Die österreichische Weltreisende Ida Pfeiffer (1797 - 1858) war die erste europäische Frau, die das Innere der Insel Borneo durchquerte. Sie verbrachte nach problematischen Jugend- und Ehejahren den dritten Abschnitt ihres Lebens als Weltreisende und erfolgreiche Reiseschriftstellerin. Damit war sie als Frau in der Zeit des Biedermeier eine viel beachtete Ausnahmeerscheinung. Auf ihren ausgedehnten Fahrten legte sie insgesamt 240.000 km zur See und 32.000 km auf vier Kontinenten zurück. Sie schrieb darüber 13 Bücher, die in sieben Sprachen übersetzt wurden. (Quelle: Wikipedia Seite Ida Pfeiffer)1

Über das Buch:

Zu ihrer Weltreise brach Ida Pfeiffer im Mai 1846 auf, über Hamburg gelangte sie nach Rio de Janeiro. In Brasilien entkam sie nur knapp einem Mordanschlag. Im Februar 1847 machte sie die gefürchtete Schiffspassage durch die stürmischen Gewässer um Kap Horn nach Valparaíso in Chile. Über Tahiti, wo sie von der Königin empfangen wurde, erreichte sie Macau, danach Hongkong und Kanton. In diesen Orten war das Auftreten einer weißen Frau ein so außerordentliches Ereignis, dass sie immer wieder in Bedrängnis geriet. Über Singapur ging es weiter nach Ceylon, von dort nach längeren Exkursionen Ende Oktober 1847 nach Südindien. Hauptsächliche Stationen ihrer Reise durch den indischen Subkontinent waren Kalkutta, Benares und Bombay. Sie fand Aufnahme in den Häusern reicher und vornehmer Inder, nahm an einer Tigerjagd teil, legte aber auch weite Strecken auf Ochsenkarren zurück. Im April 1848 reiste sie weiter nach Mesopotamien und Persien, sie besuchte Bagdad, begleitete Karawanen durch die Wüste, sah die Ruinen von Babylon und Ninive, wurde von Räubern bedroht. Der britische Konsul in Täbris, ein Landeskenner, war von der Kühnheit ihrer Unternehmungen tief beeindruckt. Über Armenien, Georgien, Odessa, Konstantinopel und Athen ging es nach Hause. Die Aufzeichnungen von dieser Reise erschienen 1850 in drei Bänden. (Quelle: Wikipedia Seite Ida Pfeiffer).

Die hier vorgestellte Neuauflage enthält die ursprünglichen drei Bände, wurde in die aktuelle Rechtschreibung konvertiert und ist in moderner Antiqua-Schrift gedruckt.


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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

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Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7543-6467-3

Inhaltsverzeichnis

Vorrede.

Schon in mehreren Zeitungen ward ich Touristin genannt; dieser Name gebührt mir indessen, seiner gewöhnlichen Bedeutung nach, leider nicht. Einerseits besitze ich zu wenig Witz und Laune, um unterhaltend zu schreiben, und andrerseits zu wenig Kenntnisse, um über das Erlebte gediegene Urteile fällen zu können. Ich vermag nur schmucklos das zu erzählen, was mir begegnet, was ich gesehen, und will ich etwas beurteilen, so kann ich es bloß von dem Standpunkt einfacher Anschauung aus.

Manche glauben vielleicht, Eitelkeit sei die Veranlassung zu dieser großen Reise gewesen. Ich kann darauf nichts erwidern, als: Wer dies denkt, möge selbst eine ähnliche Reise unternehmen, um zu sehen, dass solche Beschwerden, solche Entbehrungen und Gefahren nur durch angeborene Reiselust, durch unbegrenzte Wissbegierde überwunden werden können.

Wie es den Maler drängt, ein Bild zu malen, den Dichter, seine Gedanken auszusprechen, so drängt es mich die Welt zu sehen. — Reisen war der Traum meiner Jugend, Erinnerung des Gesehenen ist nun das Labsal meines Alters.

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Freundlich und gütig hat das geehrte Publikum meine ungeschmückten Reiseberichte "nach dem heiligen Land, nach Island und Skandinavien" aufgenommen, und dies ermutigt mich, abermals mit dem Tagebuch dieser meiner letzten und größten Reise in die Öffentlichkeit zu treten.

Ich möchte durch die Erzählung meiner Erlebnisse den geehrten Lesern und Leserinnen einen Teil jenes Vergnügens bieten, das die Reise mir selbst in großem Maße gewährte!

Wien, den 16. März 1850.

Die Verfasserin.

ERSTER BAND

Erster Band

Reise nach Brasilien.

Abreise von Wien. Aufenthalt in Hamburg. Dampfschiffe und Segelschiffe. Abfahrt. Cuxhaven. Der Kanal la Manche. Die fliegenden Fische. Die Phisolide. Sternbilder. Das Überschreiten der Linie. Die Vamperos. Die starke Briefe und der Sturm. Kap Frio. Einfahrt in den Hafen von Rio de Janeiro.

Am 1. Mai 1846 verließ ich Wien und ging, einige kleine Unterbrechungen zu Prag, Dresden, Leipzig abgerechnet, gerade nach Hamburg, um mich von da nach Brasilien einzuschiffen. In Prag hatte ich das Vergnügen, den Grafen Berchthold, einen Gefährten auf einem Teile meiner orientalischen Reise, zu sehen und von ihm zu hören, dass er Lust habe, die Reise nach Brasilien mitzumachen. Ich versprach, in Hamburg auf ihn zu warten.

Ein zweites interessantes Zusammentreffen hatte ich auf dem Dampfboote zwischen Prag und Dresden, und zwar mit der Witwe des Professors Mikan, die im Jahre 1817, bei Gelegenheit der Vermählung der österreichischen Prinzessin Leopoldine mit Don Pedro I., ihrem Gemahl nach Brasilien gefolgt war und später mit ihm auch das Innere des Landes wissenschaftlich bereiste.

Oft schon hatte ich von dieser Frau sprechen gehört, und groß war meine Freude, sie nun persönlich kennenzulernen. Die liebenswürdige Greisin teilte mir freundlich viele ihrer Erfahrungen mit, und gab mir manche Ratschläge und Verhaltensregeln, die mir in der Folge sehr nützlich waren.

Am 12. Mai kam ich in Hamburg an, und schon am 13. hätte ich Gelegenheit gehabt, mich einzuschiffen, und zwar auf einer herrlichen, schnell segelnden Brigg, die noch dazu meinen Namen "Ida" trug. Mit schwerem Herzen sah ich das schöne Schiff absegeln — ich musste zurückbleiben, da ich meinem Reisegefährten versprochen hatte, ihn hier zu erwarten. Woche um Woche verging, und nur das Zusammensein mit meinen Verwandten verkürzte mir die lange Zeit des Erwartens. Endlich, Mitte Juni, kam er an, und bald darauf war auch ein Schiff gefunden, eine dänische Brigg "Caroline," Kapitän Bock, die nach Rio de Janeiro unter Segel ging.

Mir stand nun eine lange Seereise bevor, eine Seereise, die unter zwei Monaten nicht zu machen war, die aber auch drei und vier Monate dauern konnte. Zum Glück hatte ich schon auf meinen früheren Reisen ziemlich bedeutende Fahrten auf Segelschiffen gemacht, und war dadurch mit deren Einrichtung bekannt geworden, die von jener auf Dampfschiffen gänzlich verschieden ist.

Auf einem Dampfschiff ist alles luxuriös und bequem, die Fahrt selbst geht bei jedem Winde rasch vorwärts, und der Reisende findet frische und gute Nahrung, geräumige Kajüten und gute Gesellschaft.

Anders ist es auf Segelschiffen; diese sind, mit Ausnahme der großen Ostindienfahrer, für Reisende selten eingerichtet. Als Hauptsache werden die Waren betrachtet, und die Reisenden sind eine dem Schiffspersonal sehr unangenehme Zugabe, auf die gewöhnlich nur wenig Rücksicht genommen wird. Der Kapitän ist der Einzige, der sich für sie interessiert, da ihm von dem Passagiergeld ein Drittteil, ja auch die Hälfte zufällt.

Die Räume sind meist so beschränkt, dass man sich in der Schlafkabine kaum umwenden, in der Koje (Schlafstelle) nicht einmal aufrichten kann. Außerdem ist auch auf einem Segelschiffe die Bewegung weit stärker als auf einem Dampfschiffe, — dagegen behaupten aber wieder Viele, dass auf Letzterem das ewig gleichmäßige Erzittern, sowie der üble Geruch des Öles und der Steinkohlen unerträglich sei. Ich fand dies nicht; es ist wohl unangenehm, doch viel leichter zu ertragen als die vielen Unannehmlichkeiten, die man auf einem Segelschiff trifft.

Da ist man der Laune des Kapitäns ganz und gar anheim gegeben. Er ist unumschränkter Gebieter und herrscht über Alles. Auch die Kost hängt von seiner Großmut ab; sie ist zwar für gewöhnlich nicht ganz schlecht, doch im besten Falle nicht so gut, als auf einem Dampfer.

Die gewöhnlichen Gerichte sind: Tee und Kaffee ohne Milch, Speck und Salzfleisch, Erbsen- oder Kohlsuppen, Kraut, Kartoffeln, harte Klöße, Stockfische und Schiffszwieback. Ausnahmsweise findet man auch Schinken, Eier, Fische, Pfannkuchen oder wohl gar magere Hühner. Brot wird auf kleineren Schiffen nur höchst selten gebacken.

Um sich die Kost zu verbessern, besonders bei einer längeren Reise, tut man sehr wohl, sich mit einigen Aushilfsmitteln zu versehen. Die zweckmäßigsten sind: Suppenglace mit feiner Zwieback; beide verwahre man in Blechkästchen, um Feuchtigkeit und Ameisen davon abzuhalten — ferner eine tüchtige Portion Eier, die man aber, wenn die Reise in südliche Gegenden geht, zuvor in starkes Kalkwasser tauchen oder in Steinkohlenstaub verpacken muss; dann Reis, Kartoffeln, Zucker, Butter, und alle Ingredienzien zur Bereitung von Weinsuppe und Kartoffelsalat. Erstere ist sehr stärkend, letzterer sehr kühlend. Dem, welcher mit Kindern reist, würde ich ganz besonders eine Ziege mitzunehmen empfehlen.

In Betreff des Weines muss man ja nicht vergessen, den Kapitän zu fragen, ob dies Getränk in der Zahlung mit begriffen ist, da man es sonst um teures Geld von ihm kaufen muss.

Aber auch noch andere Sachen als Lebensmittel sind da mitzunehmen, und zwar vor allem eine Matratze samt Polster und Decke, da man gewöhnlich nur eine leere Koje vorfindet. Man bekommt diese Gegenstände in jeder Hafenstadt billig zu kaufen.

Außerdem tut man auch gut, sich mit farbiger Wäsche zu versehen. Die Stelle des Wäschers vertritt ein Matrose, und dass man da die Wäsche nicht im besten Zustande zurückbekommt, ist leicht begreiflich.

Sind die Matrosen gerade mit der Stellung der Segel beschäftigt, so muss man außerordentlich achthaben, von einem herabfallenden Taue nicht beschädigt zu werden.

Doch all' diese Unannehmlichkeiten sind noch sehr gering — die wahre Qual beginnt gegen das Ende der Reise. Des Kapitäns Geliebte ist sein Schiff. Auf dem Meere gestattet er ihr das bequeme Negligé; aber im Hafen muss sie geputzt und geschmückt erscheinen. Keine Spur der weiten Reise, der Stürme, der glühenden Sonnenhitze darf man an ihr gewahren. Da beginnt denn ein unaufhörliches Hämmern, Hobeln und Sägen; jeder Sprung, jede Fuge und Beschädigung wird ausgebessert und am Ende das ganze Schiff mit Ölfarbe übermalt. Am ärgsten ist das Gehämmer, wenn die Fugen des Decks ausgebessert und mit Teer eingelassen werden. Dies ist beinahe unerträglich.

Aber genug von den Unannehmlichkeiten. Ihre Beschreibung soll nur dazu dienen, jene, die noch nie zur See gereist sind, einigermaßen vorzubereiten. Leute, die in Seehäfen wohnen, bedürfen dieser Andeutungen freilich nicht, denn die hören ja täglich davon sprechen; — nicht so wir armen Binnenstädter. Wir wissen oft kaum, wie ein Segel- oder Dampfschiff aussieht, viel weniger, wie man darauf lebt. Ich spreche aus Erfahrung, und weiß nur zu gut, was ich bei meiner ersten Seereise litt, weil ich, von nichts unterrichtet, außer einiger Wäsche und Kleidung, nichts mit mir nahm.

Nun zu dem weiteren Verlaufe meiner Reise. Am 28. Juni Abends schifften wir uns ein, und am 29. vor Sonnenaufgang wurden die Anker gelichtet. Die Reise begann eben nicht sehr ermutigend; wir hatten höchst flauen, beinahe gar keinen Wind, jeder Fußgänger ward, im Vergleich zu uns, ein Schnellläufer — wir legten die 8 Meilen [Auf der See wie auf Flüssen rechne ich immer nach Seemeilen, von welchen vier auf eine geografische Meile kommen.] bis Blankenese in sieben Stunden zurück.

Zum Glücke ward uns diese Langsamkeit nicht so lästig, da wir Anfangs noch lange die herrliche Hafenstadt im Gesicht behielten, und später an der holsteinischen Küste an den schönen Landhäusern der reichen Hamburger, die auf reizenden Hügeln gelegen, und von zierlichen Gärten umgeben sind, fortwährend unser Auge ergötzten. So schön dieses Ufer ist, so einfach und langweilig ist das linke, das Hannoveranische. Die Elbe hat an manchen Stellen schon eine Breite von 3 bis 4 Meilen.

Unterhalb Blankenese versehen sich die Schiffer mit Wasser aus der Elbe, das zwar schmutzig und trübe aussieht, doch die gute Eigenschaft haben soll, jahrelang der Fäulnis zu widerstehen.

Glückstadt (32 Meilen von Hamburg) erreichten wir erst am 30. Morgens. Der Wind hörte hier ganz auf, die Flut gewann die Oberhand, und wir trieben zurück. Der Kapitän ließ daher die Anker fallen, und benützte diese aufgedrungene Ruhe, die Kisten und Koffer auf und unter dem Deck befestigen zu lassen. Uns Müßiggängern wurde erlaubt ans Land zu gehen und das Städtchen zu besehen, an dem wir jedoch wenig zu bewundern fanden.

Die Reisegesellschaft bestand aus 8 Personen. Die vier Kajütenplätze waren, außer dem Grafen B. und mir, noch von zwei jungen Leuten besetzt, die in Brasilien schneller Glück zu machen hofften als in Europa. — Der Preis eines Kajütenplatzes betrug 100, jener des Zwischendecks 50 Dollars.

Im Zwischendecke befand sich, außer zwei achtbaren Bürgersmännern, noch ein altes Mütterchen, die dem Rufe ihres einzigen, in Brasilien angesiedelten Sohnes folgte, und eine Frau, deren Mann bereits 6 Jahre in Rio de Janeiro das Schneiderhandwerk betrieb. Man lernt sich auf Schiffen schnell kennen und hält so viel als möglich zusammen, um dadurch die Einförmigkeit einer langen Seereise erträglich zu machen.

Am 1. Juli gingen wir bei ziemlich stürmischem Wetter wieder unter Segel. Wir gewannen einige Meilen; mussten uns aber alsbald wieder vor Anker legen. Die Elbe ist nun schon so breit, dass man ihrer Ufer kaum mehr ansichtig wird. Durch die Heftigkeit des Wellenschlags zeigte sich bereits bei einigen aus unserer Gesellschaft die Seekrankheit. Auch am 2. Juli versuchten wir die Anker zu lichten, es war jedoch so erfolglos wie Tags zuvor. Gegen Abend sahen wir einige Delfine, auch Tummler genannt, nebst mehreren Möwen — Verkünder der nahen See.

Viele Schiffe zogen gar eilig an uns vorüber, — ach, sie konnten Sturm und Wind benützen, ihnen schwellte er die Segel und trieb sie eilend der nahen Stadt zu. Wir missgönnten ihnen dies Glück, und vielleicht hatten wir es dieser christlichen Liebe zu danken, dass wir auch am 3. Juli nicht weiter als bis Cuxhaven (64 Seemeilen von Hamburg) kamen.

Der 4. Juli war ein schöner, herrlicher Tag — für Jene, die ruhig am Lande bleiben konnten; aber für Seefahrer war er sehr schlecht, denn es ging auch nicht das kleinste Lüftchen. Am unsern Klagen zu entgehen rühmte uns der Kapitän das niedliche Städtchen, und ließ uns ans Land setzen. Wir besahen sowohl das Städtchen als auch das Badehaus und den Leuchtturm, und gingen dann sogar nach dem sogenannten "Busch", wo wir, wie man uns sagte, eine große Menge von Erdbeeren finden würden. — Nachdem wir bei glühender Hitze eine gute Stunde über Felder und Wiesen gestrichen waren, fanden wir wohl den Busch, aber statt der Erdbeeren nur Frösche und Nattern.

Wir drangen nun in den magern Hain, und sahen bei 20 Zelte aufgeschlagen; ein geschäftiger Wirt trat hervor, und während er uns einige Gläser schlechter Milch kredenzte, erzählte er, dass hier im Busch alljährlich durch 3 Wochen, oder eigentlich besser gesagt, an drei Sonntagen (denn unter der Woche blieben die Zelte geschlossen) Markt gehalten werde. Auch die Frau Wirtin trippelte herbei, und lud uns gar freundlich ein, ja nur den nächsten Sonntag hier zuzubringen. Wir würden uns, wie sie sagte, gewiss "köstlich amüsieren"; wir älteren hätten Unterhaltung an den erstaunlichen Künsten der Seiltänzer und Taschenspieler, und die jungen Herren würden schmucke Dirnen zum Tanz finden.

Wir taten sehr erfreut über diese Einladung, versprachen ganz sicher zu kommen, und gingen dann noch nach Ritzenbüttel, wo wir ein Schlösschen und einen Miniaturpark bewunderten.

5. Juli. Nichts ist so veränderlich als das Wetter; gestern schwelgten wir im Sonnenscheine, heute umgab uns dichter, finsterer Nebel, — und doch war uns das heutige schlechte Wetter lieber als das gestrige schöne, denn es erhob sich etwas Wind, und um 9 Uhr Morgens hörten wir die Ankerwinde knarren.

Unsere jungen Leute mussten sich nun die Partie nach dem Busch aus dem Kopfe schlagen, und das Tanzen mit hübschen Mädchen bis zur Ankunft in dem neuen Weltteile verschieben, — in Europa sollte kein Fuß mehr ans Land gesetzt werden.

Der Übergang von der Elbe in die Nordsee ist kaum bemerkbar, da sich die Elbe nicht in Arme teilt, und bei ihrem Ausfluss eine Breite von 8 — 10 Meilen hat. Sie bildet selbst ein kleines Meer und hat auch schon die grüne Farbe desselben angenommen. Wir waren daher sehr überrascht, als uns der Kapitän freudig zurief: "Nun haben wir den Strom übersegelt!" — wir meinten, schon lange auf dem Meere zu schiffen!

Nachmittags sahen wir die Insel Helgoland (den Engländern gehörig), die wirklich zauberhaft aus dem Meere emporsteigt. Sie ist ein nackter, kolossaler Fels, und hätte ich nicht aus einer der neuesten Geografien gewusst, dass sich bei 2500 Menschen darauf aufhalten, ich hätte die ganze Insel für unbewohnt betrachtet. Auf drei Seiten steigen die Felsenwände so schroff aus dem Meere, dass man gar nicht anlanden kann.

Wir schifften in ziemlicher Ferne vorüber, und sahen nur den Kirch-und Leuchtturm und den sogenannten "Mönch," einen frei stehenden, senkrecht abfallenden Fels, der von dem eigentlichen Stammfels getrennt ist und einen Streifen des Meeres durchschimmern lässt.

Die Einwohner sind sehr arm. Die einzigen Quellen ihres Erwerbs sind der Fischfang und die Badegäste, deren jährlich Viele kommen, da die hiesigen Seebäder, ihres außerordentlichen Wellenschlages wegen, von großer Wirkung sein sollen. Leider besorgt man, dass dieser Badeort nicht sehr lange mehr existieren dürfte, — alljährlich soll die Insel kleiner werden, bedeutende Felstrümmer lösen sich beständig ab, und das ganze Eiland kann einstens in die Tiefe des Meeres versinken.

Vom 5. bis 10. Juli hatten wir beständig stürmische und kalte Witterung, hohe See und starkes Rollen des Schiffes. Unter uns armen "Landkrabben" (so nennen die Seeleute die Landbewohner) herrschte allgemein die Seekrankheit. Den Kanal von England, auch Kanal la Manche genannt (360 Meilen von Cuxhaven), erreichten wir erst in der Nacht vom 10. auf den 11.

Wir erwarteten mit Sehnsucht die aufgehende Sonne, — sie sollte uns zwei der mächtigsten Reiche Europas zeigen. Zum Glücke bekamen wir einen schönen heitern Tag, und die beiden Reiche lagen vor unsern Blicken so nahe und herrlich, dass man zu glauben geneigt war, ein Schwestervolk bewohne die beiden Länder.

An Englands Küste sahen wir North—Foreland, das große Castell Sandowe, und die sich am Fuße der mehrere Meilen langen, etwa 150 Fuß hohen Kreidewände ausbreitende Stadt Deal; ferner South—Foreland, und endlich das antike Castell Dover, das echt ritterlich auf einer Anhöhe thront und die Umgegend Dover gegenüber, wo der Kanal am schmälsten ist, sahen wir an Frankreichs Küste Cap Grisnez, wo Napoleon ein kleines Gebäude errichten ließ, um, wie man sagt, nach England wenigstens sehen zu können — weiterhin den Obelisk, welchen Napoleon zur Erinnerung eines Lagers bei Boulogne setzen ließ, der aber erst unter Louis Philipp beendet wurde.

In der Nacht mussten wir in der Gegend von Dover kreuzen, da der Wind nicht zu unserm Vorteil war. Bei der tiefen Finsternis, die Land und Meer bedeckte, war dies sehr gefährlich, einerseits wegen der nahen Küste, andererseits wegen der Menge von Schiffen, die den Kanal befahren. Um das Zusammenstoßen zu vermeiden, wurde auf dem Fockmast eine Laterne aufgehangen, zeitweise eine Fackel angezündet und über Bord gehalten, und manchmal mit der Schiffsglocke geläutet — lauter sehr beängstigende Zeichen für einen der Seefahrt noch Ungewohnten.

Vierzehn Tage hielt uns der 360 Meilen lange Kanal gefangen; oft blieben wir 2 — 3 Tage an einer und derselben Stelle wie festgebannt, oft mussten wir Tagelang kreuzen, um nur einige Meilen zu gewinnen. In der Nähe von Start überfiel uns sogar ein tüchtiger Sturm. In der Nacht wurde ich plötzlich auf das Deck gerufen. Schon wähnte ich, es sei irgendein Unglück geschehen. Ich warf nur einige Kleider um, und eilte hinauf, — da hatte ich den überraschenden Anblick eines Feuermeeres; das Kielwasser bildete einen so starken Feuerstreif, dass man dabei hätte lesen können, die Wogen an der Seeseite glichen glühenden Lavaströmen, und jede aufspringende Welle warf Feuerfunken aus. Die Züge der Fische umgab ein unnachahmliches Licht, — weit und breit schimmerte Alles.

Dieses außerordentliche Leuchten des Meeres gehört zu den seltenen Erscheinungen, und es ereignet sich höchstens nach anhaltenden, heftigen Stürmen. Der Kapitän erzählte mir, dass er selbst noch nie das Meer in solcher Art habe leuchten gesehen. Mir wird dieser Anblick ewig unvergesslich bleiben.

Eine andere, kaum minder schöne Erscheinung bot uns einst, nach einem Gewitter, das Widerspiegeln der sonnenbeglänzten Wolken auf der Meeresfläche. Sie schimmerten und prangten in einem Farbenspiele, das noch jenes des Regenbogens übertraf.

Eddytower, den berühmtesten Leuchtturm Europas, konnten wir mit voller Muße betrachten, da wir zwei Tage in seinem Angesicht kreuzten. Die Höhe, Kühnheit und Stärke seines Baues ist wirklich wunderbar, noch wunderbarer aber seine Lage auf einem gefährlichen Riffe; vier Meilen von der Küste, entfernt erscheint er wie in das Meer hinein gemauert.

Wir schifften häufig so nahe an der Küste von Cornwall, dass wir nicht nur jedes Dörfchen genau betrachten konnten, sondern selbst die Menschen auf den Straßen und Feldern sahen; das Land ist hügelig und üppig und scheint sehr sorgfältig kultiviert.

Die Temperatur war während der ganzen Fahrt im Kanal ziemlich kalt und rau; nur selten stieg der Thermometer über 15 Grad [Ich rechne stets nach Reaumur, und zwar in Schatten.].

Endlich, am 24. Juli, erreichten wir das Ende des Kanals, und kamen in die hohe See; wir hatten ziemlich guten Wind, und befanden uns an 2. August schon auf der Höhe von Gibraltar, wo uns eine Windstill überfiel, die 24 Stunden anhielt. Der Kapitän warf einige Stücke weißen Geschirres, so wie einige große Knochen in das Meer, um uns zu zeigen, wie wunderschön grün derlei Gegenstände erscheinen, wenn sie langsam in die Tiefe sinken; natürlich kann man dies nur bei gänzlicher Windstille bemerken.

Des Abends erfreuten uns viele Mollusken durch ihr schönes Leuchten im Meere; sie sahen aus wie handgroße, schwimmende Sterne; auch bei Tage sahen wir sie häufig unter dem Wasser. Bräunlich rot gefärbt glichen sie an Form einem Fliegenschwarm; manche hatten einen dicken Stängel, der unter etwas ausgefranst war; bei andern hingen statt des Stängels viele Fäden hinab.

4. August. Heute war der erste Tag, der sich durch Hitze als südlich kundgab, doch fehlte ihm, wie auch den folgenden, jener reine, dunkelblaue Himmel, der sich so unnachahmlich schön über das Mittelmeer wölbt. Eine kleine Entschädigung gewährten die Auf-und Untergänge der Sonne, die oft von den seltsamsten Wolkenbildungen und Farbmischungen begleitet waren.

Wir befanden uns auf der Höhe von Marokko und waren an diesem Tage so glücklich, eine große Menge Boniten zu sehen. Das ganze Schiffspersonal kam in Bewegung, und von allen Seiten wurden Angeln ausgeworfen, — leider ließ nur ein einziger sich von unsern freundlichen Lockungen verführen, er biss an, — und sein gutmütiges Vertrauen verschaffte uns ein lang entbehrtes frisches Gericht.

Am 5. August sahen wir nach 12 Tagen wieder einmal Land, und zwar schon bei Sonnenaufgang das Inselchen Porto Santo, das aus spitzen Bergen besteht, die in ihren Formen vulkanischen Ursprung verraten. Einige Meilen vor dieser kleinen Insel steht gleich einem Vorposten der schöne Fels Falcon.

Noch am selben Tage kamen wir an Madeira vorüber, (20 Meilen von Porto Santo), aber leider in solcher Ferne, dass wir nichts als den langen Bergrücken sahen, der diese Insel durchschneidet. Unweit Madeira liegen die gebirgigen Inseln Desertas, die bereits zu Afrika gehören.

Wir begegneten nahe diesen Inseln einem Schiffe, welches mit kurzen Segeln unter dem Winde ging, woraus unser Kapitän schloss, dass es ein Kreuzer sei, der Seeräuber auf der Fährte habe.

Am 6. August sahen wir die ersten fliegenden Fische, doch in solcher Entfernung, dass wir sie kaum ausnehmen konnten.

Der 7. August brachte uns in die Nähe der Kanarischen Inseln, die aber leider, des starken Nebels wegen, für uns unsichtbar blieben. — Nun empfing uns der Passatwind, der von Osten bläst und allen Schiffern erwünscht ist.

In der Nacht vom 9. auf den 10. August traten wir in den Wendekreis der Tropen [Die Tropen erstrecken sich auf 23 Breitengrade südlich und nördlich von der Linie.]. Wir erwarteten nun von Tag zu Tag glühendere Hitze und heiteren Himmel, — und fanden keines von beiden. Die Atmosphäre war düster und neblig und der Himmel so umwölkt, wie dies in unserm rauen Vaterland höchstens an einem Novembertage statt hat. Alle Abende türmten sich die Wolken der Art auf, dass wir stets einem Wolkenbruch entgegen sahen; erst nach Mitternacht heiterte sich der Himmel gewöhnlich wieder auf, und ließ uns die schönen hell glänzenden Sternbilder des Südens bewundern.

Der Kapitän erzählte uns, dass er nun schon zum 14. Mal die Reise nach Brasilien mache, stets die Hitze sehr erträglich gefunden; und den Himmel nie anders als im düstersten Gewand gesehen habe. Dies rühre von der feuchten, ungesunden Küste von Guinea her, deren böse Wirkung sich noch weit über uns hinaus erstrecke; — wir waren 300 Meilen von ihr entfernt.

In den Tropen macht sich der schnelle Übergang vom Tage zur Nacht schon sehr bemerkbar; 35 — 40 Minuten nach Untergang der Sonne herrscht schon tiefe Finsternis. Der Unterschied zwischen Tag-und Nachtgleiche vermindert sich noch mehr, je näher man der Linie kommt. Unter der Linie selbst ist der Tag und die Nacht gleich lang.

Den 14. und 15. August segelten wir parallel mit den Kapverdischen Inseln. Wir waren kaum 20 Meilen von ihnen entfernt; konnten sie aber des düsteren Dunstkreises wegen nicht erblicken.

Nun erfreuten uns schon häufig kleine Schwärme fliegender Fische, die sich oft so nahe der Schiffswand erhoben, dass wir sie vollkommen genau betrachten konnten. Sie haben beiläufig die Größe und Farbe der Heringe, nur dass ihre Seitenflossen länger und breiter sind, und sie dieselben öffnen und schließen können, wie kleine Flügel. Sie erheben sich bei 12 — 15 Fuß in die Höhe und fliegen oft über 100 F. weit, worauf sie auf Augenblicke untertauchen, um sich dann neuerdings zu erheben; Letzteres geschieht besonders häufig, wenn sie von Boniten oder andern Feinden verfolgt werden. Wenn man sie etwas entfernt vom Schiffe auffliegen sieht, gleichen sie wirklich zierlichen Luftbewohnern. Gar oft sahen wir auch Boniten hinter den Armen herjagen, die dann ebenfalls versuchten, sich über das Wasser zu erheben; selten kam aber mehr als der Kopf zum Vorschein.

Sehr schwer hält es, einen dieser Luftsegler zu erhaschen, da sie sich weder mit Netzen noch Angeln fangen lassen; nur zufällig treibt der Wind manchmal in den Nächten einige aufs Deck oder in den Rost [Rost nennt man den Vorsprung an den äußern Schiffswand, in welchem die Mast-Taue befestigt sind.], wo man sie dann des Morgens tot findet, da sie auf trocknen Stellen nicht die Kraft haben, sich zu erheben. Auf diese Art erhielt ich einige Exemplare.

Heute den 15. August ward uns ein höchst interessantes Schauspiel zu Teil: wir befanden uns gerade um die Mittagsstunde in Zenit der Sonne, deren Strahlen so senkrecht herabfielen, dass kein Gegenstand den geringsten Schatten warf. Wir stellten Bücher, Stühle, uns selbst in die Sonne, und ergötzten uns ungemein an diesem seltsame Spiele — dank dem Zufalle, der uns zur rechten Zeit an den rechten Ort führte; — wären wir zur selben Stunde nur Einen Grad näher oder entfernter gewesen, so würde die ganze Erscheinung für uns verloren gegangen sein. — Unsere Lage war: 14 Grad 6 Minuten der Breite; — ein Grad hat 60 Minuten; eine Minute ist gleich einer Seemeile.

Das Messen mit dem Sextanten [Der Sextant ist ein mathematisches Instrument, mittelst welchem berechnet wird, unter welchen Breiten-und Längengraden man sich befindet, und wie man in der Zeit steht. Nach ihm werden auch die Uhren gerichtet. Um die Breitengrade zu bestimmen, misst man Mittags, aber nur wenn die Sonne scheint, denn sie ist unbedingt nötig hiezu, weil nach dem Schatten, den sie auf die unten bemerkten Zahlen wirft, die Berechnung gemacht wird. Die Längengrade kann man Vor-oder Nachmittags messen, hierzu ist die Sonne nicht nötig.] musste unterbleiben, bis wir uns wieder einige Grade von dem Zenit der Sonne entfernt hatten.

17. August. Ganze Scharen von Springern (4 — 5 Fuß lange Fische, zum Geschlechte der Delfine gehörig) tummelten um unser Schiff umher. Schnell wurde eine Harpune zurecht gemacht und eine Matrose damit auf das Bugsprit geschickt, um einen zu harpunieren Entweder hatte der Bursche kein Glück oder er war in der Kunst des Harpunierens zu unerfahren, der Wurf ging fehl, und das Wunderbare dabei war, dass die Tiere wie mit einem Zauberschlag verschwanden, und auf mehrere Tage nicht mehr zum Vorscheine kamen; es war, als ob sie sich einander zugeflüstert und vor der drohenden Gefahr gewarnt hätten.

Desto häufiger kam ein anderes Geschöpf des Meeres zum Vorscheine, die herrliche Molluske Physolide, in der Schiffersprache "portugiesisches Segelschiff" genannt. Auf der Oberfläche des Meeres schwimmend gleicht sie mit ihrem länglichen Kamm, den sie auf-und niederlegen kann, wirklich einem kleinen, zierlichen Segler. Ich hätte mir gerne eines dieser Tierchen verschafft; aber es zu erhaschen war nur mittelst eines Netzes möglich, und ich hatte keines, auch nicht einmal Nadel und Bindfaden, um mir schnell eines zu verfestigen. Die Not aber macht erfinderisch, ich schnitzte eine Nadel aus Holz, drehte einen groben Bindfaden auf, und nach einigen Stunden hatte ich ein Netz. Bald war auch eine Molluske gefangen und in ein mit Seewasser gefülltes Gefäß gesetzt. Der Körper des Tierchens ist bei 6 Zoll lang und 2 Zoll hoch; über den ganzen Rücken zieht sich der Kamm, der in der Mitte, wo er am höchsten ist, bei 1 1/2 Zoll misst Kamm und Körper sind durchsichtig und wie angehaucht von blasser Rosafarbe; an dem Unterkörper, der violett gefärbt ist, hängen viele Fäden oder Arme von derselben Farbe.

Ich hing das Tierchen außerhalb des Schiffes am Stern auf, um es zu trocknen; einige der Fäden reichten bis in die See (eine Tiefe von wenigstens 12 Fuß), fielen aber meist ab. Der Kamm blieb nach dem Tode aufgerichtet und der Körper vollkommen ausgedehnt; die schöne Rosafarbe aber ging in Weiß über.

18. August. Heute wurde uns ein heftiges Donnerwetter zu Teil. Es war uns sehr erwünscht, da es die Luft bedeutend kühlte. Zwischen dem 11. und dem 2. bis 3. Breitengrade nördlich der Linie (Äquator) finden überhaupt häufige Veränderungen in Luft und Wetter statt. So überfiel uns auch am Morgen des 20. ein bedeutender Wind, der die Wogen des Meeres stockhoch auftürmte, und bis Abend anhielt, wo ihn ein tropischer Regen, den man bei uns einen Wolkenbruch nennen würde, ablöste. Unser Deck war augenblicklich in einen See verwandelt, dabei trat solche Windstille ein, dass selbst das Steuerruder vollkommen Ferien hatte.

Mich kostete dieser Regen eine Nacht, denn als ich Besitz von meiner Koje nehmen wollte, fand ich das Bettzeug ganz durchnässt, und musste mein Lager auf einer hölzernen Bank suchen.

Am 27. August kamen wir aus dem Bereiche dieser uns so feindlichen Grade und wurden nun von dem sehnlich erwünschten Süd-Ost-Passat empfangen, der uns rasch vorwärts brachte.

Wir waren nun schon der Linie sehr nahe, und hätten gerne, gleich andern Reisenden, die gepriesenen Sternbilder des Südens gesehen. Am begeistertsten hörte ich immer von dem südlichen Kreuze sprechen. Da ich Selbes aus den Sternen nicht herausfand, so bat ich unsern Kapitän, es mir zu zeigen. Er meinte, nichts davon gehört zu haben, ebenso der Obersteuermann, nur dem Untersteuermanne schien es nicht ganz unbekannt. Mit seiner Hilfe fanden wir auch wirklich am sternbesäten Firmament vier Sterne, die ungefähr die Form eines etwas schiefen Kreuzes bildeten, aber durchaus nichts Besonderes an sich hatten und uns gar keine Begeisterung einflößten. — Herrlich dagegen waren: der Orion, der Jupiter und die Venus; Letztere erglänzte der Art, dass ihr Licht eine schöne Silberfurche über das Meer zog.

Das Fallen vieler und großer Sternschnuppen kann ich ebenfalls nicht bestätigen. Es fielen wohl mehr als in kalten Ländern; aber gar zu häufig kommen sie auch nicht vor, und was ihre Größe betrifft, so sah ich nur eine, welche die unsern übertraf; sie erschien ungefähr dreimal so groß als ein gewöhnlicher Stern.

Seit einigen Tagen bemerkten wir auch schon die "magellanischen oder Cap-Wölkchen", und die sogenannte "schwarze Wolke", — Erstere sind licht und werden, gleich der Milchstraße, durch zahllose kleine Sterne gebildet, die dem entwaffneten Auge nicht sichtbar sind; Letztere erscheint schwarz, da an dieser Stelle des Firmamentes gar keine Sterne sein sollen.

Alle diese Zeichen machten uns auf den interessantesten Moment dieser Fahrt aufmerksam, — auf das Überschreiten der Linie.

Am 29. August Nachts 10 Uhr begrüßten wir, die südliche Hemisphäre! Ein beinah stolzes Gefühl bemächtigte sich Aller, aber besonders jener, die zum ersten Mal die Linie überschritten. Wir schüttelten einander freudig die Hände und beglückwünschten uns, als hätten wir eben eine Heldentat vollbracht. Einer der Reisenden hatte für diese Feierlichkeit ein Paar Flaschen Champagner mitgenommen. Lustig flogen die Stöpsel in die Luft, und ein fröhliches Lebehoch wurde der neuen Hemisphäre zugetrunken.

Unter dem Schiffsvolke fand keine Feierlichkeit statt; es ist dies auf den wenigsten Schiffen mehr gebräuchlich, da dergleichen Feste selten ohne Unordnung und Trunkenheit ablaufen. — Unserm Schiffsjungen, der die Linie zum ersten Mal passierte, konnten es aber die Matrosen doch nicht ganz schenken, und er wurde mit einigen Eimern Seewasser tüchtig getauft.

Schon lange vor Erreichung der Linie hatten wir Reisende von all' den Leiden und Qualen gesprochen, die wir unter dem Äquator würden auszustehen haben. Jeder hatte irgend etwas Fürchterliches gelesen oder gehört, und teilte es den Andern mit. Der Eine erwartete Kopfschmerzen oder Magendrücken, der Zweite sah die Matrosen vor Mattigkeit dahin sinken, der Dritte fürchtete eine glühende Hitze, die nicht nur den Teer schmelzen [Zur Schmelzung des Teers in den Fugen des Schiffes, braucht die Hitze eben nicht sehr bedeutend zu sein; ich sah ihn schon bei 22 Graden in der Sonne weich werden und Blasen aufwerfen.], sondern das ganze Schiff derart austrocknen werde, dass nur beständiges Begießen mit Wasser das Entzünden desselben werde verhüten können, — der Vierte sah wieder alle Lebensmittel verderben und uns dem Hungertode nahe.

Was mich nun selbst betraf, so freute ich mich schon außerordentlich auf die tragischen Erzählungen, die ich meinen teuren Lesern würde auftischen können; ich sah sie Tränen vergießen über unsere ausgestandenen Leiden, — ich kam mir schon vor wie eine halbe Märtyrerin!

Ach! ich hatte mich bitter getäuscht. Wir blieben Alle gesund, — von den Matrosen sank keiner hin, — das Schiff verbrannte nicht, und die Lebensmittel verdarben nicht, — sie blieben so schlecht wie zuvor.

3. September. Vom 2. bis zum 8. Breitengrade, südlich der Linie, sind die Winde unregelmäßig, und oft sehr ungestüm. Wir hatten eben heute den 8. Grad zurückgelegt, und zwar ohne Land zu gewahren, was den Kapitän in die heiterste Laune versetzte. Er erklärte uns, dass wir, wenn Land sichtbar geworden wäre, bis beinah' an die Linie zurückgemusst hätten, weil die Strömung dem Lande zu ungeheuer heftig sei, und man die Fahrt nur in der gehörigen Entfernung vom Lande ungehindert fortsetzen könne.

7. September. Zwischen dem 10. und 20. Grade herrschen wieder ganz eigentümliche Winde. Sie heißen Vamperos und zwingen den Seefahrer zu immerwährender Aufmerksamkeit, da sie plötzlich kommen und oft sehr heftig sind. Diese Nacht überfiel uns ein solcher, aber glücklicherweise keiner der heftigsten. Nach einigen Stunden war alles vorüber, — nur die See wollte sich lange nicht beruhigen.

Auch am 9. und 11. September hatten wir kurze Anfälle des Vampero zu überstehen; die stärksten kamen aber zum Schluss am:

12. und 13. September. Den einen bezeichnete der Kapitän zwar nur als "eine starke Briese," den 2. trug er aber schon als "Sturm" ins Logbuch [Das Logbuch ist das Tagebuch des Schiffers. Alle 4 Stunden wird darin genau verzeichnet, welche Winde man hatte, wie viele Meilen man gesegelt usw., kurz alle Begebenheiten. Mit diesem Buche muss sich der Kapitän beim Schiffseigentümer ausweisen.]. Die starke Briese kostete uns ein Segel, der Sturm zwei. Die See ging fortwährend so hoch, dass uns das Essen die größte Mühe kostete. Mit einer Hand musste man den Teller und zugleich sich selbst am Tische festhalten, während man mit der andern die Speisen dem Munde höchst mühsam zuführte. Des Nachts musste ich mich in der Koje mit Mantel und Kleidern fest stauen (packen), um meinen Körper vor blauen Flecken zu schützen.

Am Morgen des 13. war ich schon mit Tagesanbruch auf dem Decke. Der Steuermann führte mich an die Schiffswand und hieß mir, den Kopf darüber hinaus zu halten und die Luft einzuatmen; — ich sog den herrlichsten Blütenduft ein. Überrascht blickte ich umher und meinte das Land sehen zu müssen. Es lag jedoch noch weit entfernt, und nur der Sturm wehte den zarten Duft vom Lande her. Sonderbar war es, dass er innerhalb des Schiffes ganz verloren ging.

Das Meer selbst war bedeckt mit unzähligen Leichen armer Schmetterlinge und Nachtfalter, die ebenfalls der Sturm ins Meer getragen. Auf einer der Schiffsrahen ruhten zwei niedliche Vögelchen, noch ganz matt und erschöpft von dem ungewohnten weiten Fluge.

Für uns, die wir 2½ Monate lang nichts als Himmel und Wasser gesehen hatten, waren all' diese Erscheinungen höchst ergötzlich, und wir spähten nun sehnsüchtig nach dem Cap Frio, welchem wir schon sehr nahe waren. Der Horizont war aber wolkig und neblig, und die Sonne hatte keine Kraft den trüben Schleier zu zerreißen. Wir hofften auf den nächsten Morgen, — da brach in der Nacht ein neuer Sturm aus, der bis 2 Uhr anhielt. Das Schiff wurde so weit als möglich in die offene See gesteuert, und wir waren am Ende noch glücklich, am Tage dieselbe Höhe und Breite wieder zu erreichen, die wir Abends zuvor gehabt hatten.

Auch heute, den 14. September, gelang es der Sonne nur selten, das düstere Gewölke zu durchbrechen; dabei war es sehr kalt, der Thermometer stieg nur auf 14 Grade. Nachmittags waren wir endlich so glücklich, die Umrisse des Cap Frio (60 Meilen von Rio de Janeiro entfernt) zu erblicken, doch nur auf einige Stunden, denn ein abermaliger Sturm zwang uns wieder die hohe See zu suchen.

Am 15. September war und blieb alles Land unsern Augen entrückt, und nur einige Möven, Wassertauben von Cap Frio, verrieten uns die Nähe desselben, und gewährten uns einige Zerstreuung. Sie schwammen dicht an der Seite des Schiffes und verschlangen begierig jedes Stückchen Fleisch oder Brot, das wir ihnen zuwarfen. Die Matrosen fischten mit Angeln nach ihnen und waren wirklich so glücklich, welche zu fangen. Sie setzten sie auf das Deck, und da sah ich zu meinem Erstaunen, dass sie sich vom Boden gar nicht erheben konnten. Wenn wir sie berührten, schleppten sie sich nur höchst mühsam einige Schritte weiter, während sie sich von der Wasserfläche mit bedeutender Schnelligkeit erhoben, und sehr hoch fliegen konnten.

Gerne hätte einer der Herren einen getötet, um ihn auszustopfen; allein der Aberglauben der Schiffer protestierte dagegen. Sie sagten: Wenn man auf dem Schiffe Vögel tötet, fallen dauernde Windstillen ein. Wir folgten ihrem Wunsche und übergaben sie wieder ihrem Luft-und Wasser-Elemente.

Es war uns dies ein neuer Beweis, dass der Aberglaube unter den Seeleuten noch sehr heimisch ist. In der Folge kamen mir noch viele Beispiele vor. So sah es auf einem Schiffe der Kapitän sehr ungern, dass sich die Reisenden mit Karten- oder andern Spielen belustigten, — auf einem andern Schiffe sollte Niemand des Sonntags schreiben, usw. Bei Windstillen wurden häufig leere Tonnen oder Stücke Holz in das Meer geworfen — vermutlich, um dadurch den Göttern der Winde Opfer zu bringen.

Am 16. September. Morgens waren wir endlich so glücklich, die vor Rio de Janeiro gelegenen Gebirge zu erblicken, unter welchen wir auch sogleich den Zuckerhut herausfanden. Schon um 2 Uhr Mittags fuhren wir in die Bucht und in den Hafen von Rio de Janeiro ein.

Gleich am Eingange dieser Bucht liegen mehrere Bergkegel, die sich teils, gleich dem Zuckerhute, einzeln aus der See erheben, teils am Fuße mit andern zusammenhängen und beinah' unbesteigbar sind [Vor mehreren Jahren hat ein Matrose den Versuch gemacht, den Zuckerhut zu erklimmen; es gelang ihn zwar dessen Höhe zu erreichen, aber nicht, wieder herabzukommen. Wahrscheinlich glitt er aus und stürzte in die See.]. Durch dieses "Meergebirge", wie ich es nennen möchte, bilden sich die überraschendsten Ansichten, indem man bald wunderbare Schluchten, bald einen reizend gelegenen Teil der Stadt, bald wieder das hohe Meer, bald wieder eine herrliche Bucht erblickt. Aus der Bucht selbst, an deren Ende die Hauptstadt liegt, entsteigen Felsmassen, die Festungswerken als Grundlagen dienen. Auf einigen der Bergkuppen oder Hügel liegen Kapellen und auch Festungswerke. An eines der größten der letzteren, an St. Cruz, muss man so nahe als möglich heranfahren, um die nötigen Auskünfte zu erteilen.

Von dieser Festung rechts zieht sich der schöne Gebirgsrücken Serados-Orgôas hin, der, nebst andern Bergen und Hügeln, eine herrliche Bucht umsäumt, an deren Ufer das Städtchen Praya-grande, einige Dorfschaften und einzelne Gehöfte liegen.

Am Ende der Hauptbucht breitet sich Rio de Janeiro aus, von einer mittelhohen Gebirgskette umgeben (worunter der Corcovado, von 2100 Fuß), hinter welcher sich auf der Landseite des Orgelgebirge erhebt, das seinen Namen den vielen riesigen, gleich Orgelpfeifen in Reih und Glied aufgestellten Zacken verdankt. (Die höchste Spitze darunter von 5000 Fuß.)

Ein Teil der Stadt ist, wie bereits bemerkt, durch den Telegrafenberg und mehrere Hügel verborgen, auf welchen nebst dem Telegrafen, ein Kapuzinerkloster und andere kleine Gebäude liegen. Von der Stadt sieht man mehrere Häuserreihen und Plätze, das große Spital, die Klöster St. Luzia und Moro do Castella, das Convent St. BentoSt. KandelariaStadtgartenSt. GloriaSt. TheresiaFlamingoBotafogoZuckerhutes