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Buch

Wir schreiben das Jahr 2118.

Die Menschheit hat sich über das gesamte Sonnensystem hinweg ausgebreitet. Sie hat Kolonien auf Mond und Mars errichtet. Und täglich durchstreifen Raumschiffe den interplanetaren Raum.

Und nicht nur Forschung ist das Ziel, sondern auch Rohstoffe.

Das Sonnensystem ist klein geworden und seine ökonomische Nutzung Wirklichkeit. Nichts, das unerreichbar wäre.

Was nun lockt, ist die Unendlichkeit des Weltalls.

Wird er gelingen?

Wird er möglich sein?

Der Flug zu den Sternen...

Autor

Jan Philip Rohlin ist im schönen Rheinland aufgewachsen. Schon früh im Leben galt sein Interesse der Astrophysik und der Science Fiction. Nicht nur das, interessiert er sich für praktisch alles, was er noch nicht kennt und kann. Seine Maxime ist;

'Leben ist lernen und lernen ist leben.'

2018, Lara Rohlin

Bibliographische Information der deutschen Nationalbibliothek:

Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Intersolar (Aufbruch) ist ein fiktiver Roman, basierend auf den

Erinnerungen, Ideen und Vorstellungen des Autors. Ähnlichkeiten zu

real lebenden Personen, Orten oder Geschehnissen sind rein zufällig.

&

Copyright © Autor: Jan Philip Rohlin 2019

Alle Rechte vorbehalten.

Jan Philip Rohlin, 2019

www.jprohlin.de

Idee, Bilder und Illustrationen: J. P. Rohlin

Erstveröffentlichung: 03.2019

© 2019

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7494-5893-6

Vorwort

Erfindet der Autor das Thema oder findet das Thema zum Autor? Rein schreibtechnisch betrachtet, ist es einfach, eine Geschichte zu entwickeln. Es gleicht dem Kochen. Erst sucht man sich ein Gericht aus, dann besorgt man die Zutaten und brät sich den Kram zusammen, bis es soweit ist, dass man Messer und Gabel reinstecken kann. Was das Kochen betrifft, ich koche nach Gefühl. Und habe tatsächlich noch nie in meinem Leben in ein Kochbuch geblickt.

Was das Schreiben betrifft, ich schreibe nach Gefühl. Und wenn ich einen Roman beginne, dann weiß auch ich nicht, wie das Ende sein wird und welche Abenteuer es geben wird.

Die Idee, diesen Roman zu schreiben, über die Reise zu einem anderen Sonnensystem, kam, nachdem ich mal wieder einen Artikel in einem Magazin gelesen hatte. Zwei Seiten für etwas so Komplexes und Fantastisches?

Das ist, als würde man einem von einem Kuchen nur ein Bild zeigen. Irgendwie macht das aber nicht satt. Dass die Geschichte aber zum längsten Roman wurde, den ich bis dahin geschrieben habe, hätte ich nun auch nicht gedacht. Auch nicht, welche Emotionen das Schreiben bringen würde.

Kann sich jemand vorstellen, wie es ist, eine Geschichte zu schreiben, die 400 Jahre umfasst?

400 Jahre in einen einzigen Roman zu packen?

Beim Schreiben der ersten Seiten gab es nicht einmal eine Idee dazu. Und das ist etwas, was das Schreiben zum Abenteuer macht. Man schreibt eine Geschichte und darf sie dabei als Erster lesen, fast schon erleben.

Das wiederum erzeugt ein Gefühl für die Geschichte und hilft, diese weiterzuentwickeln.

Was soll ich sagen... Jetzt, wo ich dieses Vorwort schreibe, da umfasst der Roman bereits schon über 600 Seiten. Und ich habe eine grobe Vorstellung davon, wie es weitergeht. Genau weiß ich es nicht.

Ich weiß nur, dass ich mich auf den 394 Seiten, dieses ersten Teils der Geschichte, mehr als nur einmal von liebgewonnenen Figuren verabschieden musste.

Etwas, was nicht leicht fällt und manchmal richtig weh tut. Bei 400 Jahren zeitlicher Distanz jedoch unumgänglich ist.

Was auf der einen Seite traurig macht, bietet auf der anderen Seite jedoch eine unglaubliche Vielfalt und Abwechslung. Ständig neue Ereignisse und neue Themen, von denen einige erst beim Schreiben einer Seite zum Thema der Seite hinzukamen.

Abschließend kann ich sagen, dass der Roman durch Zufall entstanden ist und dass er gerade deshalb für mich zu etwas Besonderem geworden ist.

Dürfen Emotionen primärer Bestandteil eines

Science Fiction Romans sein?

Für mich schon....

Widmung

Für all diejenigen, die daran glauben, dass die Menschheit den
Weg zum Guten findet.

Heimat ist da, wo man sich wohlfühlt.

Geboren wird die Zukunft

aus den Taten der Vergangenheit.

J. P. Rohlin © 2017

Kapitelübersicht

KAPITEL 1

Plädoyer

»Die Frage, die sich hier und heute stellt, ist, ob wir bereit sind, für ein Projekt, wie es die Menschheit noch nicht gesehen hat.«

Huw Kuschenko schien die Luft anzuhalten, während sein Blick langsam durchs Auditorium glitt.

»Sollen wir die Mittel, die wir heute haben, nutzen oder sollen wir warten? Warten, bis Wissenschaft und Technik noch weit Besseres zu bieten haben?«

Deutlich hörbar atmete Kuschenko ein und ein dezenter Anflug von Verdrießlichkeit zeigte sich auf seinem Gesicht.

»Warten. Warten ist nicht das, was die Menschheit vorangebracht hat. Und die Welten dort oben...« Dezent und dennoch demonstrativ deutete sein Finger senkrecht nach oben. »...die haben keinen Grund, auf uns zu warten.«

War dies die richtige Rhetorik? War dies der richtige Text? Geeignet, die Zuhörer zu überzeugen?

»Haben jemals Pioniere gezögert, in der Hoffnung, dass das Ziel, das unentdeckte Land, geduldig auf sie wartet?«

Mit weit hochgezogenen Augenbrauen schickte Kuschenko einen fragenden Blick in die Reihen.

»Die erste Möglichkeit. Es ist die menschliche Art, Möglichkeiten zu nutzen. Sicher, die erste Möglichkeit mag vielleicht nicht die allerbeste sein. Aber ist sie nicht die, die uns weiterbringt, als jedes Zaudern?«

Abermals unterbrach ein tiefes Einatmen die Rede. Ob notwendig oder taktisch, blieb sein Geheimnis.

»Und wenn es am Ende sein soll, dass wir damit keine neue Welt erreichen, so wird uns allein der Versuch, es zu tun, doch weiterbringen, als alles, was wir hier auf dieser Erde je versucht haben.«

Beide Hände stützte Kuschenko nun auf das Rednerpult. So, als ob er seinen Worten damit mehr Gewicht, praktisch sein ganzes Körpergewicht, hinzufügen wollte.

»Der Weg, die Reise, zu einem anderen Sonnensystem, einer anderen Welt, scheint uns ein endloser Weg zu sein. Doch in Wahrheit ist es die Menschheit selbst, die einen endlosen Weg geht. Und gehen wir ihn nicht schon seit 200.000 Jahren? Ist es nicht der Weg, der uns in die Unendlichkeit der Zukunft führt? Und ist es nicht Zeit, dass wir ihn nicht nur auf einem einzigen Planeten gehen?«

Eine weitere Pause, nur kurz und doch bedeutsam.

»Gemeinsam.« Das Wort schien einen Nachhall zu haben.

»Getrennt und doch gemeinsam.«

Auf eine subtile, nicht real begreifbare, Weise gelang es Huw Kuschenko, den Worten eine emotionale Bedeutung zu verleihen. Gleich einer Melodie, die eine Stimmung erzeugt, die die Haut erzittern lässt.

»Gemeinsam. Auf zwei Welten. Es wird ein Weg sein, der zwei Menschheiten gemeinsam in die Zukunft führt. Was immer es auch kostet, es lohnt sich, ihn zu gehen!«

Kuschenkos Augen gewannen an Eindringlichkeit. So sehr, dass, jeder im Raum spürte, dass dieser Mann nicht einfach nur eine Rede hielt, sondern an jedes seiner Worte auch mit ganzer Seele glaubte.

»Ebnen Sie, hier und heute, den Weg für diese Zukunft. Stimmen Sie für dieses Projekt. Lassen Sie uns die Menschheit zu den Sternen führen.«

*

»Und? Was haben wir?«

Lorana Everts war die Erste, die Kuschenko gegenüberstand, als dieser aus dem Saal kam, in dem soeben die wohl bedeutendste Abstimmung des 22. Jahrhunderts stattgefunden hatte.

»Zwei von drei.«

Der leitende Direktor der United Space Organization wirkte aufmerksam und abwesend zugleich.

»Zwei von drei.« Sinnierte Lorana. »Ist ihnen...« bedeutsam nickte sie in Richtung des Abstimmungssaals. »...bewusst, dass damit die Erfolgsaussichten, des Projekts, um mindestens einen ganzen Faktor sinken?«

Kuschenko nickte nur.

»Es ist politisch nicht anders durchsetzbar. Wie auch? Wie will man 11,2 Milliarden Menschen erklären, dass Unsummen an Finanzen und Rohstoffen eingesetzt werden, um nur einigen Wenigen das Verlassen dieser Welt zu ermöglichen? Wie erklärt man den Sinn des Ganzen? Und zwar so, dass er auch emotional verstanden wird. Und das auch noch von allen. Sagen Sie mir, wie man das macht.«

Lorana ignorierte die Fragen, die wohl einen eher rhetorischen Charakter hatten.

»Zwei von drei. Eins zu wenig, eins zu viel.«

»Eins zu viel?« Kuschenko wirkte nun leicht irritiert und versuchte erst gar nicht, dies nicht zu zeigen. Stattdessen machte er seine Mimik zu einem Instrument, das nach Loranas Antwort bohrte.

»Zuviel Verlust.«

Der Blick der jungen Frau kehrte sich nach innen.

»Wenn es scheitert, wenn der schlimmste Fall eintritt, dann verlieren wir 2.000 Menschen. Nicht zu sprechen von den Tausenden von Ungeborenen.«

Kuschenko blickte nach oben, dann zur Seite. Fast wirkte es wie eine vorgezogene Entschuldigung.

»Wir verlieren sie nicht. Nicht so. Denn wir verlieren sie in dem Moment, in dem sie die Erde verlassen. Und wenn wirklich das Schlimmste eintritt, so grausam es auch klingen mag, dann verlieren nicht wir sie, sondern sie verlieren sich.«

»Ja, richtig. Wir verlieren sie in jedem Fall. So oder so, Sie kehren nicht zurück.«

Kuschenko wiegte, leicht tadelnd wirkend, den Kopf.

»Sie gehen nur voraus. Sie sind Pioniere. Sie tun das, was Pioniere tun. Und war es nicht immer so, dass den Pionieren die Zivilisation gefolgt ist? Wir dürfen es nicht nur aus unserer zeitlichen Perspektive betrachten. Nicht bei einem Projekt, das länger dauert, als ein Menschenleben. Und was wir hier tun, ist nicht für uns. Nicht für diejenigen, die hier, heute und im Jetzt leben.« Für einen winzigen Moment zögerte er, während sein Gesicht unbewusst eine Spur ernster wurde.

»Was wir hier, an diesem 22.06.2118, beginnen, ist ein Akt zur Erschaffung einer neuen Zukunft. Es stimmt, wir verlieren die Pioniere. Aber, was wir gewinnen, ist weit bedeutender. Es ist nicht weniger, als eine neue Zukunft, für eine neue Menschheit.«

»Wenn wir Erfolg haben!«

»Ja, richtig, wenn wir Erfolg haben.«

Der ernste, fast schon emotionslose, Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht und machte nun Platz für einen Hauch von Wehmut.

»Nur, erleben, das werden wir es nicht mehr. Also, warum tun wir es? Warum legen wir den Grundstein für ein Haus, dessen Vollendung wir nicht mehr erleben werden? Wenn lediglich die Geschichte sich an uns erinnern wird? Gewiß. Wir werden die Begründer sein. Wir sind diejenigen, die den Grundstein dafür legen, dass die Menschheit sich ins Universum ausbreitet. Aber wir selbst, wir werden daran nicht teilhaben können. Denn, wenn wir Erfolg haben sollten und der Zeitpunkt gekommen ist, an dem Menschen dort draußen eine fremde Welt betreten, dann wird es uns nicht mehr geben. Nichts wird von uns übrig sein, außer unsere Namen in den Büchern der Geschichte.«

KAPITEL 2

Reißbrett

15.08.2118

Huw Kuschenko stand schweigend im Memorial Center des Entwicklungszentrums der United Space Organization.

Langsam glitt sein Blick über die Saturn V und weiter zur Mondlandefähre, die über der Spitze der Apollokapsel hing.

Es war 8 Uhr 15 und es war ein Tag, um Geschichte zu schreiben. Nicht wenige solcher Tage würden diesem Tag noch folgen.

Kuschenko merkte nicht, dass suchende Blicke die Halle durchforschten. Als die Blicke ihn fanden, begannen sich Beine elegant und schwungvoll zu bewegen.

»Einatmen von Geschichte?« Lorana lächelte.

»Bevor man selbst Geschichte schreibt?«

Aufmunternd blickte sie ihren Chef an, wissend, was die nächsten Stunden für ihn bereithielten.

Kuschenko sah nur leicht zur Seite und doch widmete er Lorana seine volle Aufmerksamkeit.

»Würde ich es gemacht haben? Es gewagt haben?«

Fast mühsam, wie es schien, löste er seinen Blick vollends vom Anblick der alten Rakete.

»Vor fast 150 Jahren flogen Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins mit so einer Rakete zum Mond. In einer Kapsel, die kleiner ist, als eine anständige Toilette.«

Lässig deutete er auf die Mondfähre.

»Mit dem schmalen Ding da, das aussieht, als könnte es schon zerbrechen, wenn man es nur ansieht, sind sie auf dem Mond gelandet.«

Kuschenko wirkte, als könne er seinen eigenen Worten, die von nichts anderem erzählten, als von geschichtlichen Wahrheiten, nicht glauben.

»Wie müssen sie sich gefühlt haben? Haben sie beim Start daran gedacht, dass es möglich, fast schon wahrscheinlich war, dass sie die Erde nie wieder betreten würden? Und, obwohl ihnen mit Sicherheit bewusst war, dass der Mond zu ihrem Grab werden konnte, sind sie eingestiegen. Sie haben ihr Leben riskiert. Für was? Für Ruhm und Ehre? Für die Ziele einer Nation? Aus reinem Pflichtbewusstsein? Oder für ein Ideal? Für eine Art Botschaft, bestimmt für die ganze Menschheit?«

Kuschenko blickte Lorana nun eindringlich an.

»Wir können sie leider nicht mehr fragen. Sie sind alle tot. So wie unsere Pioniere tot sein werden, lange, bevor die Schiffe das Ziel erreichen. Niemand von denen, die wir losschicken, wird das Ziel erreichen. Ihnen bleibt nur die Hoffnung, dass ihre Nachkommen dort ankommen und etwas finden, was ihnen eine lebenswerte Zukunft bietet. Und doch gibt es Menschen, die dazu bereit sind. Wer sind diese Menschen? Warum tun sie das? Und warum tun wir das, was wir heute beginnen?«

Lorana sah noch einmal nachdenklich zur Mondfähre, bevor sie Kuschenko fragend ansah.

»Warum sind diese Männer in die Saturn eingestiegen? In so eine Rakete, so primitiv, so unausgereift?«

Kuschenkos Blick glitt über Loranas Kopf hinweg zur Saturn und ein Schimmern trat in seine Augen.

»Warum hat man nicht gewartet, bis man eine bessere Technik hatte?«

Der Direktor der USO begann zu lächeln.

»Weil es Männer waren. Und wir Männer sind nicht unbedingt dazu geboren, zu fragen, ob wir ein Pferd reiten können. Wir neigen dazu, es einfach zu machen.«

*

Nachdenklich wanderten Kuschenkos Augen über die Gesichter der anwesenden Wissenschaftler und Ingenieure. Und jeder von ihnen war ein anerkannter Spezialist seines Fachgebiets.

»Was wir heute beginnen, ist der Grundstein für das außergewöhnlichste Projekt, das wir je vor unseren Augen hatten. Wir definieren heute, was wir dafür benötigen und wie wir vorgehen. Und wir wollen herausfinden, ob es, mit den uns verfügbaren Ressourcen, überhaupt möglich ist.«

Mit einer zuvorkommend wirkenden Geste deutete er auf Lorana Everts.

»Lorana wird Ihnen alle Unterlagen zur Verfügung stellen, die Sie für eine erste Planung benötigen. Insbesondere, was die Feststellung des Bedarfs an Finanzen betrifft.«

Augen und Mimik einiger Teilnehmer ließen erahnen, wie sie über Finanzen dachten.

»Wir haben Fabriken auf dem Mond erstellt. Wir haben Lebensräume auf dem Mars geschaffen. Und wir betreiben Bergbau auf Asteroiden. Wir gewinnen Rohstoffe auf den Monden Jupiters. Es gibt praktisch nichts, in unserem Sonnensystem, das wir nicht erreichen könnten. Wir haben die Technik, die Raumschiffe, die Triebwerke und die Lebenserhaltung. Alles, was es braucht, steht uns zur Verfügung.«

Kuschenko ließ Sekunde um Sekunde verstreichen und versuchte dabei, seiner Mimik eine zunehmend eindringlichere Bedeutung zu verleihen.

»Nichts davon.... können wir verwenden.«

Nicht wenige Augenbrauen verzogen sich.

»Jedenfalls nicht so, wie wir es heute tun. Denn, wie lange kann unsere Technik bei den Bedingungen dort draußen, ohne jegliche Wartung, funktionieren? 5 Jahre? 10, 20 Jahre? Mit etwas Glück vielleicht sogar 50. Doch das ist nichts, im Vergleich zu dem, wie lange sie auf dem Weg zum nächsten Sonnensystem durchhalten muss.«

Kuschenko hatte den Eindruck, dass er fühlen konnte, wie die Gehirne der Teilnehmer zu arbeiten begannen. Wie sich erste Vorstellungen bildeten und sie sich fragten, wie eine Technik, die ganze Jahrhunderte überdauern musste, aussehen könnte.

»Sicher, das Prinzip unserer Technik, die Funktionsweise der Triebwerke, die Hardware und Software der Computer, Chemie der Lufterneuerung, das ist nichts, was wir neu erfinden müssen. Was wir nun aber machen müssen, ist, die Lebensdauer zu verlängern.«

Wieder gönnte Kuschenko den Worten einen Moment, um das Gefühl für die Bedeutung seiner nächsten zu stimulieren.

»Um etwa den Faktor 20!«

Zweifel sprühten ihm entgegen.

»Und wo immer dies nicht möglich ist, da müssen wir es durch Wartung und Ersatz, bis hin zum kompletten Neubau, möglich machen.«

Nur gemurmelt, und kaum mehr als ein Hauch, schwebte das Wort 'Fabrik' durch den Raum.

Und Kuschenko griff es förmlich aus der Luft.

»Ganz genau, das Schiff braucht eine Fabrik. Und nicht nur eine. Schließlich müssen nicht nur alle Güter produziert werden können, die während der Reise benötigt werden. Wir brauchen die Fabriken auch am Ziel. Eine Kolonie baut sich nicht von selbst. Die Konstruktion der Fabriken, zur Sicherstellung der Versorgung mit Produkten aller Art, das wird wohl unsere größte Herausforderung sein. Auf einer Höhe mit der Konstruktion der Wohnbereiche.«

Wieder ließ der Direktor seinen Blick über die Teilnehmer wandern.

»Die grundlegende Technik für solche Generationenraumschiffe steht uns im Prinzip ja zur Verfügung. Wir haben die Energieversorgung und auch Fusionstriebwerke, mit genügend Schub, um die erforderlichen Geschwindigkeiten zu erreichen. Wir haben Lebenserhaltung und Magnetfeldschutz.« Kuschenko unterstrich es mit einem bedeutsamen Verziehen der Mundwinkel.

»Alles, was wir brauchen, steht uns zur Verfügung. Und da ist nichts, das wir nicht schaffen könnten. Doch das, was wir nun für diese neue Art von interstellaren Raumschiffen benötigen, geht weit über alles hinaus, was wir je gebaut haben.« Der Direktor der USO beendete den Satz mit einem vernehmlichen und durchaus als demonstrativ gedachtem Einatmen.

»Nichts, absolut nichts, was während der Reise oder am Ziel benötigt werden wird, darf vergessen werden. Von der einfachen Inbusschraube bis zum Speckbohnensamen. Alles, absolut alles, muss Platz an Bord finden. Und das auch noch redundant!«

Einige Augen wurden nun deutlich größer und aus einem Mund drang stoßartig ein Schwall Luft.

»Nichts darf verloren gehen. Nichts darf vergessen werden.« Fast schon theatralisch hob Kuschenko die Arme.

»Keine Kollision und auch kein Unfall an Bord darf dazu führen, dass Dinge, die zum Aufbau einer Kolonie benötigt werden, unwiederbringlich verloren gehen.«

Schlagartig wurde Huw Kuschenkos Blick so ernst, wie es nur möglich war.

»Wenn Sie jetzt denken, dass das Leben des Einzelnen das höchste Gut ist, dann müssen Sie dies jetzt revidieren. Egal, ob Sie es aus Überzeugung tun oder, weil ich es sage. Tatsache ist, dass die Güter, die am Ziel benötigt werden, wichtiger sind, als das Leben von Besatzungsmitgliedern. Dies muss Ihnen, ebenso wie jedem, der an Bord geht, so klar sein, wie es nur möglich ist. Betrachten Sie es als ultimatives Gesetz.«

»Opferung der Menschlichkeit zum Wohl des Zwecks?«

Die Frage kam hart, anklagend und offenbarte den Willen zum maximalen Widerspruch.

Kuschenko straffte den Rücken, drehte dann den Kopf nach links und sah Vahen Travis, den weltweit führenden Experten für Molekularbiologie, direkt an.

»Wenn auch nur einem Einzigen hier oder später an Bord des Schiffes nicht bewusst ist, dass die Fähigkeit zum Aufbau der Kolonie ultimativen Vorrang hat, vor allem anderen, dann ist dieser jemand bereit, alle an Bord zu opfern! Die Lebenden, ebenso wie die Ungeborenen. Die Bereitschaft zur Opferung des eigenen Lebens ist absolute Voraussetzung dafür, dass jemand dafür ausgewählt wird, an Bord dieser Schiffe zu gehen.«

»Rein technisch ist das ja noch verständlich! Aber was für eine Menschlichkeit soll das denn bitte sein? Welche Ideale werden denn damit vermittelt? Ideale, die schließlich auch in der Kolonie Bestand haben werden. Hier stellt sich doch die Frage, welche grundsätzlichen Ideale wir dem Kern einer neuen Menschheit mitgeben! Denn das wird ganz sicher einen Einfluß haben auf ihre gesamte zukünfte Zivilisation.«

Kuschenko nickte, was Travis eher verwunderte, als dass es ihn zufrieden stellte.

»Umso wichtiger ist es, dass wir alle verstehen, dass es hier nicht lediglich um die rein technische Konstruktion eines interstellaren Raumschiffs geht. Hier geht es um viel mehr. Wir müssen alles berücksichtigen. Alles! Absolut alles! Technik, Biologie, Soziologie, Psychologie und auch Erinnerungen.« Kuschenko gab dem letzten Wort eine besondere Betonung und ließ es einen Moment wirken.

»Wir bauen kein Schiff. Wir bauen eine Arche. Und alle, egal, ob hier oder an Bord, müssen verstehen, warum eine notwendige Unmenschlichkeit, die Einzelne dann vielleicht ertragen müssen, ein Akt der Menschlichkeit für alle ist. Wenn wir hier und heute nicht verstehen, nicht akzeptieren können, was notwendig ist, dann sollten wir das Projekt hier und jetzt beenden!«

Travis setzte zu einer Erwiderung an, doch Kuschenko kam ihm zuvor.

»Was wir hier tun, was wir planen, vorbereiten und am Ende möglich machen, das entscheidet darüber, ob wir Menschen zu den Sternen schicken oder in den Tod!«

KAPITEL 3

Konstruktion
17.10.2118
Das Design

Es war derselbe Raum und es waren dieselben Gesichter, in die Huw Kuschenko blickte.

Nur der Ausdruck ihrer Augen war ein anderer, als 2 Monate zuvor. Statt Erwartung konnte man in ihnen nun Begierde lesen.

Die Begierde, Neues bekannt zu geben. Pläne zu offenbaren und Leistungen zu demonstrieren.

Und der Ausdruck dieser Augen sagte Kuschenko, dass er es geschafft hatte. Geschafft, ein Feuer zu entfachen, das letztlich die Menschen zu den Sternen treiben würde. Ob in 10, 20 oder in 30 Jahren, mit etwas Glück würde er selbst es noch erleben.

»Meine Damen und Herren, ich habe gestern die letzten Entwürfe erhalten und sie praktisch eben erst aus der Hand gelegt.« Beiläufig wischte Kuschenko über den Tisch und deaktivierte damit das integrierte Display.

»Ich kann sagen, dass die vorliegenden Konzepte, angesichts der kurzen Zeitspanne, doch recht eindrucksvoll sind. Und auch unerwartet. Ich denke, wir sollten mit dem grundlegenden Konzept des Raumschiffs anfangen. Eron, wenn Sie bitte beginnen würden.«

Eron Norkamp nickte zustimmend und straffte den Rücken.

»Die Überlegungen, alle Komponenten in einem einzigen Schiff zu integrieren, haben wir bereits am zweiten Tag verworfen.« Erons Hand bewegte sich Richtung einer Schaltfläche, berührte sie aber noch nicht.

»Vielleicht darf ich hierzu die Gründe erläutern.«

Ein kurzer Blick in die Runde sicherte ihm die Zustimmung und die Aufmerksamkeit der Anwesenden.

»Wir können nicht sicher sein, dass eine Distanz von 20 Lichtjahren durch interplanetaren und interstellaren Raum absolut frei von jeglicher Materie ist. Und bei den geplanten Geschwindigkeiten reicht schon ein Golfball, um verheerenden Schaden zu verursachen. Hinzu kommt, dass jedes Gramm Masse die notwendige Triebwerksleistung erhöht. Auch die Manövrierbarkeit bei notwendigen Drehungen und Kurskorrekturen wird sehr stark von der Masse des Raumschiffs beeinflusst. Daher haben wir uns das Konzept eines separierten Raumschiffs überlegt.«

»Separiert? Ist damit nicht eine Aufteilung auf eine Anzahl kleinerer Schiffe gemeint?« Kaum hatte Kuschenko die Frage ausgesprochen, bereute er sie auch schon, da sie offenbarte, dass er die Entwürfe wohl nicht bis ins Detail studiert hatte.

»Nur auf den ersten Blick.« Norkamp wartete einen Moment, bevor er fortfuhr. »Tatsächlich sollten wir nicht nur zwei Schiffe bauen, sondern insgesamt 6 Module. Dabei werden die Hauptmodule den Wohnbereich, die Versorgung und Nahrungsmittelproduktion enthalten. Je zwei Schiffe transportieren die Fracht. Zwei weitere sind als Fabrikschiffe konzipiert.«

»Wäre es nicht auch eine sicherere Option, die Produktion der Nahrungsmittel ebenfalls vom Hauptschiff zu trennen?«

»Das haben wir überdacht. Und rein technisch wäre es zu bevorzugen. Mit Blick auf die Besatzung sind wir jedoch zu dem Schluß gekommen, dass ein uneingeschränkter Zugang zu den Pflanzen, ganz besonders für soziologische und psychologische Belange, von hohem Vorteil ist. Die Anlagen sind deswegen so konzipiert, dass sie gewissermaßen auch ein Stück erlebbare Natur bieten.«

Kuschenko nickte und beschloss, seine nächsten Fragen, bezüglich der Formulierung, etwas sorgfältiger zu überdenken.

»Insgesamt ergeben sich gleich mehrere Vorteile. Wir benötigen weniger starke Triebwerke. Wir erreichen damit eine redundante Absicherung der Fabrikationsanlagen. Wir schaffen eine größere Reserve bei den Rohstoffkapazitäten. Insgesamt schicken wir also, statt zweier einzelner Schiffe, zwei Verbände aus jeweils 3 Schiffen auf die Reise. Damit wir aber den bugseitigen Strahlenschutz nicht bei jedem einzelnen Schiff hinzufügen müssen, haben wir folgende Lösung.«

Nun betätigte Eron die Schaltfläche und über der Mitte des Raums entstand die Projektion von drei Raumschiffen mit recht unterschiedlicher Konstruktion.

»Nach Erreichen der Reisegeschwindigkeit werden die Module sich den Hauptschiffen soweit annähern, dass sie innerhalb des Strahlenschutzschirms fliegen. Das hat zudem den Vorteil, dass die Distanzen zwischen den Modulen soweit reduziert werden, dass Shuttleflüge extrem kurz ausfallen. Mitunter könnte man sogar Verbindungstunnel einrichten.«

Bei Kuschenko schienen die Haare grauer zu werden.

»Eine Art 'Flügel an Flügel' Formationsflug bei 15.000 Kilometer pro Sekunde?«

»Warum denn nicht? Die relative Geschwindigkeit der Module zueinander ist praktisch Null. Es gibt auch keine Aerodynamik, die über Turbulenzen das System destabilisieren könnte. Und selbst wenn es doch einmal zu einer unerwünschten Annäherung kommen würde, sind gleich mehrere unterschiedliche Systeme möglich, dies zu verhindern. Diese reichen von kleinen Manövriertriebwerken bis hin zu einer magnetischen Abstoßung. Speziell letztere hat eine nicht zu unterschätzende Wirkung.«

Man konnte den Eindruck haben, dass Eron Norkamps Zuversicht in der Lage war, Blei zu durchdringen.

»Übrigens könnten wir notwendige Transportflüge, die hier ja kaum mehr als hundert Meter betragen, mittels Kapseln lösen, die über extern generierte Magnetfelder bewegt werden. Schließlich wird nur ein relativ kleiner Bewegungsimpuls benötigt. Sowohl die Abstoßung von einer Schleuse, als auch die Bremsung, ist lediglich eine Frage der Polung. Und für den Notfall genügt ein System kleiner Manövrierdüsen.« Tatsächlich klang Norkamp, als ginge es hier nicht mehr darum, ob man die Schiffe in dieser Form baut, sondern nur noch um die Klärung von Detailfragen.

Ein Blick in die zahlreichen Augen, die fasziniert das Abbild des filigran wirkenden Gesamtgebildes betrachteten, zeigte deutlich, dass Norkamps Zuversicht durchaus berechtigt war.

»Ein Raumschiff mit Monden. Fast so wie eine Sonne mit ihren Planeten.«

Kuschenko brachte es auf den Punkt.

Mit etwas Phantasie, wobei man sich vorstellte, dass die Module um das Mutterschiff kreisten, konnte man Analogien zu einem Sonnensystem sehen.

»Und jedes Modul hat sein eigenes Triebwerk und seine eigene Treibstoffversorgung, was gleichzeitig auch eine Verteilung von Risiken beinhaltet. So kann es nur zu Teilverlusten kommen, die bis zu einem gewissen Grad verkraftbar sind.«

Kuschenko lehnte sich zurück, lauschte dem Nachhall von Norkamps Worten, bis ihm etwas einfiel.

»Zwei! Das genehmigte Grundkonzept sieht vor, dass es nur zwei Schiffe sind.«

Norkamp lächelte, so wie jemand, der einschussbereit vor dem Tor steht und den Ball passend serviert bekommt.

»Eigentlich ist es ja auch nur ein einziges Schiff. Nur, dass zwischen den Teilen kein direkter Kontakt besteht. Wir können die drei Module als ein einzelnes Schiff betrachten, auch wenn es keine physische Verbindung gibt.« Erons Lächeln wurde breiter.

»Vergleichen wir es mit einer Inselgruppe. Nehmen wir mal Galapagos. Eine Gruppe einzelner Inseln, die nichts anderes sind, als die Spitzen eines unterseeischen Gebirges. Lösen wir uns von der Vorstellung, dass etwas Ganzes auch eine feste physische Verbindung braucht. Insbesondere, wenn wir den Zweck des Raumschiffs bedenken. Es wird aus einer einzigen Menschheit, die in einem einzigen Sonnensystem lebt, zwei Menschheiten machen, die aber wohl niemals in der Lage sein werden, in direkten Kontakt miteinander zu treten. Kann eine Teilung maximaler sein? Und ist es nicht doch ein Ganzes? Egal, wie weit man Menschen voneinander trennt, sie gehören dennoch zur Menschheit. Viele Menschen, eine Menschheit. Viele Module, ein Schiff.«

Kuschenko konnte nichts anderes, als zu nicken, was ihm selbst nicht wirklich bewusst wurde.

»Ein Symbol.«

Einige Haare in seinem Nacken richteten sich auf.

»Es wäre ein Symbol, für das, was wir tun. Für das gesamte Projekt, für das Ziel und für die Folgen. Eine Menschheit, geteilt und doch ein Ganzes.«

Auch die restlichen Haare richteten sich nun auf.

»Wir bauen es so. Was immer es kostet, wir bauen es so!«

Auf Eron Norkamps Lippen erschien ein Lächeln, das sowohl Freude als auch Zufriedenheit ausdrückte.

»Wenn eine emotionale Entscheidung gleichzeitig die vernünftigste Entscheidung ist, ist sie sicherlich die beste aller Entscheidungen.«

*

Baustoffe

»90 Prozent des Schiffes wird daraus bestehen.«

Kuschenko blickte auf die komplexe Darstellung eines Nanopolymers. Die Grafik enthielt auch Details zu den Eigenschaften und chemischen Formeln.

»Außenhülle, Maschinenteile für Triebwerke, Reaktoren bis hin zu Tischen und Stühlen. Und wo die Eigenschaften des Polymers für Funktionsweisen nicht genügen, können die benötigten Materialien leicht auf die Polymerstrukturen aufgetragen werden. Dadurch minimiert sich die Menge an hochwertigen Grundrohstoffen. Das schafft Platz für andere Güter oder lässt eine Reduzierung der Frachtkapazitäten zu. Und letztlich wird die Gesamtmasse des Schiffs um ca. 30 Prozent reduziert.«

»Lebensdauer?« Je länger die Sitzung dauerte, desto mehr hatte Kuschenko damit begonnen, bei der Formulierung von Fragen an Worten zu sparen.

»Stellt man das Schiff neben die Pyramiden, würde ich auf das Schiff wetten.«

»Aber nur, was die Grundstruktur betrifft.«

»Ja, richtig, doch so lange man die hat, lässt sich der Rest bewahren, ersetzen und erneuern.« Die Antworten von Piet Tormason kamen so schnell, dass sie sich nahezu nahtlos an Kuschenkos letztem Wort anschlossen.

»Nanopolymere wachsen nicht auf Bäumen, das wird uns die Kosten in die Höhe treiben.«

»Und Treibstoff sparen und Chancen erhöhen!«

Schon bei der ersten Silbe des Worts Chancen atmete Huw Kuschenko tief durch. Er war die politisch treibende Kraft. Er musste das Projekt durch die Instanzen bringen.

Zwar hatte er die grundsätzlich notwendige Zustimmung bereits erreicht, doch das Thema Finanzen würde das Projekt wie ein Schatten verfolgen. Beständig und unnachgiebig. Immerzu und allgegenwärtig. Bei jedem Detail, bei jeder Schraube, war dieser Schatten präsent. Die Frage war nur, ob die Ohren, die hinter den Finanzen standen, die Bedeutung des Wortes Chancen, in aller Konsequenz, mit dem Leben der Besatzung verbanden.

In Gedanken begann Kuschenko bereits damit, Argumente zu sortieren, die geeignet waren, eine Ablehnung der teuren Nanopolymere zu verhindern.

Eigentlich genügte hierfür eine einzige Erkenntnis. Nämlich die, dass alles verwendet werden musste, was die Aussicht auf Erfolg, auch nur um Bruchteile eines Prozents, erhöhen konnte.

Denn eins war sicher. Bei einem Misserfolg würde nichts, rein gar nichts, übrigbleiben. Nicht einmal Asche! Und im Extremfall nicht einmal ein einziges Wort. Falls, aus welchem Grund auch immer, beide Schiffe gleichzeitig vernichtet würden, würde kein Mensch jemals erfahren, was und wie es passierte. Nicht einmal, dass es passierte.

Der 'Lohn' des maximalen Misserfolgs bestand dann aus einer ewigen Ungewissheit. Und was entsprach dann noch der wahren Bedeutung des Wortes 'Lohn'? Von welcher Rendite konnte man sprechen?

Sensationen als Rendite? Informationen, die den Gegenwert von Finanzen hatten? Eine einzige Nachricht, aus einer fremden Welt, weit mehr als 400 Jahre in der Zukunft, als Gegenwert, für das Bruttosozialprodukt einer ganzen Region?

Noch war unklar, wie viel das Projekt wirklich kosten würde. Doch konnte man emotionale Werte in Finanzen messen? War es hier und heute vorstellbar, wie viel Umsatz, und einen damit verbundenen finanziellen Gegenwert, die Medien erzielen würden, wenn in ferner Zukunft die Nachrichten, von der erfolgreichen Bildung einer Kolonie, die Erde erreichten?

Aber was hatten die heutigen Geldgeber davon?

Nichts, außer der fraglichen Gewissheit, dass sie ein Projekt finanziert hatten, das, über ihr Leben hinaus, Bedeutung haben würde. Sozusagen, Bedeutung als Rendite. Bedeutung als emotionalen Gegenwert, als Ersatz für realen finanziellen Wert.

Bedeutung. Über das Leben hinaus von Bedeutung zu sein. War es nicht das, auf das es in Wahrheit ankam?

Bedeutend zu sein? Teil von etwas ganz Großem zu sein?

Was nützte aller Reichtum, wenn nichts von dem, was man damit tun konnte, zu wahrer Bedeutung führte?

Vor Kuschenkos Augen entstand ein Bild der Pyramiden von Gizeh. Praktisch als eine Antwort und gleichzeitig eine Frage, die tief aus seinem Innern kam. Und das Bild forderte Worte, forderte Erklärungen.

Sicher, die Pyramiden waren bedeutsam. Sie waren ein Symbol für das, was Menschen leisten konnten. Ein Symbol für den Stolz eines Volkes. Doch, was hatte ein Volk von einem Symbol des Stolzes, wenn das Leben des Einzelnen zu viele Wünsche offenließ?

Wie weit konnte man gehen, bei der Frage, wie viele Entbehrungen die Erschaffung von Symbolen rechtfertigte? Egal, wie bedeutsam diese auch sein mochten.

Doch hier lag der Fall anders. Denn die wahre Bedeutung, die bei weitem noch nicht jeder sah, war die Sicherung des Erhalts der Menschheit. Und eines Tages würden Menschen gen Himmel schauen, auf einen Stern zeigen und sagen können;

'Dort draußen, tief im All, leben Menschen!'

Kuschenko streckte sich, bog kurz den Rücken durch und sah dann jeden einzelnen an.

»Wir Menschen sind doch ein seltsames Volk. Bauen wir nicht Häuser an Meeren, die Fluten bringen, an Berghängen, die abrutschen können, an Vulkanen, die ausbrechen können?«

Kuschenko lauschte den eigenen Worten hinterher.

»Wir stellen Begierden über Sicherheit. Es wird nicht einfach sein, der Bedeutung der Sicherheit das Gewicht zu verleihen, das sie verdient. Ich jedenfalls werde alles Notwendige tun, dass wir die Mittel bekommen, die wir benötigen.«

»Wir brauchen viel mehr als das.« Piet Tormason verlieh seiner Stimme eine ernste Betonung. »Wir brauchen auch den Glauben der Menschen. Den Glauben daran, dass es richtig ist. Und ihren Glauben, dass alles, was wir tun, alle Mühen und alle Kosten, auch sinnvoll sind. Und wir brauchen ein mediales Management, das diese Botschaft vermitteln kann.«

Kuschenko nickte, wie so oft an diesem Tag.

»Richtig, nichts brauchen wir mehr, als die Überzeugung der Menschen dort draußen.«

Ein dezentes Seufzen drang aus seiner Nase. »Noch mehr Kosten.«

*

»Funktioniert das nicht, sind alle tot.« Mirijam Mair ließ ihre Hand durch die Luft schneiden, gleich einer Sense.

Und einmal mehr blickte Kuschenko auf eine Darstellung, die mitten im Raum schwebte.

Die Projektion zeigte ein scheibenförmiges Gebilde. Fast 500 Meter im Durchmesser und vielleicht 10 Stockwerke hoch, wirkte es wie ein eher flacher Zylinder. Direkt darunter schwebte eine zweite Projektion, bei der der Zylinder wie aufgeschnitten wirkte und den Blick auf mehrere, unterschiedlich hohe, Stockwerke erlaubte.

»Wenn wir ein derart schweres Modul als Rotationsmodul konzipieren, wird das die Struktur des Schiffes auf Dauer nicht aushalten. Es bedeutet, wir haben keine andere Wahl, als diesen Bereich unter Schwerelosigkeit zu betreiben. Wir dürfen nur die Pflanzen verwenden, die unter diesen Bedingungen gedeihen und eine ertragreiche Produktion unterschiedlicher Nahrungsmittel garantieren.«

Mirijam verkniff ein wenig das Gesicht im Vorgriff auf ihre nächsten Worte.

»Wir kommen an genetischen Eingriffen nicht vorbei. Die Optimierung der Nutzpflanzen ist leider die einzige Möglichkeit, alle Anforderungen zu erfüllen.«

»Absolut?«

»Nicht, wenn wir die Zahl der Menschen an Bord auf unter 200 begrenzen.«

»Ist keine Option.« Kuschenkos Kopfschütteln verlieh seinen Worten den Wert von Endgültigkeit.

»Dann gibt es keinen anderen Weg und wir sollten sofort damit anfangen. Am besten in einem Biotop auf dem Mond. Noch besser wäre im Orbit, aber dort haben wir keine Strukturen mit ausreichender Fläche.«

Kuschenkos Mimik zeigte immer noch deutliche Spuren von Missbilligung, von der sich Mirijam aber nicht irritieren ließ.

»Ich finde die Idee auch nicht verlockend, aber wir sollten dabei eins bedenken. Wenn wir einen fremden Planeten kolonisieren wollen und dazu irdische Nutzpflanzen verwenden, die wir in der Natur dieses Planeten anbauen, dann müssen wir immer darauf gefasst sein, dass eine genetische Anpassung der Pflanzen notwendig werden kann. So oder so, es ist eine Option, die darüber entscheiden kann, ob es zu einer erfolgreichen Kolonisierung kommt oder nicht. Brauchen wir sie nicht, umso besser. Dann benutzen wir am Ziel die Originalsamen. Ist es anders, haben wir zumindest eine Version, die, unter uns zur Verfügung stehenden Bedingungen, Nahrung liefert.« Mirijam lehnte sich zurück und blickte Kuschenko abwartend an.

»Das Ziel bestimmt die Mittel.« Es klang absolut treffend, aber so, wie Kuschenko es aussprach, mit einem deutlichen Ton von Freudlosigkeit.

»Welche Schritte werden wir noch gehen müssen und welche Kompromisse, um das hier möglich zu machen?«

»Gute Frage.« Huw nickte Mirijam zustimmend zu. Dann beugte er sich vor und blickte in eine leere Tasse Kaffee.

»Kaffee, wenn ich überhaupt an Bord gehe, dann nur, wenn es da auch Kaffee gibt. Und ich meine echten, ordentlichen Kaffee.«

Immer noch hielt Kuschenko seinen Kopf leicht vorgebeugt. Lediglich seine Augen wanderten etwas nach oben und blickten demonstrativ auf die Darstellung des Moduls für die Nahrungsmittelproduktion.

»Wie lange?«

»Bis wir sicher sein können, dass es dauerhaft funktioniert?«

Mirijam Mair wiegte kalkulierend den Kopf.

»20 Jahre sollten wir hier mal kalkulieren.«

»Dann wird das da...« Kuschenko deutete mit der Hand auf die Darstellung. »...das letzte Teil sein, das fertig wird.«

»Richtig, aber ohne das da geht es nicht!«

*

Es war der dritte Kaffee an diesem Tag. Und der Tag hatte eben erst die 12 Uhr Marke passiert. Huw Kuschenko hatte Tofuspargel auf ungeschältem Reis gewählt. Lorana Everts begnügte sich mit Algenburger und einem Glas Wasser.

Hin und wieder glitt Kuschenkos Blick prüfend zum Eingang. Nur wenige der Konferenzteilnehmer wussten um dieses kleine Restaurant, das sich in einem der kurzen Seitenflügel des Konferenzgebäudes befand.

Für wenigstens eine Stunde, für gerade mal 60 kurze Minuten, wollte Kuschenko keine Ingenieure, Konstrukteure oder sonstigen schlauen Leute sehen. Wollte nichts anderes tun, als essen, plaudern und den einen oder anderen Blick auf die stilvolle Kleidung seiner Assistentin riskieren. Ein harmonischer Zweiteiler in Weiß mit zartem Türkis umspielte ihre Figur. Zeitlos modern, gleichermaßen dezent wie schön.

»Es muss schön sein.« Huw nippte nur kurz an seinem Kaffee, obwohl er ihn am liebsten in einem Zug ausgetrunken hätte.

»Schön?«

Unbewusst griff Lorana nach ihrem Glas Wasser, drehte es aber nur ein Stück. Unterdrückte ganz bewusst den Impuls, nur zu trinken, um es Kuschenko gleichzutun, was ja als ein Zeichen von Sympathie interpretiert werden konnte. Oder auch als etwas Tieferes als Sympathie.

»Alles, was man tut, sollte zu etwas Schönem führen.«

»Welchen Sinn hätte es, etwas zu machen, was man nicht schön findet?« Lorana sah ihn fragend an. Noch ein zartes Nippen, dann stellte der Projektleiter die Tasse ab und sah seine Assistentin an.

»Ich mag Schönes.« Ganz kurz zuckte Kuschenkos Blick auf die in hellem Türkis gehaltenen Linien und Flächen, die sich über die Seiten des Oberteils zum Arm hinzogen, bis nur noch ein schmaler Streifen das Handgelenk erreichte.

»Schönheit kann Begeisterung entfachen. Und mit Begeisterung kann man Menschen für etwas begeistern.«

»Man muss dabei nur aufpassen, dass aus Begeistern nicht Geister werden.«

Ein Hauch von Nachdenklichkeit überzog Kuschenkos Gesicht. Und die Nachdenklichkeit formte Worte, die Frage und Gewissheit in einem waren.

»Sie denken an die Besatzung. An die Einsamkeit, die ein Leben zwischen den Sternen ihnen bringen wird.«

»Auch der schönste Moment, ganz allein auf dem Gipfel eines Berges, wird irgendwann abgelöst von einem Gefühl der Einsamkeit. Nur wenn man rechtzeitig absteigt, wird einen dieses Gefühl nicht erreichen.«

»Ja, ja, die Berge.« Doch der Direktor der USO sah nicht aus, wie jemand, der an Bergsteigen dachte.

»Chimborazo?«

»Was? Nein. Ja. Nein, nicht wirklich. Wann waren Sie das letzte Mal bergsteigen?«

»Am 1. Juni. Eine Art Erinnerungstour.«

»Erinnerungen an jemanden, mit dem Sie die Tour einmal gegangen sind?« Eine unausgesprochene Frage lag in Kuschenkos Blick.

»Ja.«

Kuschenko nickte nur, während er seine Neugier zähmte.

»Sie werden es niemals erleben können.«

»Sind wir wieder bei der Besatzung?« Lorana hob den Kopf und blickte ihren Chef direkt an, der nun zustimmend nickte.

»Ja, sie werden auf vieles verzichten müssen. Ich weiß, man kann fast alles simulieren. Wir können ein Schwimmbecken einbauen, das die Illusion eines Ozeans erzeugt, in dem man auch schwimmen und tauchen kann. Aber einen Berg, der es lohnt, bestiegen zu werden, das schaffen wir nicht.« Kuschenkos Stimme wurde eine Nuance weicher. »Die Berge bedeuten Ihnen etwas. Nicht alle Menschen sehen das ähnlich.« Der Direktor unterlegte es mit einem einfühlsamen Blick.

»Ich weiß. Aber für mich sind sie etwas Besonderes.«

Loranas Augen bekamen einen träumerischen Glanz.

»Für mich sind die Berge eine Art Symbol.« Kuschenkos Assistentin zögerte einen Moment, bevor sie weitersprach.

»Denn nichts zeigt die Lebendigkeit der Erde besser, als der majestätische Anblick gewaltiger Berge. Berge, die von der Erde selbst geschaffen wurden. Aufgetürmt durch die Bewegung der Kontinente, die auf dem flüssigen Herz der Erde schwimmen.«

»Die Gefühle einer gefühlvollen Frau?«

Huw gab sich Mühe, seinen Worten einen verständnisvollen Tonfall zu verleihen.

»Eine Weisheit meines Vaters.«

Nur aus den Augenwinkeln bemerkte Kuschenko, wie sich eine Serviceeinheit mit dem Essen näherte.

Betont langsam griff er nach der Gabel.

*

Alt oder Neu

»Das heißt, wir verzichten auf einen beträchtlichen Teil künstlicher Intelligenz.«

»Wollen wir nun maximale Leistung oder maximale Stabilität?« Indru Ranesh legte den Kopf schief und breitete fragend die Arme aus. Anschließend deutete er auf das Abbild eines kubusförmigen Hochleistungsprozessors.

»Das grundliegende Problem bei der dreidimensionalen Architektur moderner Prozessoren ist die Fehleranalyse. Stellen Sie sich eine Stecknadel in einem Heuhaufen vor, bei der der Heuhaufen so groß wie eine Stadt ist. Die Zahl der Schaltungen im Prozessor ist zwar endlich, aber die möglichen Kombinationen kommen dem Terminus 'unendlich' schon recht nahe. Wollen wir, soweit wie überhaupt nur möglich, ausschließen, dass Fehler zu spät bemerkt werden, dann müssen wir der Fehlerthematik mindestens ebenso viel, wenn nicht sogar weit mehr, Bedeutung geben, wie der Leistung.«

In Kuschenkos Kopf summierten sich die Finanzwerte in einem Diagramm, dessen Kurve langsam zur Senkrechten wurde. Entsprechend freudlos schüttelte er den Kopf.

»Wir können doch keine komplett neuen Computersysteme entwickeln. Noch dazu retrograd. Das ist nicht durchsetzbar. Wie wäre es mit Abschirmung?«

Ranesh presste kurz die Lippen aufeinander. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass ihm etwas nicht besonders behagte.

»Es stellt sich hier nicht nur eine Frage der Abschirmung. Das Computersystem ist Herz und Hirn des Schiffes. Jede Fehlfunktion erfordert den Einsatz äußerst kompetenter Mittel. Können wir uns denn der Kompetenz zukünftiger Generationen wirklich sicher sein?«

Raneshs Augen überzogen die Teilnehmer mit einem fragenden und gleichzeitig besorgtem Blick.

»Je einfacher das System ist, desto länger wird es stabil sein. Desto weniger Wartung wird es benötigen und desto einfacher wird es zu reparieren sein. Und dies betrifft auch die Herstellung von Ersatzteilen.«

Kuschenko nickte und sagte gleichzeitig; »Nein.«

»Es geht ja nicht nur um Hardware. Auch die Software, die komplette Software, jede noch so kleine Anwendung, müsste extra programmiert werden. Und selbst....« Kuschenkos Stimme wurde lauter und begann, seine nächsten Worte einzeln zu betonen, »...die Programmiersprachen müssten entwickelt werden.«

Ranesh nickte, ein einziges Mal nur.

»Sie haben recht.«

Kuschenko nahm es freudlos entgegen. Kniff dann aber kurz die Augen zusammen.

»Es sei denn, Sie stellen mir ein funktionierendes System vor die Füße.«

Raneshs linke Hand wanderte zum Kinn, während seine Augen einen ausdruckslosen Blick annahmen. Und einzig die Frage, auf was der Projektleiter damit wohl anspielen könnte, bewegte seine Gedanken.

»Museum.« Es war nicht mehr, als ein kaum hörbares Flüstern, das da zwischen den Fingern der linken Hand hervorkam und Kuschenko ein Grinsen entlockte.

»Auch, wenn wir es nur noch nachbauen müssen. Wir müssen es anpassen. Und das wird auch nicht billig.«

»10 Prozent.« Kuschenkos Lippen trugen immer noch das Lächeln des Erfolgs. Indru Ranesh hingegen war ein Abbild an Skepsis.

»Finden wir erst einmal heraus, ob Computersysteme, die seit mehr als 30 Jahren keinen Strom mehr gesehen haben, überhaupt noch wissen, wozu sie da sind. Sorry! Ich meinte, wozu sie da waren!«

»Das Neue ist der Feind des Alten.« Sinnierte Kuschenko.

»Doch sehen wir es mal so, wir machen etwas Neues, aufgrund des Vorbilds von etwas Altem.« Mit einem kaum sichtbaren Blick auf Lorana begann Kuschenko zu lächeln.

»Also, ich finde es schön, wenn etwas Altes zum Vorbild wird. Und dass ich selbst schon so viel graue Haare habe, dass ich bei dem ein oder anderen bereits als alt gelten könnte. Also? Was ist nun? Hat hier irgendjemand etwas gegen die Verwendung von etwas Altem?«

Obwohl Kuschenko in die Runde blickte und praktisch jeden mit seinen Augen streifte, entging ihm doch das sanfte Glitzern in Loranas Augen, die ihr Kichern am liebsten in den Raum hinausgestrahlt hätte.

KAPITEL 4

Sicherung des Ziels

Eine komplette Woche, 7 ganze Tage, steckte den Teilnehmern nun im Kopf.

7 lange Tage, die die Köpfe mit Wissen, Erfahrungen und Schlussfolgerungen füllten, die erst langsam die Komplexität des Projekts offenbarten.

Und egal, wie viele Lösungen, für immer neu auftauchende Probleme, man auch fand, es hörte einfach nicht auf.

Die Gewissheit, erfolgreich sein zu können, wurde zu etwas, das in unerreichbarer Ferne zu liegen schien.

Zum wiederholten Mal starrten Kuschenkos Augen in eine leere Tasse Kaffee. Und zum wiederholten Mal lehnte er sich zurück, schloss die Augen und fragte sich, wann er mal wieder die Luft der Unbeschwertheit atmen konnte.

»Wie verhindern wir, dass sie umkehren?«

Andre Turans Frage begann sich in Kuschenkos Gedanken zu wiederholen. Drehte sich in seinem Kopf, wie ein sich immer schneller bewegendes Karussell.

»Der menschliche Faktor.«

Kuschenko sagte es mit immer noch geschlossenen Augen. Öffnete sie anschließend und blickte zu Turan.

Der Soziologe und Neurologe erwiderte den Blick abwartend, mit einer unschuldigen Gelassenheit.

»Wie wir das verhindern? Moralisch? Moralisch betrachtet?«

Kuschenkos Blick gewann an Eindringlichkeit. »Gar nicht.« Und seine Stimme an Bestimmtheit. »Müssen wir auch nicht.«

»Denn das hier, das ist kein Spaziergang um den Block. Es ist eine Reise der Endgültigkeit. Ein Gang über eine Brücke, die sich hinter einem auflöst. Kein Weg zurück. Keine Möglichkeit zur Umkehr. Das muss jedem klar sein, der an Bord geht.«

»Ich denke, es wird machbar sein, dass niemand an Bord geht, der wankelmütig ist. Es ist nur eine Frage von Auswahl, Prüfung und Ausbildung.« Andre Turan ließ den Worten einen Augenblick Zeit.

»Aber, was ist mit den Menschen der nächsten Generation? Können wir wissen, was sie fühlen werden? Was sie sich wünschen und was sie wollen? Und was ist mit den folgenden Generationen? Was, wenn die 5. Generation ganz andere Wünsche entwickelt und sich nicht mehr gebunden fühlt, an die Ziele, die, aus ihrer Sicht, vor 150 Jahren gesetzt wurden? Kann man deren Entscheidung vorwegnehmen?«

Kuschenko verzog nur die Mundwinkel, in einer Vorahnung dessen, was Andre noch vorbringen würde.

»Wir entscheiden über das Leben Ungeborener!« Turans Stimme klang nun besorgt.

»Tun wir das nicht immer?«