Angelika Monkberg

Belisa

Angelika
Monkberg

Belisa

ELYSION-BOOKS

Print; 1. Auflage: Juni 2021

eBook; 1. Auflage: Juni 2021

VOLLSTÄNDIGE AUSGABE

ORIGINALAUSGABE

© 2021 BY ELYSION BOOKS GMBH, LEIPZIG

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UMSCHLAGGESTALTUNG: Michelle Tocilj

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LAYOUT &WERKSATZ: Hanspeter Ludwig

www.imaginary-world.de

ISBN (vollständiges Ebook) 978-3-96000-158-4

ISBN (gedrucktes Buch) 978-3-96000-157-7

www.Elysion-Books.com

Kapitel 1

»Mit achtzehn Abitur, Lehre bei einer Gewandmeisterin, anschließend Studium an der Modeakademie München und mit knapp dreiundzwanzig das erste eigene Atelier – Belisa am Wiener Platz.« Der Redner schwieg einen wohlberechneten Moment und Tante Daisy, die mit Belisa den Regenschirm teilte, schnaufte empört.

»Das stimmt doch alles nicht. Das musst du richtigstellen, Bella!«

Ja, aber nicht hier. Belisas Blick schweifte über die vielen kunstvoll geschmiedeten Grabkreuze, die sich unter ihr in sechs Reihen den Abhang hinab bis dicht vor die kleine Kirche zogen. Dort, unter dem Vordach des Portals gegen die Nässe geschützt, stand der Priester und beobachtete seine Gemeinde. Er trug nur einen dunklen Anzug, kein Messgewand, und seine ganze Haltung verriet selbst auf diese Entfernung, dass ihm die Form der Trauerfeier, das heißt ohne kirchlichen Segen, nicht passte.

Belisa hatte dazu keine Meinung. Sie wünschte nur, sie hätte gar nicht hier sein müssen.

Tine und sie hatten letzten Donnerstag noch miteinander gewitzelt, dass diese bei dem Kaiserwetter mit geschlossenen Fenstern fahren musste, damit der Wind nicht unter den Rock der Kundin fuhr. Genau die Sorte Späße, für die Tine zu haben gewesen war, gleichzeitig anzüglich und völlig absurd. Fahrerkabine und Laderaum des Mercedes Sprinters trennte eine Zwischenwand. Er war für ihr Atelier Belisa am Wiener Platz eigentlich überdimensioniert, sie lieferten selten ganze Kollektionen aus, aber die Innenhöhe des Fahrzeugs hatte den Einbau einer Dachschiene mit Ösen für Kleiderhaken erlaubt. Belisa freute sich jedes Mal, wenn die Augen einer Kundin aufleuchteten, weil diese ihr nach Maß angefertigtes Traummodell sofort in ganzer Pracht hängen sah, ohne den meist üblichen Kleidersack.

Aber das spielte jetzt auch schon keine Rolle mehr.

»… und dann, letzte Woche. Dieser frühlingshafte Januartag!« Der Redner ließ den Blick über sein Publikum schweifen, sah jedem in der ersten Reihe lange ins Gesicht. Der beabsichtigte dramatische Effekt verpuffte bei Belisa allerdings. Sie stand durch ihren Platz, quasi auf der Galerie, vielleicht einfach zu weit weg; und ihre Tante, die in vierzig Jahren als Gewandmeisterin bei Theater, Film und Fernsehen viele wirklich große Schauspieler und Sänger gesehen hatte, schüttelte erst recht den Kopf.

»So ein Schmierenkomödiant!« Sie sprach Englisch, ihre Muttersprache und Belisa hoffte, dass niemand die Bemerkung verstanden hatte. Es war schon peinlich genug, dass sie zu spät gekommen und mitten in die Rede geplatzt waren. Tante Daisys uralter Fiat Panda besaß kein Navi, und der Sprinter stand im Augenblick beschlagnahmt beim TÜV. Belisa schob diese Sorge bei Seite.

»Wir alle haben den Sonnenschein genossen.« Der Redner fuhr fort. »Vielleicht sogar zum ersten Mal nach diesem sehr langen, grauen Winter im Freien vor einem Café gesessen.«

»Im Januar?« murmelte ihre Tante. »Spaßvogel!«

Der Redner verstummte erneut, sammelte sich. Belisa hörte nur noch das ferne Rauschen der Bäume auf dem Hügel hinter der Kirche, das leise Trommeln der Tropfen auf ihrem Schirm. Ihr war ziemlich kalt. Nach dem Hoch letzte Woche, das ihnen tatsächlich einen Tag mit fast zehn Grad plus beschert hatte, mischten sich heute wieder Schneeflocken in den Regen. Im Wald hing eine Nebelwand.

»Sie dagegen war mit diesem eiligen Auftrag unterwegs!«

Belisa zuckte zusammen. Die Worte des Trauerredners wirkten wie ein Peitschenhieb, wie eine Anklage. »Losgeschickt, den Wunsch einer reichen Kundin nach einer wunderschönen Robe für den Wiener Opernball zu erfüllen.«

Ein Seufzen ging durch die Zuhörer und der Redner geriet ins Tremolo. Er sprach vom blinden Schicksal und dem Fleiß der Verstorbenen. Dass Tine oft sogar samstags und sonntags in ihrem Atelier durchgearbeitet habe. Was definitiv nicht stimmte. Belisa hätte sie sehr gerne für Überstunden bezahlt, wenn Tine denn dazu bereit gewesen wäre, welche zu machen. Aber auch um das zu berichtigen war hier weder die Zeit noch der Ort. Davon abgesehen wusste sie sowieso nicht, wie es weitergehen sollte.

»Doch was zählt der Erfolg, was, eine Klientel internationaler Stars … «

»Bitte? Was erzählt der für einen Quatsch? Langsam verliere ich echt die Geduld!« Die Stimme ihrer Tante verriet Zorn. Belisa wechselte den schweren Trauerstrauß in die andere Hand und griff beruhigend zu ihr hinüber. Sie hörten nun eine Rückblende, welche Freude Tine ihren Eltern gemacht hätte, und was für ein anständiges Mädchen sie immer geblieben sei. Doch in Wirklichkeit hatte sie es faustdick hinter den Ohren gehabt. Wie oft hatte sie Belisa morgens vor ihrem Atelier aus fremden Autos aussteigen sehen, manchmal aufgekratzt, öfters mit Katzenjammer und immer verkatert. Tine hatte montags Ibuprofen gefuttert wie andere Gummibärchen. Aber an dem bewussten Morgen war sie vollkommen nüchtern gewesen, Belisa hätte sie sonst niemals fahren lassen.

Der Hergang des Unfalls war sogar dem Sachverständigen ein Rätsel. Er hatte keine Bremsspuren festgestellt, keinen technischen Defekt und auch eine Ölspur verneint, die vielleicht noch erklärt hätte, warum Tine mit dem Sprinter auf schnurgerader Strecke von der Fahrbahn abgekommen war. Am Stamm der dicken Eiche zeugten nur ein paar abgesplitterte Stücke Holz von dem Aufprall. Doch Tine war noch an der Unfallstelle gestorben.

»… möge ihr die Erde leicht sein!« Die Schlussworte des Redners gingen beinahe im Aufrauschen des Regens unter. Ein richtiger Wolkenbruch setzte ein und sogar die Männer, die bisher dem Wetter getrotzt hatte, spannten jetzt Schirme auf. Auch die Mannschaft des Beerdigungsunternehmers beeilte sich. Belisa konnte von ihrem Logenplatz aus gut mitverfolgen, wie der Sarg mit dem üppigen Blumengesteck in die Grube abgelassen wurde. Damit drängten sich auch schon die ersten Trauergäste für die persönlichen Abschiedsgesten vor.

Fast alle warfen Tine Blumen nach, ein Brauch, der Belisa fremd war. Vielleicht erinnerte sie sich auch einfach nicht mehr richtig. Sie hatte bisher nur eine einzige andere Beerdigung miterlebt, die ihrer Eltern vor fast zwanzig Jahren, in Boston, Massachusetts, USA. Sie war damals achteinhalb gewesen und sie wusste im Grund nur noch, dass sie sich die ganze Zeit an der Hand ihrer Tante festgeklammert hatte. Alles danach war ihr nur sehr verschwommen im Gedächtnis geblieben. Gott sei Dank hatte es Tante Daisy in Rekordzeit geschafft, sie in Boston aus dem amerikanischen Foster Care-System loszueisen, und zu ihr nach Dachau zu holen. Zuhause sprachen sie immer noch Englisch, doch sonst hielt sich Belisa mittlerweile für ziemlich deutsch. Mit kleinen Abstrichen.

Unter ihnen bewegte sich der Pulk der Trauergäste langsam auf Tines Angehörige zu, ihre wie versteinert wirkende Mutter, den Bruder und die schluchzende Schwägerin. Auch Belisa würde ihre Angestellte vermissen. Wenn man zu zweit in einem winzigen Modeatelier arbeitete, musste die Chemie stimmen. Sie hatten beide die Freude an opulenten Abendkleidern geteilt, Fast Food verabscheut und auf die Begegnung mit einem aufregenden Latin Lover gehofft. Das heißt, eher Tine, die nach Feierabend regelmäßig in ihrer Lieblings-Bar gechillt, und ständig irgendwen abgeschleppt hatte. Während Belisa ebenso regelmäßig bis nach Mitternacht im Atelier geblieben und weitergearbeitet hatte. Auch an Wochenenden.

Sie wurde fast noch ein bisschen trauriger. Tine hatte am Montag immer alle ihre Männergeschichten auf dem Schneidertisch ausgebreitet. Stundenlang an der Nähmaschine zu sitzen oder Nähte zu bügeln, konnte ziemlich eintönig sein. Da wurde man mit der Zeit für jede Ablenkung dankbar. Belisa hatte Tine zwar höchstens die Hälfte ihrer Abenteuer geglaubt, schließlich besaß sie selbst auch einige Erfahrungen mit Männern. Aber sie hätte niemals ihre Tante Daisy belogen und Überstunden für einen Arbeitgeber vorgeschoben, um an den Wochenenden freie Bahn zu haben. Diesen Trick fand Belisa überhaupt nicht lustig.

»Schade um sie! Sie war meine beste Azubine.« Ihre Tante schnäuzte sich.

»Ja.« Sie hakten sich unter und gingen zusammen an Tines Grab. Die offene Grube war sorgfältig mit grünem Kunstrasen umkleidet und überraschend tief. Doch das üppige Blumengesteck aus weißen Chrysanthemen und grünen Rosen, zwischen denen inzwischen aber auch etliche andere Farbtupfer steckten, verdeckte den Sarg fast völlig. Der Jahreszeit entsprechend lagen darauf hauptsächlich Abschiedsgrüße aus Tulpen und Narzissen, aber es stecken auch eine ganze Anzahl dunkelroter Rosen dazwischen. Belisa erriet leicht, dass sie von der kleinen Gruppe Männer stammten, die etwas abseits standen und deutlich nicht zu Tines Familie oder in ihr Heimatdorf gehörten. Der eine oder andere erkannte Belisa sogar und nickte ihr und ihrer Tante grüßend zu, als sie mit ihrem Trauerbukett ebenfalls vortrat.

Es würde als einziges nicht auffallen. Sie hatte beim Bestatter nachgefragt und dieselbe Zusammenstellung wie im Sargschmuck in ihren Strauß binden lassen: weiße Chrysanthemen und grüne Rosen. Eindeutig ein Fehler, aber das konnte sie nun nicht mehr ändern. Sie warf ihr Bukett.

Das Murmeln der Trauergäste brach schlagartig ab. Alle Welt sah sie an. Was hatte sie falsch gemacht? Belisa bemerkte, dass etliche verstohlen grinsten, andere verzogen das Gesicht, als ob sie plötzlich Zahnschmerzen plagten. Ihre Tante gab einen Laut zwischen unterdrücktem Lachen und Husten von sich.

»O je, Bella! Trauersträuße werden üblicherweise aufs Grab gelegt. Hinterher, wenn es wieder zugeschüttet ist. Ich dachte, du weißt das.«

Wie peinlich! Ein Stück entfernt stand tatsächlich ein fahrbares Regal, das von Kränzen und anderen Blumengaben überquoll. Das erklärte endlich, warum die Floristin gefragt hatte, ob Belisa den Strauß rund oder flach gebunden wünschte. Inzwischen näherte sich ihr auch der Bestatter. Er räusperte sich. »Sollen wir das Bukett wieder herausholen?«

»Nein, danke. Lassen Sie nur.« Sie stand zwar ab und zu tatsächlich gern im Mittelpunkt, zum Beispiel, wenn sie ein schönes Kleid präsentierte. Aber bei einem Anlass wie diesem hätte sie lieber darauf verzichtet. Außerdem kroch ihr die feuchte Kälte immer mehr die Schienbeine hinauf. Sie hätte auf ihre Tante hören sollen, die einen gut wadenlangen Trachtenmantel aus Loden über dem Dirndl trug. Belisas grauer Business-Anzug war leider nicht sehr wetterfest. Sie hatte aber auch nicht damit gerechnet, dass die gesamte Trauerfeier im Freien stattfinden würde, unter wolkenverhangenen Himmel, im Regen. Zum Glück ließ wenigstens die Beimischung von Schnee langsam
zurück.

»Das soll ich übrigens Ihnen geben.« Der Bestatter griff in seinen tadellos geschnittenen schwarzen Mantel und überreichte ihr einen dicken Briefumschlag.

»Danke!« Sie steckte ihn ziemlich ratlos ein. Warum die Betonung? Vielleicht enthielt der Umschlag ein Heft zum Nachlesen der unsäglichen Trauerrede und ein Foto von Tine, möglicherweise auch die Todesanzeige. Dass bei Beerdigungen solche Erinnerungsstücke verteilt wurden, wusste sogar sie. Sie schloss sich ihrer Tante an, um den Angehörigen persönlich ihr Beileid auszusprechen.

»Mein aufrichtiges Mitgefühl.« Sie gab Tines Mutter die Hand, und meinte es ehrlich. Die Schwägerin nickte, behielt aber die Hand bei sich. Während der Bruder ihr fast die Finger zerquetschte, und gleichzeitig auf ein Seitentor zeigte. »Danke, dass Sie gekommen sind! Sie gehen am besten dort durch. Der Weg führt auf dem kürzesten Weg zum Parkplatz. Wir telefonieren in den nächsten Tagen, bevor wir Tines Sachen abholen.«

Welche Sachen? Belisa zog die Brauen zusammen. Tine war zwar jeden Morgen mit Handtasche in die Werkstatt gekommen, an Freitagen auch gerne auch mit einer extra großen, um sich für den Abend umzuziehen. Aber an ihrem Arbeitsplatz stand nicht einmal ein Maskottchen. Sie sah, dass Tines Bruder ihr Erstaunen sehr befremdete, hatte jedoch keine Lust gerade jetzt und hier nachzuhaken. Sicher nur ein Missverständnis. Sie nickte zum Abschied, nahm ihre Tante beim Arm, und hielt fürsorglich den Schirm über sie. Es fing wieder richtig zu gießen an.

Das Tor in der Friedhofsmauer quietschte. Es wurde ­offensichtlich selten benutzt, dicht daneben hatte sich ein verzweigter Busch halb in den Durchgang hinein ausgebreitet. Er überschüttete Belisa mit einem Tropfenschauer, als sie sich durchzwängte und ihrer Tante den Weg offen hielt.

Die hatte die ganze Zeit geschwiegen, doch jetzt sagte sie voll Inbrunst: »So ein Arsch! Das ist mir auch noch nicht passiert! Er hätte uns wenigstens höflichkeitshalber zum Leichenschmaus einladen können.«

»Hättest du denn hingehen wollen?«

»Natürlich nicht! Wir kennen doch die Leute gar nicht. Aber man will doch wenigstens die Chance bekommen, dankend abzulehnen! Was hat dir der Bestatter da eigentlich gegeben?«

»Ich weiß es nicht. Lass uns im Auto nachsehen, ja?«

Sie überquerten die Straße im dichten Regen. Der Fiat stand Gott sei Dank gleich neben der Parkplatzeinfahrt. Belisa sperrte ihrer Tante die Beifahrertür auf und setzte sich hinters Steuer. Sie riss den Brief auf. Er enthielt mehrere Blätter einer Rechnung, die an ihre Geschäftsadresse gerichtet war. Sie reichte sie sprachlos an ihre Tante weiter.

»Eichensarg, Messingbeschläge hartvergoldet, Sargkissen und –decke, Naturseide, Baumwollspitze, Floristin, Friedhofsgebühren, Träger, Trauerredner, Urkunden …« Ihre Tante blätterte. »Achtzehntausend siebenhundertvierzig Euro. - Sind die noch zu retten? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Die scheinen zu glauben, dass du für den ganzen Kram aufkommen musst. Gib das sofort deiner Anwältin! Als ob du nicht schon genug an der Backe hättest! Das ist doch wirklich absolut der Gipfel!«

Dabei wusste ihre Tante längst noch nicht die Hälfte. Belisa wuchsen die Zahlen langsam über den Kopf. Das Kleid der Kundin, die jetzt dank des Unfalls ohne maßgeschneidertes Einzelmodell von Belisa am Wiener Platz auf dem Wiener Opernball erscheinen musste, und bei allem höflich bekundeten Verständnis nach diesem Desaster natürlich nie wieder bei ihnen arbeiten lassen würde: rund viertausend Euro Verlust, wenn sie nur das Material rechnete. Der Sprinter war ebenfalls ein Totalschaden. Die Versicherung ersetzte bestenfalls den Zeitwert und selbst da stand Ärger ins Haus. Dass Tine angeblich nicht angeschnallt gewesen war, schloss laut Vertrag Leistungen aus. Ja, und obwohl das eine kaum etwas mit dem Anderen zu tun haben konnte, purer, gemeiner Zufall, hatte in der Nacht von Freitag auf Samstag am Wiener Platz auch noch ihre Werkstatt unter Wasser gestanden.

Belisa wohnte in Dachau in einem kleinen Appartement, und wieder – nach Zwischenstationen in Mailand, Düsseldorf und London - im Haus ihrer Tante. Sie kam dadurch verglichen mit den Mieten in München einfach günstiger weg. Außerdem sah sie ihre einzige lebende Verwandte auf diese Weise wenigstens ab und zu. Sie und ihre Tante hatten auch am Abend nach Tines Tod zusammengesessen, beide ziemlich niedergeschlagen, und es blieb natürlich Spekulation, warum sie als Einzige nicht über den Wasserrohrbruch informiert worden war. Ihr Vermieter, das Stadtbauamt und die Wasserwerke schoben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Doch das änderte nichts daran, dass ihre Kellerwerkstatt einschließlich Stofflager, Nähmaschinen und allem abgesoffen war.

Sie wartete noch auf den Sachverständigen, doch sie machte sich keine Illusionen. Jedes Start-Up musste durch eine Durststrecke, das hatte ihr schon die nette Mitarbeiterin der Existenzgründerberatung prophezeit. Belisa war an sich solide aufgestellt. Sie machte Upcycling und Reparaturen, fertigte Gewänder für Reenactment-Darsteller und Cosplayer an, doch ihr eigentliches Plus bestand in ihren guten Kontakten. Sie besaß ein volles Auftragsbuch, sie hätte mit Tine in den nächstens Wochen zwei Kleinkollektionen nähen sollen, je eine für einen Brautmodenladen und eine Trachtenboutique. Damit wären sie dieses Quartal endlich aus den roten Zahlen herausgekommen, zum ersten Mal in drei Jahren. Aber sie hatte natürlich für die Stoffe in Vorkasse gehen müssen, und konnte nun nicht liefern.

»Was meinte Tines Bruder eigentlich mit ‚Sachen‘?«

»Ich weiß es nicht, Tante Daisy!« Sie trat die Kupplung und startete den Motor.

»Du hättest doch auf Schadensersatz klagen sollen, als dich diese, wie hieß die Braut noch? Die, die letzten Herbst ihre Hochzeit platzen ließ?«

»Die Fünfunddreißigtausend würden es jetzt auch nicht mehr herausreißen.« Sie glaubte nicht, dass die Bank noch einmal über eine Aufstockung ihres Kreditrahmens mit sich reden ließ.

»Was ist eigentlich aus dem Reifrock-Monster geworden?«

»Das ist auch mit abgesoffen.«

Ein bis auf die mit Wachsperlen und Swarovskisteinchen bestickten BH-Schalen komplett transparentes Oberteil und ein Rock aus weißem Seiden-Satin, darüber eine Lage hauchfeiner Chiffon, in Indien nach den Wünschen der Braut kunstvoll mit demselben Muster aus Wachsperlen und Swarovski-Kristallen in Tambour-Technik bestickt. Der Meter zu achthundertfünfzig Euro und jetzt mit Dreckbrühe vollgesogen. Da half kein Waschen mehr und auch keine chemische Reinigung, das bekamen sie nie mehr wie neu hingebügelt. Unabhängig davon, dass überbreite Satin-Reifröcke sowieso nicht mehr im Trend lagen. Eventmode, das hieß diese Saison entweder Mermaid-Style, eine durchgehend schlanke Silhouette aus Stoffen mit hohem Stretch-Anteil, gern mit Metallic Effekten, Glitzersteinchen und Pailletten kombiniert. Oder die A-Linie: Enge Korsagen und stoffreiche, aber sehr duftige Röcke aus Voile oder Tüll. Auch die vier Rollen Tattoo-Spitze, die sie für diese Art Brautkleider gekauft hatte, zarte Blütenranken im angesagten Eisblau auf hautfarbigem Tüllgrund, waren nun einheitlich schmutzig braun und rochen nach Klärschlamm. Genau wie der Trachten-Loden für die Jacken, die seidenen Schürzenstoffe, der Baumwollbatist für die Blusen und das Halbleinen für die Röcke.

»Es ist vorbei, Tante Daisy.« Sie seufzte. »Alles stinkt. Die Nähmaschinen sind kaputt, der Zuschneide-Tisch hat sich verzogen, und das Material muss ich auch komplett wegwerfen. Wir können höchstens noch die acht rosa Blumenmädchen-Kleider als Kleinkollektion bei Ebay anbieten, die zu der abgesagten Hochzeit gehört hätten. Sie lagen luft- und wasserdicht verpackt ganz oben auf den Regalen.«

»Über der Hochwasserlinie.« Ihre Tante lachte, aber sie wurde sofort wieder ernst. »Du denkst also an Aufgeben, Bella. Das Atelier war dein Traum.«

»Träume machen nicht satt, Tante Daisy. Wir wussten beide, dass es ein Risiko war.«

Sie legte den rechten Arm auf die Lehne des Beifahrersitzes, sah über die Schulter und fuhr rückwärts aus der Parklücke. »Ich habe nächste Woche einen Termin beim Steuerberater, aber ich denke, es läuft auf eine Insolvenz heraus. Wer weiß, wie lange allein die Mauerentfeuchtung im Keller dauert! Außerdem, wer ein Kleid für die laufende Ballsaison braucht, hat den Auftrag längst vergeben. Ich kann höchstens noch frech auf einer dieser Promi-Faschingsveranstaltungen Werbung für mich laufen. Vielleicht hole ich dort tatsächlich Aufträge für einen Neustart im Herbst herein!«

»Bella!« Ihre Tante legte den Kopf schief. »Du hast doch etwas vor!«

»Im Augenblick fällt mir nur der Wiener Opernball ein!«

Sie meinte es als Scherz, aber ihre Tante stieg voll darauf ein.

»Um dafür auf meiner alten Maschine ein Kleid für dich zu zaubern, reicht die Zeit locker. Der Termin ist immer Ende Februar, an einem Donnerstag. Das gibt uns noch sechs Wochen. Wir könnten zum Beispiel das ruinierte Brautkleid ummodeln.«

»Ich weiß nicht, ob es nicht unter die Konkursmasse fällt. Allerdings, einer Kundin kann ich den Satin sowieso nicht mehr anbieten.« Der Gedanke fing an, ihr zu gefallen. »Du willst das Kleid zerlegen und waschen?«

»Und färben!«

»Aber bitte nicht rot.« Rot war in dieser Saison am meisten angesagte Farbe. Rote Abendkleider sah man zu Dutzenden, in allen gängigen Zeitschriften, den Schaufenstern der Konkurrenz, auf jedem Internet-Portal. Außerdem stand es ihr nicht.

»Also, dann eben eine andere leuchtende Farbe. Wie wäre es mit knallgrün? Wenn du nicht gnadenlos auffällst, und so jedem im Gedächtnis bleibst, kannst du es gleich lassen, Bella. Was hältst du von einem historischen Modell mit Turnüre und Korsett? Du magst doch Schnürmieder!«

»Schon.« Sie fuhr achtsam durch die enge Dorfstraße. Ein gutes Korsett, das war fast so gut wie zwei kräftige Männerhände, die sie um die Taille packten. Sie liebte es, wenn sie hart genommen wurde. Aber das Atelier hatte in den letzten drei Jahren ihre gesamte Zeit gefressen. Wenn sie tatsächlich einen Abend frei hatte, schlief sie vor dem Fernseher ein.

»Vielleicht sollte ich tatsächlich auf den Opernball gehen. Meinst du, das Material des Brautkleids spielt mit?«

»Klar tut es das! Glaube einer alten Gewandmeisterin, man kann jedes Kleid wieder richten.« Belisas Tante schnippte vor Begeisterung mit den Fingern. »Weißt du was, ein sexy Reitkostüm im Stil Kaiserin Elisabeth mit Frack über einem Rock mit Schleppe, das wäre für dich sogar noch besser! Dazu geben wir dir als Accessoire eine goldene Peitsche.«

»Die lassen wir lieber weg. Weiße Wachsperlen und Swarowski-Strass wirken auf grüner Seide schon ungewöhnlich genug.«

»Umso besser. Ich habe irgendwo noch etliche Meter violetten Samt herumliegen. Daraus machen wir den Frack und statt Weste kriegst du ein blütenweißes Korsett! Kim hat bestimmt das Richtige in ihrer Kollektion. Wollte sie dich nicht sowieso wieder als Model für ihren neuen Katalog?«

»Ja.« Aber die sexy Wäsche-Kollektion war nur ein Teil dessen, mit dem Kim Geld verdiente. Belisa wusste wirklich nicht, ob sie sich noch einmal auf den anderen Teil einlassen sollte.

»Na also, dann sage ihr doch zu! Es ist überhaupt nichts dabei, in BH und Höschen vor der Kamera zu stehen. Wenn ich noch dreißig wäre, würde ich es sogar selbst machen.«

Sie musste lachen.

»Na, gut, okay! Tante Daisy, wir treffen ein Abkommen: Ich rede mit Kim und du bestickst mir den Stoff für den Frack über und über mit dem Schriftzug Belisa in München

»Wenn sie dich mit einer Werbeaufschrift mal nicht aus der Staatsoper werfen!«

»Ich glaube nicht, dass es verboten ist. Außerdem ist es den Versuch wert.«

»Das ist mein Mädchen! Ich wusste, dass eine Kämpferin in dir steckt.«

»Na ja, eng wird es schon!« Sie konnte sich eine Flanierkarte für den Wiener Opernball und das Bahnticket tatsächlich nur leisten, wenn sie sich erneut Kim auslieferte. Das geplante Shooting lag ihr jedoch mehr im Magen als ihre Tante ahnte. Denn es gab neben der sehr schönen Lingerie ein Coffee-Table-Book, das Kims zweite und weitaus exklusivere Kollektion zeigte: The Other. Dass Belisa für diesen Teil des Shootings nur Haut zeigen würde, war dabei nicht das Problem. Sie und Kim kannten sich lange, außerdem blieb sie durch die schwarze Halbmaske für die Betrachter des Coffee-Table-Books anonym. Doch Kims Schmuckstücke zu tragen, hatte Belisa auch eine dunkle Seite in ihr gezeigt. Ein Begehren geweckt, mit dem sie nicht wirklich umgehen konnte, und das sie seitdem vor sich herschob.

Kapitel 2

»Vielen Dank für ihr Verständnis, Herr Schmitt!« Sie legte das Smartphone auf den Tisch und schraubte die Wasserflasche auf. Der Kleinunternehmer würde ihren gut gefüllten Abfallcontainer doch noch eine ganze Weile länger auf seinem Gelände zwischenlagern müssen. Wieder Mehrkosten, der verflixte Sachverständige reiste in ganz Süddeutschland herum und fand für die Begutachtung ihres Schadens voraussichtlich erst in vierzehn Tagen Zeit. Es war Freitag, drei Tage nach Tines Beerdigung, und sie zählte längst nicht mehr mit, wie oft sie schon bei wem angerufen hatte. Belisas ganzer Mund war trocken.

Sie setzte gerade die Flasche an die Lippen, als es an der Ateliertür klopfte. Nicht zum ersten Mal, an der Scheibe hing zwar seit Samstag letzter Woche ein Schild Bis auf Weiteres Geschlossen, doch das hielt niemanden ab. Im Gegenteil, ihr Atelier war durch das mit Packpapier zugeklebte Schaufenster offenbar erst richtig interessant geworden. Das Klopfen wurde hartnäckig. Belisa behielt Ruhe. Sie trank einen Schluck, verschraubte sorgfältig die Mineralwasserflasche und atmete durch.

»He! Belisa Kinkaid! Mach auf! Wir wissen, dass du da drin bist!«

Der Kunde gab nicht nach. Sie schüttelte den Kopf und ging öffnen.

»Na endlich. Du lässt einen ja ewig klopfen.« Draußen standen Tines Bruder und seine Ehefrau. Oder Freundin? Sie wusste das nicht ganz genau. Er drängte sich an ihr vorbei.

»Holla! Wolltet ihr nicht zuerst anrufen?«

»Damit du in der Zwischenzeit die Hälfe wegschaffen kannst? Nein, meine Gute!« Tines Bruder stampfte in ihren leeren Laden – und sah sich irritiert, sogar wütend um. »Wo ist das alles? Die Werkstatt! Das Warenlager?«

»War alles im Keller. Hat dir das Tine nicht erzählt? Und wenn wir schon darüber reden – es gibt hier nichts zu holen. Den Weg hättest du dir sparen können.«

»Willst du mich für dumm verkaufen?« Tines Bruder baute sich breit vor ihr auf. »Tine hat in ihrem Blog genau ihr Equipment beschrieben. Die japanischen Nähmaschinen und all das. Ich habe mich im Internet schlau gemacht, schon eine davon kostet über achttausend Euro, ohne die Stick-Programme.«

»A – welcher Blog? Und B – wir hatten hier kurz nach dem Unfall deiner Schwester einen Wasserschaden, falls du das nicht weißt. Es ist alles ruiniert.«

»Dafür kommt ja wohl die Versicherung auf! Ich lasse mich auf einen Vergleich ein, wenn das so stimmt. Eine Nähmaschine ist nach anderthalb Jahren Gebrauch sicher nicht mehr ganz neuwertig. Aber dass uns wenigstens der Zeitwert zusteht, siehst du ja wohl ein.«

»Wolf!« Tines Schwägerin zog ihren Mann am Arm.

»Lass mich! Das muss ausgeredet werden. Sonst sind wir hier noch die Dummen.«

»Zu deiner Information: Tine war nur meine Angestellte«, sagte Belisa und es kostete sie Kraft. »Alles, was hier stand oder noch steht, habe ich aus meiner Tasche finanziert. Ich weiß nicht, was sie in diesem Blog geschrieben hat, von dem ich nebenbei erst heute erfahre. Aber gehört hat ihr in meinem Atelier nichts. Die Nähmaschine, an der sie gearbeitet hat, habe ich gekauft. Genau wie alles andere hier.«

»Das kann nicht sein! Du lügst doch!«

»Was hätte ich denn davon? Lass dir einen Auszug aus dem Handelsregister geben. Dort steht schwarz auf weiß, dass ich Allein-Inhaberin von Belisa am Wiener Platz bin. Ich habe nichts zu verbergen. Außerdem bin ich pleite.«

»Aber die Kollektion! Tine sagte, ihr wärt demnächst groß herausgekommen.«

»Wären! Beide Kollektionen hätten wir in den nächsten Wochen erst einmal nähen müssen. Kannst du mir verraten, wie ich das alleine schaffen soll, ohne Näherin? Ohne Tine? Unabhängig davon, dass die ganze Ware im Abfallcontainer liegt. Ich kann es mir nicht leisten, die Stoffe noch einmal zu bestellen. Es sei denn, du gehst für mich in Vorkasse.«

»Was? Das ist ja wohl die größte Unverschämtheit! Erst schickt uns deine saubere Anwältin die Bestatter-Rechnung zurück, dann verweigerst du mir meinen Erbteil, und jetzt soll ich dich auch noch finanzieren? Das ist Betrug! Ich zeige dich an!«

»Ich glaube, ihr geht jetzt besser!« Sie öffnete ihm die Tür. Tines Schwägerin wirkte betreten, für sie tat es Belisa leid. Trotzdem musste sie sich sehr beherrschen, Tines Bruder nicht die halb volle Wasserflasche hinterher zu schleudern. Sie hätte vor Wut platzen können. Teure japanische Nähmaschinen, weiß Gott! In Wirklichkeit stand sie vor einem Scherbenhaufen. Natürlich war der Wiener Platz eine gute Adresse für ein kleines Atelier. Dass sie im schicken Haidhausen Kundinnen fand, die sich maßgeschneiderte Kleidung leisten konnten, war einer der Punkte gewesen, auf die sie ihr Geschäftsmodell gegründet hatte. Aber was glaubte Wolf eigentlich, was blieb, wenn man die Miete, Löhne und Material bezahlt hatte? Dazu kamen noch Sozialabgaben, Versicherungen und die Kreditraten. Nicht zu vergessen die Gebührensätze der Anwältin. Die sie nebenbei am besten sofort noch über diesen Blog von Tine informierte.

Sie konnte sich nur nicht dazu aufraffen. Belisa blieb an der Tür stehen und starrte eine ganze Weile hinaus. Autos fuhren vorbei, Menschen gingen ihren Geschäften nach. Nur ihres war leider nie richtig angelaufen. Nach drei Jahren auf der Kippe war es klüger, die Reißleine zu ziehen. Sie wusste, wann sie geschlagen war. Außerdem hatte ihre Tante für das Existenzgründerdarlehen gebürgt, mit ihrem Haus in Dachau, und Belisa wollte verdammt noch einmal nicht, dass sie es wegen ihr verlor.

Sie wandte sich ab und holte tief Luft. Wahrscheinlich würde sie es bereuen, das heißt, es war immer eine Schnapsidee gewesen, Kim für ein neues Shooting zuzusagen. Doch sie stand bei der Bank diesen Monat schon so tief in der Kreide, dass die ihr mit Sicherheit das Konto sperrte, wenn sie jetzt noch einmal eine größere Summe abhob. Dabei brauchte sie mindestens siebenhundert Euro. Allein die Flanierkarte für den Wiener Opernball kostete schon zweihundertfünfzig, dazu kam noch das Ticket für die Bahnfahrt, vielleicht ein Termin beim Frisör, eine Übernachtung. Half nichts! Das Shooting würde wieder alle ihre Dämonen wecken, doch irgendwann musste sie sich ihnen stellen. Wenn sie zu Fuß zu Kim lief, tat sie sogar noch etwas für ihre Kondition. Sie nahm ihre Schlüssel und die Winterjacke, und schrieb Kim eine Nachricht.

Bin unterwegs.

U

Die Initialen KIM über dem Eingang standen für Katharina Isabella Meyer und einen sehr edel in Perlgrau gehaltenen, puristisch eingerichteten Laden. Das Studio im Stockwerk darüber war überheizt, oder wenigstens kam es Belisa nach dem Marsch durch die Kälte so vor. Sie hängte ihre Jacke an der Garderobe auf und erschrak, als sie zwei kleine, aber kräftige Hände energisch von hinten bei den Schultern packten.

»Dachte ich es mir doch! Du bist schon wieder völlig verkrampft.«

Kim war ihr lautlos die dick mit Hochflor-Teppichboden belegte Treppe hinauf gefolgt. Sie trug von Kopf bis Fuß schwarz, ein Schnürmieder über einem hautengen Shirt mit langen Ärmeln, dazu einen hochgeschlitzten Stiftrock und High Heels, die ihren normalen einen Meter fünfundsechzig stolze zwölf Zentimeter hinzufügten. Sie fotografierte oft mit Selbstauslöser, zum Beispiel, wenn sie Belisa die Lippen nachschminkte oder verwischtes Augen-Makeup korrigierte. Kims kurzer, schockweiß gebleichter Pixieschnitt schuf dann den perfekten Kontrast zu Belisas langen, dunklen Haaren. Sie harmonierten in solchen Moment-Aufnahmen gut miteinander, doch leider hatten es bei letzten Shooting nur zwei davon ins Coffee-Table-Book geschafft. Die schmückten nun die Innenseiten des Einbands, gehörten zu Belisas Lieblingsfotos, und waren von allen noch die harmlosesten.

»Nervös?«

»Ja!« Dass sie jetzt im Gegensatz zum letzten Mal genau wusste, was auf sie zukam, machte es in gewisser Weise nur noch schlimmer. Sie tat es, weil sie Kim lange kannte und ihr vertraute. Weil das Ergebnis, das Model im Coffee-Table-Book, von ihr selbst, Belisa Kinkaid, sehr weit entfernt war. Trotzdem fragte sie sich, ob sie es auch dieses Mal wieder schaffen würde, sich so weit zu entblößen. Kim musterte sie.

»Schau, Bella, es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder, du lässt dich darauf ein und zeigst mir alles – oder wir lassen es ganz! Wir wissen beide, dass es dich geil machen wird. Genau das wollen Leser sehen, wenn sie das Coffee-Table-Book aufschlagen. Die glänzenden Augen und halb geöffneten Lippen des Models, die ihnen aus den Hochglanzfotos entgegenleuchten, befeuern ihre Kaufentscheidung. Außerdem, sei ehrlich zu dir selbst: Du bist darauf scharf, meine Kollektion zu tragen. Du willst die Stücke auf dir spüren. Also, komm jetzt! Wir fangen mit der normalen Lingerie an und danach starten wir richtig. Müssen wir vorher noch ein Brazilian Waxing einschieben?«

»Nein, das habe ich gestern schon erledigt.«

»Perfekt!« Kim drehte sich um, ging ihr in voraus.