Die Nachbarschaft: Die Planeten unseres Sonnensystems

Unsere Erde, wie sie blau leuchtend, bedeckt von einer Menge Wasser und umhüllt von weißen Wolken im All hängt, ist zweifellos ein besonderer Planet, aber er ist nicht der einzige. In der Nachbarschaft um unsere Sonne kreisen einige weitere Planeten, die der Erde durchaus ähnlich sind. Aber können wir von der Erde aus überhaupt bemerken, dass es sie gibt? Nun, manchmal hat man die zweifelhafte Freude, eine sternenklare Nacht mit einem weltraumbegeisterten Schlaumeier wie mir zu teilen. Und während man einige besonders helle, funkelnde Sterne bewundert, hört man plötzlich: »Der ganz helle da ist gar kein Stern, sondern ein Planet!«

Keine Bange, mit Ihren Augen ist alles in Ordnung. Sterne und Planeten sehen sich am Himmel sehr ähnlich, und wer sie auf Anhieb unterscheiden kann, hat wahrscheinlich schon Übung darin oder sich vorher schlaugemacht, wo zurzeit Planeten zu sehen sind. Wie wir sehen werden, sind manche Planeten heller als die Sterne, andere aber auch deutlich schwächer, und der entscheidende Unterschied liegt darin, wie sie sich am Himmel bewegen. Obwohl man sie nicht immer auf den ersten Blick unterscheiden kann, gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Licht der Sterne und dem der Planeten: Die Planeten, die uns sehr viel näher sind als alle Sterne, reflektieren das Licht unserer Sonne. Die Sterne hingegen leuchten selbst – jeder für sich, jeder eine eigene Sonne!

Den Nachthimmel genauer zu betrachten kann übrigens eine Menge Spaß machen. Wer eines der etwa 100 Planetarien in Deutschland besucht, bekommt unter anderem einen Überblick, welche Sterne, Planeten oder anderen Erscheinungen zur jeweiligen Jahreszeit gerade am Himmel sichtbar sind.* In Städten hat die Beleuchtung an Gebäuden und Wegen zur Folge, dass man weitaus weniger Sterne sieht als in einer dunklen Umgebung. Von diesem Effekt haben Sie vielleicht als »Lichtverschmutzung« gehört. Besonders, wenn Sie einen Urlaub in der Natur oder in dünnbesiedelten Gebieten planen, haben Sie also die Chance, den Sternenhimmel intensiv zu genießen. Als ersten Ort in Deutschland hat übrigens die gemeinnützige International Dark Sky Association (IDA) im Jahr 2014 den Naturpark Westhavelland in Brandenburg als »Internationalen Nachthimmel-Schutzpark« ausgezeichnet. Seitdem kümmern sich der Verein »Sternenpark Westhavelland« und die örtliche Verwaltung um günstige Lichtverhältnisse und bieten Informationsmaterial zum Sternenhimmel. Ebenfalls von der IDA ausgezeichnet sind Parks in der Rhön und der Eifel, und es gibt weitere Regionen und Vereine, die sich um einen ungestörten Nachthimmel bemühen. Ich konnte an der liebevoll von Freiwilligen getragenen Sternwarte St. Andreasberg im Harz einen meiner allerschönsten Sternenhimmel bewundern.

Besonders gut zu erkennen, und besonders sehenswert, finde ich die Venus. Sie ist im Rhythmus von einigen Monaten in der Dämmerung als Morgenstern oder Abendstern in der Nähe der Sonne zu sehen und ist dann neben der Sonne selbst oft das hellste Objekt am ganzen Himmel. Sie ist auch immer wieder für einige Monate gar nicht zu sehen, weshalb ich mich immer besonders freue, sie zu entdecken. Außerdem der Mars, der seinen Spitznamen »Roter Planet« völlig zu Recht trägt: Bei genauem Hinsehen ist seine rötliche Farbe durchaus auch mit bloßem Auge zu erkennen. Und nicht zuletzt Jupiter, der zwar viel weiter weg ist als Venus und Mars, aber wegen seiner enormen Größe ebenfalls sehr deutlich zu sehen ist, genauso wie der etwas weniger helle Saturn.

Ich verrate gern meinen persönlichen Lieblingstrick, um Planeten am Himmel zu erkennen: Sirius ist der hellste Stern an unserem Nachthimmel und steht – sichtbar etwa von August bis Mai – ein Stück »unten links« vom markanten Sternbild Orion. Orion erkennen Sie als Rechteck, das hochkant steht und etwa das Format einer Postkarte hat, in der Mitte durchzogen von einem »Gürtel« aus drei Sternen. Wenn Sie daneben also Sirius finden und irgendetwas anderes steht still am Himmel und leuchtet noch heller, dann haben Sie ziemlich sicher Venus, Mars oder Jupiter entdeckt. Saturn ist nicht heller als Sirius, kann aber ähnlich stark scheinen. Noch ein weiterer Umstand kann Ihnen bei der Unterscheidung helfen: Für gewöhnlich funkeln Planeten nicht, die Sterne um sie herum aber schon. Dieser Effekt hängt damit zusammen, dass Planeten der Erde sehr viel näher sind als Sterne.

Weil sie so gut sichtbar sind, ist die Existenz der meisten unserer Nachbarplaneten auch schon bekannt, seit Menschen regelmäßig den Himmel beobachten und sich Gedanken darüber gemacht haben, was sie dort sehen. Das Wort Planet kommt vom altgriechischen Wort »planetes« für »Wanderer«, und zwar, weil die Planeten anders über den Himmel wandern als Sterne. Stellen Sie sich ein bekanntes Sternbild wie den Großen Wagen vor. Die Sterne, die ihn bilden, stehen aus unserer Perspektive immer im gleichen Abstand und in derselben Konstellation zueinander. Was aber, wenn ein vermeintlicher Stern über mehrere Tage oder Wochen frech durch die Sternbilder wandert und dabei etwa dem Schützen vor die Flinte läuft oder zwischen den Zwillingen hindurchflitzt? Dann ist dieser wandernde Stern wohl ein Planet!

Die Erkenntnis, dass sich Planeten anders am Himmel bewegen als Sterne, ist jahrtausendealt. Doch die Menschheit hat erst viel später verstanden, wie sehr die Erde den anderen Planeten ähnelt. Von den heute bekannten Planeten des Sonnensystems waren die inneren sechs schon seit der Antike bekannt: Merkur, Venus, natürlich die Erde, Mars, Jupiter und Saturn. Frühe Versuche, ihre Erscheinung am Himmel zu verstehen, gingen noch von der Erde als Zentrum des Weltalls aus. Diese Modelle waren aber enorm kompliziert und mussten abenteuerliche, spiralartige Bewegungen der Planeten durch den Weltraum annehmen, um ihren Weg über den Himmel zu erklären. Europäische Astronomen des 16. und 17. Jahrhunderts konnten schließlich ganz langsam eine Vorstellung durchsetzen, nach der die Erde nicht im Zentrum des Sonnensystems steht, sondern nur einer der Planeten ist, und dass sie alle auf ellipsenförmigen Bahnen um die Sonne kreisen. Diese neue Idee hatte alles, was eine gute wissenschaftliche Theorie braucht, um eine andere abzulösen: Sie machte einfachere Grundannahmen möglich, konnte praktisch alle Beobachtungen erklären und erlaubte sogar erfolgreiche Vorhersagen.

Die Entdeckung von Uranus und Neptun, den am weitesten von der Erde entfernten Planeten, war ein Höhepunkt dieser Entwicklung. Erst mit Hilfe von Teleskopen war es im 18. Jahrhundert möglich, Uranus zu entdecken, weil dieser wegen seiner großen Entfernung zur Erde nur sehr schwach leuchtet. Doch es gab ein Problem: Uranus’ beobachtete Umlaufbahn entsprach nicht dem bekannten mathematischen Modell. Nach einigem Rätseln über diese Abweichung fanden Astronomen heraus, dass es einen weiteren großen Planeten in noch größerer Entfernung geben musste, der Uranus’ Umlaufbahn beeinflusste. Die Position dieses noch unbekannten Planeten konnte schließlich sogar vorausberechnet werden – und an genau dieser vorausberechneten Stelle fanden Astronomen tatsächlich den Planeten Neptun. Nicht schlecht, oder?

An dieser Stelle müssen wir ein für manche Menschen heikles Thema ansprechen: Pluto, den ehemaligen neunten Planeten. Wenn Sie – wie ich – zwischen 1930 und 2000 geboren sind, dann haben auch Sie wahrscheinlich gelernt, dass es neun Planeten im Sonnensystem gibt und dass Pluto der neunte Planet ist. Vielleicht kennen Sie noch den alten Merksatz mit den Anfangsbuchstaben der Planetennamen in der Reihenfolge ihres Abstands von der Sonne: »Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten« (M wie Merkur, V wie Venus, E wie Erde … und schließlich P wie Pluto). Doch diese Eselsbrücke ist seit 2006 hinfällig: Pluto gilt offiziell nicht mehr als Planet, das Sonnensystem besteht wieder aus acht Planeten, so wie es vor Plutos Entdeckung im Jahr 1930 war. Was ist passiert?

Schauen wir uns zunächst die offizielle Entscheidung der Internationalen Astronomischen Union an und sprechen dann darüber, welche Gründe es dafür gab. Die IAU hat auf einer Tagung in Prag im Jahr 2006 erstmals verbindliche Kriterien für Körper im Sonnensystem festgelegt, die sich »Planet« nennen dürfen. Diese Regeln lauten sinngemäß:

  1. Planeten kreisen regelmäßig um die Sonne,
  2. sie sind groß genug, um durch ihre eigene Schwerkraft annähernd kugelrund geworden zu sein,
  3. und es können zwar Monde um sie herumfliegen, aber sich keine ähnlich großen Nachbarn in der Umgebung ihrer eigenen Umlaufbahn aufhalten.

Pluto konnte die dritte Bedingung nicht erfüllen und schied deshalb aus. Zugegeben, das klingt ein bisschen gemein, ähnlich wie bei einer Messlatte vor einem Karussell, die nur Kinder ab einer bestimmten Größe zulässt. Aber es gibt einen historischen Hintergrund für diese Entscheidung, und vor diesem ist sie durchaus schlüssig.

Um Plutos Geschichte zu verstehen, müssen wir uns wieder zurück in die Zeit der Entdeckung von Uranus und Neptun versetzen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden neue Objekte in der Gegend zwischen Mars und Jupiter gefunden, die wir heute als Asteroidengürtel kennen. Sie wurden damals allerdings als Planeten gefeiert und Ceres, Pallas, Vesta und Juno genannt. Sie waren damit die Planeten Nummer acht, neun, zehn und elf. Rund ein halbes Jahrhundert später haben Forscher jedoch innerhalb kurzer Zeit immer mehr Objekte in ihrer Umgebung entdeckt, die natürlich ebenfalls zu Planeten erklärt werden mussten. Die Entdeckungen rissen nicht ab, und irgendwann, als im Sonnensystem über 20 Planeten gezählt wurden und kein Ende in Sicht war, gestand die Astronomie stillschweigend den Fehler ein und korrigierte das Bild des Sonnensystems: Es gab nun acht große Planeten und eine Menge sogenannter »Asteroiden«, zu denen auch Ceres, Pallas und Konsorten gezählt wurden. Ende gut, alles gut? Nicht ganz!

Erinnern wir uns kurz daran, wie Abweichungen in der Umlaufbahn des Uranus die Entdeckung Neptuns angekündigt hatten. Anfang des 20. Jahrhunderts schien es so auszusehen, als zeigte auch Neptuns Umlaufbahn ähnliche Störungen – und so begann die Suche nach einem neunten großen Planeten. Nach vielen Jahren der Suche wurde 1930 schließlich Pluto entdeckt und als ebendieser neunte große Planet gefeiert. Doch der vermeintliche Erfolg stellte sich bald als Irrtum heraus: Pluto war in Wirklichkeit sehr viel kleiner als ursprünglich angenommen, und einen weiteren großen Planeten hinter dem Neptun gab es offenbar doch nicht (aber später mehr zu einer aktuellen Theorie, die das anders sieht). Stattdessen wurden in den 1990er Jahren weitere Objekte in Plutos Umgebung gefunden. Als Mitte der 2000er Jahre schließlich gleich mehrere Objekte auftauchten, die sogar ähnlich groß waren wie Pluto, war der Schlamassel perfekt. Sollte sich nun die Geschichte des 19. Jahrhunderts wiederholen, als man Planet um Planet ausrief, bis es am Ende allen zu albern wurde?

Die IAU entschied sich im Namen der Astronomie gewissermaßen für einen erneuten Rückzieher und legte dabei erstmals die oben genannten Regeln als strikte Kriterien für Planeten fest. Nicht nur Experten waren enttäuscht, es gab Sympathiebekundungen von vielen Menschen, die Pluto gern als neunten Planeten behalten hätten. Die unerwartet breite Diskussion hat gezeigt, dass Astronomie uns alle bewegen kann. Ich finde, dass die Entscheidung richtig war und die passende Bühne für aktuelle, spannende Entdeckungen bereitet hat. Pluto ist nicht bloß bei den Planeten gefeuert worden, sondern hat gleich als prominentester Vertreter die neue Kategorie der »Zwergplaneten« begründet. Diese teilt sich Pluto mit einer bunten Truppe von alten Bekannten und aufstrebenden Neulingen auf der Bühne des Sonnensystems, deren Erforschung erst jetzt, Mitte der 2010er Jahre, richtig Fahrt aufnimmt.

Mit dem Vorbeiflug der Raumsonde New Horizons im Sommer 2015 erreichten die allerersten Bilder von der Oberfläche Plutos die Erde. Ganze 85 Jahre nach Plutos Entdeckung, und nach fast zehn Jahren im All, hat diese Sonde für uns so gute Bilder gemacht, dass wir einzelne Berge und Täler auf Pluto begutachten und ihnen Namen geben können. Vorher, bis zum Jahr 2014, hatte es von Pluto überhaupt keine scharfen Bilder gegeben. Um es sinngemäß mit den Worten der Astrophysikerin Katie Mack zu sagen: Pluto galt früher vielleicht als Planet, aber tatsächlich war er nur ein verschmierter Fleck im Teleskop. Inzwischen ist New Horizons an ihm vorbeigeflogen und hat Pluto zu einer faszinierenden Welt gemacht.** Oder nehmen wir zwei alte Bekannte im Asteroidengürtel, die Anfang des 19. Jahrhunderts ebenfalls als Planeten galten. Die Raumsonde Dawn umkreiste im Jahr 2011 zuerst Vesta und seit 2015 schließlich Ceres. Von diesen beiden alten Bekannten haben wir nun erstmals Fotos aus nächster Nähe. Deshalb bin ich mir sicher: Nach der Umsortierung, die auch Pluto erfasst hat, ist das Sonnensystem nicht ärmer, sondern reicher geworden. Und als Trost möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen, wie der schöne Merksatz wieder hingebogen werden kann, der mit Plutos Ausschluss futsch war. Der kann heute nämlich einfach lauten: »Mamas Vorträge Erklären Mir Jeden Sonntag Unseren Nachthimmel.«

Um uns in diesem Sonnensystem zurechtzufinden, schlage ich vor, dass wir uns die Entfernungen zwischen den Planeten vor Augen führen. Wie wäre es mit einem gewagten, aber maßstabsgetreuen Vergleich, bei dem wir den Ostermorgen nachspielen? Angenommen, die Planeten liegen als Süßigkeiten auf einer großen Wiese verteilt, wobei ihre Größen und Entfernungen im richtigen Maßstab von 1 zu 1700 Millionen zum tatsächlichen Sonnensystem stehen. Kommen Sie mit auf Planetensuche!

Wir beginnen bei der Sonne. Diese können wir uns als Skulptur in unserem Park vorstellen, eine große Kugel mit einem Durchmesser von fast zweieinhalb Metern. Die erste Planeten-Süßigkeit finden wir ungefähr einhundert Meter von der Sonne entfernt: Merkur ist eine Kaugummikugel, nur so groß wie eine kleine Murmel, und umkreist die Sonne. Man könnte auch sagen, Merkur eiert um die Sonne herum, denn seine Bahn beschreibt eine Ellipse um die Sonne. So ist Merkur an einigen Stellen knapp 120 Meter von der Sonne entfernt, aber auf der anderen Seite seiner Umlaufbahn weniger als 80 Meter. Fast noch einmal so weit weg von der Sonne liegt unsere zweite Entdeckung: Venus ist eine große Schokoladenkugel, etwa vom Durchmesser eines 2-Euro-Stücks. Sie umkreist die Sonne in einer Entfernung von etwa 180 Metern, diesmal tatsächlich auf einer annähernd kreisförmigen Bahn.


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