Konsumgenossenschaften der Bergleute aus dem Harz und dem Deister

Werner W. Engelhardt

Über eine frühe Harzer Konsumgenossenschaft und ihre Mitglieder unter den Bergleuten

Otto Hoffmann

Der Consumverein der Berg- und Hüttenleute e.G.m.b.H. zu Goslar

Wolfgang Schulz

Die Konsumgenossenschaft in Wennigsen

Das Beispiel eines ländlichen Haushaltsvereins

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Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Werner W. Engelhardt
  3. Über eine frühe Harzer Konsumgenossenschaft und ihre Mitglieder unter den Bergleuten
  4. Otto Hoffmann
  5. Der Consumverein der Berg- und Hüttenleute e.G.m.b.H. zu Goslar
  6. Wolfgang Schulz
  7. Die Konsumgenossenschaft in Wennigsen
  8. Das Beispiel eines ländlichen Haushaltsvereins

Vorwort

Die Heinrich Kaufmann Stiftung des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften e.V. und das Adolph von Elm Institut für Genossenschaftsgeschichte haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der Konsumgenossenschaften zu pflegen. Dabei geht es nicht um Nostalgie. Es ist noch Glut unter der Asche mancher längst aufgelöster Genossenschaft. Die Erinnerung an frühere Genossenschaften und an die Menschen, die sie mit großem Engagement, mit Liebe und manchmal mit Leidenschaft gegründet und vorangebracht haben, soll uns helfen, wieder Menschen zu motivieren, für das Genossenschaftswesen einzutreten. Es geht dabei um die wichtige Erfahrung, dass Genossenschaften nicht nur zum Geldverdienen und zur Warenversorgung da sind, sondern dass sie Menschen verbinden, dass sie Netzwerke schaffen, wie man heute sagt. Wenn oft der Verlust der heimatlichen Milieus beklagt wird, dann sollte man bedenken, dass solche Milieus nicht aus dem Nichts entstanden sind. Sie hatten ihre handfesten wirtschaftlichen Voraussetzungen. Im Konsumverein durfte früher nur einkaufen, wer Mitglied der Genossenschaft war. Also trafen sich in der Verteilungsstelle täglich die Mitglieder aus dem Quartier, die nicht nur Genossenschaftsmitglieder waren, sondern auch der Gewerkschaft, der sozialdemokratischen Partei oder der Kirche angehörten, und sie redeten nicht nur über Mehl- und Eierpreise.

Bei den Konsumvereinen sind oft aus kleinsten Anfängen beachtliche Unternehmen entstanden. Der Bedarf vieler Familien wurde gebündelt und ihre Spargroschen wurden zusammengelegt, so dass sie bald eigene Lastwagen, eigene Läger und Häuser hatten, die ihre Unternehmen krisenfest machten. Und es entstanden dabei Arbeitsplätze, die nicht zu den schlechtesten gehörten.

Sich mit der Geschichte der Konsumgenossenschaften zu beschäftigen heißt darum auch, Ideen aufzugreifen, die sich in der Vergangenheit als zweckmäßig erwiesen haben und die es heute auch unter veränderten Bedingungen wieder sein können.

Hamburg, Oktober 2009

Burchard Bösche

Über eine frühe Harzer Konsumgenossenschaft und ihre Mitglieder unter den Bergleuten

Von Prof. Werner W. Engelhardt

Zur Lebenslage der Bergleute im 19. Jahrhundert

Der in Neudorf im Ostharz1 lebende Heimatforscher Dieter Hahn ist Nachkomme eines Knappschaftsältesten der Neudorfer Erzgrube am Pfaffenberg, einer der größten und bedeutendsten im Unterharz, wo unter anderem Bleiglanz, das silberhaltige Galenit gewonnen wurde.2 Hahn ist im Besitz eines handschriftlichen „Reglements der Herzoglichen Anhaltinischen Bergwerkskommission“ vom 19. April 1848, die damals an seinen Vorfahren – den Oberschlämmer Karl Große – ging. Unter dem Eindruck der 1848er revolutionären Bewegung unter anderem in Berlin und im Mansfeldischen, die in Neudorf am 9.2.1848 zum Mord an zwei vorgesetzten Bergleuten - dem Geschworenen Hahn und dem Steiger Hahn - geführt hat, besserte sich die Situation der Bergarbeiter kurzzeitig. Sie blieb nach heutigen Maßstäben aber wirtschaftlich und sozial problematisch.

Aus dem Reglement sei bezogen auf die Situation der Bergleute in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im anhaltinisch verwalteten Unterharz hier zitiert3: Die Arbeitszeit einer Schicht „untertage“ beträgt normalerweise 8 Stunden, in gar nicht seltenen Ausnahmefällen aber 12 Stunden. Für alle Aufbereitungsarbeiten, beispielsweise an der Haspel – mit der das Erz aus dem Schacht nach oben gezogen wurde – sind 12 Stunden vorgesehen. Für Handwerksarbeiten waren 15 Stunden angesetzt. Grundsätzlich kann eine vierstündige Nebenschicht für einen halben Stundenlohn angeordnet werden.

Nach dem neuen Reglement darf man während der Arbeitszeit immerhin essen! Krankengeld gibt es jetzt nach der zweiten Schicht, vorher erst nach der dritten Schicht. Urlaubsgesuche werden nach „Grundsätzen der Billigkeit gewährt“, was immer dies im Einzelfalle bedeutet hat. Bei Grubenunfähigkeit wird die Rente von sechs auf zwölf Groschen erhöht. Die Lehrzeit beträgt sieben Jahre. Wer sich oberhalb der Grubeneinfahrt in den Tätigkeiten als Huftrecker, Wäscher, Vorschlämmer, Schlämmer, Setzer, Pucher und Oberschlämmer als geeignet zeigt, geht „untertage“. Ein Lehrhäuer erhält vier Groschen pro Schicht. Aber ein Pfund Brot kostet zwei Groschen.

Das „Strafreglement der Anhaltinischen Bergwerkskommission“ vom September 1848, das der Knappschaftsvorsteher zur Kenntnisnahme erhielt, sah vor: Ungehorsam und Ungebührlichkeiten gegen Vorgesetzte werden mit 12 - 24 Stunden Arrest geahndet; Trunkenheit in der Schicht mit dem halben Schichtlohn. Wer betrunken zum dritten Mal „erwischt“ wird, darf eine Woche nicht zur Arbeit kommen. Unreinlichkeiten auf Halden werden mit einem halben Schichtlohn geahndet. Auch für Zänkereien gab es Arrest. Rauchen beim Ein- und Ausfahren aus der Grube wird mit einem halben Schichtlohn bestraft.