Schöne Frauen sterben zweimal! Berlin 1968 Kriminalroman Band 5

Tomos Forrest

Published by BEKKERpublishing, 2021.

Inhaltsverzeichnis

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Schöne Frauen sterben zwei Mal: Berlin 1968 Kriminalroman Band 5

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Also By Tomos Forrest

Schöne Frauen sterben zweimal!

Berlin 1968 – Band 5

Kriminalroman von Tomos Forrest

Der Umfang dieses Buchs entspricht 119 Taschenbuchseiten.

Sie war schön, und sie wusste es. Sie lebte gern gefährlich und spielte dabei mit ihrem Leben. Aber dann ging sie den entscheidenden Schritt zu weit, und der Privatdetektiv Bernd Schneider saß ihr im Nacken. Es waren unglaubliche Dinge, die bei näherem Hinsehen ans Tageslicht kamen. Ganz schnell wurde es Bernd Schuster klar: Die Schöne hatte sich mit den falschen Leuten eingelassen.

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Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

Cover: Nach Motiven und Grischa Georgiew 123rf – Steve Mayer, 2021

Titel/Charaktere/Treatment © by Marten Munsonius & Thomas Ostwald, 2021

Roman – Nach Motiven – by Tomos Forrest, 2021

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Ein eisiger Windhauch begleitete den Besucher, der rasch die Glastür hinter sich wieder zudrückte. Franziska sah erstaunt auf und registrierte rasch, dass dieser Mann im leichten Sommeranzug und einem kleinen Oberlippenbärtchen aussah wie ein Filmschauspieler. Allerdings eher wie einer aus den alten Ufa-Filmen, die sie liebte. Dazu passte auch der altmodische, leichte Sommerhut, den er bei seinem Eintreten abnahm.

Emil Jannings oder auch Werner Krauß.

‚Ein wenig aus der Zeit gefallen, und tatsächlich trägt der Kerl einen altmodischen Zweireiher und Hosenbeine mit Aufschlägen!‘, war der nächste Gedanke.

„Was können wir für Sie tun?“, erkundigte sie sich mit einem Lächeln.

„Informationen!“, antwortete der Mann mit einer seltsam klingenden Stimme.

„Sie möchten also, dass Herr Schuster für Sie Informationen sammelt? Bitte, nehmen Sie doch Platz. Mein Chef ist im Moment nicht anwesend, aber ich bin seine Assistentin und kann Ihnen vielleicht schon einmal bei den ersten Schritten behilflich sein.“

„Sind Sie seine Sekretärin oder bei den Ermittlungen tatsächlich so etwas wie eine Assistentin?“, erkundigte sich der Mann und nahm auf dem Besucherstuhl Platz. Franziska registrierte, dass er dabei sorgfältig an beiden Hosenbeinen zupfte, um seine messerscharfen Bügelfalten nicht zu gefährden.

„Ich bin durchaus die Assistentin von Herr Schuster!“, antwortete Franziska mit einem Lächeln. „Nicht nur, dass ich mich in seinen Fällen gut auskenne – ich habe oft gemeinsam mit ihm direkt vor Ort gearbeitet, wenn Sie verstehen, was ich meine“, ergänzte sie und hatte das Gefühl, dass mit dem Besucher nicht nur ein kurzer Windstoß hereingeweht war, sondern dass auch die Raumtemperatur sich um einige Grad gesenkt hatte.

Das konnte eigentlich kaum der Fall sein. Wenn Bernd Schuster auch sein Büro in der Kurfürstenstraße in einem ehemaligen Laden eingerichtet hatte und der Fußboden aus großen Fliesen bestand, so funktionierte doch die Heizung gut und Franziska hatte sich nie über Kälte beklagen können.

Ein wenig unruhig sah sie ihrem Gegenüber ins Gesicht, denn der Mann hatte sie seit ihrer Antwort schweigend gemustert.

„Wenn Sie mir bitte Ihr Anliegen vortragen würden, Herr...?“, erkundigte sich Franziska höflich.

„Todd, Frank Todd!“, erwiderte der Besucher und deutete eine leichte Verbeugung im Sitzen an.

‚Wie überaus passend!‘, dachte Franziska. ‚Wenn jemand einen so ausgefallenen Namen hat, muss er ja auch für eine entsprechende Atmosphäre sogen!“ Doch im nächsten Augenblick schalt sie sich selbst eine Närrin. Schließlich war heute der 22. Mai 1968, der Tag, an dem nach jahrelanger Bauzeit endlich das Tropenhaus des Botanischen Institutes wiedereröffnet wurde. Sie wollte mit Bernd und dessen Tochter Lucy am Eröffnungsabend teilnehmen und hatte sich rechtzeitig um die Einladung gekümmert.

„Schön, Herr Todd, dann fülle ich jetzt ein Formular an der Maschine aus. Wenn Sie so freundlich wären, mir Ihre persönlichen Daten vollständig anzugeben?“

Damit griff sie zu einer der großen Karteikarten und spannte sie in ihre IBM-Kugelkopfschreibmaschine ein. Diese vollkommen neuartigen Schreibmaschinen waren erst vor ein paar Jahren auf den Markt gekommen, und Franziska hatte extra noch einmal einen Kursus belegt, bei dem die besonderen Techniken einer elektrischen Schreibmaschine praktisch erprobt werden konnten. Es war nicht sonderlich schwer für sie, ihren Chef von der Notwendigkeit einer solchen Anschaffung zu überzeugen. Die Schreibgeschwindigkeit, aber auch das hervorragende Schriftbild und die Möglichkeit, mit nur einem Handgriff den Kugelkopf gegen eine andere Schrift auszutauschen, überzeugte den Privatdetektiv.

Von dem Tag an boten schon die täglichen Geschäftsbriefe seiner Detektei ein besonderes, auffallendes Bild. Und Franziska war stolz darauf, die IBM perfekt zu beherrschen.

„Das können wir uns schenken, Fräulein!“, antwortete der Besucher, und verwirrt sah sie von ihrer Tätigkeit auf. Frank Todd griff in die Innentasche seines Anzugs und Franziska ertappte sich dabei, wie sie für einen kurzen Moment den Atem anhielt.

Aber Todd hatte nur einen länglichen Briefumschlag herausgezogen und vor sich auf den Schreibtisch gelegt.

„Ich benötige nur einige Information, Fräulein. Aber nicht von Ihrem Chef. Ich möchte diese Informationen direkt von Ihnen erhalten.“

Verwirrt schüttelte sie den Kopf.

„Aber nein, Herr Todd – bitte, missverstehen Sie mich nicht, aber Herr Schuster legt allergrößten Wert darauf...“

„Hören Sie mir zu, Fräulein Markworth!“

Bei dieser Anrede saß Franziska kerzengrade und war unfähig, etwas zu erwidern. Sie wollte fragen, woher er ihren Mädchennamen kannte, und dagegen protestieren, wie er sich hier gerade aufführte. Aber sie verstummte unter dem Blick des Besuchers, der sie aus eiskalten, hellblauen Augen traf. In diesem Augenblick war der kalte Hauch wieder da, der den Besucher zu umgeben schien.

„In diesem Umschlag befinden sich eintausend D-Mark. Das ist für Sie, ein kleiner Nebenverdienst, von dem Sie Ihrem Chef nichts erzählen müssen.“

„Das... das kann ich...“, stammelte sie und verstummte, weil er sie mit einer herrischen Handbewegung unterbrach.

„Informationen will ich von Ihnen erfahren, Fräulein Markworth. Damit wir uns richtig verstehen: Das ist ein Auftrag, den Sie nicht ablehnen können. Ich melde mich in Kürze wieder bei Ihnen. Ich bin mir ganz sicher, dass wir beide uns prächtig verstehen. Auf Wiedersehen, Fräulein, bis in Kürze!“

Damit hatte er sich schon wieder erhoben, strich mit einer eigenartigen Geste über seinen schmalgeschnittenen Schnurrbart und griff nach seinem Hut.

„Herr Todd, bitte, so geht das nicht!“, brachte Franziska plötzlich heraus.

Der Besucher drehte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit zu ich herum, stützte sich auf dem Schreibtisch ab und kam mit seinem Gesicht ihrem unangenehm nah.

„Das geht, Fräulein, ganz sicher. Und ich möchte mich mich nicht wiederholen! Sie haben einen Auftrag, und Sie werden mir die gewünschten Informationen liefern. Rechnen Sie damit, dass ich ein sehr hartnäckiger ... Mandant bin!“

Er hatte vor der Bezeichnung einen winzigen Augenblick gezögert.

Dann nickte er ihr noch einmal zu, drehte sich auf dem Absatz um und war draußen, bevor Franziska noch richtig zur Besinnung kam und ihre alte Schlagfertigkeit wiedergewonnen hatte.

‚Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Legt mir Tausend Mark auf den Tisch und glaubt, dass ich für ihn arbeite? Informationen? Was für Informationen? Verflucht, Bernd, warum bist du nie da, wenn man dich wirklich dringend braucht?‘

Mit zitternden Fingern drehte sich die Wählscheibe ihres altmodischen Telefons. Es war noch eines der alten, schwarzen Geräte, und sollte erst in den nächsten Wochen durch die neuen, flotten Tastenmodelle ausgetauscht werden. Franziska presste den Hörer an ihr Ohr und lauschte dem Amtszeichen.

Leider schaltete sich nur der Anrufbeantworter im Auto ihres Chefs ein.

Mit einem Fluch warf sie den Hörer auf die Gabel und überlegte.

Ein Blick auf die zierliche Armbanduhr, die ihr Bernd zum Geburtstag vor zwei Monaten geschenkt hatte.

Es wurde Zeit, sich vor Lucys Schule aufzubauen. Sie hatten sich auf einen Milchshake verabredet, und Bernd Schuster hatte ihr das Versprechen abgenommen, in jedem Falle auf dieser Einladung zu bestehen.

Vor genau sechs Tagen, am 15. Mai, hatte die Studentenvertretung der Freien Universität zum Vorlesungsstreik aufgerufen. Man wollte sich zur Demonstration gegen die Notstandgesetze versammeln. An diesem Tag erfolgte die Zweite Lesung im Bundestag, und die Empörung rief die Studenten wieder in Scharen auf die Straßen. Leider war Lucy mit ihren Freundinnen nur zu gern mit dabei. Ob es gegen den Krieg in Vietnam ging, gegen die Bauprojekte einiger Unternehmer oder aber gegen die Springer-Presse. Bei zahlreichen Demonstrationen war Lucy Schneider zusammen mit ihrer Clique in der ersten Reihe dabei.

Und Bernd Schuster, der Privatdetektiv mit den guten Beziehungen zur Berliner Polizei, erhielt immer häufiger gut gemeinte Hinweise, wo man mit aller Härte gegen die Demonstranten vorgehen würde.

Dann wurde Franziska geordert, die dafür sorgte, dass eine passende Einladung Lucy von der Demonstration fernhielt. Jetzt, wo die Maitage langsam angenehm warm wurden, lockte jederzeit ein Eis beim Italiener im Europa-Center oder ein Besuch der neu eröffneten Milchbar.

Franziska schloss sorgfältig die Tür ab und ging hinüber zu ihrem knallrot lackierten Käfer.

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Bernd Schneider war gut gelaunt. Ihm hatte die Frauenstimme gefallen, die ihn am Telefon gebeten hatte, zu einer Adresse nach Spandau zu kommen.

„Ja, in die Siemensstadt?“, erkundigte er sich freundlich, denn dort wohnten ja durch die Siemens-Werke zahlreiche Berliner, auch wenn durch die Teilung Berlins der Ortsteil Staaken an Ostberlin fiel. Die Frau am Telefon, die sich mit Eleonora Roschmann vorgestellt hatte, lachte fröhlich auf.

„Siemensstadt? Na ja, beinahe, Herr Schuster! Nein, im Ernst, wir wohnen in der Immenweide, direkt am Teich. Ich rechne dann fest mit Ihnen.“

Bernd Schuster lachte ebenso fröhlich und versprach, pünktlich zu sein.

Ihm gefiel der sonnige Maitag, ihm gefiel der Umstand, dass er nach sieben Tagen Arbeitseinerlei wieder mal einen Auftrag zu erwarten hatte, und ihm gefiel das einstöckige Haus, vor dem er schließlich hielt. Es hatte Klasse. Es lag in einer noblen Wohnstraße, dem Ilmenauer Weg, wirkte vornehm-gediegen und deutete an, dass seine Besitzerin ein Honorar zahlen konnte, mit dem sich etwas beginnen ließ.

Bernd kletterte aus seinem 450 SEL, ging auf die schwarz lackierte, mit poliertem Messing abgesetzte Haustür zu, hob den im Hufeisenstil geformten Klopfer und hörte, wie im Hausinneren ein melodischer Dreiklanggong ertönte.

Ein Hausdiener öffnete die Tür. Er passte nahtlos in die Umgebung. Er sah gepflegt und zurückhaltend aus, er war ein Bilderbuch-Domestik.

„Sie werden erwartet, Herr Schneider“, meinte er und führte Bernd durch eine kleine, sehr geschmackvoll möblierte Halle in einen Salon, dessen hohe schmale Fenster auf einen Atriumgarten wiesen. Bernd Schneider setzte sich.

Der Diener verließ den Raum.

Bernd sah sich von kostbaren alten Möbeln der Louis-Seize-Epoche umgeben, die man auch als „Zopfstil“ bezeichnete. An den Wänden hingen europäische Impressionisten der ersten Garnitur, und die Knotenzahl des großen Orientteppichs musste in die Millionen gehen. Im Garten plätscherte ein Springbrunnen. Bernd fühlte sich eingesponnen in eine Atmosphäre kultivierten Wohlstandes, aber es lag auf der Hand, dass sie irgendwo ein paar Risse haben musste. Einen Mann seines Berufes holte man nur dann ins Haus, wenn man selbst keinen Ausweg sah.

Die Tür öffnete sich. Bernd erhob sich. Er war an den Umgang mit Schönheit gewöhnt, dafür sorgte schon seine hochattraktive Mitarbeiterin Franziska, aber die junge Frau, die ihm zur Begrüßung eine schmale Hand entgegenstreckte, stellte alles in den Schatten, was bisher seine Bewunderung weiblicher Reize herausgefordert hatte.

„Ich bin Eleonore Roschmann“, stellte sie sich vor.

„Bernd Schneider.“

Er erkannte die Stimme sofort wieder. Sie hatte ihn schon am Telefon verzaubert. Bernd fand, dass Eleonore Roschmann Gesichtsoval der Stimme um mindestens zwei Klassen überlegen war. Es hatte die Perfektion eines Meisterwerks. Große, lang bewimperte Augen, die wie schillernde Schächte wirkten, eine hohe, von blondem, schimmernden Haar umrahmte Stirn, eine kleine, elegante Nase und ein Mund, der von weichen, lockenden Kurven bestimmt wurde.

Bernd schätzte die junge Frau auf Mitte Zwanzig.  Sie trug einen schlichten Tweedrock, ein dazu passendes Twinset aus blassgrünem Cashmere und hochhackige Pumps, die die Vorzüge ihrer schlanken Beine betonten.

Eleonore Roschmann und Bernd setzten sich.

Die junge Frau schlug ein Bein über das andere, legte die beringten Hände um ein Knie und lächelte. Es war ein sehr hübsches Lächeln, natürlich, unverkrampft und warmherzig.

„Genau so habe ich Sie mir vorgestellt und erhofft“, sagte sie. „Souverän und dynamisch.“

„Danke“, sagte Bernd, der spürte, dass ihn etwas Ungewöhnliches erwartete. „Was kann ich für Sie tun, Frau Roschmann?“

„Oh, das ist rasch erklärt“, meinte Eleonore Roschmann. „Finden Sie meine Leiche.“

Bernd blinzelte. Er war eigentlich nicht so leicht zu überraschen. Ihm wurden immer wieder verrückte Aufträge angeboten, aber es geschah zum ersten Male, dass eine Lebende um das Auffinden ihres Leichnams bat. Das war grotesk und schlechthin unmöglich.

„Tragen Sie sich mit der Absicht, aus dem Leben zu scheiden?“, fragte Bernd.

„Nein. Dazu besteht kein Anlass.“

„Befürchten Sie, dass man einen Anschlag auf Sie verüben könnte?“

„Das schon eher, aber darüber möchte ich mit Ihnen nicht sprechen“, meinte die junge Frau. „Darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Drink? Eine Zigarette?“

„Wenn ich rauchen darf, würde ich gern meine eigene Sorte bevorzugen“, erklärte er.

Die Roschmann lächelte.

„Oh, harter Stoff!“, ergänzte sie, als Schuster die Packung Roth Händle herausholte und sich eine der filterlosen Zigaretten herausklopfte. Dann reichte er seinem Gegenüber Feuer mit seinem Dupont-Feuerzeug und beobachtete fasziniert, wie Frau Roschmann eine Zigarette mit Goldmundstück anzündete. Er fand, dass Eleonore Roschmann sich durch eine unübertreffliche Eleganz der Bewegungen auszeichnete. Sie wirkte nicht im mindesten nervös und machte einen beherrschten, selbstsicheren Eindruck. Der Wunsch, den sie geäußert hatte, ließ eher auf einen soliden geistigen Defekt schließen. Finden Sie meine Leiche! Das war absurd. Dennoch spürte Bernd, dass die junge Frau sehr überlegt handelte und genau wusste, was sie wollte.

„Ich habe vor, von der Bildfläche zu verschwinden“, sagte sie und lächelte dabei, als spräche sie vom Wetter oder von der Qualität eines Boulevardstücks. „Ich will, dass man mich für tot erklärt. Sie sind Privatdetektiv. Sie kennen alle Tricks der Branche, nehme ich an. Es kann Ihnen nicht schwerfallen, der Polizei eine Tote zu präsentieren, die man als Eleonore Roschmann identifizieren und begraben wird.“

„Aber das können nicht Sie sein.“

„Das ist richtig.“

Bernd seufzte. Versicherungsbetrug war nichts Neues, aber er hatte nicht erwartet, dass die junge Frau die Stirn haben würde, einen zu planen und ihn zu ihrem Komplizen machen zu wollen.

Sie sah einfach nicht so aus. Sie hatte Format. Und dennoch hatte sie keine Skrupel, ihm eine kriminelle Handlung vorzuschlagen. Offenbar waren ihre Auffassungen von Privatdetektiven stark korrekturbedürftig.

„Ich stelle mir das so vor“, sagte sie. „Offiziell bitte ich Sie zu mir, weil ich mich bedroht fühle. In Ihrer Gegenwart erfolgt ein Anschlag auf mich. Natürlich muss er mein Gesicht verunstalten. Die Tote, die Sie auftreiben müssen, wird meine Kleider tragen. Aber Sie werden der Mann sein, der der Polizei gegenüber erklärt, die Tote sei ich.“

„Nein“, sagte Bernd. „Dieser Mann werde ich nicht sein.“

Eleonore Roschmann ließ sich von der Ablehnung nicht im Mindesten irritieren. Sie lächelte immer noch. „Ich hatte vergessen, meinen Honorarvorschlag ins Gespräch zu bringen“, sagte sie. „Hunderttausend D-Mark. Wie finden Sie das? Die Hälfte davon bekommen Sie sofort in die Hand. In bar, versteht sich.“

Bernd liebte es, sich auszumalen, was er mit sehr viel Geld beginnen würde, aber er versagte es sich, auch nur einen Gedanken an den Betrag zu verschwenden, den die schöne Eleonore Roschmann ihm in Aussicht stellte. Natürlich mochte er Geld und diese Summe lockte selbst ihn, denn - was kaum jemand wusste – Bernd Schuster war sehr vermögend. Er hatte durch seine Erbschaft ein Vermögen erhalten, das gut angelegt wurde und ihm sehr gute Zinsen eintrug. Aber der Gedanke, lebenslang untätig zu sein und nur das Dolce vita zu genießen, ließ ihn sein Büro eröffnen und die sehr erfolgreiche Detektei zu betreiben. Nach außen hin tat er stets so, als wäre er tatsächlich die Honorare angewiesen, um seine Angestellte und die laufenden Kosten überhaupt betreiben zu können. Dabei bereitete es ihm immer ein diebisches Vergnügen, wenn Franziska jammerte, dass er viel zu großzügig bei machen Klienten war, wenn die seine Tagessätze nicht in voller Höhe übernehmen konnten.

Auch wenn das Honorar von 100.000 DM kein Pappenstiel war – er konnte bei einer solchen Sache nicht seinen guten Namen aufs Spiel setzen.

„Das läuft nicht“, sagte er und stand auf.

„Schade“, meinte Eleonore Roschmann. „Ist das Ihr letztes Wort?“

„Ja, Frau Roschmann. Ich bin an jedem Betrug interessiert, das hängt mit meinem Job zusammen – aber ich stehe nicht auf der Seite derer, die ihn begehen.“

„Es ist kein Betrug, wissen Sie. Niemand wird dabei geschädigt.“

„Sie sind verheiratet, nehme ich an?“

„So ist es. Ich lebe von meinem Mann getrennt.“

„Wenn Sie sterben, muss es einen Nutznießer Ihres Vermögens geben.“

„Das ist mein Mann. Es handelt sich um das Haus mitsamt Inventar. An Barem ist nicht viel vorhanden. Eine Versicherung wird nicht zahlen müssen.“

„Was Sie sagen, kann eine Schutzbehauptung sein und ändert nichts an dem kriminellen Charakter Ihres Vorschlages“, sagte Bernd.

Er war enttäuscht. Er war sogar ein wenig wütend. Seine gute Laune war schlagartig verflogen. Um sich zu beruhigen, zündete er sich eine weitere Roth Händle an.

Eleonore Roschmann lächelte nicht mehr, aber sie wirkte auch nicht enttäuscht oder gar zerknirscht. „Setzen Sie sich“, sagte sie. Es klang wie ein sanfter Befehl. Bernd zögerte, dann befolgte er die Aufforderung.

Er fragte sich, warum er es tat. Er hatte hier nichts mehr zu suchen. Die junge Frau hatte die Katze aus dem Sack gelassen. Es gab kein Argument, das ihn dazu bringen konnte, seine Meinung zu ändern.