© Zweite Auflage: 2019 by Horst Hanisch, Bonn
© Erste Auflage: 2017 by Horst Hanisch, Bonn
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Die Ratschläge in diesem Buch sind sorgfältig erwogen, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird auf das geschlechtsneutrale Differenzieren, zum Beispiel Mitarbeiter/Mitarbeiterin weitestgehend verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter.
Idee und Entwurf: Horst Hanisch, Bonn
Lektorat: Alfred Hanisch, Bonn; Annelie Möskes, Bornheim
Buchsatz: Guido Lokietek, Aachen; Horst Hanisch, Bonn
Umschlag: Christian Spatz, engine-productions, Köln; Horst Hanisch, Bonn
Zeichnungen: Horst Hanisch, Bonn
Herstellung und Verlag: BOD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7448-2915-1
Kennen Sie das? Das kleine Kind ist beim Spielen gestolpert und hat sich am Knie einen unbedeutenden Kratzer zugezogen. Es schreit allerdings wie am Spieß. Tut es wirklich so weh?
Die Mutter weiß sich zu helfen. Sie zieht das Kind vertrauensvoll und tröstend an sich und haucht ihm ‚effekt-voll‘ aufs Knie. Wie von Zauberhand scheint der Schmerz verschwunden. Vielleicht schluchzt das Kind noch einmal auf – aber dann strahlt es schon wieder übers ganze Gesicht und rennt zum Weiterspielen davon.
Was ist geschehen? Nun, hier griff der Placebo-Effekt. Das Kind glaubt an die enormen (Zauber-)Kräfte der Eltern. Und wenn diese Kräfte eingesetzt werden, muss der Schmerz tatsächlich verschwinden – was er auch tut.
„Der Glaube versetzt Berge“, wie der Volksmund richtig weiß. Diesen und viele weitere Effekte können Sie sich im gesellschaftlichen und beruflichen Umfeld zunutze machen. Tatsächlich wird beim Gegenüber der Effekt erzielt, den Sie wünschen. Nutzen Sie die Macht des Torschluss-Effekts, des Primary-Effekts, des Trichter-Effekts und vieler weiterer.
Stimmt immer alles nur, wenn es sichtbar ist?
Glauben Sie an die Kraft der Effekte, die es schaffen, die eigene Wahrnehmung zu verzerren.
Praxisnah, zeitgemäß und kompakt. Das sind drei interne Vorgaben für unsere Rhetorik-Ratgeber. In unserer Reihe der kleinen Rhetorik-Handbücher wird jeweils ein wesentlicher Teil aus dem umfangreichen Bereich der Rhetorik kompakt vorgestellt.
Die Themenbereiche sind beispielsweise den Büchern ‚Das große Buch der Rhetorik 2100‘ oder ‚Trickreiche Rhetorik 2100‘ vom selben Autor entnommen. Die Zahl 2100 steht dabei für das 21. Jahrhundert, was die Aktualität der Themen unterstreicht. Diese entsprechen den heutigen Anforderungen im beruflichen Umgang miteinander.
Im vorliegenden Ratgeber „Rhetorik – Wahrnehmung verzerren“ wird schwerpunktmäßig auf folgende Themen eingegangen:
Viel Erfolg bei der Vertiefung bestehenden Wissens und erfolgreichen Einsatz im Berufsleben.
In den vorliegenden Überlegungen werden wir uns dem Thema Effekte widmen. Dabei sind weder irgendwelche Bankvorgänge gemeint noch physikalische Effekte, sondern Phänomene, die wir im zwischenmenschlichen Zusammenleben beobachten können.
Phänomen
Das Phänomen des Phänomens (erlauben Sie diese kleine Wortspielerei) war schon den alten Griechen geläufig. Sie kannten es unter dem Namen ‚fainómenon‘. Gebraucht wurde das Wort für etwas ‚Erscheinendes‘.
Ein Erscheinen, das mit einem der menschlichen Sinne wahrzunehmen ist. Der Glaube spielt hier keine Rolle, obwohl sich manches Phänomen sicherlich als Wunder bezeichnen ließe.
Der Volksmund verrät durch die Aussage „Der Glaube versetzt Berge“ die unheimliche Kraft des Glaubens, wie bereits im Einleitungstext erwähnt.
Tatsächlich werden wir bei dem einen oder anderen beschriebenen Effekt im zweiten Teil des Handbuchs den Eindruck gewinnen können, der Glaube habe seine Hand im Spiel. Allerdings nicht im religiösen Sinne.
Jedenfalls wird immer eine Beobachtung im Verhalten von Menschen zu bemerken sein, das uns manchmal nicht mehr rational erklärbar erscheint.
Effekt
Wenden wir uns nun den alten Römern zu, die für die Herkunft des Wortes Effekt herhalten dürfen. Sie kannten damals das Wort ‚effectus‘, das sich mit ‚Wirkung‘ oder auch als ‚Erfolg‘ übersetzen lässt.
Weiter ist im Wort Effekt ‚efficere‘ gleich ‚bewirken‘ und ‚hervorrufen‘ versteckt. Ein Effekt bewirkt also etwas. Ja – er ruft das Verhalten eines Menschen hervor. Ohne diesen Effekt gäbe es keine Verhaltensänderung.
Wir nehmen Informationen beziehungsweise Reize über die fünf Sinne Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Tasten wahr. Dabei wird beispielsweise der Gleichgewichtssinn nicht berücksichtigt.
Verfügt jemand über einen 7. Sinn, scheint er eine Art übersinnliche Wahrnehmung zu besitzen, für die es keine wissenschaftliche Erklärung gibt. So spürt möglicherweise jemand die Blicke eines Fremden im Rücken, ohne diesen zu hören oder zu sehen. Lassen wir deshalb diesen 7. Sinn außen vor, da unsere Effekte erklärbar sind.
Scharf, schärfer am schärfsten
Irrtümlicherweise meinen viele Menschen, dass ihre Wahrnehmung mit denen anderer Menschen identisch sei. Das ist bei weitem nicht so. Bekanntlich wimmelt es in unserer Sprache nur so von möglichen Mehrdeutigkeiten.
Was bedeutet beispielsweise ‚scharf‘?
Streng gewürzt, kristallklares Bild, angriffslustiger Hund, reizende Frau, des Messers Schneide, gerade noch davongekommen, extreme Straßenkurve, hochintelligentes Denken, spitzer Winkel, beißender Geruch, grelles Licht, einsatzbereite Munition, knallhartes Feedback, ausgefallenes Kleidungsteil, verbaler Angriff und der Buchstabe ‚das scharfe S‘. Unglaublich. Und das ist bestimmt noch nicht alles. Dieses eine Wort-Beispiel steht stellvertretend für viele andere.
Im Kontext, also im Zusammenhang mit ‚scharf‘ wird klarer, was gemeint ist.
Riesen und Zwerge
Auch mit Größe und Dimensionen ist es so etwas Undifferenziertes.
Was bedeutet groß oder klein? Sehe ich einen 1,80 m großen Menschen direkt mir gegenüberstehen, stimmt die Größe ungefähr mit meiner Vorstellung von 180 cm überein. Sehe ich denselben Menschen in 100 m Entfernung, bilden sich auf der Netzhaut nicht 180 cm, sondern ein kleineres Bild. Zwischen Daumen und Zeigefinger ist der Mensch nun nur noch ein paar Zentimeter groß. Trotzdem fahre ich nicht erschrocken zusammen und fürchte, mein Gegenüber sei geschrumpft.
Nein, denn das menschliche Gehirn hat gelernt, dass ein entfernter Gegenstand kleiner wirkt als derselbe in unmittelbarer Nähe.
Das Gehirn kann diese Berechnungen aufgrund des Kontextes wahrnehmen.
Was befindet sich um den Entfernten?
Gibt es Merkmale, die zum Vergleich herangezogen werden können?
Hier werden Größenrelationen dargestellt, die im Hirn verarbeitet werden können. Wir gelangen zu der Erkenntnis, die oben beschriebene Person müsse etwa 1,80 m groß sein.
Ohne Bezugspunkte können die Berechnungen nicht stattfinden – wir kommen zu keiner vernünftigen Lösung.
Hier wird übrigens von Größenkonstanz gesprochen.
Wenn Sie in stockfinsterer Nacht eine unbekannte Lichtquelle wahrnehmen, ist es (ohne Bezugspunkt) für Sie unmöglich, die Entfernung korrekt zu bestimmen.
Formkonstanz
Was Sehen Sie hier?
Möglicherweise 2 Kreise, 2 Ovale und ein schmales Rechteck in der Mitte.
Tatsächlich haben Sie fünf Momentaufnahmen einer sich drehenden Münze vor sich.
Links sehen Sie die Vorderseite, nun dreht sich die Münze – sie wirkt oval. Dann steht sie mit dem Rand zu Ihnen und bildet ein Rechteck.
Anschließend nimmt sie über das Oval zurück die Ausgangsform (diesmal die Rückseite der Münze) an.
Lassen Sie in einem Versuch eine Münze drehen, errechnet Ihr Gehirn trotzdem jedes Mal, dass die Münze rund ist – auch wenn sie anders auf der Netzhaut abgebildet wird.
Wir sehen also, dass wir uns auf die Wahrnehmung mithilfe unserer Sinne nicht immer eindeutig verlassen können. Glücklicherweise hilft uns unsere Neugierde, alles immer wieder zu hinterfragen, um dazuzulernen. Erahnen wir allerdings eine mögliche Wahrnehmungs-Irritation nicht, gibt es auch keinen Grund, nachzuforschen. Dann verhalten wir uns einfach so ‚wie wir denken, es richtig zu machen‘. Sagen wir mal: menschlich.
Wahrnehmung ausnutzen
Das hat Vorteile, da wir trotzdem leben können. Nachteile ergeben sich allerdings auch, da ein anderer unser Verhalten zu seinem Vorteil ausnutzen kann.
Wie das? Nun, derjenige, der bestimmte Wahrnehmungs-Verzerrungen erkennt, kann damit umgehen, da er die menschliche Reaktion einschätzen kann. Er gewinnt eine hohe Wahrscheinlichkeit der richtigen Vorhersage, wie sich ein Einzelner verhalten wird.