Wilhelm Bölsche studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Bonn. Er gilt als der Schöpfer des modernen Sachbuchs. In Dutzenden von Büchern und Bändchen popularisierte der Freidenker, Monist und Evolutionär das Wissen seiner Zeit.

Der Herausgeber Dipl. -Math. Klaus-Dieter Sedlacek, Jahrgang 1948, studierte in Stuttgart neben Mathematik und Informatik auch Physik. Nach fünfundzwanzig Jahren Berufspraxis in der eigenen Firma widmet er sich nun seinen privaten Forschungsvorhaben und veröffentlicht die Ergebnisse in allgemein verständlicher Form. Darüber hinaus ist er der Herausgeber mehrerer Buchreihen unter anderem der Reihen 'Wissenschaftliche Bibliothek' und 'Wissen gemeinverständlich'.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte

bibliografische Daten sind im Internet über

www.dnb.de

abrufbar.

Erweiterte Neubearbeitung

Coverdesign, Neuredigierung, Neuformat in moderner Antiqua-Schrift:

Klaus-Dieter Sedlacek

Internet: https://toppbook.de

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt.

ISBN: 9783749442591

Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Herausgebers

Der Weltklimarat schlägt Alarm. Die Lage spitzt sich zu: »Drastische Änderungen« sind nötig.1 Müssen wir sofort alle Kohle- und Gaskraftwerke abschalten und müssen wir unsere Urlaubsreisen aufgeben? Dürfen wir überhaupt noch Wohnungen im Winter mit Kohle, Gas, Öl oder Holz heizen? Muss die deutsche Regierung diktatorische Zwangsmaßnahmen ergreifen, damit wir das Klima der Welt retten? Muss unsere Regierung sofort für alle Autos und Lkws mit Verbrennungsmotor Fahrverbote erteilen?

Fragen über Fragen, die in diesem Buch nicht vom Autor selbst beantwortet werden können. Aber Sie, lieber Leser können eine Antwort finden! Denn in diesem Buch geht es um die Frage: Wird es der Erde schlecht gehen, wenn sie sich weiter erwärmt? Oder sind Warmzeiten auch gute Zeiten für die Erde?

Hier erfahren Sie, wie das Leben auf der Erde war, als die Temperaturen weit über dem heutigen Niveau lagen, als die Polkappen eisfrei waren und Palmen in der Antarktis wachsen konnten.

Im ersten Kapitel erhalten Sie eine einführende Information zum Thema »Warmzeit und Klimageschichte«. Dann geht es weiter mit dem Hauptteil, in dem der Autor Wilhelm Bölsche uns das Leben in den Warmzeiten der Erde ausführlich schildert. Im Anhang schließlich habe ich noch aktuelle und interessante Meldungen aus der Forschung zur Klimageschichte hinzugefügt.

Ich denke das ist eine Menge Information, damit Sie, lieber Leser, sich selbst eine Meinung zu unserer Frage »Waren Warmzeiten auch gute Zeiten...?« bilden können.

Stuttgart, im Sommer 2019

Der Herausgeber


1 Meldung vom 08.10. 2018 https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_84577342/erderwaermung-weltklima-rat-schlaegt-alarm-drastische-aenderungen-noetig.html

Warmzeit und Klimageschichte

Eine Warmzeit ist in der Klimageschichte und auch in der Geologie neutral ein Zeitraum mit im Durchschnitt höheren Temperaturen zwischen zwei Zeitabschnitten mit durchschnittlich tieferen Temperaturen, sogenannten Kaltzeiten. Wenn eine Warmzeit innerhalb eines Eiszeitalters gemeint ist, so spricht man auch von Interglazial oder Zwischeneiszeit, seltener von Zwischenkaltzeit. Gegenwärtig ist die Erde in einem Eiszeitalter, dem känozoischen Eiszeitalter. Dieses gliedert sich wiederum in kürzere Abschnitte von Kaltzeiten und Warmzeiten. Das gegenwärtige Holozän, das seit etwa 12.000 Jahren herrscht, ist eine solche Warmzeit innerhalb eines Eiszeitalters.

Längere Zeitabschnitte der Erdgeschichte mit höheren Temperaturen (etwa von der Länge von Erdperioden) werden auch als Warmklimata bezeichnet. In Zeiten mit Warmklimata gibt es auf der Erde normalerweise keine größeren Vereisungsgebiete, insbesondere auch nicht in den Polregionen.2

Eisfreie Polkappen stellen erdgeschichtlich den Normalzustand dar und machen etwa 80 bis 90 Prozent der Erdgeschichte aus. Beispiele sind die Kreidezeit und das Paläogen (älteres Tertiär). Zeiten mit vereisten Polkappen, die so genannten Eiszeitalter, stellen die Ausnahme dar. Die aktuelle erdgeschichtliche Periode, das Quartär, ist ein solches Eiszeitalter.

Der Begriff Warmzeit ist genauso wie Eiszeit unscharf. Man spricht daher besser von Zwischenkaltzeit (Interglazial). Ein Interglazial kann als mittelskalige Klimaschwankung von etwa 10.000 bis 400.000 Jahren betrachtet werden. Das Holozän, welches bis heute andauert, ist eine solche Warmzeit innerhalb des – in größeren Zeiträumen zu sehenden – aktuellen Eiszeitalters, der pleistozänen Eiszeit.

Die Klimageschichte dokumentiert Entwicklung, Schwankungen und Auswirkungen des irdischen Klimas sowohl in geologischen Zeiträumen als auch in den Epochen der jüngeren Vergangenheit. Je nach zeitlicher Perspektive werden dabei Klimaverläufe über wenige Jahrzehnte bis hin zu einigen Hundert Millionen Jahren analysiert. Die Wissenschaften zur Erforschung des Klimas sind die Paläoklimatologie und die Historische Klimatologie. Letztere verzeichnet auch die verschiedenen Wetteranomalien in historischer Zeit, die unter anderem von heftigen vulkanischen Eruptionen hervorgerufen wurden.3

Zuverlässige und instrumentell ermittelte Temperatur- und Klimadaten stehen auf breiterer Basis erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Verfügung. Informationen über frühere Zeiträume galten lange als relativ unsicher, können jedoch zunehmend besser und genauer belegt werden. Traditionell werden hierbei so genannte Klimaproxys aus natürlichen Archiven wie Baumringe, Eisbohrkerne oder Pollen verwendet. Zusätzlich kommt in der Forschung ein breites Spektrum verschiedener Isotopenanalysen zum Einsatz, deren jüngste Entwicklungen eine bis vor kurzem unerreichbare Messgenauigkeit ermöglichen. Die Klimageschichte ist auch für die Evolutionsgeschichte von Bedeutung.

Die Klimageschichte beginnt mit der Entstehung der Erde vor etwa 4,6 Milliarden Jahren. Im Anfangsstadium der Erde kurz nach der Entstehung betrug die bodennahe Temperatur etwa 180 °C. Die Abkühlung dauerte sehr lange, vor 4 Milliarden Jahren unterschritt die Temperatur das erste Mal die 100-°C-Grenze. Das Klima in dieser Zeit war daher nicht nur heiß, sondern auch sehr trocken. So gab es noch keine Meere, Niederschläge oder sonstiges flüssiges Wasser auf der Erde, und die Zusammensetzung der reduzierenden Uratmosphäre unterschied sich stark von der heutigen Erdatmosphäre. Ungeachtet der Umweltverhältnisse kam zu diesem Zeitpunkt die Chemische Evolution in Gang, bei der sich organische Moleküle bildeten, die als Bausteine der Entstehung von Leben unerlässlich waren.

Mit der fortschreitenden Abkühlung erreichte der Wasserdampf zum ersten Mal in der Geschichte der Erde seinen Kondensationspunkt, sodass sich flüssiges Wasser bilden konnte. Ohne dieses wäre die Entstehung von Leben und die nachfolgende Biologische Evolution auf der Erde unmöglich gewesen.

Nachdem das erste Wasser kondensiert war, entstand allmählich der Wasserkreislauf und damit die Hydrosphäre. Die ältesten Anzeichen für Ozeane auf unserer Erde sind in Gesteinen vorhanden, die inzwischen ein Alter von 3,2 Milliarden Jahren erreicht haben.

Vor 2,6 Milliarden Jahren bildete sich im Laufe der Entwicklung der Erdatmosphäre durch die Aktivität von Cyanobakterien der erste Sauerstoff in der Uratmosphäre und erreichte vor circa 2,2 Milliarden Jahren signifikante Konzentrationen. Der Wasserdampf kondensierte größtenteils und wurde als Wasser in Meeren und Seen gebunden. Mit dem Wasserdampf verschwand auch ein großer Teil des Kohlendioxids aus der Atmosphäre. Das Kohlendioxid wurde durch die Cyanobakterien verbraucht, die es im Zuge der Photosynthese als Kohlenstoffquelle nutzten. Der Kohlenstoff wurde dem normalen Kreislauf entzogen, weil die Cyanobakterien nicht von anderen Organismen verstoffwechselt wurden, sondern sich am Meeresboden absetzten, wo sie fein verteilt in den Sedimenten ablagerten oder im küstennahen, lichtdurchfluteten Flachwasserbereich als Stromatolithe fossilisierten. Erst dadurch war der Aufbau einer oxidierenden Sauerstoffatmosphäre möglich, wobei über einen langen Zeitraum keine wesentlichen Konzentrationssteigerungen auftraten, da der freigesetzte Sauerstoff zunächst nur Eisenverbindungen oxidierte. Dieses Eisenoxid resultierte in großen Ablagerungen so genannter Bändererze, die als ergiebige Lagerstätten erhalten blieben und intensiv abgebaut werden. Die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre stieg weiter an, sodass damit aerobes Leben auf der Erde möglich wurde. Die Veränderung der Konzentration der Klimagase und ihrer Zusammensetzung veränderte zudem den Strahlungshaushalt der Erde und brachte den Treibhauseffekt in Gang, der die Erde seitdem erwärmt.

Dieser sehr frühe Teil der Klimageschichte wird in vier Teile aufgeteilt. Das Präkambrium beschreibt dabei den größten Zeitraum von etwa 3,8 bis 0,57 Milliarden Jahren. Er ist bisher noch relativ schlecht rekonstruierbar, weil die Gesteine aus dieser Zeit weitreichenden Veränderungen unterlagen, sodass es nur wenige Daten aus diesem Erdzeitalter gibt, die für die Rekonstruktion des Klimas verwendet werden können. Trotzdem ist der frühe Teil der Klimageschichte besonders interessant, da in ihm die ersten Eiszeitalter lagen. Das erste von ihnen liegt etwa 2,3 Milliarden Jahre zurück. Etwa ab dem Ende des Präkambriums ist es heute möglich, das Klima genügend zu rekonstruieren und zu verstehen. Dieses gelingt vor allem durch die Analyse von Sedimenten.

Die aktuelle Warmzeit

Auch in der aktuellen Warmzeit, dem Holozän, gibt es noch viele relative Klimaveränderungen. In Annäherung an die Jetzt-Zeit gelingt die Rekonstruktion des Klimas immer detaillierter und vielfältiger. Doch sind die ältesten drei Viertel des Holozäns noch weitgehend unerforscht. Erst mit der Entwicklung der ersten Hochkulturen wird die Beobachtung genauer. Forschungen in der Sahara und Seebodenuntersuchungen im Mittelmeer ergaben, dass in Nordafrika vor etwa 10.000 Jahren nicht die heutige Wüste vorherrschend war, sondern eine Grassavanne, die von einer Vielzahl von Tieren bevölkert war und Menschen Lebensraum bot. Davon zeugen fossile Pflanzen ebenso wie Fels- und Höhlenmalereien. Eine These geht von einer zyklischen Begrünung der Wüstengebiete Nordafrikas aus, deren Zykluszeit etwa 22.000 Jahre beträgt. Demzufolge ist eine stetige langfristige Änderung des Klimas Teil eines natürlichen Zyklus, in dem es „Gewinner und Verlierer“ gibt.

Der Wechsel von der letzten Kaltzeit zur aktuellen Warmzeit verlief relativ schnell, dauerte aber trotzdem mehrere tausend Jahre. Dies hing vor allem damit zusammen, dass die großen Eisschilde nicht so schnell schmelzen konnten. Der skandinavische Eisschild war etwa vor 7000 Jahren verschwunden und damit im Vergleich zu den Schilden in Nordamerika und Nordasien relativ schnell abgeschmolzen. Der Laurentische Eisschild in Nordamerika war erst vor 4000 Jahren völlig aufgelöst. Ein Abschmelzen des heutigen Antarktischen Eisschildes würde mindestens 15.000 Jahre dauern.

Vor etwa 8000 bis 4000 Jahren hatte die heutige Warmzeit einen Höhepunkt überschritten, sodass eine langsame Entwicklung zur nächsten Kaltzeit vermutet werden kann. Allerdings ist diese Bewegung so langsam, dass die Temperatur über eine Zeit von tausend Jahren nur rund 0,1 °C abnimmt. Diese geringe Veränderung wird jedoch von so vielen anderen Einflüssen auf das Klima überdeckt, dass sie praktisch nur noch über einen sehr langen Zeitraum im Mittel erkannt werden kann. Auch diese überlagernden Veränderungen haben im Durchschnitt auf einer großen Fläche, etwa über die Südhemisphäre, nicht mehr als etwa 1 °C Temperaturanstieg oder -abstieg zu verzeichnen.

Das „holozäne Temperatur-Optimum“, oder „Atlantikum“ dauerte zumindest auf der Nordhalbkugel etwa von 7000 v. Chr. bis 4000 v. Chr., mit markanten Unterbrechungen zwischen 6500 und 6100 v. Chr. (das sogenannte 8.2ka event durch das Einströmen des nordamerikanischen Eisstausees Agassizsee in den Atlantik) sowie um etwa 5200 v. Chr. aus bisher ungeklärter Ursache.

So gab es im Verlauf des Holozäns immer wieder „kleinere“ Klimaschwankungen (Misox-Schwankung, Piora-Schwankung), die sich spürbar auf die Vegetation und damit auf die Fauna und den Menschen auswirkten. In diesem Zusammenhang werden die beiden Begriffe „Pluvial“ (relativ niederschlagsreiche Phase) und „Interpluvial“ (relativ trockene Phase) verwendet. Dieses ist notwendig, da in der Geschichte die Temperatur- und Niederschlagsschwankungen nicht immer parallel verliefen. Vor etwa 2000 Jahren gab es in der Zeit zwischen etwa 100 v. Chr. und 500 n. Chr. das „Optimum der Römerzeit“. Als diese Klimaepoche langsam zu Ende ging und sich das Klima abkühlte („Pessimum der Völkerwanderungszeit“), kam die Zeit der großen Völkerwanderungen (etwa um 370 bis 570 n. Chr.). Weil es viele Parallelen zwischen Klima- und Menschengeschichte gibt, kann ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden.

Nach dieser relativ „schlechten“ Zeit für die Menschheit entwickelte sich wieder eine wärmere Epoche. Ab etwa 800 n. Chr. folgte die Mittelalterliche Warmzeit. Sie war in weiten Teilen Europas durch wirtschaftlichen wie demografischen Aufschwung gekennzeichnet und ging mit der kulturellen Blüte des Hochmittelalters – Stichwort: Bau von Kathedralen und anderen imposanten Bauwerken – einher. Anfangs hielt sich der Niederschlag noch in Grenzen, was sich gegen Ende dieser Phase änderte, als die Niederschlagsraten stark anstiegen. Aus dieser Zeit stammen viele deutsche Ortsnamen, die auf Weinanbau hinweisen, obwohl zwischenzeitlich der Weinanbau dort nicht mehr möglich war.

Auf das Optimum des 11.–14. Jahrhunderts folgte wieder eine Klimawende mit niedrigeren Temperaturen beginnend etwa im 15. Jh. Das Klima der Nördlichen Hemisphäre war im 17. Jh. weniger als 1 °C kühler im Vergleich zur Durchschnittstemperatur des 20. Jahrhunderts, mit einer lokal stärkeren Abkühlung in Regionen nahe dem Nordatlantik. Für das globale Klima wird eine Abkühlung von rund 0,2 °C gegenüber dem Mittelalterlichen Optimum vermutet. Obwohl der Begriff Eiszeit hierfür eine Übertreibung darstellt, wird diese Zeit die Kleine Eiszeit genannt. Als weiteres Beispiel für den Zusammenhang zwischen menschlicher Kulturentwicklung und Klimageschichte werden oftmals die Wikinger genannt. 982 n. Chr. ließen sie sich das erste Mal auf Grönland nieder und waren über mehrere Jahrhunderte dort ansässig. Durch die zunehmende Abkühlung im nordatlantischen Raum nahm die Besiedelung der Insel ein mehr oder weniger jähes Ende. Bis vor kurzem wurde angenommen, dass neben wirtschaftlichen und soziologischen Gründen die schlechter werdenden klimatischen Bedingungen wesentlich dazu beitrugen, dass um 1500 die letzte normannische Siedlung auf Grönland aufgegeben wurde. Allerdings kommen aktuelle Untersuchungen zu konträren Ergebnissen. So hatte die Mittelalterliche Warmzeit im Bereich von Grönland praktisch keine Auswirkungen auf das dortige Klima, und die grönländischen Gletscher erreichten zwischen den Jahren 975 und 1275 fast ihre maximale Ausdehnung. Eine über Jahrhunderte dauernde Phase milder Temperaturen wäre nach der neuen Datenlage demnach ausgeschlossen.

Die der Mittelalterlichen Warmzeit folgende Phase tieferer Durchschnittstemperaturen und vieler extremer Winter (Kleine Eiszeit) wird von Historikern als ein Faktor in der von vielfachen politischen, ökonomischen und sozialen Erschütterungen erfassten Epoche der frühen Neuzeit gesehen, für den der Begriff „Krise des 17. Jahrhunderts“ geprägt wurde. Die ausgeprägt kalten Winter beeinflussten indes auch die kulturelle Entwicklung Europas: bis etwa 1500 waren Winterbilder in der europäischen Kunst eine Rarität – durch die Gemälde eines Hendrick Avercamp und eines Pieter Bruegel der Ältere – typisch ist sein Die Jäger im Schnee von ca. 1565 – wurden sie ein Genre in der bildenden Kunst vor allem West- und Nordeuropas.

Abbildung „Temperatur des Planeten Erde“

By User:Glen Fergus, User:hg6996 - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:All_palaeotemps.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34611466

Dargestellt sind Schätzungen der globalen Oberflächentemperaturen der letzten ~540 Mio. Jahre des Phanerozoikums, seit der ersten Entwicklung komplexerer Lebensformen auf unserem Planeten. Eine große Errungenschaft der Klimatologie der letzten 30 Jahre besteht in der Gewinnung umfangreicher Datensätze der Temperaturgeschichte, die aus physikalischen Proxies erstellt wurden. Sie ersetzten viele der früheren geologischen Ableitungen (fundierte Schätzungen). Die Grafik zeigt ausgewählte, auf Proxies basierende Temperaturschätzungen, die im Text unten beschrieben werden.

Viele, auf Proxies basierende Temperaturrekonstruktionen zeigen lokale, nicht aber globale Temperaturen. Andere beziehen sich auf Ozeantemperaturen und nicht auf Lufttemperaturen. Daher wurden bei der Gewinnung mancher dieser Temperaturschätzungen substanzielle Näherungen gemacht. Im Ergebnis stellen die Verhältnisse einiger der dargestellten Schätzungen Näherungen dar, insbesondere in Hinblick auf weit in der Vergangenheit liegenden Zeiträume.

Zeitlicher Maßstab

Die Zeit ist von heute an gesehen rückwärts aufgetragen, wobei heute als 2015 CE dargestellt ist. Sie ist in fünf Feldern linear skaliert und wird zwischen jedem Feld um eine Größenordnung gedehnt. Die Unterbrechungen zwischen den Feldern sind nicht gleichverteilt, vielmehr sind sie bei geologisch relevanten Zeiten positioniert:

Temperaturskala

Die Oberflächentemperatur ist als Anomalie (Differenz) zum Durchschnitt des Referenzintervalls 1960-1990 aufgetragen. Die Temperatur in diesem Zeitraum lag bei 14°C bzw. 57°F.

Daten

Feld 1: Von 540 bis 65 Millionen Jahren vor heute

Die Daten stammen aus Delta-O-18-Messungen von Schalen mariner Mikroorganismen, die von Veizer et al. 1999 gewonnen wurden[1] und von Royer et all (2004)[2] reinterpretiert wurden. Der Graph stellt letztlich die obere Tafel des Bildes Nr. 4 der Publikation von Royer et al. dar. Das orange Band zeigt den Effekt extremer Annahmen in Anwendung der GEOCARB-Rekonstruktion für die Rekonstruktion und stellt die Fehlerbreite nicht vollständig dar (diese ist weit größer).

Da die Ergebnisse von Royer/Veizer die Temperaturen seichter tropischer Gewässer beschreiben, ist es unwahrscheinlich, dass sie Variationen der globalen, durchschnittlichen Lufttemperatur abbilden. Die Ergebnisse sind hier in einer groben Näherung um einen Faktor zwei gedehnt aufgetragen. Mehrere verfälschende Faktoren beeinflussen die Interpretation von derart alten Proben; daher ist Feld eins am ehesten als qualitative Darstellung (wärmer/kälter) zu betrachten.

Feld 2: 65 bis 5.3 Millionen Jahre vor heute

Diese Daten stammen aus Hansens Interpretation der globalen Sammlung von Sauerstoffisotopen mariner Organismen, die von Zachos et al. (2008) zusammengestellt wurde.

Es ist eine direkte Schätzung der globalen, durchschnittlichen Meeresoberflächentemperaturen, die eine gute Näherung der oberflächennahen Lufttemperatur darstellt. Hansen et al. beschreiben sie als eine "erste Schätzung", d.h. es ist eine Näherung, aber eine begrenzte unabhängige Bestätigung (e.g. Zachos et al. (2006) für das eozäne Optimum) zeigt, dass sie eine substanziell quantitativere Aussage darstellt als in Feld eins.

Feld 3: 5.3 bis eine Millionen Jahre vor heute

Diese Daten stammen von der globalen Sauerstoff-Isotopen-Sammlung von Lisiecki und Raymo (2005)mariner mikroskopischer Organismen wie sie von Hansen et al. (2013) interpretiert wurden.

Bei diesem Maßstab sind die Daten von Zachos et all (die auch dieses Intervall abdecken) von den Daten von Lisiecki und Raymo nahezu ununterscheidbar. Dies stellt eine direkte Schätzung der globalen Meeresoberflächentemperatur dar.

Feld 4: Eine Million bis 20,000 Jahre vor heute

Es werden zwei Datensätze aufgetragen:

1. Lisiecki und Raymo, wie in Feld drei.

2. Temperaturschätzungen von Wasserstoff-Stabilisotopenanalysen von Eisbohrkernen des EPICA Dome C Bohrkern der Zentral-Antarktis. Diese Schätzungen der Temperaturanomalien beziehen sich auf die Pole und nicht auf die globalen Durchschnittstemperaturen und werden daher zur Kompensation der polaren Verstärkung um einen üblichen Faktor zwei geteilt, wie z.B. von Hansen et al. (2013) publiziert, um sie näherungsweise in globale Schätzwerte umzuwandeln.

Feld 5: 20,000 Jahre vor heute bis zur Gegenwart (2015)

Fünf Datensätze sind aufgetragen:

1. EPICA Dome C, wie in Feld 4.

2. Temperaturschätzung von Sauerstoff-Isotopen-Messungen des Nordgrönländischen Eisbohrkernes NGRIP. Die Interpretation erfolgte durch Anwendung des einfachen Verfahrens von Johnsen et al. (1989).(Es gibt modernere und komplexere Verfahren, die zu leicht abweichende Interpretationen führen würden.) Wie die Belege vom EPICA Dome C ist auch dieser Temperaturproxy polaren Ursprungs und wird nach Reduktion um den polaren Verstärkungsfaktor von zwei aufgetragen. Der Unterschied zwischen diesem und Datensatz eins veranschaulicht die Hypothese der polaren Schaukel.

3. Globale Temperaturschätzungen über ~12000 Jahre des Holozän, rekonstruiert aus einer Sammlung verschiedener Proxie und interpretiert nach Marcott et al. (2013).

4. Aufzeichnungen von Thermometern des Land-Ozean-Datensatzes (2014) des "Berkeley Earth projekt" seit 1850,in Form von Dekaden-Mittelwerten aufgetragen.

5. Errechnete Temperaturen für 2050 und 2100 aus dem fünften Sachstandsbericht des IPCC WG1 Summery for Policy Makers (2013) für das RCP8.5 Szenario.

Tafel 1 Langhalsige Meersaurier vom Geschlecht des Plesiosaurus im süddeutschen Meer der Juraperiode. Im Hintergrund rechts Ichthyosaurier.


2 Seite „Warmzeit“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. April 2019, 21:35 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Warmzeit&oldid=187175015 (Abgerufen: 16. Mai 2019, 15:05 UTC)

3 Dieser und die weiteren Absätze siehe Seite „Klimageschichte“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 13. Mai 2019, 17:01 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Klimageschichte&oldid=188533916 (Abgerufen: 16. Mai 2019, 15:09 UTC)

Die Erde vor unserer Zeit

Der liebenswürdige Astronom Schröter im 18. Jahrhundert hat einmal gesagt, seine Wanderungen mit dem Fernrohr auf dem Mond hätten ihm Ersatz für so manche Erdenreise geboten, die das Schicksal ihm versagt.

Ich glaube, dass man das hübsche Wort mit noch mehr Recht auf die Urwelt anwenden darf, wie sie heute wieder vor uns aufgetaucht ist.

Auch sie führt in fremde Zonen und Meere, zu geheimnisvollen Wäldern und seltsamster Tierwelt, kaum dass wir unsere engste Heimat dafür zu verlassen brauchen – nur mit etwas Zeitvertauschung und etwas Zauberstab der Phantasie, der viele kleine graue Tatsachen der Forschung wieder zu wirklichem Licht, zu Farbe und Gestalt zu beleben weiß.

Ja, sie greift hinaus über die einfache Touristenfreude in das große Neuentdeckergebiet selbst.

Unsere gegenwärtige Erde ist heute bald ausentdeckt – ihre Pole sind erobert, ihre Kontinente und Ozeane überquert, schon sinkt das Lot in die Tiefsee und hebt sich das Luftfahrzeug zu den oberen Schichten der Atmosphäre. Nun tauchen in dieser Urwelt sozusagen unter unsern Füßen ständig neue und andere solche Erden aus dem Blau der Vergangenheit – nicht eine bloß, sondern eine ganze Reihe in sich folgender Perioden hintereinander, von denen jede wieder ihren eigenen Kolumbus zu verlangen scheint.

Abb. 1: Der Mittagsstein auf dem Kamm des Riesengebirges als Beispiel der fortschreitenden Wieder-Verwitterung aller Gebirge der Erde. Ursprünglich lagerten hier horizontale Schiefer. Als diese bei einer alten Gebirgsbildung gefaltet wurden, drang von unten glühende Masse ein, die in der Tiefe zu Granit erstarrte. Jetzt sind die Schiefer selbst schon abgewittert, der Granit liegt frei und kommt nun selbst zum Zerfall durch Verwitterung.

Die gewaltigste, die überwältigendste aber wieder dieser Vorerden, die alles weit überstrahlt, was Kolumbus selbst an seinem ersten Amerikamorgen erleben sollte, ist die der sogenannten großen Saurier.

Sie ist nicht die erste, bis zu der unser so gestellter Entdeckerblick reicht. Ein noch älterer Wald, ein noch älteres Meer gehen ihr voraus, auch ohne dass wir schon an die letzten Sterngeheimnisse unseres Planeten oder die Rätsel des Lebens als solche zu rühren brauchten. Fremde, schon in ihr selbst wieder verschollene Gebirge spiegelten sich dort, noch ältere Tiere bewegten sich, selbst eine Eiszeit war schon einmal nahe vor ihr gekommen und wieder vorübergegangen. Aber zum erstenmal auch in diesem Urweltsinne ganz hell erscheint sie, und in dieser magischen Helle lebt sie zugleich jetzt eine dämonische Urkraft noch einmal aus, die an die wildesten Heldensagen und Titanenschlachten unserer alten Völker erinnert, ohne dass sie doch aufhörte, wahr zu sein – so wahr wie irgendein wirklicher Entdeckerfund unserer Cook oder Stanley.

*

Das urtümliche Leben

Was ein »Saurier« sei, das glaubt in unserer heutigen Bildung schon ein braver Schulknabe zu wissen, wenn er's auch nicht wirklich genau weiß. Vom Ichthyosaurus singt der Student, und beim ungeheuren Brontosaurus mit dem kleinen Kopf knüpfen unsere Tageszeitungen an, um etwas scheußlich Ungeheures zu vergleichen, das riesendumm alles niedertrampelt.

Abb. 2: Beispiel versteinerter Tierreste: eine Anzahl Rückenpanzer sogenannter Trilobiten auf gleichem Gesteinsstück noch sichtbar. Die Trilobiten waren eigentümliche Krebse in den ältesten uns noch bekannten urweltlichen Meeren aus einer heute vollkommen wieder ausgestorbenen Ordnung.Ich stelle das Bild dieser Epoche voran, um den Blick gleich auf die allerabenteuerlichste Urwelt zu vereinigen.

Das zugrunde liegende griechische Wort (sauros oder saure) bezeichnet aber zunächst selbst noch nichts Urweltliches, sondern nur unseren einfachen heutigen Begriff Eidechse. Also eigentlich etwas, das noch in der hellen Sonne vor uns herumschwänzelt und bei einer Italienfahrt lustig von jeder Bruchmauer äugt. Zoologisch aber sind die Eidechsen Reptile, und das ist in Wahrheit der umfassendere Begriff, der zuletzt auch bis in jene Urwelt hinübergreift.

Man kennt ungefähr das allgemeine Bild des tierischen Systems, wie es die neuzeitliche Entwicklungslehre zugleich gern von unten nach oben als eine Art verzweigten Stammbaums denkt.

Abb. 3: Versteinerte Seelilie. Beispiel eines versteinerten (fossilen) Tieres: eine sogenannte Seelilie ( Encrinus lililiiformis) aus dem deutschen Muschelkalkmeer der Urwelt. Die Seelilien waren keine Pflanzen, sondern Tiere aus der Verwandtschaft unserer Seesterne und Seeigel, die meistens mit einem langen Stiel an ihrer Unterlage hafteten.

Ganz unten sind noch die einfachsten, ganz urtümlichen Stufen, sagen wir die Infusorien, die noch etwas gegen die Pflanzen verschwimmen. Dann folgt heraufsteigend eine Reihe mehr oder minder paralleler Äste oder Stämme: polypen- und quallenhafte Geschöpfe, echte Würmer, Typ Seestern oder Seeigel, Typ Muschel – Schnecke – Tintenfisch, ein solcher Ast oder Stamm zum Krebs und Insekt strebend und endlich ein sehr hoher, fast möchte man vom Endergebnis sagen, zentraler: die Wirbeltiere.

Auch sie heben noch fast wurmhaft unten an, werden dann im Wasser kiemenatmender Fisch, steigen als Amphibium oder deutsch gesagt, Lurch ans Land mit noch halb Kieme, halb schon Lunge (eben beidlebig, was das Fremdwort Amphibium ausdrücken soll), und kommen endlich im Reptil selbst (Kriechtier etwas mangelhaft zu übersetzen, denn das Kriechen ist nicht die Hauptsache) zur reinen Lungenatmung, die ihnen auch als entscheidend bleibt, selbst wenn sie nachträglich wieder gelegentlich ins Wasser zurückgehen. Jenseits gipfeln in ihnen noch die Vögel und Säugetiere, die wir aber hier beiseite lassen wollen, obgleich wenigstens die letzteren schließlich zu uns selbst steuern – wir wollen vorerst ankern im System beim Reptil.

Abb. 4: Beispiel der Wiederherstellung eines versteinert überlieferten Tieres aus den Meeren der Urwelt: eine Seelilie vom Typ der in Abb. 3 als solche Versteinerung gegebenen, wie sie nach Ansicht von Walther in ihrem Muschelkalkmeer wirklich aussah. Man vergleiche damit auch das Bild auf Tafel 14 (Seelilie), sowie auf Tafel 4 (Blick in das Tierleben unseres Muschelkalkmeers), wo links verschiedene solcher Seelilien ebenfalls in natürlicher Wiederherstellung zu sehen sind.

Abb. 5: Beispiel des in dieser Gestalt versteinert erhaltenen Gehäuses eines den Tintenfischen verwandten Tieres, sog. Ammonshorn. Die schönen, meist eingerollten Schalen wurden entsprechend ihrer Art von den Bewohnern selbst gebildet und enthielten eine Reihe von Kammern, in deren vorderster und größter das erwachsene Tier saß. In dieser Form sind die Ammonstiere (Ammonoideen) heute ausgestorben. Die abgebildete Art ( Ceratites nodosus) lebte zahlreich im deutschen Muschelkalkmeer. (Ein Drittel der natürlichen Größe.) Siehe auch das Bild auf Tafel 37.

Heute gibt es auch in ihm nicht bloß jene Eidechsen, sondern selber noch vier verschiedene andere Eigentypen, von denen drei auch jeder kennt: die den Eidechsen sehr nahe Schlange, die sozusagen in sich selbst eingemauerte Schildkröte und (immerhin ein wirkliches fernes Abenteuer, zu dem man, um es in der Natur selbst zu erleben, heute eine Reise tun muss) das Krokodil. Als fünfter Typ kommt dazu als weniger bekannt noch die seltsame sogenannte Brückenechse von Neuseeland, die (wie noch zu besprechen) selber eigentlich einen noch in unsere Tage ragenden echten urweltlichen »Saurier« darstellt.

Abb. 6: Beispiel eines versteinerten Ammonshorns (Gehäuse eines tintenfischähnlichen Tieres, vgl. Abb. 5) von anderer Gestalt ( Cosmoceras jason aus dem Jurameer). Diese Schalen zeigten wundervolle Kunstformen der allerverschiedensten Art.

Abb. 7: Versteinertes Ammonshorn (Gehäuse eines tintenfischähnlichen Geschöpfes, vgl. Abb. 5) von vorne gesehen. ( Macrocephalites macrocephalus aus dem schwäbischen Jurameer.)

Im ganzen immer noch eine recht zahlreiche Gesellschaft mit über viertausend lebenden Arten und manche dabei auch jetzt respektabel groß – Riesenschlangen und solche Krokodile bis immerhin 10 und 12 m – also sechs- oder siebenmal in der Länge ein großer Mensch und auch diesem Menschen so nicht immer ungefährlich. Wegen des wenigstens normal sogenannten »wechselwarmen «, das heißt nach der Außentemperatur jeweilig gestimmten Blutes pflegt das ganze Volk und gerade auch in diesen größten und bösesten Arten heute stark nach den wärmeren, für sein Temperament anregenderen Zonen orientiert zu sein.

Und allgemein an diese Reptilien schließen nun auch die urweltlichen »Saurier« – sie waren ebenfalls im Sinne, wie ich sie hier fasse, sämtlich echte Reptile, obwohl keineswegs darum alle nur Eidechsen, wie der Name glauben machen könnte. Einige gingen selber noch in die andern genannten Reptiltypen von heute ein – noch andere aber, ja die meisten und merkwürdigsten, reichten weit auch noch über diese hinaus in eine schier unerschöpfliche Welt reptilischer Sondergestaltung, die jener ihrer großen Urweltepoche als solcher ausschließlich angehörte und heute wieder gänzlich ausgeschieden und uns nur noch in mehr oder minder gut erhaltenen »versteinerten« Resten, wie man das nennt, erhalten ist.

Der geschichtliche Sachverhalt war jedenfalls der, dass auch zu jener langen und wunderbaren Urweltepoche die tierische Entwicklung schon bis zum Reptil überhaupt angestiegen war.

Bereits in den ältesten uns bekannten Urweltmeeren war das Tier als Polyp, als Qualle, als Seestern, als Schnecke und Krebs aufgetaucht – sehr früh auch schon im Wirbeltier als Fisch.

Im ersten alten Walde war dann dieses zunächst fischhafte Wirbeltier selbst zum Amphibium auf der Grenze von Sumpf und Land geschritten, ähnlich wie parallel jenseits des Krebses damals das Gliedertier zum Insekt. Eine Weile und auch noch in den Anfang unserer Saurierepoche selbst hinein hatte auch dieser amphibische, molchhafte Typ eine Anzahl größerer urweltlicher Scheusale, die entfernt an unsere Krokodile erinnerten, erzeugt, und öfter wendet man auch auf sie in der Fachsprache schon das Wort Saurier an – doch wollen wir hier als verwirrend lieber davon absehen und den Ausdruck auch damals rein den Reptilen aufsparen.

So trat eben alsbald und in unser engeres urweltliches Großzeitalter hinein jetzt auch diese Stufe des mittleren Wirbeltieres in ihnen vollgültig hervor und zwar sofort in einer so ungeheuerlichen Entfaltung, dass eine Weile sozusagen die ganze Erde, Meer, Land und Luft davon als ihrer sichtbarsten Kreatur erfüllt und beherrscht schien – Anlaß, von einer Erde oder Zeit der Saurier wirklich allgemein damals zu sprechen. Vogel und Säugetier spielten neben dieser extremen Reptilblüte noch gar keine oder doch eine völlig verschwindende Rolle, dafür aber äußerte diese urweltliche Saurierschöpfung selbst zunächst jene Eigenkraft, die gar nicht zu überbieten schien.

Abb. 8: Beispiel eines versteinerten Ammonshorns (vgl. Abb. 5) mit loser gerolltem Gehäuse. ( Crioceras Duvalii aus dem Meer der Kreidezeit.)

Habe ich gesagt, diese Urwelt-Erden glichen geographisch neu zu entdeckenden Kontinenten für uns, so müssten wir uns hier einen Kolumbus oder Cook denken, die solchen Erdteil, statt mit Elefanten, Nashörnern, Nilpferden, Giraffen und Straußen, mehr oder minder ganz mit bizarrsten Reptilgestalten erfüllt gefunden hätten – manche davon selber Nashörnern, Nilpferden oder Giraffen nicht unähnlich, manche wie Känguruhs oder Strauße aufrecht auf den Hinterbeinen trabend und noch andere gar wie Vögel in der Luft fliegend, aber doch alle dabei echte Reptile.

Abb. 9: Weiteres Beispiel eines versteinerten Ammonshorns (vgl. Abb. 5) der Kreidezeit mit noch stärkerer Änderung der einfachen Spirale des Gehäuses ( Macroscaphites Ivanii).

Dem Entdecker möchte ja zunächst zumute geworden sein, er sei auf einen ganz andern Planeten verschlagen – so wie Cortez einst aus Mexiko an seinen Kaiser Karl V. schrieb, er schiene sich auf den Mond versetzt.

Abb. 10: Beispiel eines versteinerten Ammonshorns (vgl. Abb. 5) mit fast ganz aufgerollter und gestreckter Spirale des Gehäuses ( Ancyloceras Renauxianus aus dem Kreidemeer).

Es war aber schon ein reichlich merkwürdiges Land selber, dieses Saurierland.

Tafel 2: Wie man sich früher die Saurier der Jurazeit vorstellte.

Vergegenwärtigen wir uns kurz seine Staffage, so war es als Bühne kaum weniger fremdartig als die Tierentfaltung, die es trug.

Kontinente und Meere waren damals noch wesentlich anders verteilt auf unserm Globus – fast alles, was wir heute auf der Schule gelernt haben von unsern fünf Erdteilen, unsern großen Ozeanen, müssen wir dazu über Bord werfen.

Als die auch in Urweltmaßen ungeheuer lange Epoche begann, bestand von den heutigen Meeren aller Vermutung nach hauptsächlich nur der Stille Ozean. Er bildete auch damals schon eine Art blauer Wasserseite des Planeten, sogar größer als heute.

Von ihm ging dann ein breiter Wasserring ungefähr in der Richtung des Äquators um die übrige Wölbung herum – über das heutige Mittelamerika, das Mittelstück des Atlantischen Ozeans, unser gegenwärtiges Mittelländisches Meer und quer durch unser Asien wieder zu ihm zurück.

Die Festlandmassen aber bildeten nördlich und südlich von diesem Ring je einen einheitlichen, lang gestreckten Riesenkontinent. In dem obern, nördlichen, dem großen »Nordland«, steckten unser Nordamerika, Grönland, Europa und das abgeschnittene Nordstück von Asien, alles landfest verbunden, dass man trockenen Fußes ostwärts von Kalifornien bis nach Japan hätte gehen können.

Während der entsprechende Südblock Südamerika, den Hauptteil von Afrika, Madagaskar, das abgeschnittene Arabien, Indien und das Festland von Australien umschloß, ebenso ohne innere Wassertrennung in eines aneinander geschweißt, dass der Wanderer hier ostwärts von Brasilien bis Neuseeland trocken passiert hätte.

Tafel 3: Fund eines urweltlichen Baumstamms

Wenn man sich die Meere von damals bläulich und die Landringe (wozu mancher Anlaß) rötlich dächte, so müsste die Erde von fern gesehen beinah erschienen sein wie der Planet Mars auf manchen neueren Karten.

Man hat, um der Fremdartigkeit Rechnung zu tragen, einige neue Namen für diese sonderbare Lage der Dinge von damals erfunden. So hat man das große, mehr als die Hälfte der Kugel umspannende ringförmige Mittelmeer zwischen den zwei Riesenerdteilen die Tethys genannt – nicht nach der bekannten Achillesmutter bei Homer (dann müsste es Thetis geschrieben werden), sondern der Gattin des Okeanos und Urmutter aller Dinge im Griechenglauben.

Das Südland selbst aber pflegt man als Gondwanaland zu bezeichnen nach der Heimat des Volksstammes der Gonds in Vorderindien, wo man zuerst Gesteinsschichten der Zeit fand, die auf die Lostrennung Indiens vom übrigen Asien in jenen Tagen und seine Zugehörigkeit zu der Südmasse jenseits der Tethys deuteten.

Die großen Gebirgsketten, die heute dieser Tethys überall den Weg sperren würden, existierten dabei selber noch nicht – erst viel später sollten sie durch gigantische Faltungen der Erdrinde aufgetürmt werden. So konnten die Wasser des großen Ring-Mittelmeers in Mittelamerika glatt über den Fleck gehen, wo jetzt die Kordillere trennt, in unserm heutigen kleinen Mittelmeer, das sie viel breiter nahmen, konnten sie die Gegend der Alpen selbst überspülen und in Asien gar die Stätte des gegenwärtigen himmelhohen Himalaja.

Es hatten zwar, wie erwähnt, schon einmal ältere solche Gebirge bestanden, die durchweg ganz anders lagen (z.B. eine hohe Alpenkette vom Riesengebirge westwärts quer durch ganz Deutschland), aber sie waren bei Anbruch der Saurierperiode selber schon wieder fast ganz heruntergewittert und zu rotem Schutt geworden, der in unendlicher Ausdehnung sowohl den Nord-, wie den Südkontinent bedeckte und ihnen vielfach den Charakter etwa der heutigen innerasiatischen Taklamakan-Wüste mit wandernden, oft ganz austrocknenden Seen und abflusslosen Flüssen verlieh.

Abb. 11: Beispiel eines versteinerten Ammonshorns (Gehäuse eines tintenfischähnlichen Tieres, vgl. Abb. 5), bei dem die Schale in vollkommen schraubenförmiger Schneckenspiele gerollt ist – Beweis des unerschöpflichen Reichtums der Gestaltung in dieser gleichen Tiergruppe der Urwelt. ( Turrilites Catenatus aus dem Meer der Kreidezeit.)

Mit solchem geographischen Allgemeinbild als Bühne setzte unsere Reptilzeit ein.

Da ihr Spiel aber dann wirklich außerordentlich, nach heutigem Geschichtsmaß geradezu unfassbar lang sich dehnte, wurde in ihr auch diese Landkarte noch wieder Ereignis vieler eigener Wandlungen, ohne dass doch auch sie bis zum Schluss das seltsame, von heute so weit abweichende Eigenwesen verloren hätte.

Abb. 12: Beispiel der Wiederherstellung eines urweltlichen Tieres in mutmaßlicher Lebensgestalt: in diesem Falle eines unseren Tintenfischen verwandten Geschöpfe ( Orthoceras nodulosum aus den alten Meeren der sog. Devonzeit), das ähnlich wie die Ammonstiere (vgl. Abb. 5) in einem gekammerten Kalkgehäuse von diesmal gestreckter, nicht eingerollter Form saß und auf Fische räuberte.

In jenem Beginn scheinen die beiden einzig vorhandenen Großkontinente oberhalb und unterhalb der Tethys tatsächlich ganz geschlossen einheitlich gewesen zu sein – man hat wenigstens für die Landseite der Erde gelegentlich das hübsche Wort von einer »geokratischen« (landherrschenden) Staffage darauf geprägt, bei der die Tethys wirklich bloß eine Art in der Mitte durchquerender Rinne bildete.

Das Hauptspiel der Folge in der Saurierzeit selbst sollte aber dann ein zeitweises Immermehr-Anwachsen gerade dieser Tethyswasser selbst sein (bei mehr oder minder Ruhe des Hauptbeckens im Stillen Ozean, von dem sie nach wie vor kamen und zu dem sie gingen), indem sie sich in vielfältigen Überflutungen doch auch in die zwei Kontinente ergossen, während diese selbst eine gewisse eigene Tendenz zeigten, in großen Längsspalten auseinander zu brechen oder zu rücken – wobei dann das Meer auch diese Spalten zu eigenen Durchgängen dauernd oder vorübergehend benutzte.

Abb. 13 Beispiel einer schönen Versteinerung aus der Tierklasse der Seeigel (Cidaris coronata), gefunden im obern Juragestein von Württemberg. Links von oben gesehen, rechts mit teilweiser Ergänzung der abgebrochenen Stacheln.

Im zweiten und letzten Drittel der Epoche kam es so mehrfach offenbar zu wahren Sintfluten, in denen weite Teile der beiden Festländer zeitweise ganz unterzugehen drohten, sodass man jetzt eher von einem thalassokratischen (wasserherrschenden) Zeitalter sprechen konnte.

Vieles Extremste auch davon ist dann allerdings wieder zurückgegangen, während andererseits gegen Ende der Epoche sich besonders im Sinne jener großen Spalteneinbrüche eine Dauertendenz geltend gemacht hat, die auf die späteren und heutigen geographischen Verhältnisse der Land- und Meerverteilung sichtbar stärker zuschritt.

Abb. 14: Beispiel einer versteinerten Muschel (Diceras arietinum) aus dem Jurameer. Zweidrittel der natürlichen Größe.

So zerbrach bereits eine ganze Weile vor Torschluß das Gondwanaland zwischen Indien, Südafrika und Australien so andauernd (lange nur durch eine Art Halbinsel vom Kap der Guten Hoffnung nach Indien sich halbwegs noch markierend), dass man empfindet: Es wollte sich der heute weithin mit blauer Wasserfläche dort trennende Indische Ozean endgültig bilden – wie sich dann nach der Zeit in einer folgenden geologischen Ära auch der Atlantische Ozean nach Norden zwischen Amerika und Europa und südlich zwischen Südamerika und Afrika eingekeilt hat, was aber nicht mehr in unsere Erzählung hier fällt.

Abb. 15: Merkwürdige versteinerte Muschel des Kreidemeeres mit sehr ungleichklappigen dicken Schalen, von denen die kegelförmige rechte mit der Spitze aufgewachsen war, während die linke eine Art Deckel dazu bildete. Diese Muscheln traten als sog. Rudisten damals in ungeheuren Mengen riffbildend auf und wurden bis 1 m groß. Man stritt sich lange, ob es nicht Korallen wären. Die dargestellte Art ist Hippurites Gosaviensis.

Wobei ich einflechten will, dass man über die eigentlichen Ursachen dieses Wechselspiels der Karte heute noch sehr verschiedener Meinung sein kann. Die meisten Gelehrten nehmen an, dass es sich dabei um wirkliche Hebungen und Senkungen des Bodens gehandelt habe, die bald zu größerer Verlandung und dann wieder stärkeren Überflutungen und Einbrüchen führten. Während andere die Kontinente von jeher selber für beweglich halten, sich auflösen, voneinander oder näher zueinander gleichsam schwimmen lassen, wobei auch für Spalten und Zwischenmeere Raum geworden wäre; man müsste dazu annehmen, dass die Sockel dieser Erdteile in einer veränderlichen Tiefenmasse nicht ganz fest wurzelten. Doch sind das einstweilen bei allem Verführerischen der Theorie noch unentschiedene Fragen.

Abb. 16: Beispiel eines versteinerten Schwamms (Kieselschwamm) aus dem Kreidemeer. (Siphonia tulipa), links natürliche Größe im Durchschnitt, rechts mit Stiel und Wurzel halb naturgroß. Die Schwämme waren keine Pflanzen, sondern sehr niedrig organisierte Tiere.

Tatsache ist jedenfalls, dass sich auch heute vor unsern Augen noch gewisse Küsten langsam heraufheben (z.B. in Schweden), andere ebenso deutlich sich senken (z.B. an der Nordsee; fast ganz Frankreich sinkt im Jahrhundert um 3 m) und die Alpen sich noch jetzt nach Norden vorschieben. Gewisse Bruchspalten inmitten der Kontinente machen sich durch Erdbeben auch jetzt geltend, durch Ostafrika geht z.B. ein ungeheurer, offenbar noch nicht ganz durchgesetzter Bruch, der im äquatorialen Seengebiet anfängt und bis über den Jordan in Kleinasien heraufreicht. Und so wird es auch in jenen Tagen, wenn wir geologische Maße an Zeit hinzunehmen, nicht anders gewesen sein im großen Stil einerlei was nun zuletzt der Grund war.

In ungezählten erhaltenen Meeresablagerungen erkennen wir noch, wie das Meer auch in ihnen in oder zwischen die anfänglichen roten Wüsten eindrang, um sich wieder zurückzuziehen und nochmals zu kommen – ein unaufhaltsamer Kulissenwechsel, der den Wandel im Spiel des Lebens begleitete und erklärt, während über dem Ganzen doch jener Zug des Märchenhaft-Fremdartigen bleibt, der auch dieses Leben von damals für uns nie verlässt.

In diese große Bühne können wir dann eine Menge einzelner charakteristischer Züge noch hinein verlegen, an denen im engeren wieder deutlich wird, einerseits wie lang und andererseits wie unerschöpflich reich eben durch die Abwechslung des Milieus diese Epoche gewesen sein muss.

Fixieren wir einen Augenblick noch näher die Karte von Saurier-Europa, wie es damals war.

*

Die großen erdzeitlichen Epochen

Heute ist Europa eine Halbinsel von Asien, im Süden noch von einem durch die Aufrichtung der Alpen winzig eingeengten Restteil der alten Tethys bespült, gegen Westen durch einen unabsehbaren Wasserspiegel von Amerika getrennt. In der Ouvertüre jener Großzeit steckte es dagegen fast ganz mit in dem ungeheuren Einheitsblock des Nordkontinents, hatte Teil an seinen rotbunten Schuttwüsten, die sich nach Nordamerika wie Nordasien hinein ausdehnten. Noch ist ein prachtvoller roter Stein in unserm Deutschland davon erhalten geblieben, aus dem das Mittelalter hohe Dome gebaut hat in Kulturtagen, die von all diesen Naturwundern selbst doch noch nichts ahnten.

Abb. 17: Lebendes Radiolarien-Tierchen (Heliosphaera actinota). Die Radiolarien sind winzige einzellige Urtierchen, die berühmt geworden sind durch die Tausende von wundervollen »Kunstformen der Natur«, die ihre zahlreichen Arten meist aus Kieselsäure als Skelett herstellen. Diese Skelette finden sich in unendlichen Mengen an gewissen Stellen im Schlamme der Tiefsee gehaust. Es ist eine überaus merkwürdige Tatsache, dass diese Radiolarien schon zu den ältesten bis jetzt bekannten Organismen der Urwelt gehörten (vgl. Abb. 18).

Früh machte dann die Tethys schon einmal einen Ausfall, warf über Oberschlesien ein kleines Binnenmeer auch bis zu uns ins Herz hinein, das hellen Kalk auf den bunten Wüstenplan absetzte, das sogenannte Muschelkalkmeer, das aber selber zunächst wieder verging, um brackischen Urkrokodilsümpfen Platz zu machen.

Nach der hier so hübsch erkennbaren Dreiteilung der Ablage hat man diesen ersten Akt des Spiels im braven Schwaben, wo allzeit die Versteinerungskunde blühte, vor jetzt rund hundert Jahren die Trias oder die Dreiteil-Periode genannt – ein Wort, das später auch allgemein übernommen worden ist, obwohl es eigentlich nur einen lokalen Sinn hatte.

Abb. 18: Kieselskelette urweltlicher Radiolarien (vgl. Abb. 17) aus der weit zurückliegenden Silur- und Devonzeit – 100- bis 120mal vergrößert. Die regelmäßige Schönheit dieser Skelette war bereits damals und noch früher zu voller Höhe entwickelt.

Inzwischen ging aber die Verlandungsperiode im ganzen zu Ende und die stärkere Wasserweltherrschaft machte sich auch hier geltend.

Die Tethys fraß sich jetzt das gesamte Haupteuropa als Bucht aus jenem Block des großen Nordkontinents heraus, wobei das Meer diesmal von Südwesten einbrach, über die Stätte des heutigen Schweizer Juragebirges hinweg. Jura ist ein altes keltisches Wort und sagt so viel wie Wald. Daraus sollte der große Alexander von Humboldt seiner Zeit auch wieder ein Wort bilden für dieses zweite Drittel der Sauriertage, das schließlich ebenso zu einer Generalbezeichnung geworden ist: Jura-Zeit.

Eine Weile schnitt das Meer, wenn wir es so nennen sollen, das jetzt aufbegehrende Jurameer, mit großen stagnierenden Buchten erneut bis Schwaben hinein, all sein Getier mitreißend. Bis es endlich alles überschwemmte bis Skandinavien hinauf, dass in der blauen Wasserweite nur einzelne Inselschwärme noch stehen blieben wie in den Archipelen der heutigen Südsee – eine Ähnlichkeit, die sich noch verstärkte durch zahlreiche Riffbauten korallenhafter Tiere (Randriffe und sogenannte Atolle) auch in diesem »Meer-Europa«.