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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2008 Sylvie Denier

Die Fotos zu „Tanz der Sonnenkringel“ stammen zur Hälfte von meinem Sohn Roshan Denier (Coverfoto, März, April, Juni, Juli, November und Dezember).

Satz, Umschlagdesign, Herstellung und Verlag:

Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-8423-8517-7

Widmung

Für meine „beiden Männer“, die mir immer wieder den nötigen Freiraum für meine kreativen Ausflüge ins Reich der Fantasie gewährt haben und für Alle, die mich auf meinem Weg, der nicht immer nur ein Tanz war, begleitet haben.

 

Ein ganz dickes Dankeschön

Meinem Sohn Roshan, der mir einige seiner schönsten Fotos zur Verfügung gestellt hat. Aber auch dafür, dass er mit viel Geschick und Liebe zum Detail das Cover und die Monatsbilder so gestaltet hat, dass diese persönliche Note das Ganze noch eine Spur beschwingter macht. Ein ganz spezielles Dankeschön aber auch für die Geduld, die er an den Tag legte, wenn’s drum ging, mir bei computertechnischen Schwierigkeiten den Takt anzugeben, so dass die Bits und Bytes nach meinem Rhythmus tanzten.

 

Herzlichen Dank

An dieser Stelle möchten wir unseren Sponsoren, der VICTORINOX AG, Schwyz und der CREDIT SUISSE für die finanzielle Unterstützung recht herzlich danken. Für die Zukunft wünschen wir alles Gute und weiterhin einen erfolgreichen Geschäftsgang.

Sylvie und Roshan Denier

 

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Januar

Ein alter Brauch

Wonderful World

Zeit haben

Sonnenuhr

Von Stollenpneus und Elefantenfüssen

Nur ein Viertelstündchen

Schnäppchen

Festessen für zwei

Februar

Originale

Wenn die Katze mit der Schlange

Masken haben viele Gesichter

Tante Trudy

Sind die echt

Schwierige Sache

Charly

März

Frühlingsmelodie

Notvorrat

Waschtag

Unser Garten

Gott und die Welt

Mysteriös

Flicksocken

April

Blütentraum

Momo lebt

Mein Hausfreund

Plastikwelten

Ein Kleid von Dior

Verflixt und zugeschweisst

Newsletter

Mohammed spielt Paradies

Mai

Z Miäti

Gi Seefelde nab

Das schlaue Buch

Ballettröcklein

Märchen pflanzen

Ohne Coach und doppelten Boden

Das gewisse Etwas

Juni

Spitzentanz

Das ganz besondere Souvenir

Steigerung möglich

Die Leichtigkeit des Seins

Kunstwerke

Kleine Welt

Liegestuhl

Einfach so

Juli

Sommerfreuden

Magie der Farben

Kury

Lernen fürs Leben

Hurra, wir leben noch

Gute Reise

S Füxli

August

Nostalgie

Heitere Gelassenheit

Birnau

Hundeleben

Gehen voll im Trend

Niemand kannte ihn

Was das Herz begehrt

Glanzvolle Aussichten

September

Hannibal und Co.

Verzell du das am Fährimaa

Handymania

Wärme und Freude

Antiquitäten

Viva Italia

Karolas Welt

Oktober

Modesünden oder so

Däumchen drehen

Zeugen aus früheren Zeiten

Immer mit der Ruhe

Achtsamkeit

Vielseitig

Let it be

November

Im Paradies

Adventskalender

Sieg der Fantasie

Schwanensee

Herbst-Blues

Falsch verbunden

Lust und Frust

Arme Pippi, böser Robinson

Dezember

Heinzelmännchen

Modern Times

Geschenke

Auf Birkenhaut

Ein See und hundert Märchen

Wenn eine Taube Daphne heisst

Es werde Licht

Spielen oder gamen

Ausklang

Vorwort

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Leben lebens- und liebenswert machen.

Um es gleich zu sagen: In „Tanz der Sonnenkringel“ geht es nicht um Sensationen, das Aussergewöhnliche oder um das grosse Weltgeschehen und dieses Buch erhebt auch nicht den Anspruch, ein „literarisches Meisterwerk“ zu sein. Meine Drei-Minuten-Geschichten kommen leichtfüssig daher. Sie tanzen sozusagen als kleine Lichtblitze in den Alltag der Leserinnen und Leser.

„Der Himmel ist dort, wo es keinen Nebel mehr hat“, pflegte mein alter Freund Josti jeweils zu sagen und meinte damit, dass man die kleinen Sonnenstrahlen im Alltag nicht ausser Acht lassen solle.

In der heutigen Zeit ist es doch leider so, dass Stress und Hektik schon fast raumfüllende Dimensionen annehmen und dass einen bei den Schreckensmeldungen, die uns in den Medien, auf der Strasse, im Gespräch mit Menschen begleiten, die Leichtigkeit des Seins, ein Schmunzeln, ein heiteres Augenzwinkern oder ein herzliches Lachen abhanden kommen könnte.

Manchmal scheint es, als ob die ganze Welt ein einziger Krisenherd und die Erde ein riesiger Problemhaufen sei. Meldungen über Kriege, Terroranschläge, Flüchtlingselend, Naturkatastrophen, Hungersnöte, Wirtschaftskrisen und was es sonst noch an Not und Elend gibt gehen an keinem von uns einfach so vorbei.

Auch an mir nicht, was beim Schreiben da und dort seine Spuren hinterlässt. Ich probiere aber ganz bewusst, das Schöne, Liebenswerte und Kostbare im Alltag, sozusagen das Veilchen am Wegrand zu sehen und das Leben von der positiven Seite zu betrachten.

Gerade in der heutigen Zeit haben viele Menschen Sehnsucht nach Gefühlen, nach Wärme und Licht. Viele wagen es aber nicht, das laut zu sagen, aus Angst, ausgelacht zu werden oder sich eine Blösse zu geben. Bei meinen Geschichten dürfen Sie träumen und Ihre Gefühle leben.

„Tanz der Sonnenkringel“ mit den kleinen, heiteren, manchmal auch besinnlichen Geschichten soll zum Schmunzeln oder Nachdenken anregen. Es soll Freude machen und etwas Heiterkeit und Frohsinn, eben bunte Farbtupfer in den Alltag zaubern.

Tanzen Sie mit den Sonnenkringeln um die Wette, lassen Sie der Seele Flügel wachsen, geniessen Sie das Frühlingserwachen und die Sommerfreuden, den Segen des Herbstes und den Zauber des Winters. Freuen Sie sich über die Leichtigkeit des Seins, entspannen Sie sich und geniessen Sie eine Reise ins Land der Fantasie, wagen Sie es, zu träumen und Gefühle zu leben.

Beschwingte Stunden und viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen

Sylvie Denier

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Juli

August

September

Oktober

November

Dezember

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Ein alter Brauch

Image Wenn bei mir das Telefon klingelt und wenn mir nach dem Abheben ein fröhliches Lachen und ein „Hallo, was hast du grade gemacht?“ entgegentönt, dann weiss ich, dass Werner an der Strippe ist, den ich mal bei einem Kuraufenthalt kennenlernte. Erfahrungsgemäss setze ich mich dann bequem in einen Sessel. Unsere Gespräche sind zwar selten, aber wenn, dann so lang, dass einem fast die Ohren glühen.

Auf Werners Frage: „Was hast du grade gemacht?“, antwortete ich vor ein paar Tagen: „Nichts, einfach nichts.“ Ein lieber Freund hätte mir darauf wohl erklärt, dass ich so was nicht laut sagen dürfe, denn in der heutigen Zeit sei Nichtstun bestimmt bald strafbarer als alles andere, was sonst so verboten ist. Aber lassen wir das.

Mein Bekannter fand mein Nichtstun super und er erzählte mir, dass er seinerseits gerade eine Liste für seine Feuerbestattung gemacht habe. Halb besorgt, halb belustigt, da er ja recht munter tönte, fragte ich, ob er krank sei oder wieder mal eins seiner „Depressiönli“ pflege. Er beruhigte mich: „Ich habe weder ein körperliches Leiden noch ein seelisches Tief. Das mit der Feuerbestattung ist ein alter Brauch, den ich von meiner Grossmutter übernommen habe.“

„In grauer Vorzeit“, so erzählte er, „ist die Wintersonnenwende ein Tag gewesen, an dem Opfer dargebracht und verbrannt wurden, um böse Geister zu vertreiben. Bei meinen Opfern geht es um Dinge in meinem Leben, die ich gerne loswerden möchte.“

„Super!“, sagte ich. „Dann verbrenne ich die Steuerrechnung und das Strafmandat, das ich kürzlich wegen Nichtangegurtetseins eingefangen habe.“

Werner lachte und meinte: „So krass ist das Ganze dann doch nicht gemeint. Ich mache das jeweils so: Ich schreibe mir alles, was mich belastet, von der Seele und notiere alle schlechten Angewohnheiten, Ängste, Untugenden, Laster, Probleme und Sorgen, von denen ich mich lieber heute als morgen trennen möchte.“ Damit ich ihn auch ja richtig verstand, zählte er mir auch gleich ein paar Dinge auf, die er auf seiner Liste notiert hatte. Zum Beispiel seine Ungeduld, die er seinem Enkelkind gegenüber oft an den Tag lege, seine meist unbegründete Angst vor dem Zahnarzt, seine tausend Ausreden, die er finde, wenn er sich mal wieder an der frischen Luft bewegen müsste, oder seine Angewohnheit, dass er Stress vortäusche, statt sich Zeit für einen lieben Menschen zu nehmen. „All das und Ähnliches mehr kommt auf diese Liste, die ich dann im offenen Kamin verbrenne. Wenn dieser ganze unnötige Ballast den Flammen übergeben ist, wenn meine Ängste und Schwächen vom Feuer verzehrt werden, dann fühle ich mich freier, leichter und unbelasteter – mehr noch, ich freue mich dann darauf, in Zukunft einen neuen, besseren Kurs zu steuern.“

„Klingt gut“, sagte ich und fragte: „Was machst du mit den schönen Erinnerungen, den Sternstunden in deinem Leben, konservierst du die in Dosen?“

„Nein“, sagte Werner und lachte: „Aber all die schönen Erlebnisse sind wie Blumen, die man unverhofft am Wegrand findet. Ich binde sie zu einem symbolischen Strauss zusammen und gebe ihnen einen Platz in meinem Herzen. Ab und zu nehme ich eine Blüte raus, schaue sie an und gönne mir was Schönes, das Freude macht. Das kann eine Fahrt ins Blaue sein, ziellos, einfach da anhalten, wo’s einem gefällt, es kann ein Treffen mit einem lieben Menschen sein, um in schönen Erinnerungen zu schwelgen, ein feines Nachtessen irgendwo bei Kerzenlicht, ein fröhliches Fest oder dass man eine verrückte Idee in die Tat umsetzt, mal was Neues ausprobiert, eine Sprache oder ein Musikinstrument spielen lernt oder einfach Wege geht, die man noch nie gegangen ist.“

Eine tolle Idee, die man gerade jetzt in den ersten Januartagen beherzigen könnte, damit man am Ende des Jahres einen riesigen, bunten Strauss hat, der einem in der Schatzkammer der Erinnerungen noch lange Freude macht.

Wonderful World

Image Es war ein wunderschöner, klirrend kalter Wintertag. Die Sonne liess die Schneesterne wie Diamanten funkeln und tauchte die ganze Landschaft in ein warmes, goldenes Licht. Winterzauber in seiner schönsten Form und den wollten wir am See geniessen.

Warm eingepackt stapften wir durch den unberührten Schnee. Von den Bäumen rieselte Sternensilber und machte das Wintermärchen so richtig perfekt.

Nach einigen Metern begegnete uns ein älteres Ehepaar, das wir flüchtig vom Skifahren kannten. Wir blieben stehen und fragten, wie’s ihnen so gehe und ob sie schon startklar für die neue Skisaison seien.

„Ans Skifahren haben wir noch gar nicht gedacht“, sagte die Frau und ergänzte: „Mein Knie tut nicht so recht, wie es sollte; überhaupt die Gelenkschmerzen überall machen mir schon zu schaffen.“ Ihr Mann schaltete sich ein und meinte, das mit dem Skifahren sei heutzutage eh so eine Sache.

Und dann ging’s erst richtig los: „Die neuen Carving-Skis sind schon nicht das Gelbe vom Ei. Da hat jeder das Gefühl, er sei ein Rennfahrer. Auf den Pisten ist man nirgends mehr sicher, was durch die Bars mit Jagertee und Glühwein noch geschürt wird. Aber eben, Rowdies gibt’s ja auch auf den Strassen. Die jungen Leute kennen da keine Grenzen mehr, lassen sich in Discos volllaufen und düsen dann wie Irre durch die Nacht. Wo bleibt da die Vernunft?“

Aber das könne man sich auch fragen, wenn sie überall rumrandalierten und Sachen beschädigten. Die sollten halt mal so richtig fürs Geld arbeiten müssen, dann würden denen die Flausen schon vergehen. Daraufhin erfuhren wir, dass wir in einer verrückten Welt lebten, die Jungen fänden weder Lehrstellen noch Arbeitsplätze und in unserer Region sei das eh schwierig, weil wir ja bald nur noch Verbindungsweg durch die Alpen seien. Möglichst schnell von Norden nach Süden. Aber ob die Neat das Richtige sei, sei mehr als fraglich. Da gebe dann mal wieder die Natur die Antwort, und zwar in Form von Erdrutschen, Lawinen und Überschwemmungen.

Und dann war da noch die Rede vom Irakkrieg, der Vogelgrippe, von Sars, Tsunami, Hungersnöten und von Reichen, die immer reicher, von Armen, die immer ärmer würden. Ausserdem überfluteten die Asiaten bereits Amerika, und was dort ein Problem sei, werde demnächst auch uns betreffen usw., usw.

Langsam, aber sicher wühlte sich die Bise durch meine Kleiderschichten und irgendwo hatte ich das Gefühl, dass auch mein Herz bald unter einer Eisschicht begraben sei. „Aber wenigstens haben wir im Kanton Uri ein Krankenhaus“, hörte ich die Frau noch sagen. Mit dieser erfreulichen Information verabschiedeten wir uns von den beiden, und zwar bevor es mit dem schmerzenden Knie wieder von vorne losging.

Zu Hause machten wir es uns vor dem Cheminee gemütlich und genossen die behagliche Wärme. Und da tönte aus dem Radio die rauchige, dunkle Stimme von Louis Armstrong, der voll Freude sein „What a Wonderful World“ sang.

Grüne Bäume und rote Rosen, die für uns blühen, blauer Himmel und weisse Wolken, die Farben des Regenbogens und Menschen, die sich die Hände geben und „Ich liebe dich!“ sagen – mir wurde wieder warm ums Herz, und als der Sänger diese ganzen Schönheiten unserer Erde auch noch mit einem fröhlichen „Oh yea!“ bekräftigte, konnte auch ich mich wieder freuen an diesem zauberhaften Wintertag, mit seinem Farbenspiel, der behaglichen Wärme in der Wohnung und den Menschen, die um mich waren.

Fürs neue Jahr wünschte ich mir, es gäbe mehr Louis Armstrongs, hoffentlich auch unter den Medienschaffenden, die die Menschen bei der Hand nehmen und ebenfalls, statt Horrormeldungen zu verbreiten, die wunderschöne Welt besingen, damit’s auch mal in den Herzen chronischer Schwerenöter warm wird.

Zeit haben

Image „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum!“ Dieser Spruch scheint es einem meiner Bekannten ganz besonders angetan zu haben. Jedenfalls hängt er in Zierschrift getippt und eingerahmt über Mauros Bett, ist in einem kleinen Rähmchen unübersehbar auf seinem Schreibtisch aufgestellt und klebt in Miniausgabe am Armaturenbrett seines Autos.

Dieser Spruch ist dann auch meist Thema Nummer eins bei unserem schon längst zur Tradition gewordenen Neujahrstreff. Auf die Frage, welchen Traum Mauro denn in diesem Jahr verwirklichen wolle, gibt er meist zur Antwort: „Jetzt fange ich an zu leben.“

Und dazu gehört zum Beispiel, endlich eine Kreuzfahrt zu machen. Wie das sein wird, schildert dann Mauro in den prächtigsten Farben: Stundenlang würde er an der Reling stehen, um sich nichts als das wogende Meer, den Wind würde er auf der Haut spüren und sein Blick würde sich im endlosen Blau des Himmels verlieren. Er würde das Farbenspiel des Sonnenuntergangs geniessen und nachts die Sterne zählen. An nichts würde er sparen, keine Kompromisse machen, einfach nur in den Tag hineinleben ohne Verpflichtungen und Terminkalender.

Nicht genug damit, Mauro möchte auch mindestens einmal im Monat mit seinem Auto an einen Ort in der Schweiz fahren, den er noch nicht kennt. Er möchte, um fit zu bleiben, viel in unserer schönen Gegend rumstromern, vielleicht sogar ab und zu einen unserer Berge besteigen. Jeden schönen Sommertag würde er am See geniessen, sich die Sonne auf den Bauch brennen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

Ein Openair besuchen möchte er auch noch und mal eine ganze Nacht lang durchtanzen, die blaue Lagune aus dem gleichnamigen Film suchen und Ähnliches mehr. Mauros Fantasie ist grenzenlos, wenn er so unbekümmert Luftschlösser und Traumpaläste bauen kann. Und immer wieder bekräftigt er: „Langweilig wird mir bestimmt nie, wenn ich dann einfach nur noch lebe.“

Meist ist es seine Frau, die ihn unsanft aus seiner Wunderwelt rausholt, indem sie fragt: „Wie und wann fängst du mal an, irgendwas von alledem zu realisieren?“

Und dann geht’s los: „Also erst muss nach den Festtagen der Christbaum entsorgt werden. Dann muss ich noch meine Tante besuchen, um da eine defekte Steckdose zu reparieren. Mein Auto muss ich noch vorführen und zum Coiffeur, ausserdem muss ich neue Briefbogen und Visitenkarten bestellen, den Dachboden entrümpeln und das Budget fürs neue Jahr machen.

Kurz, die Liste seiner Pflichten und Termine ist weit länger als die seiner Wünsche und Träume, leider auch viel konkreter und realistischer. Es wird wohl so sein, dass Mauro auch in diesem Jahr keine Zeit finden wird, um mit Tatkraft, starkem Willen, mit Ausdauer und Flexibilität ein paar Klippen zu umschiffen, was ihn dem „Leben seiner Träume“ einen Schritt näher brächte.

Ihm, mir, uns allen wünsche ich täglich ein Viertelstündchen Auszeit, um mindestens mal am Fundament eines Luftschlosses zu schaffen, Pläne zu schmieden, was als Erstes getan werden müsste, damit ein Traum Wirklichkeit wird. Nehmen wir uns diese Zeit, jeden Tag, denn jeder Tag ist ein Neuanfang, damit muss man nicht bis zum nächsten Jahreswechsel warten.

Mauro, mir und uns wünsche ich Zeit – Zeit haben zum Leben.

Sonnenuhr

Image „Ich wünsche dir ein gutes, glückliches neues Jahr.“ Solche und ähnliche Texte erreichen uns zum Jahreswechsel von guten Freunden, Verwandten, Bekannten oder Geschäftspartnern. Gesundheit, Glück, Sonnenschein, Zeit für sich und andere, Erfolg, gutes Gelingen bei allem, was man anpackt, Freude, Frieden, Harmonie auf der ganzen Linie wird einem gewünscht. Halt eben all das, was des Menschen Herz erfreut und wärmt.

Schön wäre es, wenn man sich wirklich auf all diese guten Gedanken von Liebe, Zuversicht, Fröhlichkeit, Herzenswärme und Freude besinnen würde und das Leben geniessen könnte. Stattdessen werden uns von den Medien die Jahresrückblicke serviert. Der pure Graus, das schiere Entsetzen, der blanke Horror prasselt da in Wort und Bild auf uns nieder, hübsch-hässlich gewürzt mit Angst und Schrecken.

Was das Zeugs hält, wird gejammert, wie schlecht die Welt sei. All das Unheil der vergangenen 12 Monate wird noch mal aufgekocht; Die schlimmsten Ereignisse, Kriege, Terroranschläge, Naturkatastrophen, hungernde Kinder, randalierende Jugendliche, Menschen, die in Not und Elend leben, Klimaerwärmung, Wirtschaftskrisen, politische Fehlentscheide, Mord und Totschlag lässt man da noch mal hochleben und irgendwie scheint es, dass das Schrecklichste am genussvollsten präsentiert wird. Die schlimmsten Ereignisse liefern die grössten Schlagzeilen, angeblich weil die Leute das so wollen.

Negative Nachrichten rund um die Uhr vermitteln ein Menschenbild, das uns als Vandalen und Zerstörer zeigt, sie zeichnen eine Welt, die den Bach runtergeht, während niemand etwas dagegen tut. Will da jemand, dass wir gesenkten Hauptes mit permanent schlechtem Gewissen uns selber verachten für das, was wir an Schlechtem jeden Tag verursachen?

Das kann’s doch wohl nicht sein. Wie soll aus dieser Haltung was Neues und Besseres entstehen? Diesem negativen Weltbild müsste endlich der Kampf angesagt werden und damit könnte man schon beginnen, wenn die Medienmogule in ihren Jahresrückblicken auch auf das Gute und Schöne hinweisen und den Menschen die zentralen Werte wie Liebe, Mitgefühl und Respekt näherbringen könnten. Einfach das Prinzip Hoffnung zum Thema machen, aufzeigen, dass mit Liebe zum Schönen, zur Natur und zu den Menschen, dass mit Lebensfreude und Begeisterung Grosses geschaffen werden kann. Positive Gedanken bergen ein riesiges Potenzial in sich, mit dem Vieles sich zum Bessern wenden könnte.

Das soll jetzt nicht heissen, dass man die Augen vor dem verschliessen soll, was an Traurigem um uns herum geschieht. Achtsam und wachsam sein, da helfen, wo Hilfe nötig ist, das geht auch ohne reisserische Schlagzeilen und Bilder, die nicht selten die Menschenwürde der Betroffenen noch mit Füssen treten.

Dennoch: Zum besinnlichen Jahresausklang wünschte ich mir und meinen Mitmenschen, dass auf die grässlichen Jahresrückblicke verzichtet würde, dass man statt Schuldgefühlen das Positive im Menschen weckt, ihm aufzeigt, was es an Schönem zu geniessen, aber auch zu erhalten gibt, dass man fröhliche Menschen zeigt, die sich die Hand reichen, die lachen, einander helfen, motiviert ihr Tageswerk angehen und heiter ihre Arbeit tun. Menschen, die das blühende Frühlingserwachen, die Freuden strahlender Sommertage, den reichen Segen des Herbstes mit seiner ganzen Farbenpracht und den reifen Früchten, den Zauber des Winters mit gemütlicher Wärme in der Stube und den Herzen geniessen und die so auf ein heiteres und glückliches Jahr zurückblicken könnten. So gestärkt könnte man dann voll Zuversicht, Freude und gutem Willen das neue Jahr angehen.

Ein fast vergessener Spruch würde dann endlich wieder zum Tragen kommen: „Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.“ Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dann die Welt – und wir mit ihr – am Ende des Jahres sich um einiges besser fühlen und etwas fröhlicher und optimistischer aussehen würde. Vielleicht hätte man dann richtig Grund, Danke zu sagen für all das Schöne und Gute, für all die Liebe, die man in den vergangenen Tagen erleben durfte.

Von Stollenpneus

und Elefantenfüssen

Image „Alle Jahre wieder“, lachte mein Schuhmacher, als ich ihm kürzlich meine Stiefel für den Service brachte. „Ja, ich hab eben noch keine schöneren gefunden“, sagte ich achselzuckend. „Ich auch nicht“, meinte der Mann, drehte die Stiefel fast liebevoll in den Händen herum und sagte dann: „Wenn die Absätze und Spitzen wieder gemacht sind, ist das immer noch ein Traumschuh.“

Hm, Traumschuh, ich erinnere mich noch genau an die Kommentare, die ich zu hören bekam, als ich diese sogenannten City-Stiefel vor rund fünf Jahren auf einem Markt in Italien kaufte. Gute Eigenschaften schienen sie nur zwei zu haben. Wer sie sah, fand sie schön und elegant und ein guter Freund meinte: „Wenigstens läuft dir da der Schnee nicht oben rein.“ Ansonsten aber war es erstens völlig unvernünftig, an einem Marktstand Schuhe zu kaufen, und zweitens prophezeite man mir, dass diese Stiefel in unseren Breiten nicht mal die ersten Herbst-, geschweige denn Wintertage überstehen würden. Man riet mir, der hohen Absätze wegen, eine Lebensversicherung mit Gefahrenzulage abzuschliessen. Andere behaupteten, damit mache ich die Füsse und den Rücken kaputt und chronisch erkältet sei ich dann auch noch, weil diese Dinger nie und nimmer wasserdicht seien. Trotz dieser Schwarzseherei – meine Stiefel leben immer noch und ich auch.

Dennoch gebe ich zu, dass ich in Sachen Schuhe einen Tick habe. Fein müssen sie sein, elegant, leicht und bequem, und je höher der Absatz, desto besser. Was zurzeit in den Schuhgeschäften angeboten wird, beschert mir Albträume. Immer wenn ich diese klobigen, klotzigen Schuhe sehe, weiss ich nicht so recht, ob ich da vor irgendwelchen Restbeständen aus der Ardennenschlacht stehe oder ob hier der Notvorrat an Briketts lagert. Beim Anblick der Sohlen frage ich mich, ob wir Frauen jetzt erst Testläufe machen müssen, um Profile und Stollenpneus für Motocrossmaschinen zu erproben, oder ob wir jeden Glauben an die Erdanziehungskraft verloren haben, dass wir uns solche Gewichte an die Füsse schnallen müssen. An Elefanten- oder Dinosaurierbeinen kann ich mir solche Klötze ja noch vorstellen, nie und nimmer aber zu eleganten Kleidern oder chicen Hosen.

Ehrlich gesagt, ich kann’s kaum erwarten, bis die italienischen Schuhdesigner mit ihren Stilettos auch unsern Markt erobern. Dann werde ich wieder Schuhe kaufen, auch wenn meine Bekannte wettert, diese Stelzen seien eine Erfindung der Männer, die es nicht leiden könnten, wenn Frauen mit beiden Füssen fest auf dem Boden stehen würden. „Wenn du solche Marterpfähle von Schuhen kaufst“, sagt sie, „hoffe ich nur, dass sich der Schuhverkäufer dafür nicht bedankt, wohl aber Hals- und Beinbruch wünscht.“

Tut er nicht, ist mir aber auch egal, denn schliesslich gehe ich mit diesen Sprungschanzen für Mäuse nicht wandern, wohl aber tanzen oder bummeln, und da ist es mir zuweilen ganz lieb, wenn ich ein bisschen abheben kann und nicht mit beiden Füssen fest auf dem Boden stehen muss.

Nur ein Viertelstündchen

Image „So, jetzt sind Sie wieder wie neu“, sagte mir kürzlich ein Masseur, nachdem er mich von oben bis unten durchgeknetet hatte, und er ergänzte: „Wenn Sie jetzt noch täglich ein Viertelstündchen morgens und abends die Übungen machen, die ich Ihnen gezeigt habe, dann kann eigentlich nichts mehr passieren.“ Ha, das musste ja kommen, zweimal ein Viertelstündchen macht nach Adam Riese ein halbes Stündchen. Und damit, genau damit habe ich langsam, aber sicher Mühe.

Wer kennt das nicht: Um Haare wie Samt und Seide zu bekommen, rät einem der Coiffeur zu den berühmten hundert Bürstenstrichen, dauert nur zehn Minuten. Parodontose und Karies haben keine Chance, wenn ich nebst dem Zähneputzen die Zwischenräume täglich mit Zahnseide reinige, ist keine Sache und in fünf Minuten erledigt. Wenn ich pro Woche zweimal zwanzig Minuten eine Gesichtsmaske oder ein Peeling mache, bleibt meine Haut bis ins hohe Alter faltenfrei. Mit zehn Minuten Augengymnastik kann ich meine Brille schon bald vergessen und sehe dennoch wie ein Adler. Mit Wechselduschen, jeden Tag ein Viertelstündchen, könnte ich meinen Kreislauf in Schwung bringen und mit gezielten Übungen, eine halbe Stunde täglich, bleiben Busen, Po und Beine in Form. Allerdings, hätte ich einen Bauch, müsste ich zusätzlich noch zehn Minuten investieren.

Um eine Fremdsprache in drei Monaten perfekt zu beherrschen, habe ich pro Tag eine halbe Stunde zu lernen. Damit würde ich dann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich könnte nicht nur problemlos in andern Sprachen parlieren, sondern hätte noch was gegen das Rosten der grauen Hirnzellen getan. Körper, Geist und Seele würden sich freuen, wenn ich noch täglich zwanzig Minuten meditiere und mich eine Stunde an der frischen Luft bewege.

Hier fünf Minuten, da ein halbes Stündchen. Zu wie viel Stunden und Minuten sich all dies zusammenläppert, kümmert die Experten des jeweiligen Fachgebiets nicht und sie fragen auch nicht, wo das alles neben Arbeit und Pflichterfüllung noch Platz hat. Denn – wer sich gestresst fühlt, kann sich ja nach dem Mittagessen noch ein Viertelstündchen aufs Ohr legen.

Also ich weiss nicht, in meinem Hinterkopf rebellieren ein paar bunte, freiheitsliebende Hirnzellen aufs Heftigste und erinnern mich lautstark daran, dass ich eigentlich noch leben, lieben und sein wollte, einfach so, ohne Plan und Stoppuhr in der Hand. Irgendwie verbinden die Viertelstündchenräuber das mit Spass und Freude und meinen, dass ich nur so fröhlich, aufgestellt und glücklich sein könne und dass dies doch für mich selbst, aber auch für meine Mitmenschen ein Geschenk der besonderen Art wäre.

Schnäppchen

Image „Über 20 000 Bastelartikel zu traumhaft günstigen Preisen.“ Als meine Freundin und ich das Transparent an einem fabrikähnlichen Gebäude entdeckten, war für uns der Fall klar: Da mussten wir rein. Als begeisterte Bastlerinnen sind wir ja immer auf der Suche nach neuen Ideen und dem passenden Rohmaterial.

Das Angebot war wirklich riesig. Hier gab es einfach alles, was das Bastlerherz höher schlagen lässt. Egal ob nähen, stricken, töpfern, Porzellanmalen, Kupferstechen, Glas ritzen, Puppen machen, Lampenschirme fertigen oder kleine Beistellmöbel zusammenzimmern, hier konnte man selbst für das ausgefallenste Hobby jede Menge Anregungen und Material finden.

Wir fühlten uns wie Alice im Wunderland, und als wir an der Türe eines Nebenraums noch das Schild „Jedes Stück nur Fr. 7.--, greifen Sie zu, machen Sie ihre Träume wahr!“ entdeckten, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Blumenvasen, bunte Bänder, kiloweise Glasperlen, Puppenperücken und vieles mehr zum Preis von sieben Franken.

Ruth verstand die Welt nicht mehr. „Schau mal diese Vase, die soll gleich teuer oder billig sein wie die drei Kerzen. Oder hier, die Seidentücher zum selben Preis wie die Rolle Geschenkband … irgendwie komisch.“ Bei näherem Hinsehen kam nun auch ich ins Schleudern. „Wenn alles gleich wertvoll ist, dann ist andersrum gesehen auch alles gleich wertlos“, mutmasste ich.

„Das ist ein Fall für die Cafeteria“, meinte Ruth, und als wir dann beim Kaffee sassen, stellten wir fest, dass man so ja gar nicht mehr weiss, was man kaufen soll, was ein wertvolles Schnäppchen oder nur wertloser Ramsch ist.

Irgendetwas in unserer Welt war da jetzt massiv durcheinandergeraten. Fast so wie früher beim alten Toni, der seiner Angebeteten im gleichen Atemzug sagen konnte, sie sei ihm so wichtig wie seine Herzklappe oder wie ein Butterblümchen. „Ja was nun“, hat da manch eine gefragt und sich beleidigt zurückgezogen, weil Tony sich nicht entscheiden konnte oder wollte. Aber eben, es gibt ja auch Männer, denen das Auto wichtiger ist als die Partnerin, oder Frauen, denen ihr Selbstverwirklichungstrip wertvoller ist als das Wohl ihrer Kinder.

Wie gesagt, auch wir konnten uns bei diesem überreichen Angebot für nichts entscheiden. Dafür hätten wir schon ein konkretes Ziel haben müssen. Nur welches? Wenn alles irgendwie möglich und richtig, cool und genial ist oder auch nicht, wenn alles irgendwie gleich wertvoll oder wertlos ist, befällt einen eine lähmende Gleichgültigkeit.

Eine innere Leere macht sich breit. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum sich viele junge Leute nicht mehr zurechtfinden und sich dann einfach hängen lassen, sich volldröhnen mit Computer, MP3-Player oder ständigem Handygeklingel. Andere versuchen der inneren Leere durch überdrehte Betriebsamkeit zu entkommen. Sie flüchten sich in eine übersteigerte Unentbehrlichkeit, in Stress und Hektik. Entsteht da dann, trotz perfekter Organisation, doch mal ein Moment der Ruhe, geraten sie fast in Panik. Nur nicht zur Besinnung kommen! Also wieder hinein ins Gewühl, getreu nach dem Motto: „Ist der Mensch schon leer, soll wenigstens der Tag voll sein.“

Obwohl wir inzwischen längst am See sassen, hatte uns das Thema „wertvoll – wertlos“ noch im Griff. Da träumt der eine von einer Südseereise, während für den Andern schon ein Glas sauberes Wasser wertvoll wäre, oder der eine ist auf der Suche nach immer noch verrückteren Abenteuern, während den andern eine stabilere Gesundheit glücklich machen würde.

„So ist das halt“, meinte Ruth, „was dem einen wie ein Goldschatz vorkommt, ist für den andern einfach nichts. Die Menschen sind eben verschieden.“ Und doch kamen wir zum Schluss, dass es Werte gibt, wie Menschlichkeit, Herzenswärme, Liebe, Hilfsbereitschaft, ein offenes Ohr oder ein fröhliches Lachen, die nie ihren Wert verlieren und garantiert nie auf einem Wühltisch mit Schnäppchen zu Sonderpreisen landen.

Jedenfalls erschienen uns diese Stunden am See, das Gespräch unter guten Freundinnen, die ersten wärmenden Sonnenstrahlen, die funkelnden Schneekristalle, die Wellen, die sanft ans Ufer dümpelten, und das Kreischen der Wasservögel um einiges wertvoller als all der bunte Kram in der Bastelfabrik. So was kann man nicht kaufen, dafür braucht man innere Ruhe und Zufriedenheit, Zeit, innezuhalten, wache Sinne und ein offenes Herz. Werte, die im Trubel der heutigen Zeit immer seltener werden; vielleicht sind sie gerade deswegen so kostbar und wertvoll.

Festessen für zwei

Image Mit der gleichen Leidenschaft, wie er sein Bergheimetli bewirtschaftete, war er Kapitän auf dem „Dämpferli“, einer Miniausgabe der grossen Dampfschiffe.

Josti war ein goldiger Kerl, herzensgut und voller Humor. Als er die taubblinde Leonie zu sich nahm, wunderte sich eigentlich niemand, aber man fragte sich doch, was denn seine Frau Fine dazu sagen würde. Aus Jostis Erzählungen wussten alle, dass Fine eine, gelinde gesagt, sehr resolute Person oder eben ein wahrer Drachen war. Dass sie nun Leonie, die Josti liebevoll „Amsel“ nannte, einfach so akzeptieren würde, konnte kaum jemand glauben.

Darauf angesprochen lachte Josti sein herzhaftes Lachen und meinte: „Fine – habt ihr tatsächlich geglaubt, dass es die gibt, die hatte ich doch nur erfunden, man will ja schliesslich nicht der sein, der keine abbekommen hat.“

Ja nun, jetzt hatte er ja Leonie und die gab es wirklich. Sie begleitete ihn überallhin, selbst in seine Stammkneipe, obwohl sie sich ja nicht gross unterhalten konnte. Erstaunlicherweise aber verstand sie ihren Josti bestens. Mit dem bisschen Augenlicht, das ihr geblieben war, las sie ihm die Worte von den Lippen ab.

Sie waren schon ein kurliges Paar, die beiden. Fragte man Josti, warum er jetzt im hohen Alter von über 70 noch mit einer Frau zusammenziehe, meinte er: „Man kann doch diese Frau nicht in ein Heim abschieben, nein, zu so viel Herzlosigkeit kann ich nicht Ja sagen, ausserdem hab ich ja Platz genug und beiden ist geholfen.“

Ich mochte die beiden – und so einmal im Monat gingen wir zusammen essen. Dabei legte er, typisch Bergler oder Seegussler, wie man will, auf eher währschafte Kost Wert. „Nur nichts Neumodisches“, pflegte er dann zu sagen, derweil Leonie ganz gerne mal was „Exotisches“ hatte.

So bestellte Josti dann meistens Bratwurst und Rösti oder einen Wurstsalat, Leonie schon mal Nasigoreng oder Riz Casimir.

Blieb was übrig, packte Leonie die Reste sorgfältig ein und freute sich, dass sie so ihrem „Blindenhund“ Prinz was Feines nach Hause bringen konnte. Blindenhund Prinz war eine Promenadenmischung und weit weg von einem wohlerzogenen Hund. „Egal“, sagte dann Josti etwa, „meine Amsel hat halt alle Tiere gern.“

Das konnte ich ja noch verstehen, aber ich fragte mich, wie die beiden im Alltag so kochten, wo sie doch derart unterschiedliche kulinarische Vorlieben hatten. Eines Tages fragte ich Josti, wer denn bei ihnen koche und ob es da keine Schwierigkeiten gebe.

„Nein, gar nicht“, lachte er und erzählte, dass Leonie jeweils einen Topf Nudeln aufsetze. Wenn die weich seien, kämen sie in getrennte Töpfe. Er mache dann in seinen noch Zwiebeln, Kartoffeln und Käse rein, so dass er wunderbare Älplermagronen habe, und Leonie könne bei ihrem Teil italienische Saucen drübergiessen für Spaghetti all arrabbiata, cinque pie oder napoli.

Alles ganz einfach – und wenn zwei sich so gut verstehen wie Josti und seine Amsel, dann geht eben alles. Alles? „Das dann doch nicht“, meinte Josti augenzwinkernd und Leonie ergänzte: „Wir leben wie Bruder und Schwester zusammen.“

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Originale

Image Wenn Fasnächtler in fröhlicher Runde beisammensitzen, sind auch die Gespräche, die geführt werden, meist auf der heiteren Seite. Man erinnert sich an vergangene närrische Tage und Nächte, lacht über die eine oder andere Anekdote oder schmiedet konfettibunte Pläne für allfällige Mottos, die in Zukunft mal zum Zug kommen könnten.

In so einem Gespräch kamen kürzlich Dorforiginale aus nah und fern aufs Tapet, Menschen, die irgendwie nicht so recht in die Norm passen wollten, die durch ihre Ecken und Kanten, ihre Individualität auffielen und vielleicht gerade deswegen zu liebenswerten Persönlichkeiten wurden, an die man sich immer wieder gern erinnert.

Auch wenn diese etwas schrulligen Zeitgenossen längst ihren Platz im Himmel gefunden haben (ich bin überzeugt, dass sie da sind), purzelten sie plötzlich wie Sternschnuppen oder eben ein bunter Konfettiregen in unsere Runde.

Da gab es den „Sekundengumper“, der keine Sekunde ruhig sitzen konnte, der dauernd in Bewegung war und tausend Dinge auf einmal erledigte, und die „Jocheli Miggi“ – ihr Markenzeichen waren das herzhafte Lachen und die „geschraubten Strümpfe“. Ob diese verflixten, gestrickten Dinger viel zu gross oder so voller Tücken waren, dass die gute Frau es einfach nicht schaffte, sie halbwegs gerade an ihre Beine zu bringen? Wenn sie sonntags zur Kirche ging, hielt sie ihre Tasche jeweils mit beiden Händen so fest, als ob sie darin die ganzen Goldreserven der Nationalbank verstaut hätte. Fragte man sie, ob sie denn in der Kirche auch was opfere, meinte sie lachend: „Ja sicher, einen Zwanziger (20 Rappen) kann der da oben haben. Mehr kann Er bei dem wenigen, das er mir gibt, nun wirklich nicht verlangen.“

„Schloss Trudi“ war auch so ein Original. Wie ihr Name sagt, wohnte sie im Schloss und als Kinder haben wir ihr so manchen Kummer bereitet. Wenn wir wie Wölfe um ihr Schloss heulten, war’s jeweils aus mit der „Würde“ der Schlossherrin, denn da konnte sie sich dermassen ärgern, dass sie uns sämtliche Poltergeister aus dem Schlosskeller auf den Hals hetzte. Friedlicher war „1-2-3“, der seinen Namen deswegen hatte, weil er immer und ganz exakt dreimal in die Pedalen seines Velos trat und sich dann im Leerlauf treiben liess, bis er fast still stand. Wie „Cornet boeuf“ zu seinem Namen kam, wusste niemand so genau, aber jedem Kind war bekannt, dass „Bodmi Toni“ seinen Namen dem Bergheimetli zu verdanken hatte, in dem er wohnte. Immer bei Vollmond kam er ins Dorf, machte Pintenkehr – und damit ihm dann auf seinem beschwerlichen Heimweg nichts passierte, rief er in einem monotonen, dafür umso lauteren Singsang alle Heiligen, die er kannte, zu Hilfe.