Inhalt

  1. Cover
  2. Weitere Titel der Autorin
  3. Über die Autoren
  4. Titel
  5. Impressum
  6. Kapitel 1
  7. Kapitel 2
  8. Kapitel 3
  9. Kapitel 4
  10. Kapitel 5
  11. Kapitel 6
  12. Kapitel 7
  13. Kapitel 8
  14. Kapitel 9
  15. Kapitel 10
  16. Kapitel 11
  17. Kapitel 12
  18. Kapitel 13
  19. Kapitel 14
  20. Kapitel 15
  21. Kapitel 16
  22. Kapitel 17
  23. Kapitel 18
  24. Kapitel 19
  25. Kapitel 20
  26. Kapitel 21
  27. Wunderbarer Spielespaß
  28. Lösungen

Weitere Titel der Autorin

Fjelle und Emil – Monstermäßig beste Freunde

Fjelle und Emil – Monstermäßig wilde Abenteuer

Becky und der geheimnisvolle Bonbonkocher

Waldo Wunders fantastischer Spielzeugladen

Über die Autorin

Anne Scheller, geboren 1980 in Bremervorde, studierte Anglistik, Musikwissenschaft und Mittelalterliche Geschichte in Erlangen. Seit 10 Jahren arbeitet sie als Kinderbuchautorin für verschiedene Verlage und Redaktionsbüros. Sie lebt mit ihrer Familie in der Lüneburger Heide.

Über die Illustratorin

Larisa Lauber ist Illustratorin und lebt in Berlin. Nach ihrem Diplom im Jahr 2000 arbeitete sie viele Jahre als Animatorin für Trickfilme. 2014 war es an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren, und so hat sie begonnen, Kinderbücher zu illustrieren.

ANNE SCHELLER

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Wo Wünsche wahr werden

Mit Illustrationen von
Larisa Lauber

BAUMHAUS

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Kapitel 1
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»Wünsche werden wahr!«

Die Stimme wisperte verheißungsvoll in der Dunkelheit, und Lennart Lindenbaum schlug die Augen auf. Sein Zimmer lag in völliger Dunkelheit, nur das Licht der Straßenlaterne fiel gedämpft durch die Vorhänge. Sein Bett knackte, als Lenni sich umdrehte.

»Wünsche werden wahr«, hauchte die Stimme wieder. Ein Glockenspiel dingelte fein dazu. Lenni tippte auf den Wecker, und Stimme und Glockenklang verhallten. Jede Nacht um elf ließ er sich heimlich so wecken.

Lenni stand auf und zog sich an. In der kleinen Wohnung im zweiten Stock des uralten Hauses in der Pulvergasse 9 war alles still, nur die Fußbodendielen knarzten hin und wieder. Lennis Mutter Lola war Krankenschwester und arbeitete heute Nacht. So gern Lenni seine Mutter hatte, fand er es gar nicht schlimm, wenn sie mal eine Nacht nicht da war. Dann konnte er nämlich so lange wach bleiben, wie er wollte, heimlich aufstehen und aus der Wohnung schleichen, die Treppe nach unten und bis ins Erdgeschoss. Dort befand sich eine Tür – die Tür zu Waldo Wunders fantastischem Spielzeugladen. Hier wurden Wünsche wirklich wahr.

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Lenni nahm den goldenen Schlüssel aus der Hosentasche, den Waldo Wunder ihm vor einiger Zeit anvertraut hatte, und öffnete die Tür vom Hausflur zum Spielzeugladen.

Einen Moment wartete er. Die Dunkelheit war fast vollkommen, durch die vollgestellten Schaufenster drang kaum Licht aus der sowieso nicht besonders hell erleuchteten Pulvergasse herein. Stille umfing Lenni, doch es war keine gewöhnliche Stille, nicht die Stille von Nichts, sondern die Stille von Etwas. Etwas Lebendigem. Es war ein Kribbeln, ein Vibrieren. Ein Abenteuer lag in der Luft, und Lenni jagte ein vorfreudiger Schauer über den Rücken.

»Hallo, Leute«, flüsterte er. »Ich bin es, Lenni. Seid ihr schon wach?«

Und nun kam das, was Lenni Nacht für Nacht dazu brachte, sich aus der Wohnung im zweiten Stock zu stehlen. Der schönste, magischste Moment im Spielzeugladen.

Zuerst glitzerte etwas in der Bunten Ecke. Ein paar nachleuchtende Sterne stiegen auf und formten Sternbilder an der Ladendecke. Ein Rattern erklang, und Lenni wusste, dass die Spielzeugeisenbahn ihre Fahrt über die Schienen auf dem Fußboden aufnahm. Im Elfenwald hörte er das leise Schnauben eines Pferdes und die Stimme seines elfischen Reiters. Aus dem Kuschelzoo kam ein Brummen wie von einem Bären, der aus dem Winterschlaf erwacht. (Es war ein Bär, der aus dem Schlaf erwachte: Grigo, der Grizzlybär aus Plüsch, der zwar kuschelig, aber auch riesig groß und ziemlich wild war.)

Dann wurde es endlich hell im Laden. Eine Lampe in Fliegenpilzform und ein herzförmiges Nachtlicht knipsten sich selbst an, Leuchtknete strahlte auf, eine Taschenlampe blinkte, und eine Lupe reflektierte ihren Strahl an die Zimmerdecke. Und nun wurden alle Spielzeuge in Waldo Wunders Laden lebendig. In jeder der Ladenecken, zu denen glänzende Goldschilder wiesen, regte sich etwas.

Ein Dutzend Flummis sprangen aus der Bunten Ecke auf den Fußboden und trommelten einen schnellen Rhythmus. Lenni wippte sofort mit. Ein Feuerwehrauto fuhr mit Blaulicht und Sirene aus dem Citycenter ins Indianercamp, wo Häuptling Spielt-mit-seinem-Hund vor Schreck die Friedenspfeife aus dem Mund fiel. Roboter ratterten über den Fußboden, Dinosaurier-Spielfiguren brüllten Furcht einflößend (zum Glück waren sie nur etwa handtellergroß), und über Lennis Kopf flog ein Polizeihubschrauber herum. Aus dem Kaiserpalast, wo die altmodischen Puppen und Spielzeuge wohnten, hörte Lenni das Klappern von Tassen – wahrscheinlich fand dort gerade eine Teeparty statt. Glibberknete schleimte über den Ladentisch. An der Uhr darüber öffnete sich eine kleine Klappe, die verdächtig wie ein Mund aussah. Uhroma Helma, so hieß die Wanduhr, blinzelte mit der Zwei und der Zehn und verkündete laut und völlig falsch: »Es ist fünf vor halb drei!«

Auch wenn Lenni das nicht zum ersten Mal erlebte, konnte er nicht verhindern, dass er die Augen aufriss und sich ein breites Grinsen auf seine Lippen stahl. Das alles war einfach zu unglaublich! Eigentlich hatte Lenni gedacht, mit zehn Jahren wäre er langsam zu alt für einen Spielzeugladen. Aber damals hatte er auch noch nicht gewusst, dass diese Spielsachen lebendig wurden und voller Magie steckten.

Wie jeden Abend machte Lenni eine ausführliche Tour durch den Laden.

»Läuft alles rund bei dir?«, fragte er ein Rennauto, das immer das Schnellste sein wollte. Schwungvoll schubste er den Flitzer einmal über den Ladentisch. »Komm, ich werfe dich ein paarmal«, versprach er einem weichen Ball. Danach bürstete er die Haare der Puppen und zupfte an einer Kindergitarre.

Denn alle Sachen in Waldo Wunders Laden hatten eins gemeinsam: Sie waren ganz wild aufs Spielen! Und da war Lenni der Richtige für sie: Jede Nacht spielte er stundenlang mit ihnen, bis ihm die Augen zufielen.

»Pause! Ich muss auftanken«, sagte er irgendwann zu Roboman, dem Roboter mit den vielen Knöpfen, nachdem er mit ihm die Mondlandung nachgespielt hatte. Er ging zum Ladentisch und ließ sich auf seinen Lieblingsplatz plumpsen, einen Hocker in Form eines Elefanten, der ihn mit lautem Törööö begrüßte. Automatisch wanderte Lennis Hand zur dritten Schublade von rechts im Ladentisch und prüfte, ob sie auch fest verschlossen war. Gut so, denn hier verbarg sich das wichtigste Geheimnis des fantastischen Spielzeugladens.

Hinter Lenni in der Bibliothek wurden die Bücher unruhig, Papier rieb auf Papier, und im nächsten Augenblick landete ein armdicker Wälzer mit dunkelblauem Leineneinband auf dem Ladentisch. Alles Wissen der Welt speziell für junge Herren und solche, die es werden wollen stand in goldener Schrift darauf.

»Hey, Sir Richard!« Lenni klopfte dem Buch freundschaftlich auf das Cover.

Staub wirbelte auf, das Buch schüttelte sich und klappte den Einband auf. Wie von Zauberhand blätterte es sich selbst durch, bis es auf Seite 325 offen liegen blieb. Großreinemachen für junge Herren (ja, wirklich!) verkündete die Überschrift.

»Guten Abend, junger Lenni«, sagte Sir Richard. »Mir scheint, du solltest im Laden mal wieder ein wenig sauber machen, oder, junger Freund?«

»Putzen? Och, nö …«, meinte Lenni. »Ich wollte eigentlich der Spielzeugbigband zuhören! Gibt sie nicht heute Abend ein Konzert?« Er musste niesen, als Sir Richard erneut seine Seiten schüttelte. Dann lachte er. »Ist ja gut, du hast mich überzeugt. Das gehört wohl auch zu meinen Pflichten.«

»Aber selbstverständlich«, bestätigte Sir Richard. »Und wenn du Fragen hast, junger Lenni, frag mich ruhig. Immerhin besitze ich alles Wissen der Welt speziell für junge Herren und solche, die es werden wollen. Ich helfe dir jederzeit gern.«

»Danke, aber das schaffe ich schon!« Lächelnd klappte Lenni Sir Richard zu und strich über den dunkelblauen Einband. Ohne das Buch wäre er manchmal wirklich aufgeschmissen. Sein Wissen über das magische Spielzeughandwerk schien fast grenzenlos, denn es hatte schon im Regal gestanden, als Herr Wunder den Laden vor 46 Jahren von seinem Großvater Walter übernommen hatte. Und was Sir Richard nicht wusste, brachte Herr Wunder Lenni selbst bei. Er war der Besitzer des Spielzeugladens und ein waschechter magischer Spielzeugmacher. Vor Kurzem hatte er Lenni und seine Freundin Merle ganz offiziell zu seinen Lehrlingen ernannt.

Viele Tricks musste Lehrling Lenni jedoch selbst herausfinden. Zum Beispiel wie man am besten im Elfenwald Staub wischte. Hier wimmelte es nur so von Elfen- und Feenspielfiguren, von Pferden und Einhörnern. Es gab knorrige Bäume und verwinkelte Baumhäuser, Pflanzen mit riesigen Blüten und Vögel mit langen Schwanzfedern.

Lenni holte extra einen Pinsel aus Waldo Wunders Werkstatt und wischte die Spielsachen ganz vorsichtig ab. Zumindest versuchte er es.

»Hihi, ich bin so kitzelig!«, rief eine kleine Elfe und versuchte, außer Reichweite zu hüpfen. Leider war irgendwo das Regal zu Ende.

»Pass auf, du fällst!« Lenni erwischte die Elfe gerade noch, bevor sie zu Boden plumpste, doch der Pinsel flog ihm dabei aus der Hand.

Als Lenni die Elfe behutsam absetzte, wurde ihm schwarz vor Augen. Oder eher gesagt bunt. Sehr bunt und sehr laut. Um seinen Kopf zischte und wirbelte es plötzlich in kunterbunten Farben, durchmischt mit krächzenden Schreien. Dann zwickte ihn etwas in die Nase.

»Au!« Lenni wich zurück. Dabei übersah er die Spielzeugeisenbahn. Er stolperte, ruderte mit den Armen und fiel schwungvoll zwischen die Schienen.

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Aufgeregt kam der winzige Schaffner aus dem Bahnhofsgebäude gelaufen. »Himmel!«, schrie er. »Bist du verletzt, Lenni? Geh schnell von den Gleisen runter, sonst erwischt dich noch der Zug!«

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Rasch stand Lenni auf, prüfte, ob das Schienennetz und er selbst unversehrt waren, und wandte sich Sir Richard zu. »Was war das denn?«, fragte er. »Ein sehr kleiner Tornado? Oder ein sehr bunter Springbrunnen?«

»Nein, ein aufgeregter Schwarm Paradiesvögel«, verbesserte das dicke Buch. »Sie haben sich erschreckt, als du so einen Krach gemacht und den Pinsel weggeworfen hast.«

»Oh, Mist.« Lenni trat etwas näher an die aufgeregt umherflatternden Spieltiere. »Das tut mir wirklich leid. Ich wollte euch nicht erschrecken! Ganz ruhig.«

Doch die Vögel flogen weiter zwitschernd, gurrend und keckernd durch den Laden.

Lenni wünschte plötzlich, dass Merle hier wäre. Sie war seine beste Freundin und kannte das Geheimnis hinter Waldo Wunders Spielzeugladen. Und sie hatte ein ganz besonderes Händchen für Tiere, egal ob es die Hunde waren, die sie regelmäßig ausführte, oder die Spielzeuge im Laden. Merle hätte die Vögel sicher schnell beruhigen können.

Lenni aber blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Erst nach zehn Minuten ließen sich die Paradiesvögel endlich auf ihren Bäumen nieder, und im Elfenwald kehrte wieder Ruhe ein. Lenni spielte derweil mit Sir Richard ein Sammelkartenspiel: Das Buch nannte ihm die Karten mit Drachen und Monstern, und Lenni legte sie aus.

»Oh Mann«, sagte er. »So ein magischer Spielzeugladen ist wirklich nicht ohne! Aber es macht auch total viel Spaß. Du bist dran.«

»Mein Grünauge schlägt deinen Zackenzahn, junger Lenni. Ich gewinne!«, erwiderte Sir Richard und lachte triumphierend. Auch Lenni musste sehr zufrieden grinsen.

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Kapitel 2
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Eine Weile sah sich Lenni im Spielzeugladen um. Sir Richard räusperte sich geräuschvoll. »Was ist eigentlich im Kaiserpalast los, junger Lenni?«, fragte er.

Lenni sah auf. Im Kaiserpalast, einem altertümlichen Puppenhaus, das fast bis zur Decke reichte, verwahrte Herr Wunder Schätze, die etwas aus der Zeit gefallen schienen. Die Blechfiguren im ersten Stockwerk fuhren herum, ratterten und klapperten. Aber erst jetzt bemerkte Lenni einige leblose Teddybären, die versteckt im Dachgeschoss saßen.

Lenni bekam einen Riesenschreck. Leblose Spielzeuge? Das kam ihm leider nur allzu bekannt vor. Um ein Haar wären vor einiger Zeit alle Spielzeuge im Laden eingeschlafen – für immer!

»Was ist da los, Sir Richard?«, fragte er besorgt. »Haben sie kein Pluspulver mehr?«

Sir Richard plusterte sich wichtigtuerisch auf. »Kein Pulver mehr«, fragte er gedehnt. »Oder noch nie welches gehabt?«

Lenni klatschte sich die flache Hand an die Stirn. »Sir Richard, du bist genial! Die Teddys sind neu im Laden!«

Lenni wusste genau, was er nun zu tun hatte. Vorsichtig öffnete er die dritte Schublade von rechts am Ladentisch. Einen Spaltbreit nur, das war genug.

Gleich darauf schwebten ein paar winzige glitzernde Staubkörnchen heraus. Wie wandernde Sterne am Nachthimmel flogen die Körnchen zum Kaiserpalast, immer eins zu jedem Teddybären. Dort landeten sie auf den Spielzeugen, funkelten noch einmal auf und verschwanden.

Lenni schloss rasch die Schublade. »Ein Korn pro Spielzeug genügt«, murmelte er vor sich hin. Das stand auf dem Glas, in dem Waldo Wunder Dr. Lysandra Puros Pluspulver aufbewahrte. Das Pulver war sehr wertvoll und schwer zu beschaffen. Vor einiger Zeit war Herr Wunder wochenlang fort gewesen, um neues zu besorgen. Währenddessen hatte Lenni sich um den Laden gekümmert und von den magischen Spielzeugen erfahren. Auch die Teddys hatte Waldo Wunder von seiner Reise mitgebracht. Bisher hatte niemand daran gedacht, sie lebendig zu machen.

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Lenni trat zum Kaiserpalast. Der erste Teddy zwinkerte mit den Augen, ein anderer bewegte seine großen Tatzen. Dann reckten und streckten sich alle, und ein dunkelbrauner Bär mit einer kahlen Stelle am Bauch brummte: »Honig! Ich mag Honig!«

»Oh, ja, und Lachs!«, rief ein anderer.

»Walderdbeeren!«

Die Teddys brummten durcheinander. Lenni hatte alle Hände voll damit zu tun, sie zu begrüßen, ihnen Essen aus dem Kaufmannsladen zu holen und zu erklären, wo sie hier gelandet waren. Er bekam gar nicht mit, dass sich die Tür zum Hausflur öffnete.

»Wie ich sehe, bist du schon fleißig, Lennart«, sagte Waldo Wunder und blinzelte Lenni hinter seinen Brillengläsern freundlich an. Der alte Herr mit den schneeweißen Haaren und den großen Eulenaugen trat näher an den Kaiserpalast heran. »Wunderbar, wunderbar. Wen haben wir denn da? Neue Teddys? Wo kommen Sie denn her, meine Herren?«

Lenni runzelte die Stirn. »Die haben Sie mitgebracht, Herr Wunder«, sagte er. »Von Ihrer Reise. Wissen Sie das nicht mehr? Wenn Sie mir Bescheid gesagt hätten, hätte ich sie längst lebendig gemacht.«

Waldo Wunder blinzelte wieder. »Ach, ich werde vergesslich! Und sonst, Lennart? Alles in Ordnung in meinem Laden?« Er klatschte in die Hände und sah sich um. »Ich sehe, dass es allen Spielzeugen ganz hervorragend geht. Hast du die Gelenke von Roboman geschmiert? Das Campfeuer der Indianer entzündet? Die Einhörner gebürstet? Ja? Wunderbar, wunderbar. Ich bin sehr zufrieden mit dir, Lennart. Dann ist es heute wohl Zeit für eine neue Lektion! Hast du schon einmal ein Geduldsspiel selber gebaut? Nein? Na, komm mit, ich zeige dir, wie man es macht.«

Natürlich hatte Lenni Lust, etwas zu bauen und endlich seine neuen Werkzeuge auszuprobieren! Er folgte Herrn Wunder in die Werkstatt hinter dem Laden. Der Spielzeugmacher zog seinen Arbeitskittel an und suchte Material zusammen.

Lenni öffnete derweil eine Holzkiste. Sie war alt und wurmzerfressen, nicht sehr groß, aber sehr schwer, und sie gehörte nur ihm. Darin bewahrte er alles auf, was er als Lehrling im Laden gebrauchen konnte: Werkzeuge, Puppenaugen, Plüschtierfellstücke, Stifte und altmodische Schreibfedern, Gebrauchsanleitungen und alte Bücher, einen Arbeitskittel, eine Lupe und sein eigenes Beutelchen Pluspulver.

Das Magischste an der Kiste war aber nicht ihr wunderbarer Inhalt, sondern ihr Eigenleben. Sie war einfach mit der Post an Lenni geschickt worden, ohne Erklärung, ohne Absender. Außerdem war sie ziemlich launisch und ließ sich nur öffnen, wenn man sie freundlich darum bat.

Unter Herrn Wunders Anleitung baute Lenni ein Geduldsspiel aus Holz. Es war nicht schwer. Nur als er die falsche Feile aus der Kiste nehmen wollte, schnappte sie mit dem Deckel nach seinen Fingern.

Als Lenni und Waldo Wunder ihre Arbeit in der Werkstatt beendet hatten und Lenni sich bei seiner Kiste bedankt hatte, war es schon nach ein Uhr. Er gähnte ausgiebig. Wie gut, dass Ferien waren, da konnte er wenigstens ausschlafen!

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»Müde, Lennart?«, fragte Herr Wunder. »Geh ruhig zu Bett. Ich will nur noch die nächste Bestellung vorbereiten, dann bin ich auch fertig.«

Lennis Augen leuchteten auf. »Eine Bestellung? Wie geht das denn? Wo bestellen Sie die Spielzeuge? Kann ich dabei helfen?«

Waldo Wunder schüttelte den Kopf. »Nein, nein, mein Freund, das lernst du später.«

»Ich würde aber …«

»Es ist ganz und gar uninteressant.«

»Bestimmt …«

»Los, los, ab ins Bett mit dir«, sagte Herr Wunder und schob Lenni zur Ladentür.

Im nächsten Moment fand sich Lenni ganz allein im dunklen Hausflur wieder. Merkwürdig. Warum sollte er nicht lernen, wie man Spielzeuge bestellte? Er durfte doch sonst auch alles im fantastischen Spielzeugladen alleine erledigen!

Ein Löwengähnen ließ Lenni erzittern. Darüber würde er sich wohl morgen Gedanken machen müssen. Für heute war er einfach zu müde.

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Kapitel 3
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Als Lenni schließlich erwachte, war es später Vormittag. Er frühstückte allein und schrieb seiner Mutter, die immer noch schlief, einen Zettel, dass er erst biken und dann in den Laden gehen wollte.

Neben dem Spielzeugladen war Biken mit seinem neongrünen Fahrrad Lennis liebstes Hobby. Mit Helm und fingerlosen Handschuhen ausgestattet sauste er die Pulvergasse hinab zum Fluss und in den Park zur Skateanlage. Seine Freunde Max und Luis waren schon da und übten ihre Tricks auf den Rampen. Lenni probierte seit Wochen den Hip Hop, einen Sprung mit dem Hinterrad. Leider war der höllisch schwer. Wenn er sein Rad doch nur lebendig machen könnte! Dann würde es den Sprung bestimmt von allein machen.

Um ehrlich zu sein, hatte Lenni genau das vor ein paar Tagen getan: Er hatte sein Bike mit Pluspulver aufgeweckt und war auf ihm durch den Spielzeugladen gehüpft wie auf einem verrückten Känguru. Aber wie alle anderen Spielsachen schlief es tagsüber und wurde nicht wach.

»Komm schon«, murmelte Lenni. »Wir schaffen das!« Wie besessen übte er den Sprung: Er beugte sich nach vorne und versuchte, das Hinterrad in die Luft zu bekommen, wieder und wieder. Als es endlich einmal klappte, geriet er vor Überraschung ins Wanken, einmal links, einmal rechts.