»Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung.
Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion.«

Voltaire, eigentlich François-Marie Arouet,
französischer Philosoph der Aufklärung

PERSONEN IM JAHR 1762

(Historische Persönlichkeiten sind mit einem * gekennzeichnet,
Hauptfiguren sind fett gesetzt)

In Potsdam

Friedrich II.*, 50, König in Preußen, regt sich über die ›Weiberwirtschaft‹ in der Weltpolitik auf.

Stephan Mervier, 25, Philosoph, hat in Wien und Paris studiert.

Johanna Mervier, geborene Caselius, 25, Malerin und Stephans Frau, die um Anerkennung in der internationalen Künstlerszene ringt.

In St. Petersburg

Katharina II.*, 33, Kaiserin von Russland.

Peter III.*, Katharinas verstorbener Mann.

Graf Grigori Orlow*, 28, Katharinas Günstling und maßgeblich am Sturz des Zaren Peter III. beteiligt.

Graf Alexej Orlow*, 25, sein Bruder und Leibgardist der Kaiserin.

Grigori Potemkin*, 23, ebenfalls Leibgardist, der die Aufmerksamkeit der Zarin auf sich zieht.

Boris Albrecht, 21, Dichter, der seiner schriftstellerischen Leidenschaft nur im Verborgenen nachgehen kann.

Gustav Albrecht, 70, sein Großvater und geachtetes Oberhaupt einer Familie, die sich der Seefahrt verschrieben hat. Einer der letzten Zeitzeugen, die zur Gründergeneration von St. Petersburg gehören.

Karl und Ludmilla Albrecht, seine Eltern.

Jelena, 19, seine Schwester.

Gernot Albrecht, 20, sein Vetter.

Emilio, 58, Einsiedler im Wald auf der Wyborger Seite von St. Petersburg, aufgezogen von dem Zwerg Kostja. Sein treuer Gefährte ist der zahme Bär Petjenka.

Sonja, etwa 5, Emilios Findelkind, das von ihm Abschied nehmen muss.

Isabell, 48, Kammerzofe der Kaiserin, die den Klatsch und Tratsch am Hof am Leben hält.

Sergej, 49, ihr ehrgeiziger Mann, der als Schreiber für die Zarin arbeitet.

Inna, 20, ihre leichtlebige Tochter.

Dmitri Woronin, 21, Jurastudent mit großen Karriereplänen und Boris‘ Jugendfreund.

Lorenz Hermann, 31, deutscher Journalist bei der Sankt Petersburgischen Zeitung.

Dr. Pierre Lefevre, 32, Mediziner im ältesten Ärztehaus der Stadt, der in Paris studiert hat und seit drei Jahren in St. Petersburg lebt.

Marco Conti, 42, Lehrer für Latein an der Petrischule.

Dietrich Damm, 61, Professor für Astronomie an der Akademie der Wissenschaften.

Marija, heimatlose Bettlerin, die den Verstand verloren hat.

Lew, einer der Fischer in der Hüttensiedlung an der Newa.

Matilda Jetten, deutsche Schneiderin.

Jasper Kaminer, Biologe an der Akademie der Wissenschaften.

Hera Kaminer, 20, seine Tochter.

Friederike Bündner, Diplomatenwitwe und Vermieterin.

Hedwiga, Barbiersfrau und Vermieterin.

Pawel Jawlenski, Direktor am Smolny-Institut.

Dunja, Hausmädchen.

Sascha, Pferdepfleger.

Im Süden Russlands

Jemeljan Iwanowitsch Pugatschow*, Rebellenführer.

Andrej, 19, Leibeigener mit kühnen Fluchtplänen.

Iwan, 21, sein zögerlicher Bruder.

Darja, 19, Leibeigene, die gut mit dem Schwert umgehen kann.

In Frankreich

Voltaire*, 68 (eigentlich: François-Marie Arouet), französischer Philosoph und Vordenker der Aufklärung, der mit der russischen Kaiserin in engem Briefkontakt steht.

Denis Diderot*, 49, französischer Philosoph, Aufklärer und Herausgeber der großen Enzyklopädie.

ZEITTAFEL

1725 Zar Peter der Große stirbt in St. Petersburg.
1725–1727 Regierungszeit von Katharina I., der Ehefrau Peters I.
1727–1730 Regierungszeit von Peter II., dem Enkel Peters I.
1729 Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst, später Katharina II., wird in Stettin geboren.
1730–1740 Regierungszeit von Anna I.
1741–1762 Regierungszeit von Elisabeth I.
1744 Prinzessin Sophie kommt in St. Petersburg an und wird mit Großfürst Peter Fjodorowitsch verlobt. Sie konvertiert vom evangelisch-lutherischen zum orthodoxen Glauben und nimmt den Namen Jekaterina Alexejewna an.
1745 Katharina heiratet den Großfürsten Peter.
Ca. 1753 Katharina unterhält eine Liebesbeziehung zu Peters Kammerherrn Sergej Wassiljewitsch Saltykow.
1754 Katharinas Sohn Paul wird geboren und als legitim anerkannt, obwohl die Vaterschaft nicht eindeutig ist.
Ab ca. 1755 Katharina unterhält eine Liebesbeziehung zu Stanislaus August Poniatowski, dem späteren König von Polen.
1757 Katharinas Tochter Anna wird geboren. Sie stirbt mit zwei Jahren.
Ab ca. 1759 Katharina unterhält eine Liebesbeziehung zu Grigori Orlow.
Januar 1762 Katharinas Ehemann kommt als Zar Peter III. an die Macht.
Juli 1762 Staatsstreich gegen Zar Peter III. Katharina erklärt sich mit Unterstützung der Leibgarde zur Kaiserin. Der Zar kommt unter ungeklärten Umständen ums Leben.
Erste Begegnung zwischen Katharina und Grigori Potemkin, den sie zu ihrem Kammerjunker ernennt.
Oktober 1762 In Moskau wird Katharina zur Zarin von Russland gekrönt.
Juli 1763 Katharina lädt in einem Manifest Tausende deutsche Bauern zur Besiedelung an der Wolga ein.
1764/65 Potemkin verliert bei einem Faustkampf ein Auge, verlässt den Zarenhof und zieht sich für eineinhalb Jahre in ein Kloster zurück.
1767 Katharina II. beruft die Gesetzgebende Kommission ein, die der Zarin den Titel »Katharina die Große« verleiht.
1768 Bei Ausbruch des türkisch-russischen Krieges wird die Gesetzgebende Kommission wieder aufgelöst.
1768–1774 Erster russisch-türkischer Krieg.
1771 Moskauer Pestrevolte, die unter Graf Orlow niedergeschlagen wird.
1772 Erste Teilung Polens durch Russland, Preußen und Österreich.
Ca. 1773 Katharina heiratet heimlich Grigori Potemkin.
1773 Denis Diderot hält sich für einige Monate am Zarenhof auf.
1773–1775 Pugatschow-Aufstand.
1775 Katharinas Verwaltungsreform verleiht dem Russischen Kaiserreich eine neue Struktur und führt zur Bildung von vierzig Gouvernements in Russland.

KAPITEL 2

Juli 1762,
im Alexander-Newski-Kloster

Boris Albrecht brauchte sich nicht auf die Zehenspitzen zu stellen, um über die Menschenmenge hinweg die neue Zarin zu beobachten. Er war groß genug gewachsen, sodass er mühelos sehen konnte, was vor dem Sarg des verstorbenen Zaren Peter III. passierte. Katharinas Mund wirkte wie aus Stein gemeißelt, ihre Haut schimmerte unter dem Puder grau. Als sie die Hand auf die Schulter des kleinen Mädchens in ihrer Obhut legte, sah Boris, dass sie zitterte. Er hatte einen Sinn für solche Feinheiten, aber diese Gabe brachte ihm bei seiner geplanten Karriere in der kaiserlich russischen Marine keine Vorteile. Als Leutnant zur See waren andere Fertigkeiten gefragt: Durchsetzungsvermögen, Scharfsinn, Zielstrebigkeit.

»So viel Falschheit«, hörte er eine Frau in der Reihe vor ihm zischen. »Als würde sie um den Zaren trauern. Die hat doch selbst alles arrangiert, um endlich die Macht an sich zu reißen.«

»Sei still«, zischte die Angesprochene und versetzte der keifenden Frau einen Stoß mit dem Ellbogen in die Rippen. »Sonst verbringst du die Nacht im Kerker in Gesellschaft des Folterknechts.«

Boris rückte ein Stück von den beiden ab, strich sich die welligen braunen Haare hinter die Ohren. An dem Getratsche des Volkes lag ihm nicht viel. Er machte sich lieber selbst ein Bild von der neuen Zarin und erweckte es in schöngeistigen Reimen zum Leben. Ohne Zweifel verströmte sie ein Charisma, mit dem sie die Leute für sich einnahm. Im Gegensatz zu ihrem verstorbenen Gatten. Mit seinem Mangel an Diplomatie und Manieren hatte Peter sich nichts als Abneigung eingehandelt.

Obwohl Katharina nicht mehr die schmale Figur ihrer Jugend besaß, war sie mit ihren hohen Wangenknochen, dem kleinen Mund und den tiefliegenden Augen eine der schönsten Frauen, die Boris je gesehen hatte. Zweifellos trugen zu ihrer Attraktivität die kunstvolle Frisur, der glitzernde Schmuck und die edlen Stoffe bei, aber vermutlich würde sie selbst in der schlichtesten Bauerntracht wenig von ihrer Ausstrahlung einbüßen.

Die Frage war nur: Reichte diese äußerliche Überlegenheit, um sich dauerhaft als die mächtigste Frau im russischen Reich zu halten? Würde es der Zarin gelingen, die Russen von ihren neuen Ideen zu überzeugen? Überall aus Europa drangen frische Parolen bis nach St. Petersburg. Die Kraft der Vernunft sollte den alten Aberglauben vertreiben, der einzelne Mensch sollte bedeutsamer sein als der Stand, dem er angehörte, verkrustete Hierarchien sollten aufgebrochen werden.

Wie aufrecht sie stand, wie fest ihre Schultern wirkten, wie markant ihr Kinn. Mit einem Teil seines Verstandes konnte Boris nachvollziehen, dass Graf Orlow, der nicht von ihrer Seite wich, dieser Frau verfallen war. Was mochte dran sein an den Gerüchten, dass er seine Finger beim Tod ihres Mannes mit im Spiel gehabt hatte?

»Boris, um Himmels willen, was treibst du hier? Solltest du nicht an der Admiralität sein?«

Er zuckte zusammen, als er die vertraute, leicht lispelnde Stimme vernahm. Er wandte den Kopf und schaute in das Gesicht seiner Schwester Jelena. An ihrem linken Schneidezahn fehlte eine kleine Ecke. Dennoch war sie mit den dichten schwarzen Haaren eine anziehende Erscheinung. Die Schwangerschaft ließ ihre Haut rosig schimmern. Ihr Bauch unter dem in der Taille ausgelassenen schwarzbraunen Kleid wölbte sich wie eine Melone. Sie legte ihre Hand darauf, während sie den Bruder fixierte.

Von all seinen Familienmitgliedern war Jelena das kleinste Übel, wenn es darum ging, dass er sich vor dem Studium an der Akademie der Marine drückte. »Ich halte es für wichtiger, dem verstorbenen Zaren die Ehre zu erweisen. Den Lernstoff kann ich mir später besorgen und nachholen.«

»Anscheinend interessiert dich der Zar im Sarg mehr als zu seinen Lebzeiten.«

Boris zuckte die Schultern. »Der Tod verändert vieles«, sagte er mit mehrdeutigem Unterton, der Jelena sofort erbleichen ließ. Mit seinen einundzwanzig Jahren hatte Boris bereits zwei Versuche, sich selbst zu töten, hinter sich. Seine männlichen Verwandten behaupteten, er hätte nie vorgehabt, tatsächlich zu sterben: Als er am flachen Ufer in die Newa stieg, habe er darauf spekuliert, dass ihn einer der vorbeiziehenden Fischer retten würde. Und beim geplanten Sprung von einer Brücke überwältigten ihn mühelos zwei patrouillierende Soldaten. Jelena jedoch verstand, wie es in ihm aussah, obwohl sie sein Verhalten nicht guthieß.

»Wenn du in den Straßen herumstreichst, statt an deiner Offizierslaufbahn zu arbeiten, werden sie dich irgendwann von der Akademie ausschließen. Was willst du unserem Vater, unserem Großvater erzählen? Du wärest der Allererste in der Familie, der unehrenhaft entlassen wird. Könntest du mit dieser Schande leben?«

Boris starrte auf seine ineinander verschränkten Finger, während die Stimmen unsichtbarer Priester einen monotonen Gesang anstimmten, der zwischen den Kirchenwänden hallte. Nach der Kaiserin traten die Mitglieder ihrer Gefolgschaft und ihre Leibgarde hintereinander vor den Leichnam.

Inmitten der Menschenmenge in der Kirche, inmitten der großen Stadt fühlte sich Boris an manchen Tagen wie der einzige Mensch auf Erden. Keiner verstand ihn, keiner fühlte mit ihm, keiner ermutigte ihn, den eigenen Weg zu gehen.

Früher während der Schulzeit hatte er Dmitri gehabt, seinen besten Freund, der seine schriftstellerischen Ambitionen wertschätzte, wenn ihm Boris seine Werke zum Lesen gab. Der Kontakt war abgebrochen, als Boris zur Marine und Dmitri an die Akademie der Wissenschaften wechselte, um Jura zu studieren. Dmitri hatte andere Freunde gefunden, sich neuen Zielen verschrieben, und für Boris und seine Verse war da kein Platz mehr. Dmitris Eltern waren überaus wohlhabend, unterstützten ihn finanziell, aber er nahm nur das Nötigste an, weil er es aus eigener Kraft schaffen wollte. Sein Vater war einer, der das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster warf und den lieben langen Tag faul auf dem Sofa lag. Dmitris Ehrgeiz lag darin, seiner Mutter zu beweisen, dass er nicht nach seinem Vater schlug, dass er einer war, der sich mit Verstand und Fleiß bis ganz nach oben kämpfte. Früher hatten sich Boris und Dmitri viel über ihre Väter ausgetauscht. Es hatte Boris gutgetan, einen Verbündeten zu haben. Ihn schmerzte der Verlust, doch er fühlte sich nicht imstande, um diese Freundschaft aus Kindertagen zu kämpfen. Jede Schlacht schien sinnlos in diesen Tagen.

»Zerbrich dir nicht den Kopf, Jelena. Freu dich daran, dass du es allen recht machst«, fügte er mit ätzendem Spott hinzu. Jelenas Kind, das in ihr heranwuchs, würde sich – sollte es ein Junge sein – wahrscheinlich der Seefahrt verschreiben, wie es alle anderen männlichen Nachkommen Gustav Albrechts taten. Boris liebte seinen Großvater, der bereits unter Peter dem Großen seine Offizierskarriere begonnen und als Admiral der Seefahrt ruhmreich gedient hatte. Immerhin besaß Russland nach England und Frankreich die drittgrößte Flotte der Welt. Alle Albrechts würden nach besten Kräften mitwirken, wenn Russland sich anschickte, nach der Vorherrschaft im Baltikum auch das Schwarze Meer zu erobern. Boris hingegen schauderte es bei der Vorstellung, auf offener See gegen die Türken Krieg zu führen. Wes Geistes Kind musste man sein, um Gefallen an der Vorstellung zu finden, für das Vaterland jämmerlich in einem von Kanonenkugeln zerschossenen Schiff zu ersaufen?

»Wirst du mich verraten?«

Jelena machte eine gleichmütige Miene. »Vater und Großvater kennen die halbe Stadt. Es wäre ein Wunder, wenn ihnen niemand erzählen würde, dass man dich wieder einmal in der Akademie vermisst hat.« Sie wandte sich ihm zu, das Gesicht auf einmal vor Schmerz verzogen: »Was um Himmels willen ist schlimm daran, den Willen der Väter zu erfüllen? Dir bleibt genügend Zeit für deine Spaziergänge und deine Gedichte, und du würdest dir viel Ärger ersparen.«

»Ich weiß, Jelena, ich weiß. Ich will es, ich kann es aber nicht. Es ist mein Schicksal, aus der Art zu schlagen und daran zugrunde zu gehen.«

Sie umklammerte seinen Arm. »Rede keinen Unsinn, Boris. Du machst mir Angst.«

Er zog sie an sich, küsste sie auf die Schläfe.

Jelena war der einzige Halt, den er in seiner Familie fand. Aber auch sie sah seine Zukunft in der Marine und nicht in der schöngeistigen Literatur. Wie schön wäre es, einen Menschen zu haben, der ihm zur Seite stand, der ihn darin bestärkte, dass er das Talent besaß, ein großer Dichter zu werden. Das Schicksal hatte es ihm auferlegt, gegen Windmühlen zu kämpfen. Er wusste nicht, wie lange er die Kraft dafür aufbringen würde. Vielleicht sollte er einen dritten Versuch unternehmen, all dem ein Ende zu setzen. Und diesmal ohne Aussicht auf Rettung in letzter Minute.

»Iss, Borja! Du bist sowieso nur Haut und Knochen! Wirst du wieder krank?« Mutter Ludmilla musterte ihn bekümmert. Ihre mütterliche Sorge um ihn war seit seinen Selbsttötungsversuchen ins Unermessliche gestiegen. Wie Boris wusste, war ein gesegneter Appetit für sie das Zeichen, dass es ihrem Sohn gut ging. Manchmal tat er ihr den Gefallen und löffelte seine Kohlsuppe, aber heute hatte ihn der Trübsinn wieder im Würgegriff.

Am Tisch war nur das Klappern des Geschirrs zu hören, das leise Schlürfen von Großvater Gustav, die Schritte der beiden Lakaien, die der Familie Albrecht die Mahlzeit auftischten. Es roch nach Punsch und Most, nach gedünstetem Weißkohl und gebratenem Rindfleisch. Die Kerzen in den Lüstern verbreiteten ein warmes Licht. Ihr Schein vereinte sich mit dem Flackern der Flammen aus dem gemauerten Kamin.

Es gehörte zur Tradition in der Villa Albrecht, dass die Familie sich abends um sechs zum Essen einfand. Boris hätte gut darauf verzichten können. Im Kreis seiner Verwandten fühlte sich jeder einzelne seiner Muskeln an wie verknotet. Selten war die Stimmung ausgelassen, viel öfter lag – wie heute – ein Schweigen über den Albrechts wie bei einem Begräbnis. Boris vermutete, dass es weniger mit dem Ableben des Zaren zu tun hatte als mit ihm.

Ob Jelena erzählt hatte, dass sie ihn im Newski-Kloster angetroffen hatte? Er suchte ihren Blick, aber sie hielt sich über ihren Suppenteller gebeugt und führte sich die Suppe mit dem Löffel an die gespitzten Lippen. Nein, bestimmt hatte sie es für sich behalten. Sie war keine Verräterin, sie glaubte nur manchmal, besser als er zu wissen, was gut für ihn war.

»Was war heute das Thema in der Akademie, Boris?« Großvater Gustav legte seinen Löffel ab und drückte sich die Stoffserviette auf den Mund, bevor er sich in seinem Armsessel am Kopf des Tisches zurücklehnte. Die Sommersprossen in seinem Gesicht hatten sich im Lauf der Jahre mit den Altersflecken vermischt, die ehemals herbstroten Haare waren ausgedünnt, die Kopfhaut schimmerte durch. Nur in seinen nussbraunen Augen sah man manchmal noch den Glanz aus seinen jüngeren Jahren. Gustav Albrecht gehörte mit seinen Eltern und Geschwistern zu der Gründergeneration, die geholfen hatte, St. Petersburg aus dem Sumpf heraus entstehen zu lassen.

Boris zuckte zusammen, blickte zu seinem Großvater, aber dessen Miene war arglos. Nein, er wollte ihn nicht aus der Reserve locken. Noch während er seine Antwort abwägte, meldete sich sein gleichaltriger Vetter Gernot zu Wort: »Wir haben heute über die Manövrierfähigkeit der unterschiedlichen Schiffstypen gesprochen. Ich kann es nicht erwarten, dass wir endlich auf dem offenen Meer Übungen veranstalten. Die Theorie ist auf Dauer ermüdend.« Gernot warf Boris einen stechenden Blick zu. Obwohl sie unterschiedliche Klassen an der Akademie besuchten, wusste er mit Sicherheit, dass Boris an diesem Tag mal wieder durch Abwesenheit geglänzt hatte. Eine willkommene Gelegenheit, sich vor dem Familienoberhaupt hervorzutun. Sollte er sich doch profilieren, Boris war es egal, solange er ihn nicht verriet. Gernots Vater Wilhelm war selten zu Hause, in diesen Wochen umsegelte er als Kapitän auf einem Handelsschiff die halbe Welt. Was gäbe Boris darum, wenn sein eigener Vater monatelang auf Reisen wäre.

Boris’ Vater Karl hielt sich gebeugt wie ein Fragezeichen, Wangen und Stirn waren von Furchen durchzogen. Um seinen Mund lag ein bitterer Zug. Von der Seite wirkte sein Profil wie das eines Habichts. Boris konnte ihn nicht ansehen, ohne an die Prügel mit der Knute zu denken, die er noch im vergangenen Jahr regelmäßig von ihm bezogen hatte. So weit hatte die Fürsorge seiner Mutter nicht gereicht, ihn vor den Schlägen des Vaters zu schützen, unten im Keller, wo seine Schreie nicht bis zum Großvater dringen konnten, der als Einziger die Macht besessen hätte, Karl Einhalt zu gebieten. Genutzt hatten die Schläge wenig. Sie hatten ihm nicht das Träumerische austreiben können, das wenig zu einem künftigen Leutnant zur See passte. Trotz und Angst hatten sie geschürt und das Wissen in ihn gepflanzt, dass er es nie jemandem recht machen konnte: dass er falsch war, so wie er war.

Irgendwann würde er eine Entscheidung treffen müssen. Er musste sich seiner Familie gegenüber dazu bekennen, ein Dichter und kein Seefahrer zu sein. Selbst wenn das den endgültigen Bruch mit ihnen bedeutete. Nur – wovon sollte er leben? Dass sein Vater den Geldhahn zudrehen würde, wenn er von einer solchen Entscheidung erfuhr, war so sicher wie das Amen in der Kirche.

Die Bediensteten servierten Likör zum Abschluss der Mahlzeit.

»Wo bist du mit deinen Gedanken, Borja?«

Boris schrak zusammen, als der Großvater ihn ansprach.

»Wahrscheinlich dichtet er einen Reim auf Kirschlikör und die Küsse seiner Geliebten«, platzte Vetter Gernot mit einem Glucksen heraus. Das darauffolgende Lachen der anderen am Tisch klang nicht die Spur fröhlich. Es hallte schmerzhaft in Boris’ Ohren.

»Sieh du nur lieber zu, dass du überhaupt je erfährst, wie sich die Küsse einer Geliebten anfühlen«, mischte sich Jelena mit mühsam unterdrückter Entrüstung ein. »Man munkelt, auch Swetlana aus der Nachbarschaft hat dir wieder einen Korb gegeben?« Sie lächelte den Vetter giftig an und zwinkerte Boris zu. Gernots abstehende Ohren liefen rot an, bevor er auf seinem Stuhl zusammensackte. Seine mangelnde Attraktivität kompensierte er mit Überheblichkeit, aber er war leicht zu verunsichern, was Jelena auszunutzen wusste.

Auf sie war Verlass, sie hielt immer zu ihm. Aber Boris fühlte keinen Triumph. Die Sticheleien in seiner Familie zermürbten ihn. Würde das jemals aufhören? »Ich habe an den toten Zaren gedacht«, antwortete er dem Großvater. »Ich bin nach der Schule in das Newski-Kloster gegangen, um von ihm Abschied zu nehmen.«

Vater Karls Vogelkopf ruckte zu ihm herum. »Was treibst du dich im Kloster herum, wenn du in der Akademie sein solltest?«

Jelena berührte sachte den Arm ihres Vaters. »Er hat doch gesagt, dass er erst nach dem Unterricht da war. Und der tote Zar mag unbeliebt gewesen sein, aber es gehört sich, seinem Herrscher die letzte Ehre zu erweisen. Ich war ebenfalls da, mit mir Unmengen von Menschen. Das war ein unglaubliches Gewimmel, und mittendrin Zarin Katharina mit ihrem Geliebten und den Kindern.«

Großvater Gustav winkte nach einem weiteren Likör. »Ein Glück, dass Peter der Große nicht mehr miterleben musste, wie sein Enkel sich auf dem Herrscherthron blamiert hat.«

Boris atmete auf. Wenn der Großvater über die Politik ins Plaudern geriet, war er endgültig aus der Schusslinie. Gut so.

Der alte Albrecht fuhr fort: »Mit Katharina werden andere Zeiten anbrechen. Ich bin davon überzeugt, dass sie das Werk des Stadtgründers in seinem Sinne fortsetzen wird.«

Mutter Ludmilla verzog den Mund. »Wenn sie nur ihre skandalösen Marotten ablegen würde! Eine Frau auf dem Thron, die sich Liebhaber hält? Wer wird ein solches Land respektieren? Die Karikaturen im Ausland sind schamlos.«

Gustav machte eine wegwerfende Handbewegung. »Als ob es darauf ankommt«, erwiderte er verächtlich. »Genau wie Zar Peter der Große glaubt Katharina an den Fortschritt. Ich denke, wir können nur das Beste von ihr erwarten.«

»Wenn man dich reden hört, sollte man meinen, nur Peter der Große und Katharina seien es je wert gewesen, auf dem russischen Thron zu sitzen«, stellte Gernot fest. Seine Ohren nahmen wieder ihre normale Farbe an.

Gustav nickte. »So ist es auch.« Er wischte sich mit dem Handrücken den Likörrest von den Lippen. »Ihr kennt nur Elisabeth und ihren Neffen Peter. Ich habe alle Herrscher vorher miterlebt, und nach dem Tod Peters des Großen habe ich manches Mal geglaubt, das Ende von St. Petersburg sei gekommen. Eine Zeit lang wurde der Hof sogar nach Moskau zurückverlegt! Katharina zeigt weder Anzeichen der Prunksucht ihrer Vorgängerinnen auf dem Thron noch die Dummheit ihres Gatten. Sie wird sich einen guten Namen in Europa machen.«

Jelena wiegte den Kopf, während sie gleichzeitig über ihren schwangeren Leib streichelte. »Nun ja, dass sie im Ausland verlauten ließ, der Tod ihres Mannes sei auf eine Hämorrhoidalkolik zurückzuführen, hat die Satiriker schon inspiriert. Keine Spur von Hochachtung. Es hieß gehässig, Hämorrhoiden seien bei uns offenbar eine sehr gefährliche Krankheit.«

Gustav winkte ab. »Wer als Herrscher im Rampenlicht steht, muss es sich gefallen lassen, dass jedes seiner Worte auf die Goldwaage gelegt wird und kein Schritt unkommentiert bleibt. Verlasst euch darauf: Unter Katharina wird Russland aufblühen. Ein alter Kerl wie ich spürt so etwas in den Knochen«, fügte er mit einem Zwinkern hinzu.

Die Lakaien begannen, das benutzte Geschirr abzuräumen. Boris nahm dies zum Anlass, sich zu erheben. Er verbeugte sich in Richtung seines Großvaters und seines Vaters und bat um die Erlaubnis, den Tisch verlassen zu dürfen. Die ständige Anspannung, die Vorsicht bei der Wortwahl und das Abwägen, was er von sich preisgeben durfte und was nicht, hatten ihn angestrengt. Ein Spaziergang in der Abendluft würde sein Gemüt kühlen.

Die Zeit der weißen Nächte, die im Juni begonnen hatte, war auf ihrem Höhepunkt. Boris liebte es, seine geheimen Plätze an der Newa aufzusuchen, wo sich um diese Zeit der perlmuttfarbene Himmel im Wasser spiegelte. Er war wie sein Großvater Petersburger mit Leib und Seele und würde seine Heimatstadt gegen keine andere Metropole eintauschen. Nirgendwo war das Licht inspirierender, waren die Farben intensiver und die Luft weicher als in einer Sommernacht an der Newa. Er durfte Bleistift und Notizblock nicht vergessen. Bevor noch jemand Einwände erheben konnte, hatte er den Raum verlassen. Draußen atmete er auf.

Manchmal fühlte er sich im Kreis seiner Familie, als säße er auf einem Pulverfass, und ein Funken genügte, um eine Katastrophe auszulösen.

BUCH 1

VERSPRECHUNGEN

NACHWORT

 

Über Katharina die Große zu schreiben bedeutet: eine Auswahl treffen. Jedes einzelne Jahr ihres Lebens bietet hinreichend Stoff, aus dem sich Romane entwickeln könnten. Auch unter diesem Aspekt steht sie ihrem Vorbild Peter dem Großen, der in meinem Roman Die Stadt des Zaren die Hauptfigur war, nicht nach. Es ist kaum zu ermessen, was beide Herrscher in ihrer jeweiligen Epoche für Russland und Europa geleistet haben. Ich habe mich auf Katharinas Rolle zur Zeit der Aufklärung konzentriert und historische Fakten mit Fiktion verwoben.

Um fiktiven Figuren maßgebliche Rollen zukommen lassen zu können, habe ich mich in Katharinas Umfeld auf wenige historische Vertraute konzentriert: Grigori und Alexej Orlow sowie Grigori Potemkin. Letzteren habe ich im Roman stets nur bei seinem Nachnamen genannt, um keine Verwechslungen mit Grigori Orlow heraufzubeschwören. Ihre tatsächlichen Zofen und Minister spielen in meinem Roman bewusst eine untergeordnete Rolle, um den Hauptfiguren mehr Raum zu geben.

Katharinas Verhältnis zu Voltaire ist legendär. Ihren geistreichen und vergnüglichen Briefwechsel findet man zum Beispiel in dem Buch »Monsieur – Madame« (Zürich: Manesse Verlag, 1991). Während der Austausch mit dem großen Philosophen von Zuneigung und gegenseitiger Wertschätzung geprägt war, hielt sich Katharinas Sympathie für Denis Diderot in Grenzen. In der Beschreibung ihrer Beziehung habe ich mich weitgehend an die Quellen gehalten. Um den größtmöglichen Spielraum zu haben, habe ich mit Stephan Mervier einen fiktiven Philosophen an den Zarenhof geschickt, der die Züge diverser Intellektueller der Aufklärung trägt. Einen wunderbaren Fundus für Anekdoten und Hintergründe bietet das Buch »Böse Philosophen« von Philipp Blom (München: dtv, 2013).

Wie im Roman beschrieben, stehen in der Epoche der Aufklärung nicht nur Katharina in Russland, sondern auch Friedrich der Große in Preußen und Maria Theresia in Österreich an der Spitze der europäischen Politik. Das Verhältnis der drei Regenten untereinander beschreibt Dieter Wunderlich sehr übersichtlich und unterhaltsam in »Vernetzte Karrieren« (Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 2000). Ob Friedrich allerdings tatsächlich einen als Philosophen getarnten Spion am Zarenhof platziert hat, ist mir nicht bekannt – ich finde, es hätte zu ihm gepasst.

Johanna Caselius in meinem Roman hat Ähnlichkeiten mit der historischen Porträtmalerin Anna Dorothea Therbusch (1721–1782). Wer sich für die Malerei in dieser Epoche unter genderspezifischen Aspekten interessiert, dem empfehle ich »Die Portraitmalerin« von Cornelia Naumann (Messkirch: Gmeiner, 2014). Therbusch musste sich tatsächlich sagen lassen, dass ihr Gemälde, mit dem sie sich an der Pariser Akademie bewarb, zu gut sei, es könne »unmöglich von einer Frau stammen«.

Die Enzyklopädie, die Denis Diderot und Jean-Baptiste le Rond d’Alembert unter Mitarbeit der größten Denker der Aufklärung herausgegeben haben, war zur damaligen Zeit ein Werk von großer geistesgeschichtlicher Bedeutung. Sie gilt als das Hauptwerk der Epoche und stellte erstmals das gesamte europäische Wissen dar, um zur Bildung der nachfolgenden Generation beizutragen. Eine Auswahl der Artikel findet man in dem Buch Enzyklopädie, herausgegeben von Günter Berger (Frankfurt: S. Fischer Verlag, 1989).

Dem Pugatschow-Aufstand wurden mehrere literarische Werke gewidmet. Ich habe mich weitgehend an die historischen Quellen gehalten und meine fiktiven Figuren Andrej, Iwan und Darja hautnah teilhaben lassen. Es gibt zahlreiche Berichte über diesen ersten Klassenkampf in Russland, er gehört praktisch zu jeder Biografie über die Zarin. Neben vielen anderen habe ich mit besonderem Interesse Katharina die Große von Gina Kaus gelesen (Stuttgart: Deutscher Bücherbund).

Einen revolutionären Reiseroman, wie ich ihn Sonja schreiben lasse, gab es tatsächlich: Reise von Petersburg nach Moskau von Alexander Radischtschew (Leipzig: Philipp Reclam jun., 1982) erschien erstmals 1790 und zeichnet ein realistisches Bild der zeitgenössischen russischen Gesellschaft. Den Autor verbannte Katharina nach Sibirien. Wie in meinem Roman Dmitri studierte Radischtschew auch an der juristischen Fakultät der Universität Leipzig.

Den Höhepunkten der russischen Zarengeschichte werde ich auch in kommenden Büchern treu bleiben. Manchmal werden wie bei Die Stadt des Zaren und Die Zarin und der Philosoph Generationen zwischen den Romanen liegen, was unweigerlich zu Lücken in den Schicksalen der fiktiven Figuren führt. Die Historie bietet aber ausreichend dramatischen Stoff, um dies in Kauf zu nehmen. Aufmerksame LeserInnen werden allerdings in jedem Roman Bezüge zu lieb gewonnenen Figuren, ihren Kindern und Enkelkindern finden.

Mein großer Dank geht an Michael Meller und die gesamte Meller Agency. Ich fühle mich dort als Autorin bestens aufgehoben. Genauso hervorragend betreut fühle ich mich vom List-Verlag, allen voran von Monika Boese, die mit ihrer Akribie und ihrer Leidenschaft, das Beste aus jedem Manuskript herauszuholen, erheblichen Anteil daran hat, dass die Sankt-Petersburg-Romane zu meinen Herzensbüchern werden.

Danken möchte ich auch meinem Mann Frank, der mein allerliebster Kritiker ist und ohne den gar nichts ginge.

Einer der wunderbaren Nebeneffekte beim Schreiben meiner Russland-Bücher ist, dass es immer wieder Anlass gibt, nach St. Petersburg zu reisen. Diese Stadt hält mich mit ihrer Schönheit in ihrem Bann und hat mir noch so viel zu erzählen.

Ich freue mich, wenn Sie mir auch in kommenden Romanen gerne folgen. Aktuelle Informationen bekommen Sie auf meiner Homepage www.martinasahler.de und wenn Sie sich mit mir bei facebook verbinden. Ihr Feedback ist mir jederzeit willkommen.

Martina Sahler im Dezember 2018

BUCH 2

VERRAT

KAPITEL 4

August 1763, auf dem Weg
von Potsdam nach St. Petersburg

Aus den Falten ihres Rocks zog Johanna ein Tuch hervor, mit dem sie sich vorsichtig über die Stirn tupfte. In ihrem Nacken kringelten sich feuchte honigblonde Locken. Das Rumpeln des Wagens auf den unebenen Straßen verstärkte noch ihr Unbehagen. Sie fühlte Übelkeit, als hätte sie sich mit verdorbenem Fisch vergiftet. Fliegende Hitze ruinierte ihre Schminke und die Frisur.

»Lass uns gleich rasten.« Sie wandte sich an Stephan, der neben ihr in ein Manuskript vertieft war und anscheinend nicht mitbekam, wie sehr sie litt. Sie legte die Hand auf seine.

Er sah auf. An seiner Nasenwurzel bildete sich eine Kerbe. Seine graublauen Augen bildeten einen faszinierenden Kontrast zu seinen dunklen Haaren. »Liebling, wir haben eine weite Strecke vor uns, und wir haben Preußen noch nicht einmal verlassen.«

»Ich fühle mich nicht gut«, sagte sie. »Ich möchte mir ein wenig die Beine vertreten.« Johanna bezweifelte, dass eine Pause ihre Übelkeit vertreiben konnte. Zwar war die Luft in der Kutsche zum Schneiden dick, aber draußen würde sie die spätsommerliche Hitze mit voller Wucht zu spüren bekommen.

Der Sommer legte in seinen letzten Tagen noch einmal kräftig zu und gab dem vom Krieg verwüsteten Land einen unpassenden goldenen Anstrich. Johanna hielt den Kopf in Richtung Fenster und spähte zu den verbrannten Ruinen der Häuser, deren Reste wie schwarze Gerippe aufragten. Sie sah die von Soldatenstiefeln zertrampelten Weizenfelder mit vereinzeltem Klatschmohn und dünnen Ähren, die sich armselig über die Verwüstung reckten. Auf neu angelegten Kartoffelfeldern wühlten Mädchen und Jungen mit den bloßen Händen im Boden, um vergessene Knollen aufzuspüren. Alle liefen in Lumpen, die Kinder barfuß, manche ohne Hemd und Hose und von oben bis unten mit Dreck und Staub bedeckt. Die meisten Menschen, die ihnen auf ihrer Fahrt nachstarrten, auf Mistgabeln gestützt und mit düsteren Mienen zwischen verfilzten Haaren, waren abgemagerte Skelette.

Eine luxuriöse Kutsche wie die, die ihnen der König zur Verfügung gestellt hatte, ließ den Hass auf den Gesichtern der Preußen aufflammen. Gegen Überfälle hungernder Männer hatte ihnen Friedrich zwei berittene Soldaten zugeteilt, die ihnen auf ihren Pferden folgten. Das Geräusch der klimpernden Sporen und Schwerter der beiden Wächter begleitete sie, seit sie Potsdam verlassen hatten.

»Schau, dort drüben beginnt ein Wald«, sagte Johanna. »Bitte klingele nach dem Kutscher, dass er dort anhalten soll.« Im Schatten der Bäume würde sie hoffentlich für ein paar Minuten Erleichterung finden.

Jetzt erst wandte Stephan ihr seine volle Aufmerksamkeit zu. »Du bist blass. Hoffentlich hast du dich nicht mit irgendetwas angesteckt. Das käme wirklich zur Unzeit. Der König verlässt sich auf uns.«

»Ich könnte es mir nicht aussuchen, falls ich mir etwas eingefangen hätte«, gab sie ein bisschen patzig zurück. »Selbst ein König hat nicht die Macht, zu bestimmen, wer erkrankt und wer nicht. Aber«, sie senkte die Stimme und zauberte wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht, »sorg dich nicht, Lieber. Es ist nur die Hitze und dieses beständige Schaukeln. Ich brauche ein kühles Plätzchen, einen Schluck Wasser und für ein paar Minuten festen Boden unter den Füßen. Dann bin ich wieder wohlauf.«

In Wahrheit wusste sie sehr wohl, worauf ihr Unwohlsein zurückzuführen war. Während sie sich wenig später auf einer von Eichen und Kastanien umstandenen Lichtung die Beine vertrat und das gelb vertrocknete Gras unter ihren Schuhen knisterte, ging ihr durch den Sinn, dass sie am Abend zuvor viel zu oft den Rheinwein nachgeschenkt hatte, den Stephan im Keller lagerte. Sie wusste, dass ihr der Alkohol nicht guttat, selbst wenn er in so süffiger Form daherkam. Sie fand kein Maß, seit Stephan sie im vergangenen Herbst vor vollendete Tatsachen gestellt hatte und sie sich an den Gedanken gewöhnen musste, in St. Petersburg zu leben. Während Stephan an einem einzigen Glas den Abend über nippte, schenkte sie sich laufend nach, und als er sich gestern Abend ins Bett verabschiedet hatte, war sie aufgeblieben, um den Krug bis auf den letzten Tropfen zu leeren. Was für ein herrlicher Zustand, wenn die Gedanken betäubt und die Gefühle beruhigt waren, wenn sich in ihr ein süßer Schwindel ausbreitete.

Er wusste, dass sie zu viel trank, aber er machte keine Anstalten, sie davon abzubringen. In den düsteren nüchternen Minuten fragte sich Johanna, ob sein Verhalten auf eine tiefgreifende Toleranz oder eine bodenlose Gleichgültigkeit zurückzuführen war.

Kurz vor ihrer Abreise hatten sie geheiratet. Es war ein Fest im engsten Kreis gewesen. Für Johanna fühlte es sich richtig an. Sie wussten schon lange, dass sie zusammengehörten. Das Jawort vor Gott war nur eine Formsache. Stephan vermutete, dass sie in Russland einen besseren Stand haben würde, wenn er sie als seine Ehefrau und nicht als seine Verlobte vorstellte, und sie hatte ihm mit einem Wangenkuss für seine Sensibilität gedankt. Nun hieß sie Johanna Mervier, obwohl sie vereinbart hatten, dass sie ihre Gemälde weiterhin mit Johanna Caselius signieren würde. Das war der Name, mit dem sie in der Künstlerwelt Bekanntheit erlangt hatte.

Manchmal horchte sie in sich hinein, ob es sich anders anfühlte, verheiratet statt nur verlobt zu sein. Aber da war nichts, keine große Empfindung, nur die Gewissheit, dass sie zueinander gehörten. Während die beiden Soldaten in einiger Entfernung die Tiere weiden ließen und der Kutscher sich auf dem Bock ein Pfeifchen stopfte, lehnte sich Johanna gegen den Stamm einer Eiche und schloss die Augen.

»Nimm einen Schluck Wasser.« Stephan reichte ihr eine Feldflasche aus der Proviantkiste. Dankbar setzte sie mehrere Male an, um kleine Schlucke zu trinken. Der Aufruhr in ihrem Magen legte sich, aber die alles durchdringende Übelkeit blieb. »Ach, wären wir nur in Paris geblieben«, stieß sie plötzlich hervor, als sie zurück zur Kutsche gingen und die Fahrt fortsetzten. »Wir hätten niemals nach Preußen zurückkehren sollen. Dann hätte uns der König nicht nach Russland schicken können.«

Wie sollte sie sich dort eine Existenz als Malerin aufbauen? Sie hatte hart um ihre Erfolge kämpfen müssen. In Paris an der Académie Royale hatte man ihre ersten Bilder, die sie zur Bewerbung einreichte, mit der Bemerkung abgelehnt, diese wären so brillant, sie könnten unmöglich von einer Frau stammen. Ein Schlag ins Gesicht für sie. Aber sie hatte nicht aufgegeben und schließlich nicht nur in den Pariser Salons, sondern später, als Stephan erneut den Studienort wechselte, auch in Wien Anerkennung als Porträtmalerin gefunden. Als erste Frau wurde sie in der Akademie der bildenden Künste Wien aufgenommen. Diese internationalen Empfehlungen hätten zusammen mit den Gemälden, mit denen sie sich zu bewerben gedachte, ausgereicht, um an der Berliner Akademie der Künste Eindruck zu machen. Und dann kam König Friedrich ihr dazwischen und warf all ihre Pläne über den Haufen.

»Wir sind auch deinetwegen nach Brandenburg zurückgekehrt, Johanna. Vergiss das nicht.«

Sie nickte und senkte den Kopf.

Sie hatte ihren Vater – genau wie Stephans alter Herr ein preußischer Hofbeamter – nicht allein sterben lassen wollen. Als einzige Tochter wollte sie ihm die Hand halten, als er im Juli dieses Jahres nach langer Krankheit seinem Leiden erlag. Zumindest hatte ihnen der König zugestanden, dass sie mit der Abreise warten durften, bis das Familiäre geklärt war.

Während die Kutschfahrt weiter in Richtung Polen ging, erinnerte sich Johanna an die letzten Tage mit ihrem Vater, der nie ein Gespür für ihr Talent gehabt und ihre Zukunft nur an der Seite eines wohlsituierten Mannes gesehen hatte. Nun, was dies betraf, war Stephan der beste, den sie ihm bieten konnte. Zielstrebig und talentiert würde er seinen Weg gehen und seiner Frau und später den Kindern ein gutes Leben ermöglichen. Nach außen hin gab sich Johanna folgsam und unterwürfig, blieb an Stephans Seite, wohin es ihn auch verschlug. Solange sie sich private Freiräume bei ihrem künstlerischen Schaffen bewahrte, solange er sie unterstützte, wenn sie in der künstlerischen Welt Fuß zu fassen versuchte, solange würde sie die Frau spielen, die im Schatten ihres begabten Gatten stand.

Ihr Vater hatte geahnt, dass mehr in ihr steckte, aber es hatte ihn nicht mit Stolz erfüllt, sondern beunruhigt. »Versprich mir, dass du Stephan treu folgen und ihm eine gute Frau und Mutter seiner Kinder sein wirst. Lass dich nicht von deinen verrückten Ideen ins Unglück treiben, Johanna, ich bitte dich darum.«

Ihre Kehle hatte geschmerzt, aber sie hatte genickt und dem Vater die Stirn geküsst. »Sorg dich nicht um mich, Vater. Ich weiß, wo mein Platz im Leben ist.« Und damit hatte sie nicht einmal auf eine Lüge ausweichen müssen. Mit einem Lächeln auf den eingefallenen Zügen war ihr Vater eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht.

Zum Glück hatte es andere Mentoren in ihrer Vergangenheit gegeben, die an sie glaubten. Mit einem warmen Gefühl im Bauch beschwor sie das Bild von Denis Diderot hervor, ihr Fürsprecher in Paris und einer ihrer größten Bewunderer. Der Philosoph akzeptierte sie und half ihr, die Anerkennung der von Männern dominierten Akademien zu erringen. Johanna schloss nicht leicht Bekanntschaften oder gar Freundschaften. In Stephans Schatten fühlte sie sich geborgen, obwohl er sie manchmal damit aufzog, dass sie viel zu menschenscheu sei. Umso wertvoller waren für sie die Begegnungen, bei denen sie ihre Schüchternheit überwunden hatte und aus sich herausgekommen war. Was nutzten solche wichtigen Kontakte, wenn sie sie gleich wieder verlor? Denis Diderot würde sie womöglich nie wiedersehen. Was sollte ihn schon nach St. Petersburg verschlagen? Die Einladungen der Zarin hatte er schließlich stets ausgeschlagen und sich im vertrauten Kreis geschüttelt vor Widerwillen, nach Russland zu reisen.

Sie presste den Kopf gegen die Rückenlehne, während sie die Bewegungen der Kutsche mit ihrem Körper auszugleichen versuchte. Hinter ihren Schläfen setzte sich ein pochender Schmerz fest.

Sie biss sich auf die Lippen, als das Verlangen nach einem Glas Wein in ihr hochstieg und stärker wurde. Die Sonne versank hinter ihnen am Horizont und warf ein purpurnes Licht über die Landschaft. Im nächsten Dorf würden sie nach einer Herberge suchen. Ihre Hände begannen zu vibrieren, als sie sich ausmalte, wie sie in der Schenke saßen und der kühle Rebensaft ihre Kehle hinabrann.

Stephan hatte ihr vorgeschwärmt, welch herrliche Landschaften sie erwarteten, wenn sie erst Preußen und Polen hinter sich gelassen hätten und an der Ostsee entlang nach Litauen bis hinauf nach Riga reisen würden. Er kannte die Strecke selbst nicht, aber so war er: Immer mit Zuversicht in die Zukunft blickend, immer neugierig auf das, was das Leben ihm zu bieten hatte. Obwohl König Friedrich Stephans Pläne mit leichter Hand zerstört hatte, sah er schon nach kurzer Zeit wieder optimistisch nach vorne und freute sich auf neue Abenteuer.

Die Dächer einer Siedlung tauchten in der Ferne auf. Rauch kringelte sich in den Himmel, während die Menschen sich ihre Abendmahlzeit bereiteten. Ein ausgemergelter Hund lief ihnen kläffend entgegen, ein paar barfüßige Kinder folgten ihm und versuchten, ins Innere des Gefährts zu spähen, ihre Augen hell in den schmutzigen Gesichtern.

»Gleich kannst du dich ausruhen, Liebling«, sagte Stephan, als er ihr schließlich vor einer Gaststätte aus dem Wagen half.

Sie schaffte es zu lächeln. »Was glaubst du, wie viele Tage wir brauchen werden bis nach St. Petersburg?«

»Der Kutscher meinte, es wird September werden, bevor wir Schloss Peterhof erreichen.«

Johanna blähte die Wangen und stieß langsam die Luft aus, während sie an Stephans Seite auf die Schenke zutrat. Ein kräftiger Kerl mit kahlem Schädel und Schürze über dem Kugelbauch trat heraus, um sie zu begrüßen. Er wischte sich die Hände an einem schmutzigen Lappen ab, den er sich anschließend über die Schulter legte. »Willkommen im Dorfkrug, die Herrschaften. Eine Kammer für eine Nacht?«

Johanna wechselte einen Blick mit Stephan, bevor er antwortete: »Vielleicht für zwei Nächte, guter Mann. Die Reise hat uns ermattet.«

»Woher kommen Sie und wohin wollen Sie?«, fragte der Wirt, während er gleichzeitig eine einladende Geste in den Schankraum machte. In seinen Augen erkannte sie Gutmütigkeit. Und die Freude auf ein gutes Geschäft.

»Aus Potsdam«, erklärte Stephan. »Wir wollen nach St. Petersburg.«

Der Wirt stutzte, bevor er ein Lachen ausstieß. »Jetzt habe ich doch tatsächlich verstanden, dass Sie nach Russland wollen.« Er schnalzte ob dieser Ungeheuerlichkeit.

»Genau das ist unser Ziel.« Stephan rückte ihr einen Stuhl an einem Ecktisch zurecht. »Bringen Sie uns Wein, Brot und Käse zur Stärkung«, bat er.

Der Wirt drückte sich die Faust vor den Mund und starrte die beiden abwechselnd an. »Und das wollen Sie noch vor dem Winter schaffen? Ich würde meinen, da sollten Sie keine Zeit vergeuden, so gern ich Gäste bewirte, die länger als eine Nacht bleiben.«

Während Stephan kurz darauf Stücke von dem kräftig gebackenen Brot abriss und sich Scheiben vom Käse absäbelte, nahm sie einen langen Schluck aus ihrem Weinbecher. Als das kühle Getränk in ihrem Magen ankam, verursachte es umgehend dieses Prickeln. Schwindel erfasste sie. Das Leben war leichter in diesen Abendstunden, und der Wirt verzog keine Miene, als er wenige Minuten später dem Paar einen weiteren Krug servierte.

»Ist Peterhof der Zarensitz?« Sie biss in das Brot, das Stephan ihr hinhielt. Mit Daumen und Zeigefinger streifte sie die Krümel aus ihren Mundwinkeln.

»Peterhof ist nur eine von mehreren Residenzen außerhalb der Stadt. Der Palast liegt direkt am Wasser, man kann mit dem Boot nach St. Petersburg gelangen. Der Kutscher und die Soldaten werden von dort aus zurückkehren. Wir setzen den Rest der Reise über Wasser fort. Es heißt, St. Petersburg biete den schönsten Anblick, wenn man es von der Newa aus ansteuere.« Er grinste. »Es kann nichts schaden, gleich einen guten Eindruck zu bekommen, oder?«

Sie nahm einen weiteren Schluck. »Meinst du, es war richtig, alle Brücken hinter uns abzubrechen?«

Stephan nahm ihre Hand und küsste die Innenfläche. »Darüber sollten wir uns jetzt noch nicht den Kopf zerbrechen. Lass uns abwarten, was auf uns zukommt. Es wird schon gut gehen, Liebling.«

Ach, hätte sie doch wenigstens einen Bruchteil seiner unerschütterlichen Zuversicht. An den meisten Tagen fühlte sie sich, als bewege sie sich in Rabenschwärze, und die hellen Tage waren die, an denen sie sich mit Wein benebeln konnte. Sie hob den Becher und prostete ihrem Mann zu.

PROLOG

November 1761, in einem Birkenwald
südöstlich von St. Petersburg

Das Kind brauchte mehr Licht. Und Wärme brauchte es, um zu wachsen. In der Erdhöhle würde es verkümmern wie ein Vergissmeinnicht im Keller. Die Haut zu blass, das Haar stumpf, die Augen gerötet.

Heute war der Tag, an dem er die Kleine fortbringen würde.

»Was machst du, Emilio?« Sonja rieb sich mit den Fingerknöcheln die Lider und richtete sich auf. Zottelhaare umrahmten ihr Gesicht. Sie blinzelte, zog die Nase kraus. Emilio hatte die Luke nach draußen verschoben. Pulverschnee fiel zusammen mit einem Schwall kalter Herbstluft in die Höhle, vertrieb den Geruch nach den gepökelten Weißlingen und Lachsforellen, die der Alte aus dem seichten Uferwasser der Newa gefischt und zum Trocknen aufgehängt hatte. Der Schnee würde schmelzen, sobald er die Feuerstelle wieder entzündet hatte.

Ihre Behausung war eine Grube im Wald, so hoch wie ein Mann, so breit wie zwei. Abgedeckt war der Bau mit Ästen und Gesträuch, innen ausgelegt mit Wolfsfellen. Es gab um die Feuerstelle herum einen grob gehauenen Tisch aus Birkenstämmen, eine Bank und die Schlafstätte für Emilio, das Kind und den Bären. Der Einsiedler hielt die Höhle penibel aufgeräumt mit dem Frischwasserfässchen unter der Bank, dem Holzgeschirr in der Kiste, der kleinen Harfe in der Truhe, Schaufel und Axt an der Wand. Sie lag östlich von St. Petersburg, gleich an der Newa, die ein paar Werst entfernt in den Ladogasee mündete.

Das Land war von Hügeln durchzogen, mit vielen Morasten und stehenden Sümpfen. Dem Ackerbau hatten in den vergangenen Jahren einige Wälder weichen müssen. Verbrannte Flächen und Felder mit mickrigem Getreide fand Emilio überall bei seinen Streifzügen vor. Das Klima mit der feuchten Herbstwitterung, den strengen Wintern und den kurzen Sommern erschwerte den Russen und Finnen, die verstreut auf diesem Gebiet zwischen der Stadt und dem Ladogasee lebten, den Ackerbau und die Viehzucht. Was ein Jammer war, da sich in St. Petersburg alle Produkte der Landwirtschaft versilbern ließen.

Emilio hatte von seinem Ziehvater gelernt, wie man eine solche Erdhöhle errichtete, obwohl Kostja selbst das oberirdische Leben bevorzugte. »Er wird sich nicht wie eine Wühlmaus vergraben«, hatte der Zwerg grimmig erklärt, als er ihn vor vielen Jahren danach fragte.

Für Emilio stand fest, dass die Höhlen den Hütten bei Weitem überlegen waren. In der Semljanka zog die Kälte in den Wintermonaten nicht durch die Ritzen, und verborgen unter Gestrüpp waren sie sicher vor Räubern. Nicht dass Emilio marodierende Banden fürchtete. Die würden sich wohl eher an die Landhäuser halten, die mit dem Wachsen der Stadt in diesem Gebiet entstanden waren. Edelleute, die von Moskau nach St. Petersburg zogen, ließen hier ihre Sommerhäuser errichten, in denen sie die heißen Wochen fernab des städtischen Trubels genießen konnten. Emilios Hütte jedoch lag eine halbe Tagesreise vom nächsten bewohnten Gut und allen finnischen und russischen Dörfern entfernt. Er schätzte es, einen Ort zu haben, an dem er niemandem Rechenschaft schuldig war.