Zum Buch

Jina Modell ist tough. Trotzdem wird ihr am ersten Tag mit dem neuen Team der Spitzname »Babe« verpasst. So war das nicht geplant. Sie wird ihnen schon beweisen, dass sie kein »Babe« ist. Doch erst muss sie das höllische Training mit diesen gestählten Typen überstehen. Und vor allem Levi hat es ihr angetan.
Und dann passiert die Katastrophe. Das Basislager wird angegriffen, als sie allein die Stellung hält. Sie kann fliehen. Doch nun ist sie auf sich allein gestellt. Sie muss überleben, bevor der Feind herausfindet, dass sie entkommen ist.

»Linda Howard ist eine ausgezeichnete Autorin. Ihre Sprache ist kraftvoll und sinnlich, und ihre Geschichten suchen ihresgleichen. Jedes Buch ist eine Entdeckung.«
Iris Johansen, New-York-Times-Bestsellerautorin

Zur Autorin

Seit Linda Howards Karriere als vielfach beachtete Autorin begann, hat sie mehr als 25 Romane geschrieben, die weltweit eine begeisterte Leserschaft gefunden haben und millionenfach verkauft wurden. Zahlreiche Auszeichnungen sprechen für ihr Können. Zusammen mit ihrem Mann und zwei Golden Retriever lebt sie in Alabama.

MIRA® TASCHENBUCH

Copyright © 2018 für die deutsche Ausgabe by MIRA Taschenbuch
in der HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

Copyright © 2018 by Linda Howington
Originaltitel: »The Woman Left Behind«
erschienen bei: William Morrow, New York

Published by arrangement with
William Morrow, an imprint of
HarperCollins Publishers L.L.C., New York

Covergestaltung: büropecher, Köln
Coverabbildung: Tom Merton / Getty Images
Lektorat: Sonja Fiedler-Tresp
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783955767112

www.harpercollins.de
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Prolog

Die Kongressabgeordnete Joan Kingsley streifte leise durch die nächtlich düsteren Räume ihres Hauses, ohne das Licht einzuschalten. In letzter Zeit mochte sie es dunkel. Es war ihr zuwider, wenn die Sonne schien oder wenn Menschen lachten und das Leben einfach weiterging. Ihre Qual und ihre Trauer lähmten sie vollständig, sodass sie nur noch irgendwie funktionierte.

Sie hasste das Haus. Es war riesig, viel zu groß für sie allein. Aber trotzdem brachte sie es nicht über sich, auszuziehen. Sie und Dexter hatten sich vom ersten Augenblick an in das Haus verliebt und sich finanziell gestreckt, um es zu erwerben. Von Anfang an hatten sie sich hier wohlgefühlt, es war so ganz ihrs. Hier hatten sie ihren Sohn großgezogen und sich ihre Träume von Macht und Reichtum erfüllt. Sicher, sie hatten sich den Arsch aufgerissen, um diese Träume wahr zu machen, aber so vieles war hier geplant und umgesetzt worden.

Und jetzt fühlte es sich einfach nur leer an, so ganz ohne Dexter.

Sie hatte ihn über alles geliebt – liebte ihn noch immer. Der Tod löschte die Liebe nicht aus, sie ging einfach weiter, schmerzhaft nun statt strahlend.

Und sie war schuld an seinem Tod – sie und Axel MacNamara. Sie verabscheute den Kerl mit einer Inbrunst, die im Laufe der Zeit nur noch stärker geworden war. Er ließ sie immer noch überwachen, jeder ihrer Schritte wurde verfolgt, ihre Gespräche wurden abgehört, Nachrichten gelesen. Jedenfalls glaubte er das. Mit etwas Glück würden ihm die Dinge, die er nicht wusste, noch wehtun. Daran arbeitete sie.

MacNamara dachte, er hätte sie am Boden. Er hatte sie gezwungen, ihre Machtposition aufzugeben, ihr Mann war tot, ihre Verbindungsleute aus den GO-Teams waren außer Landes geflohen.

Sollte er sich doch ruhig erst mal sicher fühlen, ihr war das nur recht. Devan Hubbert war schlauer als alle anderen Computer-Experten aus MacNamaras Team, sehr viel schlauer. Mit genügend Zeit und guter technischer Ausstattung konnte er jede Firewall durchdringen, sich in jedes System hacken, nichts schien ihm unmöglich, und wenn die Umstände es erforderten, war er flexibel genug, auch ohne Hightech-Ausrüstung auszukommen. Seit er das Land verlassen hatte, war er mit ihr in Verbindung geblieben.

Sie wusste allerdings nicht, warum. Dank MacNamara hatte sie keine Macht mehr, jemanden zu unterstützen, keine Insidernachrichten, die sie hätte verkaufen können. Devan hatte wegen des Geldes mitgemacht, genauso wie sie. Es war verdammt teuer, seine Machtposition in D. C. zu halten, aber nur dort konnte man im großen Stil Kohle scheffeln. Dexter war eigentlich mit dem zufrieden gewesen, was sie schon hatten, aber hatte sie auch darin unterstützt, relativ unbedeutende Informationen an die Russen zu verkaufen und damit enormen Profit zu machen. Mit genug Geld und Einfluss hinter sich hätte sie es bis ins Weiße Haus geschafft. Welch bittere Ironie, dass es nun Dexter wegen dieser Pläne erwischt hatte und nicht sie. Dabei hatte er nur das getan, was er immer getan hatte: Er war an ihrer Seite gewesen.

Jedenfalls war Devan Hubbert aus irgendeinem Grund mit ihr in Kontakt geblieben. Angeblich hatte er eine Idee, wie an MacNamara Rache geübt werden könnte. Vielleicht sah er dabei eine Möglichkeit, an mehr Geld zu kommen, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wie. Denn auch wenn das Wissen um ihre Zusammenarbeit mit den Russen vorerst unter Verschluss war, wäre es mit dem Tod MacNamaras nicht aus der Welt geschafft.

Es war ihr egal. Geld interessierte sie im Augenblick nicht. Alles, was sie wollte, war, dass Axel MacNamara für Dexters Tod bezahlte. Und wenn dabei seine kostbaren GO-Teams mit untergingen, umso besser.

So oder so, er musste sterben.

1. Kapitel

»Sie bekommen alle einen neuen Aufgabenbereich«, sagte MacNamara knapp.

Zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen drängten sich in MacNamaras Büro, das für ihn als Chef erstaunlich winzig und bescheiden war. Jina Modell gehörte nicht zu den Glücklichen, die als Erste hereingekommen waren und sich einen der beiden Besucherstühle hatten schnappen können, weshalb sie mit den übrigen sieben Kollegen zusammengepfercht in unbequemer Haltung herumstand.

Ihre erste Reaktion auf MacNamaras Ankündigung war Erleichterung. Niemand von ihnen hatte gewusst, weshalb die Versammlung einberufen worden war, und sie hatte befürchtet, dass sie alle ihre Jobs verlören. Sie hatte sich bereits mental auf das Schlimmste vorbereitet, nämlich die fristlose Kündigung, denn eine Mittelstreichung war immer möglich, sogar bei Geheimprojekten wie den ihren, die aus eher dubiosen, unbekannten Geldquellen finanziert wurden.

Offensichtlich war sie nicht die Einzige, der solche Gedanken durch den Kopf gingen, denn erleichtertes Seufzen summte durch den kleinen Raum.

Dann aber runzelte Jina die Stirn. Klar, es war gut, auch weiter einen Job zu haben. Aber ihr bisheriger gefiel ihr wirklich gut. Sie arbeitete im Kommunikationsbereich, was viel Spaß machte, und bekam gutes Geld. Nicht zu vergessen der Coolness-Faktor, den der Job mit sich brachte, denn selbst für D. C. war er echt cool. Was für eine Befriedigung, Terroristen durch GO-Teams fertigmachen zu können, ohne den wohltemperierten Computerraum zu verlassen. Das bequeme klimatisierte Leben gefiel ihr. Es war also vielleicht gar nicht so gut, wenn sich ihr Aufgabenbereich änderte.

»Was passiert?«, erkundigte sie sich daher, nachdem einen Moment Schweigen geherrscht und niemand diese Frage gestellt hatte.

MacNamara würdigte sie keines Blickes. »Die Teams«, sagte er stattdessen und nahm ein Blatt Papier in die Hand, auf das er so missmutig starrte, als gefiele ihm nicht, was dort stand. Obwohl er es als Leiter der Dienststelle wahrscheinlich selbst verfasst hatte. »Donnelly, Sie kommen in Kodaks Team. Ervin, Sie sind bei Snowman, Modell bei Ace.« Er las weiter die Liste vor, nach der sie einzelnen Teams zugeordnet wurden, doch niemand wusste, was zum Teufel das hieß.

»Ace« war der Spitzname für Levi Butcher. Sie hatte von ihm gehört, ihn oder Agenten aus seinem Team aber nie persönlich getroffen. Ace stand in dem Ruf, einen der härtesten Jobs durchzuziehen. Was, zum Teufel, sollte sie dort machen?

Jina hatte hart daran gearbeitet, erst nachzudenken, bevor sie etwas sagte, das war in diesem Metier wichtig. Niemand aus ihrem Umfeld wusste, was sie tatsächlich tat oder wo genau sie arbeitete. Also bemühte sie sich, zu schweigen und nachzudenken – allerdings nur eine Sekunde lang, denn ein paar Fragen drängten sich einfach auf, und niemand sonst öffnete den Mund. Offensichtlich waren alle durch MacNamaras fiesen Ruf eingeschüchtert.

Sie hob die Hand. MacNamara musste die Bewegung aus dem Augenwinkel beobachtet haben, denn er stoppte mit dem Vorlesen der Liste und hob den Kopf. »Was ist?«, bellte er.

»Was werden wir denn in diesen Teams machen?«, fragte sie. Sie bemerkte, dass er kurz überrascht ihrer Stimme lauschte, während ihm gleichzeitig klar zu werden schien, dass sie auch die erste Frage gestellt hatte, nicht einer der Männer. So war ihre Stimme nun mal, diese Reaktion war sie gewohnt. Was sie viel mehr interessierte, war ihre aktuelle Situation. Von den anderen wusste sie es nicht, aber sie selbst hatte nicht die geringste Ausbildung für das, was die GO-Teams taten. Und das könnte im Prinzip einer Selbstverstümmelung gleichkommen.

»Darauf werde ich schneller zu sprechen kommen, wenn Sie mich nicht ständig unterbrechen«, keifte MacNamara.

»Ich habe nur einmal unterbrochen.« Bildete sie sich das nur ein, oder rückten die Kollegen ein kleines Stück von ihr ab, als wollten sie MacNamara freie Schussbahn verschaffen? Tatsächlich, das war keine Einbildung.

»Jetzt zum zweiten Mal.«

Da hatte er recht. Jina presste die Lippen zusammen, und eine Sekunde später las er weiter. Nachdem jedem ein Aufgabenbereich zugeteilt worden war – beziehungsweise ein Team, denn sie wussten immer noch nicht, was sie eigentlich machen sollten –, lehnte sich MacNamara in seinem Stuhl zurück. »Sie sind die zehn Mitarbeiter mit den besten Testergebnissen in räumlicher Orientierung und Reaktionsvermögen …«

Jina presste wieder die Lippen zusammen. Was für Testergebnisse? Sie hatte an keinen Tests teilgenommen. Und soweit sie wusste, auch die anderen nicht.

»Was für Testergebnisse?«

Verdammt. Sie konnte einfach nicht den Mund halten.

MacNamara warf ihr wütend einen tödlichen Blick zu, und in dem kleinen Raum herrschte erneut knisterndes Schweigen. Er begann, mit dem Kugelschreiber in wildem Takt auf seinen Schreibtisch zu klopfen. Sein Gesichtsausdruck signalisierte, dass er ihr am liebsten den Hals umdrehen und sie irgendwo entsorgen würde. Jina konnte sich vorstellen, dass es ihm ein Leichtes wäre, das umzusetzen.

Aber dann sagte er nur barsch: »Die Computerspiele im Pausenraum.«

Aha. Ein leises Raunen ging durch die Reihen. Vor einigen Monaten war die Spielkonsole installiert worden. Einige Mitarbeiter hatten sich sofort damit vertraut gemacht und sich in den Pausen Partien geliefert, waren gegeneinander angetreten und hatten um die höchsten Punktzahlen konkurriert. Jina, die viel Erfahrung mit solchen Spielen hatte, hatte bei diesen Wettstreits mitgemacht. Da sie ständig in Führung lag, fühlten sich ein paar Typen echt angepisst, die vorher große Sprüche darüber geklopft hatten, dass Mädchen keine Ahnung von solchen Spielen hätten. Aber sie hatte es ihnen gezeigt. Die Spiele waren ziemlich kompliziert und sehr lebensecht, viel anspruchsvoller als alles, was man auf dem freien Markt kaufen konnte, und besaßen einen Spaßfaktor, der alles übertraf. Offensichtlich galt das auch für die Überwachung.

Wieder hob sie die Hand. Zur Hölle noch mal, war sie die Einzige hier, die einen Mund hatte? Warum meldete sich denn niemand anders, war keinem was aufgefallen?

MacNamara kniff sich in den Nasenrücken und brummelte etwas Unverständliches vor sich hin.

»Ich bin nicht für die Arbeit in den GO-Teams qualifiziert.« Es war ihr ein bisschen peinlich, das Offensichtliche auszusprechen, aber es war nun mal die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Egal wie viele Punkte sie bei Computerspielen gemacht hatte: Die Mitglieder der GO-Teams waren alles Supermänner. Sie schwammen und liefen kilometerweit und absolvierten ein hartes Training. Sie konnten aus weiter Ferne eine Eichel aus der Krone einer Eiche schießen. Jina wusste, dass auch kampferfahrene Frauen in den Teams waren, aber zu diesen Frauen gehörte sie nicht. Sie konnte zwar schwimmen und ging manchmal joggen, war aber kein Fitnessfreak.

»Das sind Sie alle nicht«, bellte MacNamara. »Deshalb erhalten Sie ein spezielles Training. Im Nahkampf werden Sie bei den Operationen ohnehin nicht eingesetzt.«

»Aber was sollen wir dann …?«, begann Jina und wurde durch eine wirsch erhobene Hand MacNamaras zum Schweigen gebracht.

»Ich darf Sie als Erstes daran erinnern, dass Sie eine Verschwiegenheitsverpflichtung bezüglich allem, was mit Ihrer Tätigkeit hier zu tun hat, unterschrieben haben. Die Antwort ist, dass die Teams über ein außergewöhnliches Situationsbewusstsein verfügen, was aber auch Risiken bringt. Zu registrieren, dass ein Ziegenhirte auf sie zuläuft, und abzuschätzen, zu welchem Zeitpunkt er bei ihnen ankommen wird, lenkt die Agenten von ihrer eigentlichen Aufgabe ab. Zwar in Grenzen, denn hier ist die Rede von Leuten, die gut genug sind, in einem GO-Team zu arbeiten, aber trotzdem – jede Sekunde zählt. Tausende von Analysen haben uns gezeigt, dass es in jeder Situation von Vorteil ist, wenn eine Wachperson, ein sogenannter Onsite Operator, das Timing und die Situationseinschätzung übernimmt. Dieser Operator beobachtet die Umgebung über eine computergesteuerte Drohne. So erhöht sich die Chance auf eine erfolgreiche Mission um drei Prozent. Die Rate von Unglücksfällen in den Teams reduziert sich um zwei Prozent. Ein kleiner, aber wichtiger Prozentsatz.«

Vor allem für die Betroffenen, dachte Jina trocken. Okay, sie verstand, warum so etwas wichtig war. Was sie aber nicht verstand, war, wie sie selbst in einen solchen Einsatz passte. Sie war nicht … Nun, sie besaß keine außerordentlichen Fähigkeiten. Weder war sie besonders sportlich noch sehr mutig oder mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattet. Also wie zum Teufel sollte sie wissen, welche Richtung der Ziegenhirte einschlagen würde? Außerdem hatte sie nie den Ehrgeiz besessen, sich in diesem Bereich besonders zu profilieren. Sie erreichte zwar hohe Punktzahlen bei Computerspielen, aber das war alles.

Das würde niemals funktionieren.

»Das wird nicht klappen«, sagte sie.

MacNamara ließ den Kopf sinken und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, als wollte er sie sich ausrupfen. Vielleicht stellte er sich aber auch vor, wie er Jina den Schädel zerschmetterte.

»Natürlich nicht«, sagte er an seine Schreibtischplatte gerichtet. »Wir wissen nämlich nicht, was wir tun. Wir haben auch nicht alle Eventualitäten und potenziellen Hindernisse einkalkuliert und alle zehn Leute hier im Raum so intensiv analysiert, dass wir über Sie besser Bescheid wissen als Sie selbst. Wir dachten einfach, wir schicken Sie alle mal so aus Spaß und guter Laune ins Feld und schauen, wie schnell Sie alles versauen.«

Es gefiel ihr nicht, dass sie ohne ihr Wissen analysiert worden war. Das fühlte sich an, als würde irgendein Perverser durch ein Guckloch Frauen im Badezimmer hinterherspionieren. Andererseits wusste sie, dass die Analytiker zu den Besten ihres Fachs gehörten, was sie wiederum beruhigte, wenn auch nicht überzeugte.

»Was ist, wenn einige von uns nicht daran interessiert sind?«, wollte sie wissen, denn immer noch gab kein anderer im Raum einen Ton von sich – diese Feiglinge. Offensichtlich war sie hier die Einzige, die Eier hatte. Und das obwohl sie faktisch als Einzige keine besaß. Also saßen sie bei ihr sozusagen im Kopf. Kopfeier, das war echt krass.

»Dann sollten sie ihre Sachen packen und sich einen anderen Job suchen.« MacNamara starrte sie drohend an. »Leute, die kneifen, sind unerwünscht. Für Ihre bisherigen Stellen wurden bereits Nachfolger angeheuert.«

Endlich – endlich! – meldete sich jemand anders zu Wort. »Wenn wir das Training also nicht packen oder uns beim Einsatz verletzen, stehen wir auf der Straße.«

MacNamara presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, und seine furchterregenden Augen funkelten, aber glücklicherweise blitzten sie jemand anders an. »Ich kümmere mich um meine Leute«, knurrte er. »Wenn Sie verletzt sind, bekommen Sie die gleiche Behandlung wie alle anderen Teammitglieder. Sie werden ärztlich versorgt, versetzt, bekommen Rente – was auch immer notwendig ist. Leute, das ist ein harter Job. Von allen, die sich an diesen Spielen beteiligt haben, hatten Sie genügend Punkte, um in die Auswahl zu kommen. Ich hätte diese Entscheidung nicht getroffen, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass sich das Risiko auszahlt. Sie werden sich nicht direkt im Aktionsfeld bewegen, es sei denn, es geht etwas schief. Aber Sie brauchen trotzdem eine gute Kondition und genug Training, um kein Hindernis für die Agenten im Einsatz darzustellen. Noch Fragen? Wohl eher nicht. Also, räumen Sie Ihre alten Schreibtische aus, und melden Sie sich morgen früh um sieben im Erdgeschoss. Bitte ziehen Sie Sportsachen an. Sie werden an einen anderen Ort gebracht, wo Ihr PT dann beginnt.«

PT, Personal Training. Was für eine Freude, dachte Jina. Das ist mein Ende.

Die Bremsen quietschten, und das Getriebe ächzte, als der rostige klapprige Ford Transit mit fünfzehn Sitzen zum Stehen kam. Der Zustand des Busses war schon vor langer Zeit aus der Kategorie »altersschwach« zu »könnte-jederzeit-auseinanderfallen« gerutscht. Die Sitze waren abgewetzt und zerrissen, und im Boden des Wagens befand sich ein Loch, durch das Jina den Asphalt vorbeirauschen sah. Der Motor hustete wie ein fünfzigjähriger Kettenraucher, die Stoßdämpfer verdienten ihren Namen nicht mehr, und die Lenkung protestierte bei jeder Kurve. Es hätte sie nicht überrascht, wenn sie das Gefährt bis zu ihrem Ziel hätten schieben müssen.

Aber der Bus hatte es geschafft, wenn auch nicht ohne Gebete und gedrückte Daumen. Der Mann auf dem Beifahrersitz öffnete die Tür, und die Zehnergruppe stieg aus. Der Letzte schloss die Autotür wieder, und kaum war das Schloss eingeschnappt, gab der Fahrer Gas und zischte mit Getöse dahin zurück, wo die Blechkiste stand, wenn sie nicht gebraucht wurde.

Sie sahen sich um. »Wo zum Teufel sind wir hier?«, fragte sich ein Typ laut.

Am Arsch der Welt, dachte Jina, hielt aber den Mund. Sie hatte sich so weit wie möglich den Weg gemerkt und wusste, dass sie sich irgendwo in Virginia befanden. Der Bus hatte sie am Rand eines riesigen offenen Feldes ausgeladen, auf dem Berge von Heuballen lagerten. Dicke geknotete Seile hingen an Bretterwänden, Stacheldrahtgewirr und anderes Zeug, dessen Nutzen nicht auf den ersten Blick ersichtlich war, lag herum. Offensichtlich war es für irgendwelche Folterungen gedacht – für sie. Das ganze Areal war von einem Trampelpfad umgeben, der irgendwo am anderen Ende in den Wald führte, und nicht einmal dieser Weg schien ohne Hindernisse. Er war mit Böschungen und Hügeln, Sandflächen und Matschlachen bestückt. Was es hier nicht zu geben schien, war irgendein Hinweis auf Zivilisation, etwa ein Café oder so was.

In der kurzen Zeit, die sie hier standen, bemerkte sie schon, wie der Staub der roten Erde ihr in Kehle und Nase drang. In Georgia hatte sie jede Menge dieses roten trockenen Staubs gesehen; er jagte ihr nicht unbedingt Angst ein, aber sie war auch nicht glücklich darüber. Sie hatte nichts übrig für Staub, Schmutz, Schwitzen und diese ganze Situation.

Trag’s mit Fassung, Schätzchen. Schwitzen war besser als Arbeitslosigkeit – fürs Erste jedenfalls. Morgen sah sie das vielleicht schon anders.

Sie zählte mindestens dreißig Männer, die sich auf dem Trainingsfeld herumtrieben und sich in nicht nachvollziehbaren Bahnen bewegten. Die Typen machten verschiedene Übungen, die sicher kein normaler Mensch fertigbekam. Als plötzlich die schnell aufeinanderfolgenden Schüsse einer Schnellfeuerwaffe zu hören waren, zuckte sie zusammen und blickte sich hektisch nach dem Schützen um. Doch sie konnte weder ihn noch irgendwelche installierten Zielscheiben entdecken. Der scharfe Geruch von Schießpulver stieg ihr in die Nase, die Schüsse kamen also aus der Nähe. Dicht zusammengedrängt beobachtete die kleine Gruppe schweigend die Männer bei den lebensgefährlichen Übungen, an denen sie jetzt offensichtlich ebenfalls teilnehmen sollten. Was gab es da zu sagen? Entweder sie ließen sich darauf ein oder sie konnten sich einen neuen Job suchen. Sie versuchte sich Mut zu machen und zuversichtlich zu denken.

Die Sonne brannte auf sie herunter, und sie schwitzte wie der Teufel. Dieser höllische Staub hatte aus ihrer Kehle die Sahara gemacht. Es dauerte, bis endlich jemand von ihnen Notiz nahm – oder beschlossen hatte, dass sie nun lange genug ausgeharrt hatten, denn sie bezweifelte, dass man ihren kleinen Trupp übersehen konnte – und ein Muskelprotz mit rasiertem Schädel, tief gebräuntem Teint und grauem Stoppelbart sich auf den Weg zu ihnen machte. Er trug ein schweißdurchtränktes olivgrünes T-Shirt, Kakishorts und sandfarbene Boots. Der Typ war von oben bis unten mit einer feinen Staubschicht bedeckt, bis auf die Stellen, wo kleine Rinnsale von Schweiß einen Schmutzstreifen über seine Haut zeichneten. Er wirkte auf sie wie eine Wand von Muskeln, die sich auf sie zubewegte. Als er nahe genug war, sagte er: »Ihr seid die FNGs, oder?«

Die Neulinge, die »Fucking New Guys«. Zum Glück hatten sie dort, wo sie arbeiteten, alle etwas vom allgemein verbreiteten Militärslang aufgeschnappt, und niemand brauchte die peinliche Frage zu stellen, was die Abkürzung FNG zu bedeuten hatte. Stattdessen nickten einige von ihnen unbehaglich.

»Ich bin Baxter.« Er erklärte nicht, ob es sein Vor- oder Familienname war, aber das war auch egal. »Okay. Wir fangen so an, als wärt ihr neu beim Militär. Zuerst werdet ihr laufen. Wir müssen abchecken, wer einigermaßen in Form ist und wer nicht. Mir nach.«

Er rannte in lockerem Tempo los und bewegte seine Muskelpakete mit erstaunlicher Leichtigkeit vorwärts. Die zehn sahen sich fragend an, dann folgten sie ihm mutig. Jina blieb nachdrücklich im mittleren Teil der Gruppe und versuchte dabei, Baxters rasierten Kopf im Auge zu behalten. Sie wollte nicht die Letzte sein, war aber auch nicht scharf darauf, als Erste vorzupreschen. In beiden Fällen würde sie zu viel Aufmerksamkeit erregen, und das versuchte sie zu vermeiden. Der Schlüssel des Ganzen war, sich anzupassen, sich einen Rückzug offenzuhalten, denn sie wusste nicht, was ihnen als Nächstes widerfuhr.

In der Theorie war die Idee gut. In der Praxis bedeutete das jedoch, dass die vor ihr Laufenden – alle von ihnen größer als sie – ihr manchmal den Blick auf das Terrain verstellten. Sie stolperte, als plötzlich vor ihren Füßen ein Erdbuckel auftauchte, und konnte sich gerade noch fangen, als sie ihn übersprungen hatte und dahinter der Boden abfiel. Sie kam erneut ins Wanken, als sie plötzlich mit den Füßen in weichem Sand einsank und die feinen Sandkörner in ihre Sneakers drangen. Das erklärte, warum die Männer auf dem Trainingsfeld alle hochgeschnürte Boots trugen statt Sneakers. Nur sie und die anderen neun FNGs hatten Sneakers angezogen, nachdem MacNamara ausdrücklich von Sportschuhen gesprochen hatte.

Lektion gelernt. Erkundige dich bei den Leuten, die an diesem Training beteiligt sind, was für Schuhe du brauchst.

Vorausgesetzt, sie war nicht gleich die Erste, die aus dem PT flog.

Never ever, dachte sie verbissen. Nicht dass sie unbedingt zu einem GO-Team gehören wollte, aber schlappmachen war auch nicht ihr Ding. Sie war auf dem Land groß geworden, im Südwesten Georgias, und fast das ganze Jahr über barfuß gelaufen. Also konnte sie wohl mit ein paar Typen mithalten, die höchstens mal auf einem Wanderweg oder in der Stadt gejoggt waren.

Nach etwa fünf Minuten begannen ihre Muskeln leicht zu brennen, ihr Herz raste, und der Atem ging stoßweise. Fünf Minuten! Ihre Kondition war erbärmlicher, als sie gedacht hatte. Etwa in diesem Moment schienen die Typen hinter ihr festgestellt zu haben, dass sie hinter einem Mädchen herliefen, woraufhin sie beschleunigten.

Jina gab Gas und rannte schneller, entschlossen, ihren Platz in der Mitte der Gruppe zu halten. Nur darum ging es. Das hier war kein Rennen, das sie gewinnen musste, sie wollte nur tun, was nötig war, und keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Plötzlich rammte sie jemand von hinten, hieb ihr die Schulter in die Seite und schob sie unsanft aus dem Weg. Sie kam aus dem Rhythmus, und als sie sich wieder gefangen hatte, befand sie sich am Ende des Pulks. Schnaufend holte sie Luft und warf dem Rempler einen bösen Blick zu. Es war Donnelly. Er hatte irgendwas mit Dechiffrieren zu tun, und sie glaubte, dass er in Kodaks Team beordert worden war. Bei dem lässigen Kodak zu arbeiten war traumhaft, das hätte sie sich ebenfalls gewünscht, wenn sie denn gefragt worden wäre.

Mistkerl, dachte sie. Nicht Kodak, Donnelly. Jina holte tief Luft und rannte schneller, holte alles aus sich heraus, überholte ein paar Typen und lief nun schräg hinter Donnelly. Es war riskant, auf dem unebenen Terrain den Blick vom Boden zu nehmen, aber es gab Dinge, die sie einfach nicht hinnehmen konnte. Donnelly schien zu spüren, dass sie hinter ihm war, und warf kurz einen Blick über die Schulter zurück. Diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte sie, um ihm schnell ein Bein zu stellen. Sie hakte nicht tatsächlich einen Fuß bei ihm ein, denn dann wäre sie ebenfalls gestürzt. Doch ein kleiner Kick reichte aus, um ihn ins Stolpern zu bringen, sodass er mit den Armen ruderte und versuchen musste, die Balance zu halten. Es gelang ihm nicht, und er fiel mit dem Gesicht in den Dreck.

Baxter musste Augen am geschorenen Hinterkopf haben, denn – ohne sich umzudrehen – bellte er: »Steh auf und lauf weiter!«

Donnelly rappelte sich wieder auf und raste hinter ihnen her, nun aber fünf Meter im Hintertreffen und ohne große Chance, den Abstand zu verkleinern, es sei denn, er hätte noch ein nicht angezapftes Kraftreservoir, was Jina aber nicht glaubte. Sie warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. Sein Gesicht war knallrot, und er hechelte.

Pech! Warum musste er sie anrempeln? Sie hatte ihm nie etwas getan und sich nie mit ihm gestritten. Sicher, sie hatte ihn bei diesen Videospielen besiegt, aber sie hatte gegen die anderen auch gewonnen. Offensichtlich hatte er das aber persönlich genommen.

Ätzend! dachte sie erbittert. Es war einfach nur ein bescheuertes Spiel. Sie hätte niemals mitgemacht, wenn sie die Folgen gekannt hätte. Denn sie säße jetzt viel lieber in ihrem klimatisierten Büro, statt hier in der Hitze zu rennen, während Sandkörner ihre Haut wund rieben und ihr der Staub so in Kehle und Lunge drang, dass sie den Drang verspürte, alles auszuspucken. Nur, dass sie dafür schon viel zu ausgetrocknet und eingestaubt war. Ihre Beine schmerzten, und sie hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen.

Einer aus der Gruppe, den sie nicht kannte, drehte sich zur Seite, stützte die Hände auf die Knie und gab sein Frühstück von sich. Sie atmete tief durch und befahl sich, nicht das Gleiche zu tun. Sie würde nicht, sie würde nicht, sie würde nicht …

Gerade als sie dachte, dass sie sich nicht mehr dagegen wehren konnte, hob Baxter die Hand. »Trinkpause!«, rief er.

O Gott. Jina stoppte und bemühte sich, aufrecht stehen zu bleiben, während sie verzweifelt nach Luft schnappte. Alle um sie herum schnauften und hechelten. Sie wollte sich nach vorn beugen, hatte aber Angst, dass sie umknicken würde, wenn sie sich nicht gerade hielt. Nicht nur das, womöglich würde ihr Magen diese Bewegung als Aufforderung zu ungewünschten Reaktionen auffassen. Also blickte sie stattdessen in den Himmel und konzentrierte sich darauf, dass ihre zittrigen Knie nicht einknickten und sie nicht mit dem Hintern im Matsch landete.

»Steht nicht so dumm herum, ihr Idioten«, bellte Baxter. »Nehmt euch eine Flasche Wasser und trinkt!«

Wasser. Es gab Wasser. Auf einer rauen Bank ruhte eine riesige Kühlbox mit geöffnetem Deckel und gab den Blick auf wundervoll glitzernde Eiswürfel frei, in die Wasserflaschen gebettet waren. Sie stolperte darauf zu, schob den Arm an ihren Laufkumpeln vorbei zur Kühlbox und schnappte sich eine Flasche. Jeder Muskel in ihrem Körper zitterte. Sie fummelte an dem Verschluss herum, versuchte ihn aufzudrehen, ließ die Flasche dabei fallen und beobachtete, wie sie den anderen vor die Füße rollte. Verdammter Mist! Statt hinter der Flasche herzukriechen, nahm sie sich eine neue, denn sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie sich bücken konnte, ohne zu kotzen. Mit ungeschicktem Griff hatte sie außer der Flasche noch ein paar Eiswürfel geschnappt, was ihr nur recht war. Schnell warf sie sich die Eisstückchen in den Nacken und seufzte erleichtert. Vielleicht musste sie sich doch nicht übergeben. Vielleicht wurde sie auch nicht ohnmächtig.

»Wie erbärmlich«, sagte Baxter angewidert. Jina überlegte, ob sie Kontra geben sollte, bemerkte dann aber, dass er die ganze Gruppe gemeint hatte. Das war okay. Es störte sie nicht besonders, in einer erbärmlichen Gruppe erbärmlich zu sein. »Ein Rudel verfickter Schildkröten ist schneller als ihr. Die Hälfte von euch steht kurz vor dem Kollaps, und wir sind nur kaum mehr als drei läppische Kilometer gelaufen. Die andere Hälfte ist auch nicht viel besser. Verdammt, Junge, bist du etwa am Kotzen?«

Himmel, der Typ kannte sich mit Schildkröten offensichtlich nicht aus. Die lebten nicht in Rudeln. Doch obwohl sie das gerne angemerkt hätte, beschloss sie, den Mund zu halten und lieber mehr Wasser zu trinken. Schweigsamkeit war die bessere Wahl.

Moment mal. Sie waren drei Kilometer gelaufen? Nur kaum mehr als drei Kilometer? Das war doch in doppeltem Sinn falsch ausgedrückt. Zuerst mal, hey, sie war über drei Kilometer gelaufen! Was war denn daran »nur«? Außerdem waren sie doch stundenlang unterwegs gewesen, so kam es ihr jedenfalls vor… also sollten es nicht eher dreißig Kilometer gewesen sein? Ihrer Lunge und ihrem Puls kamen es jedenfalls eher wie dreißig vor. Baxters Kilometerzähler funktionierte nicht.

Sie wischte sich den Schweiß vom Gesicht und trank mehr Wasser. Als sie die leere Flasche absetzte, erregte etwas ihre Aufmerksamkeit … etwas Beängstigendes.

Sie kniff die Augen zusammen. Eine Gruppe von sieben Mann kam auf sie zu, alle im Gleichschritt, als liefen sie einem Showdown im Western entgegen. Allesamt sahen zum Fürchten aus. Und riesig. Riesig und Angst einflößend. Sie waren genauso staubbedeckt und verschwitzt wie alle anderen hier, mit nackten Armen, sodass die mächtigen Muskeln zu sehen waren, kein Lächeln im Gesicht. Sie bewegten sich geschmeidig und kraftvoll. Überall am Körper hatten sie Waffen verstaut, was schon an sich beängstigend war, denn obwohl dies ein Trainingsfeld war, wirkten die Messer und Pistolen ziemlich echt.

Nein, nicht Pistolen, korrigierte sie sich im Stillen. Waffen. Sie sagten nie »Pistolen«, so viel wusste sie.

Die Männer fixierten die FNGs im Auge wie Löwen eine Herde Gnus oder was Löwen so jagten. Auf jeden Fall aber wohl FNGs.

Jina stellten sich die Nackenhärchen auf. Sie starrte auf die Muskeltypen, die sich näherten, und fragte sich, was jetzt wohl passierte, ob sie sich etwa auf eine Art Initiationsritus vorbereiten mussten. »He«, sagte sie warnend und drehte sich zu den anderen FNGs um … die aber alle plötzlich verschwunden waren. Offensichtlich hatte Baxter sie weggeführt, ohne dass sie es bemerkt hatte. Weil sie von dieser Männerwand so in den Bann gezogen gewesen war.

Verdammt noch mal! Sie machte einen Schritt zurück, um der Gruppe zu folgen, aber es war zu spät, sie war schon von diesen Muskelprotzen eingekesselt. Sieben Männer starrten auf sie herunter, und keiner lächelte.

Es war, als wäre die Sonne ausgeschaltet. Jina war nicht besonders klein, sondern normal groß, fühlte sich aber plötzlich sehr winzig, und das gefiel ihr überhaupt nicht.

Ihr Puls ging schneller. Auch wenn ihr der Verstand sagte, dass sie ihr nichts tun würden, fühlte sie sich instinktiv einem Haufen von Jägern ausgeliefert.

Sie wünschte, sie hätte eine Waffe bei sich, irgendeine Waffe. Stattdessen straffte sie die Schultern, kniff die Augen zusammen und sah sich angriffsbereit um, wartete, dass sie etwas sagten. Bisher hatten die Männer nichts weiter getan, als sie mit ihrem dominanten Auftreten einzuschüchtern und mit einer üblen Wolke aus Schweiß und Testosteronausdünstung zu ersticken.

Es waren sieben, sie war allein. Von Baxters Laufdrill war sie bereits vollkommen erschöpft. Selbst wenn sie ihnen entwischen konnte, würde sie nicht weit kommen … wenn sie überhaupt rannte.

Nein, sie würde nicht rennen. Auf keinen Fall würde sie vor denen weglaufen.

Da sagte der Größte von ihnen mit einer tiefen rauen Reibeisenstimme: »Wir haben gehört, du bist unser Mädchen.«

2. Kapitel

Jina blickte hektisch von einem zum anderen, doch sie war zu nervös, um Gesichter zu erkennen. Alles, was sie wahrnahm, war, dass sie wirklich riesig waren und dass sie sie eingekesselt hatten. Bloß keine Angst zeigen, dachte sie, sonst greifen sie dich womöglich an. Nein, Unsinn, das galt ja für Hunde. Trotzdem: Sie spürte, dass sie jetzt cool bleiben musste. Außerdem sagte ihr der Instinkt, dass sie sich besser nicht darüber aufregte, als »Mädchen« betitelt zu werden. Gutes Timing war in einer erfolgreichen Schlacht wichtig, und jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür, nicht beim ersten Zusammentreffen und mit der ganzen Bande um sie herum. Die Männer schienen sowieso nicht gerade freundschaftlich gestimmt und bezweifelten sicher, dass sie für diesen Job geeignet war. Also sagte sie: »Dann seid ihr wohl meine Jungs.«

Der riesigste Kerl starrte auf sie herunter. »Babe«, sagte er und klang leicht erstaunt. Alle schienen beim Klang ihrer Stimme aufgehorcht zu haben, die tief und rauchig war, ein bisschen heiser und viel aufregender als Jinas äußere Erscheinung. Ihr Leben lang war sie es gewohnt, mit den Reaktionen auf ihre Stimme umzugehen. Schon als Kind hatten die Leute am Telefon geglaubt, sie würden mit einer Erwachsenen sprechen.

Ein anderer Typ sagte: »Ich denke, du hast ihr gerade ihren Namen gegeben.«

Wie bitte? Nein! Alarmiert richtete sich Jina auf. Jeder im Team hatte einen Spitznamen, das wusste sie, aber sie wollte kein »Babe« sein, egal ob als Frau oder kleines Schweinchen. Sie brauchte einen coolen Namen, einen richtigen Reißer, einen, bei dem sich die Leute dreimal überlegten, ob sie sich mit ihr anlegten. »Babe« war ja geradezu eine Aufforderung, sie zu schikanieren.

»Nein, nicht Babe. Das gefällt mir gar nicht«, entgegnete sie. »Granate oder Mankiller oder so was Ähnliches wäre mir lieber.« Ihr Vorschlag wurde mit einem allgemeinen Prusten aufgenommen.

»Tut mir leid, nicht deine Entscheidung«, erwiderte der riesige Typ.

»So wird mich keiner ernst nehmen.«

»Tun wir sowieso nicht«, erklärte er kühl.

Ach, er schmetterte ihr die ungeschminkte Wahrheit einfach so ins Gesicht? Sie konnte ihm nicht mal widersprechen, wenn sie die Umstände bedachte. »Vielleicht jetzt noch nicht, aber später schon«, sagte sie und blickte ihn dabei grimmig an, damit er erkannte, dass es ihr ernst war.

Die anderen lachten, nur der große Typ nicht. Er machte auf Jina nicht den Eindruck, als wäre er mit Humor gesegnet – nicht dass sie einen Witz gemacht hätte, aber trotzdem.

»Das hoffe ich, da schließlich unser Leben davon abhängen wird, ob du deinen Job gut machst.« Der Riese starrte sie mit undurchdringlichem Blick an. »Deshalb übernehmen wir jetzt dein Training. So ist es vereinbart.«

O nein, auf keinen Fall, die würden sie umbringen. Diese Typen spielten in einer ganz anderen Liga. Sie wollte lieber mitten in dem Pulk der FNGs laufen, statt sich vor einer Gruppe von supermäßig trainierten Kerlen zu blamieren. Vielleicht war sie in einem halben Jahr bereit, mit ihnen zu arbeiten. Sie machte eine vage Handbewegung in die Richtung, wo sie ihre Gruppe vermutete. »Ich glaube, ich muss bei meinen Leuten bleiben. Ehrlich, ich bin nicht so weit.«

»Das wissen wir«, sagte der Kleinste von ihnen, was relativ war, denn sie schätzte ihn auf etwas über eins achtzig. Sein Gesicht war so mit Schmutz bedeckt, dass sie ihn wahrscheinlich nicht wiedererkennen würde, nachdem er sich gewaschen hatte. Aber er hatte blaue Augen, und in der Mitte seiner Stirn entdeckte sie zwei kleine runde Narben. »Aber wir werden dich schneller in Form bringen als Baxter, weil der sich um alle kümmern muss. Wir konzentrieren uns voll auf dich.«

Tiefe Besorgnis erfasste sie, tiefer als der Grand Canyon. Sie schluckte hart, bevor sie erwiderte: »Mein Glück ist vollkommen.«

»Das kannst du laut sagen.« Der Riese winkte sie mit gekrümmtem Finger zu sich. »Komm jetzt, lass uns anfangen.«

Zur Hölle.

Sechs Stunden später lag Jina flach auf dem Boden, starrte in den blauen Himmel und dachte, dass es weitaus angenehmer wäre, sich etwas zu brechen. Vielleicht könnte sie das hinbekommen, von irgendwo herunterstürzen oder stolpern und sich ein oder besser beide Beine brechen oder sich eine Gehirnerschütterung zuziehen – egal was, Hauptsache, sie befreite sich aus dieser Hölle. Sie hasste es, schmutzig und verschwitzt zu sein, und sie war von oben bis unten mit Dreck besudelt. Sie hasste es, sich körperlich dermaßen zu verausgaben, dass sie vor ihrem neuen Team kotzen musste. Was leider kein Mitleid bei ihren Peinigern hervorgerufen hatte. Stattdessen hatte der Typ mit den blauen Augen – sein Spitzname war Snake – nur gesagt: »Das haben wir alle durchgemacht.«

Und der Riese, bei dem es sich um Ace persönlich handelte, hatte zugefügt: »Steh auf, und beweg deinen Hintern.«

Arschloch.

Sie waren alle Arschlöcher, aber er war das größte von ihnen, im wahrsten Sinne des Wortes und im übertragenen Sinn. Er war der Arschloch-Boss. Und etwas an seinem Blick, der signalisierte, sie würde ohnehin schlappmachen und könnte gar nicht so tief sinken, wie schlecht seine Meinung über sie war, sorgte dafür, dass sie durchhielt. Sie war aufgestanden und hatte ihren Hintern bewegt. Auch wenn das Ergebnis kaum der Rede wert gewesen war, war sie vorwärts gekommen, obwohl sie vorher hätte schwören können, es keinen Zentimeter mehr weiter zu schaffen.

Vor ihren Augen erschien eine riesige schmutzige Hand mit einer Wasserflasche, und ein Tropfen Kondenswasser fiel ihr ins Gesicht. »Trink«, befahl Ace, und sie schaffte es, einen schmerzenden Arm weit genug anzuheben, um ihm die Flasche abzunehmen. Doch wie sie in dieser Position flach auf dem Rücken trinken sollte, war ein ganz anderes Problem. Vielleicht schaffte sie es, ein paar Schlucke aufzufangen, wenn sie sich das Wasser übers Gesicht goss.

Nein, so funktionierte das nicht. Sich vor den Augen dieser Typen zu übergeben, war schlimm genug. Sie würde sich verdammt noch mal aufsetzen und trinken.

Stöhnend rollte sie sich zur Seite, stützte sich auf den linken Ellbogen und hievte sich in eine halbe Sitzposition. Mit noch größerer Anstrengung schaffte sie es, sich aufzusetzen, und ihre Muskeln waren gar nicht glücklich darüber. Sie drehte den Verschluss der Flasche auf und hob sie an, um zu trinken. Sie hatte bereits gelernt, dass sie nicht zu gierig sein durfte, und setzte die Flasche nach zwei Schlucken wieder ab. Dann warf sie Ace einen wütenden Blick zu. »Ich hasse dich«, zischte sie. »Ich hasse euch alle. Ihr seid Tyrannen und Sadisten. Wahrscheinlich tretet ihr auch aus lauter Spaß nach kleinen Hunden. Und jagt den Kids zu Weihnachten Angst ein, als wär’s Halloween. Alle zusammen«, fügte sie noch dazu, um klarzustellen, dass sie nicht speziell ihn meinte, auch wenn der Teamleiter der Allerschlimmste aus dem Trupp war.

Snake hockte sich neben sie auf den Boden. »Nun sei mal nicht so«, sagte er fröhlich. »Wir bringen dich in Topform. Du wirst kilometerweit laufen und schwimmen können …«

»Ich will aber nicht laufen und schwimmen«, unterbrach sie ihn. »Ich möchte gern atmen, ohne dass mir was wehtut. Ich hasse es, Schmutz unter den Fingernägeln zu haben, und jetzt sieh dir das an!« Sie streckte eine Hand aus. Ihre Nägel waren nicht nur dreckig, sondern abgebrochen und zerfasert. Nicht dass sie extrem lange Fingernägel gehabt hätte, die wären beim Tippen am Computer hinderlich gewesen, daher kam sie mit abgebrochenen Nägeln klar, okay. Aber Dreck – nein. Absolut nein.

Die Teammitglieder ließen sich auf dem Boden nieder, bis sie alle im Kreis zusammen saßen. Während der vergangenen sechs Folterstunden hatte sie ihre Namen erfahren. Ace, Teamleiter und Oberarschloch, hieß eigentlich Levi Butcher. Es fiel ihr wirklich schwer, an ihn als »Ace«, das Ass, zu denken, das klang viel zu positiv. Der Typ war Angst einflößend – vor allem, wenn er diesen ausdruckslosen Blick aus den dunklen Augen auf sie richtete, als wolle er sie durchbohren. Er hatte ihr klar zu verstehen gegeben, dass er sie hier nicht wollte. Aber da sie nun mal in seinem Team war, würde er sie zu Topform trainieren, auch wenn sie das nicht überlebte. Sie war sich nicht sicher, was ihm lieber war, sie umzubringen oder sie in Form zu bringen. Wahrscheinlich Ersteres.

Snake war der Mediziner im Team und meist gut gelaunt, weshalb sie ihn zunächst sympathisch gefunden hatte. Aber genauer betrachtet: was war das für ein Sadist, der so gut gelaunt war, wenn er jemanden schikanierte? Am liebsten hätte sie ihm einen Hieb dafür verpasst, dass sie gute Laune jetzt mit Skepsis betrachtete.

Crutch war blond, ein ziemlich stiller Typ, was aber trügerisch war, denn soweit sie das sah, verarschte er die anderen gern. Seine Zurückhaltung war reiner Bluff, und da sie wusste, wie hinterhältig er war, machte sie einen großen Bogen um ihn, um nicht Opfer seiner Scherze zu werden. Damit konnte sie im Moment nicht umgehen. Sie war ja kaum in der Lage, sich fortzubewegen.

Dann war da noch Boom, der aussah, als wäre er der Älteste in der Gruppe, vielleicht Ende dreißig. Er war ein ziemlich bulliger Typ, aber dennoch schnell und beweglich. Offensichtlich gehörte »schnell und beweglich« zu den Voraussetzungen dieses Jobs, was zum Teufel hatte sie also hier zu suchen?

Trapper schien genauso locker zu sein wie Snake, aber auch das war eine Täuschung, denn Trapper war der Scharfschütze des Teams. Was hieß, dass er sehr gut auf Menschen schießen konnte. Jina konnte das nicht so richtig fassen. Natürlich wusste sie, was die GO-Teams taten, aber irgendwie hatte sie nicht angenommen, dass die Jungs so normal waren – abgesehen natürlich von ihrer äußerlichen Superman-Erscheinung. Trapper war einer der Typen, die viel herumalberten, über Witze lachten und aus allem, was sie anpackten, einen Wettstreit machten.

Jelly sah kaum alt genug aus, um sich rasieren zu müssen. Er war jemand, der andere gern zu irgendwelchem Unsinn anstiftete und sich dann zufrieden zurücklehnte, wenn neben ihm die Hölle losbrach. Diesem Schauspiel sah er gern zu. Wie konnte es angehen, dass diese Typen sie misstrauisch gegenüber Fröhlichkeit, lächelnden Gesichtern und Freundlichkeit machten? Da stimmte doch etwas nicht. Diese ganze Situation war absurd.

Der Letzte war Voodoo, der von ihr noch weniger zu halten schien als Levi. Er hatte ihr bisher nichts zu sagen gehabt, hatte ihr keine Tipps gegeben oder sie aufgemuntert und auf keine Weise mit ihr kommuniziert. Sie hätte genauso gut unsichtbar sein können. Zu dumm, dass sie nicht auch für den Rest des Trupps unsichtbar war.

»Trink so viel Wasser, wie du kannst«, riet ihr Snake. »Das ist gut gegen Muskelkater.«

»Kaum«, murmelte sie. »Ich werde mich morgen nicht rühren können.«

»Doch, wirst du«, sagte Levi. »So oder so. Wenn wir einen Auftrag haben, tun wir, was getan werden muss, auch wenn’s wehtut und egal, wie wir uns fühlen.«

Großartig. Das hieß wohl, dass sie keinen Tag zum Ausruhen bekam, um ihren unausweichlichen Muskelkater zu kurieren.

»Leg dich ins heiße Badewasser«, fuhr Snake fort. »Dann in kaltes Wasser, Eiswasser, wenn du das aushältst.«

Ihr entsetzter Blick zeigte ihnen, was sie davon hielt, denn fast alle lachten – außer Levi und Voodoo. Die beiden sahen nur noch grimmiger aus als vorher.

Sie trank noch mehr Wasser, dann schraubte sie die Flasche entschlossen zu und rappelte sich hoch. »Es war mir eine große Freude, Jungs …« Nicht doch. »Aber falls ihr nicht vorhabt, mich noch bis in die Nacht weiter zu foltern, muss ich zu meiner Gruppe zurück und nach Hause fahren.«

»Viel Glück.« Levi schraubte seine Wasserflasche ebenfalls zu. »Sie sind vor über einer Stunde weggefahren.«

Wie bitte? Jina wirbelte herum – autsch – und blickte sich entsetzt auf dem verlassenen Trainingsfeld um. Selbst Baxter war nicht mehr zu sehen. Nur einige wenige Fahrzeuge parkten noch am Rand des Feldes, sieben Stück, was bedeutete, dass sie den sieben Männern gehörten, die sich einen Spaß daraus gemacht hatten, sie zu quälen.

»Ich bringe dich nach Hause«, bot Jelly an.

»Dem darfst du nicht trauen«, warnte Trapper sofort. »Der fährt schlimmer als ein betrunkener Achtjähriger. Ich bringe dich.«

Snake schnaufte. »Vergiss es. Du wirst wahrscheinlich über New York fahren und das komisch finden. Ich kann sie mitnehmen.«

»Ich werde sie fahren«, sagte Levi und stand auf. Seine tiefe Stimme drang durch das allgemeine Gelächter und stoppte jegliche weitere Diskussion. »Ich muss ihr sowieso noch ein paar Dinge erklären.«

Damit war es entschieden. Es gab keine weiteren Angebote mehr, keine Witze. Der Boss hatte gesprochen. Auch wenn die Jungs sonst nicht zögerten, ihn in ihre rauen Scherze miteinzubeziehen, sobald es das GO-Team betraf, galt sein Wort ohne Widerrede. »Gehen wir«, sagte er und marschierte über das unebene Feld auf die parkenden Autos zu. Schicksalsergeben trottete Jina hinter ihm her.

Es gab zwei Arten von Fahrzeugen, stellte sie fest: drei Sportwagen und vier Pick-ups mit Allradantrieb. Sie hoffte, dass Levi einer der Sportwagen gehörte, wo sie sich nur in den Sitz fallen lassen musste. Aber natürlich wendete sich ihr Glück an diesem Tag, der von Anfang bis Ende eine Katastrophe gewesen war, nicht plötzlich. Er steuerte direkt auf einen Truck zu, der aussah, als wäre er für Darth Vader geschaffen. Der Wagen war schwarz, hatte aber nicht das glänzende Schwarz von normalem Lack. Es war matt, kein bisschen schimmernd. Tatsächlich gab es nirgends etwas Chromglänzendes an dem Fahrzeug, keinen Millimeter, weder Steuerrad noch Rückspiegel oder Seitenspiegel, nicht einmal die Türgriffe.

»Wie findest du den Wagen im Dunkeln?«, fragte sie. »Bindest du einen Luftballon dran?«

»Ich bin sehr gut darin, Dinge im Dunkeln zu finden«, entgegnete er, ohne zu lächeln. »Die Türen sind nicht verschlossen, steig ein.«

Steig ein. Jawohl, ja doch. Sie hatte bereits gewusst, was sie erwartete, als sie mit Mühe die Beifahrertür öffnete und ins Innere des Wagens starrte. Der Boden war fast einen halben Meter höher als bei einem normalen Truck, und an einem normalen Tag hätte sie sich ohne Probleme auf den Sitz geschwungen. Heute allerdings war kein normaler Tag gewesen. Jeder Muskel in ihrem Körper zitterte vor Schwäche, sodass ihr selbst das Gehen Schwierigkeiten bereitete. Und es gab kein Trittbrett. Der Truck hatte keine Extras, nur das Notwendigste.

Levi rutschte hinter das Steuer und beobachtete sie ausdruckslos.

War das hier eine Art Prüfung? Erwartete er, dass sie ihn um Hilfe bat? Ihm gestand, dass sie Probleme hatte, in dieses verrückte Darth-Vader-Mobil einzusteigen?

Sie war versucht, genau das zu tun. Vielleicht sollte sie sich als Schwächling outen. Womöglich wäre das alles, was der Teamleiter benötigte, um sie aus seinem Team zu werfen. MacNamara hatte gesagt, dass Leute, die der körperlichen Anstrengung nicht gewachsen waren, nicht gefeuert wurden. Wenn sie der Trainingsfolter dadurch entging, dass sie es nicht schaffte, in Levis Truck einzusteigen, wäre es dann nicht klug, diese Chance zu ergreifen?

Aber das konnte sie nicht. Aufgeben war nicht ihr Ding. Egal wie verlockend es war, sich auf einfache Weise zu entziehen, sie musste sich einfach anstrengen, wenn sie vor sich selbst nicht als Versagerin dastehen wollte.

»Die Panzer waren wohl schon ausverkauft, als du einen Wagen brauchtest«, grummelte sie vor sich hin, während sie mit der rechten Hand nach der Armlehne griff und sich streckte, um sich an dem lächerlichen Griff festhalten zu können. Sie spannte sich an und hob das linke Bein. Ihre Arme zitterten, als sie versuchte, sich so weit hochzuhieven, dass sie einen Fuß auf den Boden der Fahrerkabine setzen konnte. Keine Chance. Ihr Oberarm erschlaffte, und mit einem Stöhnen landete sie wieder am Boden.

Darth Vader gab keinen Laut von sich, wartete nur, den ausdruckslosen Blick seiner dunklen Augen auf sie gerichtet.