DAS GLÜCK DER PFERDE
Für Sophie geht ein Traum in Erfüllung, als sie Pony Socke in Pflege nehmen darf. Aber der Traum zerplatzt: Socke wurde misshandelt und hat jedes Vertrauen in den Menschen verloren. Sophie muss erkennen, dass Socke und sie sich einfach nicht verstehen. Die wiederholten Missverständnisse zwischen Pony und Mädchen führen zu gefährlichen Situationen. Und dann droht da noch die ultimative Katastrophe: Wenn Socke sich nicht bald reiten lässt, läuft er Gefahr, als vermeintliches Problempferd abgeschrieben und weitergereicht zu werden. Um ihn zu retten, muss Sophie Pferdesprache lernen, und zwar schnell.
Die perfekte Kombination aus Pferdewissen und Pferdegeschichte von Bestsellerautorin und Pferdeexpertin Juli Zeh
Für Nelson und Ada,
die beiden Ponyflüsterer
Zwölf Jahre alt, pferdebegeistert seit ihrer Kindheit. Reitet im Schulbetrieb auf dem Michaelis-Hof. Wünscht sich nichts mehr als ein eigenes Pferd oder Pflegepony, für das sie jeden Tag sorgen kann. Auch wenn Sophie schon ziemlich sicher im Sattel sitzt, weiß sie eigentlich wenig über den Umgang mit Pferden. Wenn du ihrer Geschichte folgst, lernst du mit ihr gemeinsam, wie sich Pferd und Mensch besser verstehen!
Fünf Jahre alt, Welsh-Pony-Mischling, etwa 135 cm groß. Dunkelbraun mit einem weißen Bein vorne rechts – daher der Spitzname. Socke gilt als PROBLEMPFERD (so gekennzeichnete BEGRIFFE findest du am Ende des Buchs erklärt). Obwohl noch jung, ist er schon durch einige Hände gegangen, weil niemand es geschafft hat, ihn einzureiten. Wünscht sich nichts mehr als ein Zuhause, in dem er sicher bleiben kann. Wenn du seiner Erzählung folgst, erfährst du, mit welchen Augen ein Pferd die Welt betrachtet!
Hallo, mein Name ist Sophie! Ich bin zwölf Jahre alt und wohne in Spandau, einem Stadtteil am Rand von Berlin. Eigentlich bin ich ein ganz normales Mädchen. Ich gehe zur Schule, habe Freundinnen und mag Erdbeereis.
Allerdings habe ich einen Dachschaden. Sagen jedenfalls meine Eltern. Der Name des Dachschadens? »Pferde«! Ja, ich gebe es zu, ich bin pferdeverrückt. Scheint eine schwere Krankheit zu sein. Gott sei Dank nicht ansteckend, jedenfalls nicht in meiner Familie. Die stehen nämlich alle auf Fußball.
Ich finde es ja viel verrückter, Pferde nicht zu lieben. Ich meine, Pferde sind die tollsten Tiere der Welt! Sie dienen dem Menschen seit Tausenden von Jahren, und ohne Pferde hätten wir uns als Zivilisation überhaupt nicht weiterentwickelt.
Solche Sätze sage ich zu meinen Eltern, wenn es mal wieder Streit gibt. Papa wünscht sich, dass ich Fußball spiele. Er ist Trainer der F- und D-Jugend bei den Spandau-Kickers und verbringt seine ganze Freizeit im Verein. Mama ist eine richtige Fußball-Mutter. Ihre Muffins sind legendär, sie weiß, wo es die günstigsten Stollenschuhe gibt, und in ihrer Handtasche befinden sich immer Heftpflaster, Extra-Socken und Ersatz-Schienbeinschoner. Mein kleiner Bruder Sabbel, der eigentlich Sebastian heißt, trainiert drei Mal pro Woche. An den Wochenenden finden dann meistens noch Turniere statt, zu denen die ganze Familie fährt. Besser gesagt, alle außer mir. Seit ich mich allein mit dem Fahrrad durch die Stadt bewegen darf, fahre ich nämlich lieber in den Stall.
Papa versteht nicht, warum man am Wochenende lieber schmutzige Boxen ausmistet, als auf dem herrlich grünen Rasen eines Fußballplatzes zu stehen.
Ich verstehe nicht, warum ich mich mit anderen schwitzenden Kindern um einen Ball kloppen soll, wenn ich stattdessen die herrlich weiche Nase eines Pferds streicheln kann.
»Fußball ist Teamgeist«, sagt Papa immer. »Und wer Teamgeist hat, kann im Leben alles erreichen.«
Reiten ist für ihn kein richtiger Sport. Mehr ein Hobby für aufgeregte Mädchen. Und außerdem GEFÄHRLICH. Als ob man sich beim Fußball nicht verletzen könnte.
Außerdem ist Reiten natürlich ziemlich teuer. Fünf Reitstunden auf dem Michaelis-Hof kosten so viel wie Sabbels kompletter Jahresbeitrag bei den Kickers. Weshalb ich nur einmal pro Woche reiten darf, im Schulbetrieb bei Frau Hess. Das mache ich, seit ich acht bin. Aber auch an den Tagen ohne Reitstunde fahre ich nachmittags gern in den Stall. Ich sitze auf der Tribüne und schaue den anderen Kindern bei der Reitstunde zu. Oder fege die Stallgasse und helfe beim Ausmisten. Manchmal darf ich ein Privatpferd im Schritt trocken reiten. Das ist für mich dann die Sensation des Tages.
Wenn ich aus dem Stall nach Hause komme, kreischt Sabbel: »Geh weg, du stinkst!« Das macht er, um mich zu ärgern. Mama ermahnt ihn deswegen, bittet mich dann aber doch, meine Klamotten schon im Flur auszuziehen und sofort in die Waschküche zu bringen.
Die haben alle keine Ahnung. Wer noch nie den warmen, würzigen Duft eines Pferds eingeatmet hat, weiß überhaupt nicht, was echtes Glück ist. Wie kann man diese hübschen Tiere nicht lieben? Die pelzigen Ohren, die sanften Augen! Und wie muss es sich erst anfühlen, mit dem Lieblingspony über ein abgeerntetes Feld zu galoppieren … Reiten ist eine Dauerkarte fürs Paradies.
Kennt ihr das Gefühl, sich etwas so sehr zu wünschen, dass es manchmal richtig wehtut? Auf diese Weise wünsche ich mir ein eigenes Pferd. Oder wenigstens ein Pflegepony. Ich will nicht nur einmal pro Woche im Sattel sitzen. Ich will mich richtig um ein Pferd kümmern, jeden Tag! Füttern, putzen, Hufe säubern, Schweif und Mähne waschen. Ausmisten. Sattel und Trense fetten. Ausreiten oder einfach nur ein bisschen spazieren gehen. Ich würde mein Pferd so lieb haben und so gut pflegen – es wäre das glücklichste Pferd der Welt! Es würde schon durchs Fenster seiner Box wiehern, wenn ich mit dem Fahrrad auf den Hof rolle.
Meine Eltern sagen, das kann ich vergessen. Wir können uns kein Pferd leisten. Außerdem wäre das zu viel Verantwortung. Sie denken ernsthaft, dass ich das Interesse verlieren könnte, wenn ich älter werde. Das ist so ein Blödsinn. Niemals werde ich das Interesse an Pferden verlieren, das fühle ich genau!
Mama sagt: »Sophie, ein Pferd ist kein Spielzeug, sondern ein Lebewesen.«
Papa sagt: »Wenn du nicht ausgelastet bist, komm doch zu den Kickers! Ein taffes Mädchen wie du könnte es in der D-Jugend richtig weit bringen. Und du wärst Teil einer Mannschaft, stell dir mal vor!«
Sabbel sagt: »Außerdem ist Fußball doch echt viel cooler.«
Ich liebe meine Familie, aber manchmal sind die echt so was von bescheuert.
Es ist dunkel. Hoch oben im Dach gibt es ein Fenster, aber das ist so schmutzig von Staub und Spinnweben, dass kaum Licht durchdringt.
Ich habe keine Ahnung, wie lang ich schon hier drin bin. Zwei Mal am Tag wirft man mir Heu in die Box. Es riecht schimmelig, aber ich esse es trotzdem. Andernfalls würde ich verhungern.
Warum haben sie mich eingesperrt? Das ist bestimmt eine Strafe. Ich fürchte, ich habe den Jungen verletzt. Es war keine Absicht. Ich war völlig außer mir und habe nicht einmal mitbekommen, wie er runtergefallen ist.
Das muss irgendwann letzte Woche gewesen sein. Sie holten mich von dem kleinen Sandplatz, wo ich mit den anderen Ponys gelebt habe. Eigentlich habe ich mich dort ganz wohlgefühlt. Solange keine Menschen in meine Nähe kamen.
Aber sie kamen immer wieder und wollten etwas von mir. Auch an diesem einen Tag. Sie zerrten mich vom Paddock und schnallten mir Riemen an den Kopf, die sie so festzogen, dass sie mir überall ins Gesicht schnitten. Wenn ich mich wehrte, rissen sie an den Zügeln, wobei der Metallstab in meinem Maul meine Zunge quetschte. Das tat furchtbar weh! Sie führten mich in die Reitbahn und kamen mit dem Ding, das ich »schwarzer Panther« nenne. Das ist ein großes, schweres Teil aus Leder, das sie den Pferden auf den Rücken schnallen. Dabei ist der Rücken doch unsere verwundbare Stelle! In der Vergangenheit versuchten jagende Raubkatzen, auf unsere Rücken zu springen. Obwohl das lange her ist, hat kein Pferd es vergessen. Wir vererben die Erinnerung. Schon wenn ich den schwarzen Panther sehe, bekomme ich Angst.
Aber das ist den Menschen egal. Sie werfen den schwarzen Panther auf mich drauf, ziehen den Gurt fest, und der Panther verbeißt sich in meinem Rücken. So machten sie es auch an diesem Tag.
Immer wenn ich Angst kriege, bewegen sich meine Beine. Dagegen kann ich nichts machen. Ich tanze einfach. Der Vater von dem Jungen schrie mich an: »Steh endlich still, du Verbrecher!« Von dem Geschrei bekam ich noch mehr Angst. Und je größer die Angst wurde, desto wilder bewegte sich mein Körper.
Meine Beine wirbelten herum, mein Schweif peitschte durch die Luft, der Kopf flog hoch und runter. Ich wollte nur noch rennen, weg von diesem Ort, so weit mich meine Hufe trugen. Rennen, bis man mich endlich in Ruhe ließ.
Aber sie hielten mich fest.
»Rauf mit dir!«, schrie der Vater den Jungen an. »Dieser Verbrecher muss endlich zur Vernunft gebracht werden.«
Ich glaube, der Junge wollte gar nicht. Ich glaube, der hatte fast genauso viel Angst wie ich. Trotzdem stieg er auf eine kleine Trittleiter und schwang sich auf mich drauf.
In meinem Kopf gingen die Lichter aus. Ein zweites Raubtier war auf meinen Rücken gesprungen! Ich stieg hoch, meine Hufe trommelten durch die Luft. Fast hätte ich den Vater getroffen. Er ließ die Zügel los, und jetzt konnte ich endlich rennen. Ich preschte los, immer an der Wand der Reitbahn entlang. Dabei buckelte ich, um den Feind auf meinem Rücken loszuwerden. Irgendwann fühlte ich mich leichter. Ich glaube, der Junge lag im Sand. Trotzdem rannte ich weiter. Wir Pferde fliehen, bis unsere Instinkte sagen, dass wir genug Abstand zwischen uns und die Bedrohung gebracht haben. Auch wenn es nur im Kreis herum geht.
Als ich nicht mehr konnte, fingen sie mich ein. Der Junge saß auf der Trittleiter und hielt sich das Bein. Der Vater schrie und schlug mich mit der Peitsche. Das spürte ich kaum noch. Ich war klitschnass vor Schweiß, ich zitterte am ganzen Körper, ich wusste gar nicht mehr, wo ich war.
Seitdem stehe ich in diesem dunklen Verschlag. Den Sandplatz und die anderen Ponys habe ich nicht mehr wiedergesehen. Wenn ein Mensch in die Nähe meiner Box kommt, lege ich die Ohren an, schlenkere mit dem Hals und drehe meinen Hintern zur Tür, als ob ich treten wollte. Menschen sind unberechenbar. Mal streicheln sie mich und geben mir leckere Sachen, und im nächsten Augenblick brüllen sie herum und tun mir weh. Man kann ihnen nicht trauen. Ihre Augen stehen dicht beieinander. Daran sieht man, dass sie Fleischfresser sind. Wenn sie mich anstarren, geht mir ihr Blick durch Mark und Bein. Dann weiß ich, dass gleich wieder etwas Schreckliches passiert.
Am schlimmsten ist die Einsamkeit. Sie legt sich wie ein stählerner Ring um meine Brust. Manchmal kann ich die anderen Ponys hören, wenn sie draußen an der Heuraufe schnauben oder wiehern. Ich will zu ihnen, sie sind doch meine Herde! Wir haben uns gegenseitig die Mähnen gekrault, zusammen gedöst und gemeinsam aus der großen Tonne getrunken. Wenn ich die anderen zu stark vermisse, fange ich an, gegen Wände und Tür zu treten. Dann rennt der Vater herbei und schreit mich an.
Es hat sowieso keinen Sinn. Ich bin eingesperrt, ich komme hier nicht raus. Alleinsein ist schlimmer als der Tod. Ja, es ist wahr, ich möchte am liebsten sterben.
Mein Dank gilt meinem Mann, der seit zwanzig Jahren meinen Pferdefimmel erträgt.
Unseren beiden Kindern Nelson und Ada, die jetzt schon richtige Ponyflüsterer sind.
Und natürlich unseren Pferden Neo und Lord Friedrich sowie den beiden Ponys namens »Pony« und Edna Krepel, die uns jeden Tag von Neuem ihre Freundschaft bieten und unsere Fehler verzeihen.
Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, ist promovierte Juristin, Verfassungsrichterin und preisgekrönte Schriftstellerin. Ihre Bücher sind in 35 Sprachen übersetzt und ihr Gesellschaftsroman ›Unterleuten‹ steht seit Erscheinen 2016 auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Carl-Amery-Literaturpreis, dem Thomas-Mann-Preis, dem Hildegard-von-Bingen-Preis, dem Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln sowie dem Bundesverdienstkreuz. Zuletzt erschienen unter anderem ›Neujahr‹ (2018) und ›Gebrauchsanweisung für Pferde‹ (2019). Juli Zeh lebt mit ihrer Familie und vier Pferden bei Berlin.
Flix, Jahrgang 1976, ist freier Illustrator und Comiczeichner und lebt in Berlin. Er studierte Kommunikationsdesign und debütierte mit seiner Abschlussarbeit »held«. Seine Zeitungsserien »Da war mal was …« und »Schöne Töchter« (beide ›Tagesspiegel‹), »Faust« und »Don Quijote« (beide ›FAZ‹) liegen als Buchausgaben vor, ebenso die Kindercomicserie »Ferdinand«, die als Gemeinschaftsprodukt mit Ralph Ruthe im Kindermagazin ›Dein SPIEGEL‹ erscheint. Derzeit veröffentlicht Flix den Zeitungscomic »Glückskind« jede Woche Montag in der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹. Flix’ Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Max und Moritz-Preis und dem PENG!-Preis, und in neun Sprachen übersetzt.
Originalausgabe
2021 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
Umschlaggestaltung: buxdesign | Ruth Botzenhardt
unter Verwendung einer Illustration von FLIX
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eBook-Herstellung: Datagrafix GSP GmbH, Berlin (01)
eBook ISBN 978-3-423-43880-3 (epub)
ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-76325-7
Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/ebooks
»Schauen Sie mal, Herr Dompi. Ein Astronaut.«
Einträchtig stehen Dompi und ich am Zaun und kauen Heuhalme aus dem Netz, das uns der Pfleger jeden Morgen ans Tor unserer Privatkoppel hängt. Heute ist seit langer Zeit der erste etwas wärmere Tag. Die Sonne scheint an einem blitzsauberen Himmel, der Schnee ist geschmolzen, und an den Spitzen der Zweige zeigt sich das erste vorsichtige Grün.
Seit der komischen Pferdeweihnachtsmann-Geschichte sehe ich Sophie fast täglich. Wir trainieren in der Reithalle oder gehen zusammen raus, wenn es das Wetter einigermaßen erlaubt – und wenn mein neuer Job es zulässt. Seit Neuestem arbeite ich Teilzeit als Schulpferd. Ich muss sagen, dass mir die Arbeit nicht schlecht gefällt. Auch, weil ich sie so hervorragend beherrsche. Die großen Pferde machen in der Reitstunde die ganze Zeit Quatsch, galoppieren einfach los, bleiben stehen und gehen keinen Schritt weiter, verlassen den Hufschlag, spazieren quer durch die Bahn oder legen sich gleich samt Reitschüler in den Sand. Frau Hess steht in der Mitte und brüllt. Währenddessen ziehe ich ruhig meine Runden, mit einem kleinen Kind auf dem Rücken, das sich die ganze Zeit freut. Irgendwie mag ich die Kleinen. Ich spüre ihr Glück, ihre Liebe, ihre Unschuld. Keiner meiner Mini-Zweibeiner käme auf die Idee, mir etwas zuleide zu tun. Während ich sie trage, streicheln sie die ganze Zeit meine Mähne, und ich laufe extra vorsichtig, um sie nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nach der Reitstunde kommen die Eltern in die Bahn und schenken mir Möhren. Alle lieben mich. In der Reitstunde bin ich der Star.
Aber am schönsten sind immer noch die Ausritte mit Sophie. Besonders, wenn Morning Star mitkommt, die inzwischen auch ins Gelände darf. Oben sitzen unsere Menschen und halten Händchen, während Morning Star und ich möglichst dicht nebeneinander hertrotten und die Viersamkeit genießen. Ach, ich freue mich schon auf den Frühling, wenn die Tage länger werden und wir noch öfter durch den Wald streifen können!
»Oder vielleicht ist es ein Außerirdischer ?«, meint Dompi.
Das Wesen kommt direkt auf uns zu. Sein ganzer Körper samt Hals steckt in einer silbernen Decke. Sogar Beine und der halbe Schweif sind bandagiert. Ein Pfleger führt das Wesen zum Tor und schiebt es zu uns auf die Koppel. Vorne guckt ein Pferdegesicht aus der silbernen Decke.
»Herr Satellit ?«, frage ich und kann nur mühsam einen Lachkrampf unterdrücken. »Sind Sie das ?«
»Klappe«, meckert Satellit. »Mein Frauchen hat eben Angst, dass ich mich erkälte.«
»Was machen Sie überhaupt hier ?«, fragt Dompi.
»Freigang«, sagt Satellit stolz. »Alle labern davon, was unser Socki für ein Kracher geworden ist. Erst komplett irre im Kopf, dann Oberheld im Schulbetrieb.«
»Macht mir halt Spaß«, knurre ich.
»Alles schick, Mann«, schnaubt Satellit. »Mein Frauchen will ausprobieren, ob ich auch so ’ne coole Socke werde, wenn ich tagsüber rausdarf.«
»Wenn das hier jetzt eine Massenveranstaltung wird, sollten wir eine größere Koppel beantragen«, brummt Dompi unfreundlich.
»Du musst ihn fragen«, flüstere ich Satellit zu.
»Was muss ich fragen ?«, flüstert Satellit zurück. Er hat wirklich keine Ahnung von Sozialverhalten.
»Ob du bei uns mitmachen darfst!«
»Oh.« Satellit schüttelt den Kopf, dann nickt er. »Alter, ich meine, Herr Dompi, könnte ich hier vielleicht … Äh …«
»Teil Ihrer Herde werden«, flüstere ich.
»Teil Ihrer Herde werden?«, fragt Satellit.
»Na gut«, sagt Dompi sofort. In Wahrheit findet er es gut, dass Satellit jetzt bei uns ist.
»Kleiner Ringkampf ?«, frage ich übermütig.
»Weiß nicht, Bruder.« Satellit rümpft die Nase. »Ich bin ein Springpferd.«
»Na, dann springen wir!« Ich zwicke ihn so fest ins Hinterteil, dass er in die Höhe hüpft und quiekt wie ein Mädchen. Dann rennt er davon. Er lässt sich doch tatsächlich von mir ein paar Mal rund um die Koppel jagen! Dompi blickt uns schmunzelnd hinterher.
»Die Jugend von heute«, murmelt er und wendet sich wieder dem Heunetz zu.
Satellit raschelt beim Laufen und fällt fast hin, als er den nächsten Bocksprung versucht. Aber er ist mein Freund, und ich bin froh, dass er jetzt bei uns ist. Denn Freundschaft, egal, ob zwischen Pferden oder zwischen Menschen oder zwischen Pferden und Menschen – das ist doch das Wichtigste auf der ganzen Welt!
Heute ist etwas total Krasses passiert. Ich kann es noch gar nicht glauben. Es ist einfach nur – unfassbar.
Wir sitzen zusammen beim Abendessen, meine Eltern, Sabbel und ich. Plötzlich klingelt Papas Telefon. Eigentlich ist am Esstisch Handyverbot. Aber er sagt:
»Das ist Lucy. Ich gehe mal besser dran.«