Rockley Sands Resort.«

»Verdammt! Das ist nördlich von Bridgetown«, stellte er bedauernd fest. »Ich bin genau auf der anderen Inselseite.«

»Franchesca.«

Frankie riss die Augen auf. Das konnte doch nicht wahr sein. Es war bestimmt nicht Aiden Kilbourn, der in Shorts und sexy kurzärmligem Hemd, mit Bootschuhen, Ray-Ban-Sonnenbrille auf der Nase und Dreitagebart an einen Jeep gelehnt in ihre Richtung sah.

»Was zum Teu...«

»Ich nehme an, dass du Franchesca bist?«, hakte der Aussie nach.

»Ja, aber ... der Typ ist nicht mein Freund.«

Aiden richtete sich auf und trat entschlossen auf sie zu. »Auf geht’s«, erklärte er und streckte seine Hand nach ihrem kleinen Koffer aus.

Instinktiv riss Frankie ihn zurück. »Ich fahre mit dem Taxi zum Hotel.«

»Das tust du nicht.«

»Ich habe Pru gesagt, dass ich ein Taxi nehmen würde, Aiden«, klärte sie ihn auf.

»Und ich habe gesagt, dass ich dich abholen werde.«

»Hat mich sehr gefreut, Franchesca, aber ich muss langsam los«, erklärte der Australier und trat umgehend den Rückzug an.

»Oh, aber ...«

»Vielleicht laufen wir uns ja noch mal irgendwo über den Weg.« Er warf ihr eine Kusshand zu und schlenderte mit einem »Nichts für ungut, Kumpel« davon, das anscheinend Aiden galt.

»Verdammt, Aiden«, fauchte Frankie Kilbourn an. »Ich hatte nicht mal Zeit, ihm meine Telefonnummer zu geben.«

»Das ist wirklich Pech.« Er stellte ihre Reisetasche auf die Ladefläche seines Jeeps und zurrte sie dort fest.

»Jetzt sag mir endlich, was das soll. Ist es deine gute Tat für diesen Tag, dass du eine arme Stripperin vom Flughafen abholst?«

»Für die Bemerkung habe ich mich schon entschuldigt.«

»Was nicht unbedingt von Herzen kam«, rief sie ihm in Erinnerung.

»Verdammt, nun steig schon ein!«