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Books on Demand GmbH Norderstedt
ISBN: 9783741202599
Schwerbehinderte stehen in vielfacher Hinsicht unter einem besonderen rechtlichen Schutz
„Die Auflösung der Versorgungsämter führt zu einer ungleichen Behandlung behinderter Menschen in NRW“. Offenbar haben einige finanzschwache Kommunen seit 2008 weniger Schwerbehinderungen anerkannt als vor der Reform.
Grad der Behinderung 100 GdB – G – Februar 2016. Laufender Antrag auf Opferentschädigung wegen Missbrauch im Kinder und Erziehungsheim in Bayern.
Opfer von sexuellem Missbrauch in Kinderheimen können einen Anspruch auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz haben. Dies gilt auch im Fall einer äußerlich unauffälligen Entwicklung.
Ein Mann war während seines Aufenthaltes in einem Kinderheim von 1958 bis 1968 nicht nur in den „Genuss“ von schweren körperlichen Züchtigungen gekommen, sondern darüber hinaus auch noch mehrfach durch Mitbewohner und Erwachsene sexuell missbraucht worden.
Als er im Jahr 2011 einen Antrag auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen einer rezidivierenden depressiven Störung und eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung stellte wurde dieser abgelehnt. Die
Behörde berief sich darauf, dass unklar sei, ob die Schwerbehinderung auf die erlittenen Misshandlungen zurückzuführen sei. Des Weiteren führte das Amt an, dass er regelmäßig erwerbstätig gewesen sei. Doch der Betroffene wehrte sich und legte gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch ein. Weil die Behörde diesen in einem Widerspruchsbescheid zurückwies klagte er.
Das Sozialgericht Karlsruhe gab der Klage mit Urteil vom 27.11.2014, Az.: S 17 VG 656/13 statt und hob den ablehnenden Bescheid auf. Der Mann hat einen Anspruch auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz. Dies ergibt sich daraus, dass insbesondere in den erlittenen körperlichen Misshandlungen und sexuellen Missbräuchen ein tätlicher Angriff im Sinne von § 1 OEG zu sehen ist. Hierzu muss nicht zwangsläufig feststehen, wann genau diese Angriffe erfolgt sind. Einem Anspruch auf Versorgung steht hier nicht entgegen, dass er regelmäßig erwerbstätig gewesen und in seiner Freizeit gelegentlich als Schiedsrichter oder auf der Bühne tätig gewesen ist.
Diese Entscheidung des Sozialgerichtes Karlsruhe ist zu begrüßen, weil eine Berufstätigkeit nicht dagegen sprechen muss, dass erlittene körperliche Misshandlungen und sexuelle Missbräuche zu einer erheblichen Traumatisierung in der Kindheit geführt haben. Das Opferentschädigungsgesetz darf daher nicht zu eng ausgelegt werden.
Ein Versorgungsamt oder Amt für Soziale Angelegenheiten (ASA) hat in Deutschland Aufgaben im Rahmen der sozialen Sicherung, der individuellen Entschädigung besonders Betroffener und für Schwerbehindertenangelegenheiten.
Die Versorgungsverwaltung bezog sich zunächst nur auf die Entschädigung von Kriegsopfern. Als Folge des Deutsch- Französischen Krieges 1870–1871 gab es tausende von ihnen im Deutschen Reich. 1871 wurde eine Entschädigung für sie eingeführt. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges vergrößerte sich die Anzahl kriegsbedingt Versehrter in Deutschland. 1920 erfolgte die Verabschiedung des Reichsversorgungsgesetzes, um ihre Versorgung zu gewährleisten.
Am 1. Oktober 1950 trat das Bundesversorgungsgesetz in Kraft und ersetzte die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen länderrechtlichen Vorschriften zur Kriegsopferversorgung. Am 12. März 1951 folgte das “Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung”. Die Versorgungsämter und Landesversorgungsämter wurden als besondere Verwaltungsbehörden der Länder errichtet. Durch mehrere Gesetzesänderungen können die Länder inzwischen die Versorgungsämter auch in allgemeinen Verwaltungsbehörden oder bei Kommunen ansiedeln. Diese strukturellen Änderungsmöglichkeiten werden derzeit von den Ländern auf unterschiedliche Weise wahrgenommen, wie untenstehend teilweise ersichtlich.
Die Versorgungs- und Landesversorgungsämter sind Leistungsträger im Sinne der § § 12, 24 Abs. 2 Ersten Buches, Sozialgesetzbuch (SGB I).
Aufgrund der Verwaltungskompetenz der Länder nach Artikel 85 des Grundgesetzes haben die Versorgungsämter in den Ländern unterschiedliche Aufgaben. Die Versorgungsverwaltung umfasst heute:
Kriegsopferversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)
Opferentschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)
Soldatenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG)
Versorgung von Zivildienstleistenden nach dem Zivildienstgesetz (ZDG)
Versorgung bei Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), früher Bundes-Seuchengesetz
Schwerbehindertenangelegenheiten nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)
In Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, und Schleswig-Holstein ist das
Versorgungsamt auch für die Auszahlung des Erziehungsgeldes bzw. Elterngeldes zuständig.
Baden-Württemberg: Unter Aufsicht des Landesversorgungsamtes beim Regierungspräsidium Stuttgart 35
Landratsämter
Bayern: Zentrum Bayern Familie und Soziales mit Regionalstellen in den sieben Regierungsbezirken Berlin: Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin
Brandenburg: Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg an den drei Standorten (Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam) Bremen: Versorgungsamt Bremen
Hamburg: Versorgungsamt Hamburg
Hessen: Unter Aufsicht des Landesversorgungsamtes beim Regierungspräsidium Gießen sechs Ämter für Ver- sorgung und Soziales in Kassel, Gießen, Fulda, Wiesbaden, Frankfurt am Main und Darmstadt Mecklenburg-Vorpommern: Landesamt für Gesundheit und Soziales in Rostock und vier weitere Dezernate in
Stralsund, Schwerin, Rostock und Neubrandenburg
Niedersachsen: Landesamt für Soziales, Jugend und Familie mit sieben Regionalstellen in Braunschweig, Hannover, Hildesheim, Oldenburg, Osnabrück, Verden und Lüneburg
Nordrhein-Westfalen: Versorgungsämter kommunalisiert (wahrgenommen durch die Landschaftsverbände, die Kreise und kreisfreien Städte)
Rheinland-Pfalz: Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz in Mainz und vier Ämter für Soziale Angelegenheiten in Koblenz, Landau, Mainz und Trier
Saarland: Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz
Sachsen: Kommunaler Sozialverband Sachsen – Außenstelle Chemnitz, Fachbereich 4, Landesversorgungsamt
Sachsen-Anhalt: Landesverwaltungsamt
Schleswig-Holstein: Landesamt für soziale Dienste in Neumünster und vier Außenstellen in Kiel, Heide, Lübeck und Schleswig
Thüringen: Versorgungsämter kommunalisiert
Seit Januar 2005 (Inkrafttreten der Verwaltungsreform Baden-Württemberg unter Aufsicht des Regierungspräsidiums Stuttgart) wird das Soziale Entschädigungsrecht (BVG und Nebengesetze) sowie das Schwerbehindertenrecht (SGB IX) in den jeweiligen Landratsämtern bearbeitet. Hier wurde das ehemalige Landesversorgungsamt (LVA) als Ab- teilung eingegliedert.
Da die Fallzahlen im sozialen Entschädigungsrecht laufend zurückgehen, hat der Landesgesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, so genannte “Gemeinsame Dienststellen” mehrerer Landratsämter zu bilden. Inzwischen werden diese Aufgaben bei zehn Landkreisen aufgrund freiwilliger Vereinbarung in solchen gemeinsamen Dienststellen erledigt. Außerdem wurde dem Landratsamt Böblingen als einzigem Landratsamt per Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 2
Landesverwaltungsverfahrensgesetz die Zuständigkeit für dieses Aufgabengebiet auch für die Gebiete der Landkreise
Esslingen und Rems-Murr-Kreis übertragen.
Die Aufgaben des Schwerbehindertenrechts (SGB IX) werden von allen 35 Landratsämtern wahrgenommen.
Die Aufgaben wurden nicht auch auf die Städte übertragen, da die Aufgaben in diesem Bereich nur von den staatli- chen Behörden wahrgenommen werden. Die Städte sind dabei nicht wie die Landratsämter in Baden Württemberg janusköpfig, das bedeutet, sie sind nicht gleichzeitig kommunale und staatliche Behörden.
Zum 31. Dezember 2007 wurden die Versorgungsämter aufgelöst und deren (Haupt-)Aufgaben neu verteilt:
Die Aufgaben nach dem Schwerbehindertenrecht und die Bearbeitung und Auszahlung von Elterngeld werden auf die jeweiligen Kreise und kreisfreien Städte verteilt. Teilweise gibt es Kooperationen von Städten und Kreisen. So bleibt z. B. zunächst der Standort Wuppertal erhalten und die Kommunen Remscheid, Solingen und Wuppertal erledigen diese Aufgaben von dort aus zentral für ihre Bürger. Der Standort Dortmund bearbeitet diese Gebiete für die Städte Dortmund, Bochum und Hagen.
Die Aufgaben nach dem Erziehungsgeldgesetz werden von der Bezirksregierung Münster (Regierungsbezirk Münster) erledigt.
Die Aufgaben für Soziale Entschädigung z. B. nach dem Bundesversorgungsgesetz, Soldatenversorgungsgesetz und Opferentschädigungsgesetz werden von den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe über- nommen.
Die Arbeitsmarktprogramme werden von den Bezirksregierungen in NRW je nach Zuständigkeit übernommen.
Die Auflösung der Versorgungsämter in Nordrhein-Westfalen war umstritten. Die Opposition im Landtag bemängelte u.a., dass die Folgekosten für die Kommunen nicht absehbar wären und eine Auflösung ggf. kostenintensiver sei als die Beibehaltung.
Die Aufgaben nimmt seit 1996 das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz wahr.
Commons: Versorgungsamt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Versorgungsmedizinische Grundsätze
Versorgungsämter.de
Häufige Fehler in ärztlichen Attesten
Baden-Württemberg: Regierungspräsidium Stuttgart, Abteilung 10 - Landesversorgungsamt Baden-Württemberg
Bayern: Zentrum Bayern Familie und Soziales Berlin: Landesamt für Gesundheit und Soziales Brandenburg: Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg Bremen: Versorgungsamt Bremen Hamburg: Versorgungsamt Hamburg Hessen: Regierungspräsidium Gießen, Versorgungsverwaltung des Landes Hessen Mecklenburg-Vorpommern: Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen: Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie
Nordrhein-Westfalen: Versorgungsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz: Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung des Landes Rheinland-Pfalz
Saarland: Saarland, Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz
Sachsen: Kommunaler Sozialverband Sachsen Sachsen-Anhalt: Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein: Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein
Thüringen: Freistaat Thüringen, Landesverwaltungsamt Abteilung VI - Versorgung und Integration
Das Schwerbehindertenrecht umfasst alle rechtlichen Regeln, die die Rechtsverhältnisse von Schwerbehinderten in Deutschland betreffen. Rechtsgrundlage ist seit dem 1. Juli 2001 der zweite Teil des (SGB IX), in dem „Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen“ enthalten sind. Nicht zum Schwerbehindertenrecht gezählt werden die Regeln nach dem Bundesversorgungsgesetz über die Versorgung von Personen, die durch militärische oder militärähnliche Dienstverrichtungen gesundheitliche Schädigungen erlitten haben.
Schwerbehinderte Menschen sind Personen, deren körperliche, geistige oder seelische Behinderung einen Grad von wenigstens 50 hat (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Sie stehen in vielfacher Hinsicht unter einem besonderen rechtlichen Schutz und können eine Reihe von Nachteilsausgleichen in Anspruch nehmen.
Gefördert werden sollen die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Des Weiteren sollen durch das Schwerbehindertenrecht Benachteiligungen von Behinderten vermieden bzw. entgegen- gewirkt werden. Das Schwerbehindertenrecht wurde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts „allein zum Schutz“ der schwerbehinderten Menschen konzipiert.
Grad der Behinderung
Das Vorliegen der Behinderung und deren Ausmaß werden als sogenannter Grad der Behinderung (GdB) auf Antrag des Betroffenen durch die zuständigen Behörden (u. a. Versorgungsämter) festgestellt. Der GdB wird – zwischen 20 und 100 – in Zehnerschritten (oft fälschlich als „Prozent“ bezeichnet) bemessen.
Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit einer Person mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher die Teilhabe dieser Person am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Eine Behinderung wird von der zuständigen Behörde ab einem Grad der Behinderung von 20 festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Eine Schwerbehinderung wird von der zuständigen Behörde ab einem Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, so wird der GdB im Wege einer Gesamtschau festgesetzt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei werden alle Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt, die wenigstens einen Einzel- GdB von 10 haben (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX).
Die Gleichstellung mit Schwerbehinderten durch die Bundesagentur für Arbeit auf Antrag des Betroffenen soll ab einem GdB von 30 erfolgen, wenn aufgrund der Behinderung ansonsten ein Arbeitsplatz nicht erlangt oder behalten werden kann (§ 2 Abs. 3, § 68 Abs. 2 SGB IX).
Darüber hinaus gibt es noch verschiedene Merkzeichen, die bei besonderer Ausprägung der Schwerbehinderung
erteilt werden: „G“ (erheblich gehbehindert), „aG“ (außergewöhnlich gehbehindert), „B“ (auf der Vorderseite des
Schwerbehindertenausweises steht „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen.“), „H“
(hilflos), „BL“ (blind), „RF“ (Ermäßigung des Rundfunkbeitrags auf Antrag/Sozialtarif bei der T-Com), „GL“ (gehör- los).
Die Einstufung erfolgt seit 2009 nach den Grundsätzen der Versorgungsmedizin-Verordnung.
Auch Kriegsbeschädigungen sind in das gleiche System eingebunden; ein Anspruch auf eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz
(Kriegsbeschädigtenrente) besteht aber nur auf die anteiligen kriegsbedingten Schädigungsfolgen.
Das Vorliegen einer Behinderung und der Grad der Behinderung werden nur auf Antrag des behinderten Menschen durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden (meist Versorgungsamt genannt) festgestellt.
Die zuständige Behörde teilt die Einstufung in einem Bescheid mit. Dieser Feststellungsbescheid kann mit einem Widerspruch und – falls dieser nicht zum gewünschten Erfolg führt – über ein Verfahren vor dem Sozialgericht angefochten werden.
Dieser Bescheid ist nur für den Betroffenen bestimmt und nicht zum Nachweis der Behinderung gegenüber Behörden, Arbeitgebern usw., weil darin unter anderem die medizinische Diagnose aufgeführt ist: Im zugehörigen Merkblatt ist ausdrücklich erwähnt, dass niemand das Recht hat, Einblick in diesen Bescheid zu verlangen. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass Personalverwaltungen die Vorlage des Feststellungsbescheids verlangen; dazu sind schwerbehinderte Menschen nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet.[1]
Schwerbehindertenausweis
Die zuständigen Behörden stellen gleichzeitig auch den Schwerbehindertenausweis aus, der zum Nachweis der Be- hinderung gegenüber Behörden, Arbeitgebern usw. bestimmt ist. Er ist in der Regel auf fünf Jahre befristet. Die Befristung der Schwerbehindertenausweise ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Hessen beispielsweise werden die Schwerbehindertenausweise, wenn keine Nachprüfung von Amts wegen vorgesehen ist, auf 15 Jahre oder bis zum 90. Lebensjahr ausgestellt und dann jeweils verlängert. Die Praxis geht in der hessischen Versorgungs- verwaltung allerdings dahin, dass nach Möglichkeit die Ausweise unbefristet ausgestellt werden. Bis zur Vollendung des 9. Lebensjahres werden die Schwerbehindertenausweise ohne Lichtbild ausgestellt, ab dem 10. Lebensjahr wird die Ausstellung eines Ausweises mit Lichtbild erforderlich.
Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen
Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, können auf Antrag einem schwer- behinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Die Gleichstellung erfolgt auf Antrag des behinderten Menschen durch die für seinen Wohnort zuständige Agentur für Arbeit. Für gleichgestellte behinderte Menschen gelten dieselben Regelungen des Schwerbehindertenrechts wie für schwerbehinderte Menschen, mit Ausnahme des Anspruchs auf Zusatzurlaub (§ 125 SGB IX) und des Anspruchs auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Per- sonenverkehr. Gleichgestellte behinderte Menschen haben keinen Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Schwerbehinderte Menschen genießen besonderen Schutz und Förderung im Arbeitsleben. Sie werden unter anderem durch folgende Regelungen geschützt und gefördert:
Schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Menschen haben bei Arbeitsverhältnissen einen besonderen Kündigungsschutz
(§§ 85 bis 92 SGB IX). Ihnen darf ordentlich oder außerordentlich nur gekündigt werden, wenn das Integrationsamt
vorher zugestimmt hat. Eine ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.[2] Voraussetzung für den besonderen Kündigungsschutz ist, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits länger als sechs Monate andauert. Die Kündigungsfrist beträgt dann mindestens vier Wochen (§ 86 SGB IX). Eine bestimmte Größe des Betriebs ist dagegen (anders als beim allgemeinen Kündigungs- schutz) nicht erforderlich.
Die Schwerbehinderung oder die Gleichstellung muss bei Zugang der Kündigung bereits durch die zuständige Be- hörde festgestellt worden sein oder der entsprechende Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung muss bereits mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt worden sein (§ 90 Abs. 2a SGB IX).[3] Der beson- dere Kündigungsschutz besteht aber stets auch bei offensichtlicher Schwerbehinderung.
Die Unwirksamkeitsfolge tritt auch dann ein, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung oder Gleichstellung nichts wusste, sofern der Gekündigte den Arbeitgeber innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Kündigungszugang über seinen Behindertenstatus oder den gestellten Antrag informiert.
Die Kündigung gilt als von Anfang an rechtswirksam, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben hat (§ 7 in Ver- bindung mit § 4 KSchG). Die Frist läuft aber erst ab Bekanntgabe der Entscheidung des Integrationsamtes an den Arbeitnehmer (§ 4 Satz 4 KSchG). Hat der Arbeitgeber keine Zustimmung beantragt oder erhalten, läuft die Frist also nicht.
Schwerbehinderte Menschen (nicht: ihnen Gleichgestellte) haben nach § 125 SGB IX Anspruch auf bezahlten zu- sätzlichen Urlaub von einer Arbeitswoche, meist fünf Tage, im Kalenderjahr. Ist die Schwerbehinderteneigenschaft nicht für das gesamte Kalenderjahr festgestellt, so hat der schwerbehinderte Mensch für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Behinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.