Über diesen Ratgeber
Kurze Sätze, einfache grammatische Formen, leicht zugängliche Wörter, viele Erklärungen, klares Schriftbild, direkte Leseransprache – Texten in Leichter Sprache begegnet man heute immer häufiger. Öffentliche Verwaltung, Bildungseinrichtungen oder auch Parteien setzen in ihrer Kommunikation zunehmend auf ein paralleles Textangebot in Leichter Sprache, Medien veröffentlichen Nachrichten in Leichter Sprache.
Entwickelt wurde das Konzept für Personen mit Leseeinschränkungen; es soll ihnen den Zugang zur Schriftsprache und damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Zuletzt hat die Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes von 2016 die Rolle der Leichten Sprache deutlich gestärkt.
Dieser Band bietet Ihnen eine kompakte und übersichtliche Einführung in das Thema. Der erste Teil (Kapitel 1 bis 4) stellt die Rahmenbedingungen vor: Woher kommt das Konzept und wie hat es sich etabliert? Welche gesetzlichen Grundlagen gibt es? An wen richtet sich Leichte Sprache und wer kann von ihr profitieren? Wie funktioniert Verstehen und wie kann Verstehensproblemen wirksam vorgebeugt werden?
Im zweiten Teil (Kapitel 5 bis 10) erhalten Sie einen Einblick in die Praxis des Übersetzens in Leichte Sprache: Wie wickelt man einen Übersetzungsauftrag ab? Welche Hilfsmittel stehen Übersetzer(inne)n zur Verfügung? Sie lernen wichtige Gestaltungsprinzipien auf Wort-, Satz- und Textebene kennen und erfahren, wie das Layout und der Einsatz von Bildern das Textverstehen unterstützen können. Schließlich stellen wir Ihnen die Prinzipien der »Einfachen Sprache« vor, die bei Leser(inne)n mit weniger starken Leseeinschränkungen zum Einsatz kommt.
Wir hoffen, mit diesem Ratgeber zur Weiterentwicklung und Professionalisierung der Leichte-Sprache-Praxis beizutragen. Für alle, die ihre eigene Übersetzungskompetenz auch praktisch weiterentwickeln möchten, ist parallel zu diesem Ratgeber ein Arbeitsbuch mit zahlreichen Übungsaufgaben erschienen.
Ursula Bredel und Christiane Maaß
Über diesen Ratgeber
1. Zur Einführung
2. Wie steht es aktuell um die Leichte Sprache in Deutschland?
2.1 Leichte Sprache – ein deutsches Konzept?
2.2 Ein Blick ins europäische Ausland
2.3 Rechtliche Lage in Deutschland
2.4 Regelwerke
2.5 Textpraxis
2.6 In welche Richtung entwickelt sich Leichte Sprache?
3. Wer braucht Leichte Sprache?
3.1 Primäre Adressat(inn)en – sekundäre Adressat(inn)en – Mittler(innen)
3.2 Primäre Adressat(inn)en
3.3 Sekundäre Adressat(inn)en
3.4 Mittler(innen)
4. Was macht Sprache und Texte leicht?
4.1 Wahrnehmen und Verstehen
4.2 Wahrnehmbarkeit und Verständlichkeit
4.3 Verstehens- und Verständlichkeitsprüfungen: Siegel und Zertifizierung
4.3.1 Verständlichkeitsprüfung
4.3.2 Verstehensprüfung
4.3.3 Weitere Leichte-Sprache-Logos
5. Wie gehen Leichte-Sprache-Übersetzer(innen) vor?
5.1 Warum »Übersetzen« in Leichte Sprache?
5.2 Wie wickeln Sie einen Übersetzungsauftrag ab?
5.3 Wie entwickeln Sie eine Übersetzungsstrategie?
5.3.1 Analyse des Ausgangstexts
5.3.2 Erkenntnisse über die Adressatenschaft
5.3.3 Fokussierung auf die Zielsituation und die Medialität
5.3.4 Entwicklung einer Strategie für den Leichte-Sprache-Text
5.4 Welche Ressourcen und Hilfsmittel stehen Ihnen zur Verfügung?
5.4.1 Berufliche Assoziation
5.4.2 Ausbildung und Weiterbildung
5.4.3 Nachschlagewerke
5.4.4 Software zur Verständlichkeitsprüfung
5.4.5 Terminologiedatenbanken
5.4.6 Kontakt mit dem Auftraggeber
5.4.7 Vieraugenprinzip und fachliche Abnahme
5.5 Welche Qualitätsstandards gibt es für die Übersetzung von Texten?
6. Was müssen Sie auf Wortebene beachten?
6.1 Wie erkennt man leichte Wörter?
6.1.1 Fremdwörter
6.1.2 Fachwörter
6.1.3 Eigennamen
6.2 Geschlechtergerechte Sprache
6.3 Gleiche Wörter für gleiche Dinge
6.4 Komplexe Wörter – Binde-Strich oder Medio·punkt?
7. Was müssen Sie auf Satzebene beachten?
7.1 Komplexe und einfache Sätze
7.1.1 Adverbiale Nebensätze
7.1.2 Relativsätze
7.1.3 Ergänzungssätze
7.1.4 Infinitivsätze
7.1.5 Fünfschritt für die Übersetzung von Satzgefügen
7.2 Reihungen
7.3 Nominalkonstruktionen
7.4 Das Passiv – verborgene Handlungsträger auffinden
7.5 Ohne den Konjunktiv auskommen
7.6 Wie Sie sich in Leichter Sprache auf die Vergangenheit und die Zukunft beziehen
7.6.1 Vergangenes
7.6.2 Zukünftiges
7.7 Leichte Sprache – eine Sprache ohne Verneinungen?
7.7.1 Die Wahl der richtigen Mittel
7.7.2 Die richtige Bedeutung finden
7.8 Die Anordnung von Wörtern in Sätzen
8. Was ist auf Textebene zu beachten?
8.1 Herausforderung Text
8.2 Strategien zur Gestaltung der Textebene
8.2.1 Die Verdeutlichung der Textsorte
8.2.2 Sicherung des Textzusammenhalts
8.2.3 Weitere Strategien zur Gestaltung der Textebene
8.2.4 Eingriff in die Informationsstruktur
9. Wie bereiten Sie Texte in Leichter Sprache visuell auf?
9.1 Schriftzeichen
9.1.1 Schriftarten
9.1.2 Schriftauszeichnung
9.2 Layout
9.3 Bilder
10. Wie sieht Einfache Sprache aus?
10.1 Einfache Sprache – ein flexibles System
10.2 Die schrittweise Steigerung des Schwierigkeitsgrades
10.2.1 Das Verhältnis der sprachlichen Mittel zueinander
10.2.2 Schwierigkeitsgrade
10.3 Die visuelle Aufbereitung von Texten in Einfacher Sprache
11. Kommentierte Literaturliste
Register
1. Zur Einführung
»Anders sehen« – ein Beispiel
Die Blindeninstitutsstiftung stellt ihr Leitbild unter dem Titel »Das ist uns wichtig« auch in Leichter Sprache zur Verfügung, hier ein Auszug (Blindeninstitutsstiftung 2015 a, S. 6):
Die Blinden·instituts·stiftung gibt es schon sehr lange.
Deshalb wissen wir sehr viel über Seh·behinderung.
Und wir wissen sehr viel über Blindheit.
Die Menschen sollen sich bei uns wohl·fühlen.
Und wir möchten die Menschen fördern.
Deshalb möchten wir auch immer dazu·lernen.
Zum Beispiel fragen wir Fach·leute:
Was können wir besser machen?
Fach·leute wissen nämlich über bestimmte Sachen besonders viel.
So erweitern wir unser Wissen ständig.
Und so können wir Menschen mit Behinderungen besser helfen.
Der standardsprachliche Originaltext sieht so aus (Blindeninstitutsstiftung 2015 b, S. 4–5):
Zur Entfaltung und Sicherung der Lebensqualität schaffen wir gute Rahmenbedingungen hinsichtlich Organisation, Konzeption, personeller und sachlicher Ausstattung.
Spezifischen Anforderungen (zum Beispiel medizinischen und psychiatrischen) begegnen wir durch die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Fachkompetenz. Wir kooperieren dafür auch mit externen Fachleuten und bauen nach Bedarf Brücken zu anderen Unterstützungssystemen. […]
Die Stärke der Blindeninstitutsstiftung liegt in ihren vielfältigen Kompetenzen in den Bereichen Sehbehinderung und Blindheit. Aufbauend auf unserer langen fachlichen Tradition entwickeln wir unsere Kernkompetenz innovativ weiter.
Standardsprachliche Originaltexte werden im Folgenden Ausgangstexte, die Übersetzungen in Leichte Sprache Zieltexte genannt.
Der Ausgangstext der Blindeninstitutsstiftung schöpft die Möglichkeiten des Standarddeutschen breit aus und weist eine charakteristische fachsprachliche Verdichtung auf. Solche Texte, die uns im Alltag umgeben, können von durchschnittlichen Leser(inne)n in der Regel erschlossen werden. Selbst wo Schwierigkeiten auftreten, kann sich auf der Basis einer reichen Lesepraxis Verstehen einstellen. Im Gegensatz dazu haben Personen mit beeinträchtigter Lesefähigkeit weder die Textroutinen zur Verfügung, noch sind ihre Sprachkenntnisse so weit ausgeprägt, dass alle Inhalte erschlossen werden könnten. An diesem Punkt setzt Leichte Sprache an.
Das Übersetzen in Leichte Sprache ist jedoch eine schwierige Angelegenheit, denn die Komplexität des Gegenstands bleibt im Zieltext in Leichter Sprache normalerweise erhalten: Auch im Zieltext geht es um das Leitbild der Blindeninstitutsstiftung und um die Art und Weise, wie es in der Praxis umgesetzt wird. Allerdings stehen nicht mehr dieselben komplexen sprachlichen Mittel zur Verfügung wie im Ausgangstext.
Die wissenschaftlich fundierten Leichte-Sprache-Regeln, die wir in diesem Band vorstellen, sind so angelegt, dass sie für Leichte-Sprache-Übersetzer(innen) einen sicheren Rahmen setzen und Übersetzungsstrategien auch für Ausgangstexte mit hohem Fachlichkeitsgrad bieten.
Was Sprache leicht macht
Leichte Sprache, geschrieben mit großem »L«, ist eine stark vereinfachte Variante des Deutschen. In vielen unterschiedlichen Kontexten wird Sprache von Sprecher(inne)n oder Schreiber(inne)n intuitiv oder auch gezielt vereinfacht: Im kommunikativen Umgang mit kleinen Kindern etwa, mit Personen, die kaum Deutsch sprechen, mit Demenzpatient(inn)en oder in akuten Krisensituationen. Ziel ist es dabei jeweils, die kommunizierten Inhalte leicht aufnehmbar und verständlich zu machen. Wir sprechen dann langsam und deutlich, Hinweisschilder sind mit großer Schrift, kontrastreich und insgesamt gut sichtbar ausgelegt. Die versprachlichte Botschaft ist einfach und kurz, sie nutzt zentrale Wortschatzelemente.
Es zeigt sich hier – und die Forschung unterschiedlicher Disziplinen hat das vielfach bestätigt –, dass Verständlichkeit universalen Prinzipien folgt. Das wiederum heißt, dass diese Prinzipien, wenn sie gezielt eingesetzt werden, zu Texten mit hoher Verständlichkeit führen. So angepasste Texte sind dann für Personen mit Leseeinschränkungen oder Sprachverarbeitungsproblemen leichter verständlich oder überhaupt erst verständlich.
In diesen Kontext schreibt sich Leichte Sprache ein: Ihre Regeln sind an den Prinzipien ausgerichtet, die aus diesen unterschiedlichen Forschungsrichtungen und häufig auch aus der intuitiven Erfahrung heraus als verständlichkeitsverbessernd bekannt sind. So verfügt Leichte Sprache etwa nicht über Nebensätze, die verwendeten Sätze sind kurz und beginnen jeweils auf einer eigenen Zeile. In Leichte-Sprache-Texten werden nach Möglichkeit nur solche Wörter verwendet, die früh gelernt werden und im Wortschatz der meisten Sprachnutzer(innen) fest verankert sind. Bei komplexeren Wörtern werden die Wortbausteine mit Mediopunkt oder Bindestrich sichtbar gemacht. Hinzu kommen weitere Regeln, die man benötigt, um den hohen Anforderungen an die Verständlichkeit von Texten bei eingeschränkter Lesefähigkeit gerecht werden zu können.
Leicht, aber nicht falsch
Die Erleichterung darf jedoch nicht so weit gehen, dass falsches Deutsch entsteht. Die Gefahr ist aber sehr groß. Ein Beispiel kann dies verdeutlichen: Die Xenolektforschung beschäftigt sich damit, wie Muttersprachler(innen) mit Nichtmuttersprachler(inne)n kommunizieren, die erkennbare Probleme mit der gewählten Kommunikationssprache haben. Intuitiv wenden sie Erleichterungsstrategien an, die zu einer erhöhten Verständlichkeit führen. Sie sprechen langsam und deutlich, sie vermeiden Fachsprache, sie verwenden einfachen Wortschatz und kurze Sätze und wiederholen bzw. erläutern ihre Aussagen, wenn sie merken, dass sie nicht verstanden werden. Teilweise gehen sie dabei aber zu weit und produzieren ungrammatische Strukturen (»Da Bahnhof. Du Zug gehen«).
Hier zeigt sich eine deutliche Parallele zur Leichten Sprache: Die angewendeten Erleichterungsstrategien müssen sich hier wie dort zwingend im Rahmen des Standards bewegen, sonst schaffen oder vertiefen Erleichterungssysteme eine Asymmetrie, die sie eigentlich gerade zu heilen suchen.
Darum entsprechen die wissenschaftlich fundierten Regeln, wie sie auch in diesem Ratgeber vor allem in den Kapiteln 5–9 vorgestellt werden, sämtlich der deutschen Orthografie und Grammatik.
Es wäre auch in der Tat unakzeptabel, das Projekt Leichte Sprache mit falscher Orthografie oder Grammatik zu belasten. Das Argument, die Adressatenschaft brauche keine korrekte Orthografie/Grammatik, das sich bisweilen in den Diskurs um die Leichte Sprache einschleicht, ist dem Projekt Inklusion nicht dienlich. Für einen Teil der Adressat(inn)en ist Leichte Sprache ohnehin eine Durchgangsstufe auf dem Weg zum Standard. Diese Personen müssten, wenn sie Leichte Sprache hinter sich lassen, erst lernen, welche der zuvor erlernten Strukturen korrekt waren und welche nicht.
Ebenfalls schwer wiegt, dass die Leichte-Sprache-Leser(innen) diskreditiert werden, wenn ihnen vor den Augen der ganzen Gesellschaft Texte in fehlerhaftem Deutsch vorgelegt werden. Leichte Sprache zu benötigen ist ein Stigma. Diesen Personen systematisch Texte in fehlerhaftem Deutsch vorzulegen, vergrößert die Abwertung, da in der öffentlichen Wahrnehmung von den Texten auf die Adressat(inn)en geschlossen wird.
Leichte-Sprache-Texte sollten in jeder Hinsicht hochwertig und standardkonform gestaltet werden, um mit ihrer Hilfe eine gleichberechtigte Kommunikation zu ermöglichen. Dabei gilt es, jede Form von Asymmetrie und Herabwürdigung zu vermeiden.
Wer Leichte Sprache braucht
Zum primären Adressatenkreis von Leichter Sprache zählen Menschen mit eingeschränkter Lesefähigkeit, die insbesondere durch geistige Behinderung, Lernschwierigkeiten, Demenz, prälinguale Hörschädigung bzw. Gehörlosigkeit, Aphasie oder funktionalen Analphabetismus hervorgerufen sein kann. Mit dem novellierten Behindertengleichstellungsgesetz von 2016 ist Leichte Sprache nunmehr auch in Bundesbehörden fest verankert, nachdem sie in den vergangenen Jahren bereits in den unterschiedlichsten Textsorten Anwendung gefunden hat (etwa Nachrichten, juristische Ratgeber, Wahlbroschüren). Gebraucht wird Leichte Sprache auch in der inklusiven Schule, die Lernmaterialien in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen bereithalten muss, auch für Kinder mit massiveren Beeinträchtigungen.
Darüber hinaus kann Leichte Sprache für die Integration von Migrant(inn)en mit nichtdeutscher Herkunftssprache wichtig werden. Intendiert ist, dass sie für diese Zielgruppe einen ersten Schritt auf dem Weg zum Erwerb der standardsprachlichen Varietät des Deutschen darstellt. Nachrichten und andere Informationsangebote in Leichter Sprache, insbesondere aus dem juristisch-administrativen Bereich, senken die Hürden beim Eintritt in die Gesellschaft.
Die drei Funktionen der Leichten Sprache
Leichte Sprache hat drei wichtige Funktionen:
1. Partizipationsfunktion: Leichte Sprache adressiert eine Leserschaft, die keinen direkten Zugriff auf allgemein- oder fachsprachliche Texte hat, weil diese Texte sprachlich zu schwer gestaltet sind und zu viele Wissensbestände voraussetzen. Diese Personen können nur dann am gesellschaftlichen Leben teilhaben, wenn ihnen Textangebote gemacht werden, die sich an ihrem Lesevermögen und an ihrem Vorwissen ausrichten. Leichte Sprache ermöglicht deshalb Teilhabe, Partizipation.
2. Lernfunktion: Leichte Sprache macht Inhalte für eine Leserschaft zugänglich, die auf die allgemein- oder fachsprachlichen Ausgangstexte keinen Zugriff hat. Sie ermöglicht das Anlegen von Wissensbeständen und auch das
Einüben in eine Textpraxis. Auf diese Weise können mit Leichter Sprache Lernimpulse gesetzt werden. Einem Teil der Leserschaft wird so der Weg zum Standard geebnet. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Leichte-Sprache-Texte durchgehend in korrektem Deutsch verfasst sind.
3. Brückenfunktion: Textangebote in Leichter Sprache stehen stets neben den allgemein- oder fachsprachlichen Ausgangstexten. Das heißt, sie ersetzen kein ausgangssprachliches Angebot, sondern ergänzen es. Es ist daher sinnvoll, den Leichte-Sprache-Text in einer Weise aufzubauen, die ein Hin- und Herwechseln zwischen allgemein- oder fachsprachlichem Ausgangstext und dem Zieltext in Leichter Sprache ermöglicht. Die Leser(innen) haben dann tatsächlich die Chance, stellenweise oder großflächig auf den Ausgangstext zuzugreifen und werden nicht auf ein separates »Textuniversum« in Leichter Sprache verwiesen.
Grenzen der Leichten Sprache
Den Potenzialen der Leichten Sprache, möglichst vielen Gesellschaftsmitgliedern kommunikative Teilhabe zu ermöglichen, stehen empfindliche Nachteile gegenüber. In Leichter Sprache kann nicht alles ausgedrückt werden, was in der Standardsprache ausgedrückt werden kann. Durch die starke Reduktion sprachlicher Mittel und die gleichförmige optische Darstellung erreichen die Texte wenig Varianz und müssen häufig durch Erklärungen unterbrochen werden. Sprachspiel, Sprachwitz, Andeutungen und Verweise fallen dem Erfordernis unmittelbarer und direkter Kommunikation zum Opfer.
Entsprechend sind die Reaktionen auf Leichte Sprache häufig negativ bis abwehrend. Das bezieht sich jedoch nicht allein auf die Gestalt der Texte, sondern fällt negativ auf die Leser(innen) zurück, die diese Sprache brauchen: Wer derart aufbereitete Texte benötigt, ist von Stigmatisierung bedroht. Das erschwert die Arbeit am Projekt Leichte Sprache, das sich noch immer einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sieht.
An der positiven Wahrnehmung von Leichter Sprache ist daher aktiv zu arbeiten. Eine wichtige Rolle wird hierbei zum einen spielen, die Übersetzungspraxis insgesamt zu professionalisieren und einen hohen und verlässlichen Standard der Texte auf allen Ebenen sicherzustellen. Der vorliegende Band will dazu beitragen. Zum anderen muss deutlich werden, dass Leichte Sprache immer nur ein Zusatzangebot neben standardsprachlichen Texten sein kann und will; sie stellt daher keine Bedrohung für die Ausdrucksvielfalt der deutschen Sprache dar.
Hinweise zum Umgang mit Quellen
Wo wir Beispiele für Ausgangstexte und ihre Übersetzung in Leichte Sprache zitieren, weisen wir die Quellen mit Abkürzungen aus (z. B. PAH-A und PAH-L), deren Auflösungen Sie in der Literaturliste finden. Die Abkürzungen für Ausgangstexte enden mit »A«, die Abkürzungen für die Leichte-Sprache-Übersetzungen mit »L«. Selbst erstellte Beispiele und ihre Übersetzungen werden dagegen nicht eigens als solche gekennzeichnet.
Zitate aus anderen Quellen passen wir an die geltende Rechtschreibung an.
Über die Autorinnen
Ursula Bredel ist Sprachwissenschaftlerin und Deutschdidaktikerin. Sie ist Spezialistin für deutsche Grammatik und hat zur Interpunktion und zum Leseerwerb geforscht. Christiane Maaß ist Sprach- und Übersetzungswissenschaftlerin und leitet die Forschungsstelle Leichte Sprache. Beide Autorinnen sind Professorinnen an der Universität Hildesheim.