Erich Tscherning

Als ich noch der kleine Fluribua war

Geschichten eines Waisenkindes vom Demmerkogel

Books on Demand

Inhaltsverzeichnis

Danke

Alle Personen, die namentlich in dem Buch vorkommen, waren oder sind ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Bei ihnen möchte ich mich bedanken, da sie mich mehr oder weniger auf meinem Lebensweg begleitet haben.

Besonderer Dank gilt meiner Mutter, von der ich, trotz ihrem frühen Tod, sehr viel gelernt habe. Vor allem ihre Fröhlichkeit, ihre Geduld und ihre Zuversicht in allen Lebenslagen, trotz Krankheit und Behinderung, haben mich geprägt.

Nach dem Tod meiner Eltern waren meine Geschwister meine Vorbilder. Vom Bruder konnte ich in technischer Hinsicht viel lernen, von meiner Schwester lernte ich Fröhlichkeit und Weltoffenheit in alle Richtungen.

Nicht zuletzt zeigten mir meine Verwandten, vor allem Familie Zagl, Tante Cilli und Tante Gretl, dass man sich auch als Kind ohne Eltern in einer Großfamilie geborgen fühlt.

Bedanken möchte ich mich aber auch vor allem bei meiner Christl, die mich immer wieder motivierte, das Buch zu Ende zu bringen, bei meiner Tante Cilli, die mir die Verse meiner Mutter aus der Kurrentschrift ins Lateinische übersetzte, bei Karin, Lisa und Marianne, die das Manuskript auf Fehler untersuchten.

Warum nur, warum?

Als ich meinen 50sten Geburtstag am Demmerkogel, genauer in Brudersegg in der Buschenschenke „Gerngroß“, feierte, wurden 50 Leute – Verwandte, Freunde und Kollegen - geladen. Alle kamen, und jeder von ihnen war ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Zur Begrüßung erzählte ich einige „Gschichterln“ aus meiner Kindheit, die so sehr ankamen, dass viele mich aufforderten, diese Anekdoten zu sammeln und aufzuschreiben.

Diese Erinnerungen wurden nun im Laufe von fünf Jahren aus meinem Gedächtnis an ganz unterschiedlichen Plätzen hervorgekramt, z.B. in Karpathos beim Surfen, auf Gran Canaria beim Biken oder am Gardasee. Meist entstanden die Geschichten an Tagen, wenn es keinen Wind zum Surfen gab oder eine Radtour nicht möglich war.

Als kleiner Bub vom Demmerkogel konnte ich mir nicht vorstellen, einmal ins Ausland zu reisen. Nun, als großer Bub, bin ich glücklich, auf meinen Reisen immer wieder nette Leute getroffen zu haben, die genauso ein Buch über ihre bewegte Vergangenheit schreiben könnten, z.B. Drazana aus Kroatien, die nach Österreich kam und kein Wort Deutsch verstand, Harry, der Tomatenmann auf Karpathos, Italgo aus Bolivien, Maria aus Albanien, Veronica aus Bulgarien oder meine Christl aus München. Ihre Lebensgeschichten wären sicher genauso interessant wie meine - vielleicht kann ich den einen oder die andere dazu motivieren, auch ihre Erinnerungen zu erzählen.

Ein weiterer Grund, Geschichten aus meiner Jugend aufzuschreiben, war der, dass bei mir 1999 ein NHL (Lymphknotenkrebs) diagnostiziert wurde. Während der sechs Wochen, die ich in der Klinik verbrachte, sah ich viele tapfere Kinder ohne Haare und mit Mundschutz. Da musste ich feststellen, dass ich eine sehr schöne, lustige und gesunde Kindheit verbracht und bereits viel von meinem Leben gehabt hatte. Vielleicht habe ich mein Leben nicht immer optimal genutzt - habe sicher manchmal für mich und andere die falsche Entscheidung getroffen oder meine Handlungen waren nicht immer Vorbild für Freunde und Kollegen.

Durch das Aufschreiben meiner Geschichten konnte ich nochmals unbeschwert meine Kindheit durchleben, was viele dieser kleinen KrebspatientenInnen leider nicht tun können.

Wenn ich jedoch einige Dinge nicht ganz richtig oder sogar falsch wiedergegeben habe, bitte ich, nicht allzu grob mit mir ins Gericht zu gehen, da alles aus meinen Erinnerungen stammt und diese natürlich auch meine Betrachtungsweise wiedergeben.

Auch wenn ich die eine oder andere Person zu kurz oder gar unrichtig beschrieben habe, darf man mir nicht böse sein, denn oft sind es gerade unwichtige Dinge, die mir als Kind besonders in Erinnerung geblieben sind.

Ich versuchte, die Erzählungen einigermaßen chronologisch zu ordnen, doch oft überschnitten sich Ereignisse und es mussten immer wieder Querverbindungen zu einer anderen Zeit hergestellt werden. Einzig die erste Geschichte tanzt ein wenig aus der Reihe, da sie, wie ich meine, besonders charakteristisch für meine Kindheit ist.

Das Buch erzählt von wahren Begebenheiten, die ich von meiner Geburt bis zum Alter von etwa 15 Jahren erlebte. Dann ging für mich die Zeit als „kleiner Fluribua“ zu Ende. Im Herbst 1969 wurde mein Wohnsitz nach Graz, ins Landesschülerheim 2 in der Herdergasse, verlegt.

Zur Erinnerung an meine Mutter möchte ich zwischendurch Gedichte und Verse, die ich in ihrem Nachlass gefunden habe - teils selbst geschrieben, teils gesammelt - einflechten.

Weihnachten ist ein schönes Fest

„Das Papier ist der Acker,
drum schreibe ich so wacker,
die Feder ist der Pflug,
drum schreibe ich so klug.“1

Meine Erstkommunion (1964)

Weihnachten 1966 waren für mich sehr schöne Weihnachten. Warum? Ich bekam ein Luftdruckgewehr geschenkt. Mit diesem so heiß begehrten Gewehr war ich endlich ein richtiger Cowboy oder später auch Indianer. Am Anfang hatten die Indianer ja, so wie ich, noch keine Gewehre, sondern nur Pfeil und Bogen.

Ich besuchte bereits die 2. Klasse der Hauptschule in Leibnitz und mein täglicher Schulweg führte mich in Leibnitz bei der Firma Kada, einem Geschäft für Werkzeuge, Geschirr, aber auch Waffen, vorbei. Solch ein Luftdruckgewehr stand „dummerweise“ in der Auslage, und mein Wunsch, ein Gewehr zu besitzen, wurde täglich größer. Am Anfang war es ein Luftdruckgewehr unter vielen, aber je öfter ich in die Auslage schaute, umso mehr sah ich darin mein Luftdruckgewehr. Es war das kleinste Gewehr, ein Vorderlader um ÖS 165,- (etwa 12€). Ganz wichtig war aber, dass das Gewehr gespannt wurde, in dem man es abknickte wie ein Repetiergewehr, wie ich es aus den Westernfilmen kannte. Nun hatte ich aber bei weitem keine 165 ÖS und umsonst bekommt man so eine schöne „Silberbüchse“ auch nicht. Gewehre hatte ich natürlich schon vor dieser Zeit, aber alle waren nur aus Holz geschnitzt, sahen zwar verblüffend echt aus, hatten aber leider keine Funktion. Auch Pistolen gab es zur Genüge, sogar welche, die mit Schwefelplättchen ein wenig Lärm machten. Mit so einem neuen Luftdruckgewehr wäre man für alle Eventualitäten beim Spielen mit Freunden gerüstet - nicht zu vergessen der Gewinn des Ansehens in der Gruppe. Im Laufe des Jahres wuchs in mir immer mehr der Entschluss, dass das Gewehr das ideale Weihnachtsgeschenk für mich wäre.

Wen konnte ich nun für meine Idee gewinnen? Wir drei Geschwister, Franzerl, Mitzerl und ich, wohnten bereits alleine am Demmerkogel, Höch 80. Vater (Tati) und Mutter (Mami) waren schon verstorben. Mir war sofort klar, dass da nur mein Bruder, zur damaligen Zeit etwa 19 Jahre alt, in Frage käme. Mit all meiner Überredungskunst gelang es mir, ihn von der Wichtigkeit meines Vorhabens zu überzeugen. Mit dem Moped, einer blauen Puch DS 50, die später in meinen Besitz überging, fuhren wir in der Winterskälte nach Leibnitz zum Einkaufen. Bei dem ersehnten Gewehr konnte man vorne ein kleines Röhrchen abschrauben, in das die sogenannten „Stamperln“ hineingedrückt wurden. Das geladene Rohr wurde wieder in den Lauf eingeschraubt, anschließend wurde das Gewehr repetiert und somit war es schussbereit. Nun war ich stolzer Besitzer, bzw. hatte eine Option, dass zu Weihnachten ein Gewehr für mich unter dem Christbaum liegen würde.

Und wirklich, als es schließlich nach schier unendlich langer Zeit doch Heiliger Abend wurde, lag für mich unter dem Christbaum mein Gewehr. Ich glaube, das war für lange Zeit das schönste Weihnachtsgeschenk für mich.

Nun aber begann erst die Erprobungsphase. Wo soll man im Winter, wenn es draußen eiskalt ist, schon schießen? Für die ersten Schießübungen boten sich hervorragend die Kugeln auf dem Christbaum an. Wegen Platzmangels war bei uns der Christbaum immer am Wipfel an der Decke, an einem dafür vorgesehenen Haken, befestigt. Leider gab es nicht allzu viele Kugeln und diese waren bald alle „erlegt“. Man hatte sofort eine Rückmeldung, ob der Schuss ein Treffer war oder nicht. Da der Christbaum über dem Bett hing, konnte man sich sogar noch abends über die eigene Treffsicherheit freuen, da die Splitter im ganzen Bett verteilt lagen. Interessanterweise kann ich mich nicht mehr erinnern, ob sich meine Geschwister über meine Treffsicherheit genauso freuten wie ich. Wahrscheinlich habe ich die Schimpferei ganz aus meinem Gedächtnis verdrängt. Zur Grundausstattung gehörte eine Schachtel mit 500 „Stamperln“. Diese waren aber bald verschossen. Daraufhin verwendete ich Fensterkitt, den ich von der Tischlerei Lang, unserem Nachbarn, erhielt. Das hatte den Vorteil, dass man schon einmal jemandem einen Schuss auf den Pelz knallen konnte. Es gab nur einen „Brenner“ und man wurde kaum verwundet. Ria, meine Schwester, hat heute noch drei Narben an ihren Unterarmen, die von meiner Ungeübtheit in der Verwendung des Schießeisens zeugen. Im Laufe der Zeit wurde ich im Umgang mit Kimme und Korn immer besser und schoss sogar bei Kerzen die Flammen aus. Gott sei Dank ist nie etwas Ernsthaftes passiert.

Irgendwann hat auch das Interesse nachgelassen und das Gewehr geriet in Vergessenheit.

1 Verse meiner Mutter

Meine frühe Kindheit

„Bei uns ist so der Brauch,
der mich liebt,
den lieb ich auch.“

Zagl-Mutter und ich (1957)

Mein Bruder, Franzerl (Franz) Tscherning, (*1947) und meine Schwester, Mitzerl (Maria) Tscherning, (*1948) waren schon eine Zeit lang vorhanden. Wahrscheinlich wünschten sie sich einen kleinen Bruder, den sie unterdrücken oder vielleicht auch verhätscheln konnten.

Meine Mutter, Maria Tscherning (*1922) war um 1952 schon sehr stark gehbehindert. Seit 1950 litt sie an multipler Sklerose (MS). Bereits 1951 musste sie sich beim Arbeiten am Feld an den Kühen festhalten, anstatt sie zu führen. Sie hatte immer wieder Schmerzen in den Beinen und im Rücken.

Mit ihrer Schwiegermutter, Maria Paulitsch (+1970), hatte sie anscheinend ein schlechtes Los gezogen, da diese ihr immer wieder zu verstehen gab, dass sie sich nur vor der Arbeit drücken wolle und ihr Sohn, mein Vater, Franz Tscherning (*1921) sich doch eine andere suchen solle, die mehr arbeiten könne.

„Mami“ lernte „Tati“ beim Gasthaus Strohmeier - später Schrotter - wo sie als Dienstmädchen arbeitete, kennen. Tati war praktisch der Nachbar vom Strohmeier, wo er öfters „dienstlich“ anzutreffen war.

Dies blieb nicht ohne Folgen und im Dezember 1946 wurde geheiratet. Mein Bruder Franzerl war schon immer etwas voreilig und erblickte am 15. 06. 1947 das Licht der Welt. Leider war die zuständige Hebamme in Mariazell und so musste bei der Hausgeburt die Frau Moserweizerl einspringen. Erst nach einigen Tagen wurden Mutter und Kind von der Hebamme, Frau Heinzl, weiter betreut.

Fast auf den Tag genau, aber ein Jahr später, am 17. 06. 1948, wurde meine Schwester Mitzerl geboren. Jetzt war Frau Heinzl als Hebamme zur Stelle. Tante Cilli (*1925), die Schwester meiner Mutter, war bei beiden Geschwistern Taufpatin.

Im Mai 1954 war plötzlich ich im „Anrollen“. Meine Mutter war bereits im Herbst 1953 schwer gehbehindert und es war gar nicht klar, ob ich überhaupt jemals das Licht der Welt erblicken könnte. Die Ärzte in Graz rieten ihr aber, das dritte Kind „auszutragen“. Man meinte sogar, dass sich die MS-Schübe durch die Geburt verlangsamen würden.

Und sie hatten wirklich Recht.

Wenn ich bloß nicht geboren worden wäre, hätte die Weltbevölkerung nur 2 715 696 000 statt 2 715 696 001 betragen. In Österreich wären statt 6 940 001 nur 6 940 000 Einwohner gewesen. Zwar fällt das im Gesamten kaum ins Gewicht, aber in der Gemeinde Höch wären es nur 810 statt 811 Personen gewesen; auch das wäre nicht so gravierend, aber die Familie Tscherning - manchmal auch durch Schreibfehler in Kirchen- und Standesämtern Tschernegg oder Tschernig geschrieben - würde nur aus vier Personen bestehen. Und das wäre glatt um 20% weniger als mit mir. Eine Familie mit 80% wäre einfach unvorstellbar, also musste ich mein letztes Fünftel dazu beitragen.

Am 08. 05. 1954 um 12:33 Uhr war es endlich so weit. Am Auenbruggerplatz 18 (LKH Graz) hörte man das Schreien eines neuen Erdenbürgers. Für mich war Graz schon damals der Grundstein, denn wer möchte schon, dass in der Geburtsurkunde Demmerkogel oder Höch als Geburtsort steht?

Nun war ich also endlich geboren – der Kalender konnte neu geschrieben werden. Für mich begann die Zeitrechnung bei Null. Ebenso wie für sechs Buben und fünf Mädchen, die genauso wie ich am 08. 05. 1954 in Graz geboren wurden.

Sogar in der Zeitung vom 08. 05. 1954 gab es einen kurzen Artikel „über mich“.

In der Kleinen Zeitung stand auf Seite 8

„Wenn ich da bin...

Ein Ungeborenes an seine Mutter

Meine liebe Mutti! Eigentlich wollte ich mich ja schon zu Weihnachten bei Dir anmelden, aber ich war damals noch gar zu klein und so musste ich noch still sein. Ich meinte auch, es würde Dich viel mehr freuen, wenn Du noch ein bisserl mehr Beziehung zu mir hättest. Sag Mutti, habe ich Dir eigentlich sehr viele Beschwerden gemacht? Sei mir bitte deshalb nicht bös! Und ich glaube, die Freude, die Du mit mir hast, überwiegt alles Unangenehme, überhaupt, wo Du so lange hast auf mich warten müssen. Weißt Du, Mutti, ein bisserl neugierig bin ich schon, wie es auf der Welt aussieht, wo es viel Freude, aber auch Kummer geben soll. Ganz besonders neugierig bin ich natürlich auf Dich und Papa. Nicht wahr Mutti, Du möchtest sicher gerne wissen, was ich bin, ein Bub oder ein Mäderl?“

Um 12:33 Uhr war es dann endlich soweit. Ich, ein Bub mit Namen Erich, war geboren! Yippie!

Was gab es außer meiner Geburt am Tag „Eins“ noch zu berichten?

Laut Kleine Zeitung gab es ein Adriatief, das kräftige Niederschläge in der ganzen Steiermark verursachte. In einzelnen Gebieten gab es starkes Hochwasser. Sogar bei der Grazer Frühjahrsmesse entstand durch das Hochwasser ein Gesamtschaden von mehr als 200.000 ÖS. „Der Sturm hat außerdem 200 Fahnen auf dem Gewissen und eine Unmenge von Fahnen- und Lichtmasten geknickt. Sogar das Dach der Halle I der Messe ist vom Unwetter nicht verschont geblieben“.

Sportlich, sportlich!

„Um 16:30 Uhr kommt das Spiel Sturm-Austria zur Austragung. Mittwoch und Donnerstag wurde unter der Leitung des früheren Spielers Gmeindl gewissenhaft trainiert.“

Da am nächsten Tag Muttertag gefeiert wurde, gab es vom Alpenlandkaufhaus „Kastner & Öhler“ ein unschlagbares Angebot für die Väter. Damen-Hemden in Seiden-Ripptrikot um 19,80 ÖS oder ein Seiden-Unterkleid in Charmeusetrikot mit Spitze um 25,20 ÖS.

Kinos gab es in Graz damals mehr als heute.

Annenhof: Blondinen bevorzugt mit Marylin Monroe, was ihr eine verheerende Kritik eintrug.
Orpheum: Tiefland mit Bernhard Minetti
Opern: So lange du da bist mit Maria Schell, O.W. Fischer und Hardy Krüger
Girardi: Quo vadis?
Union: Kopfjäger am Amazonas
Mur: Kolonne Süd
Ton: Die Schönste von Montana
Non Stop: Modeschau mit Eintrittskartenverlosung
Schubert: Toms Abenteuer nach Mark Twain
Ring: Der brennende Pfeil, 3D-Abenteuerfilm
Gösting: Die Söhne der drei Musketiere
Fröbel: Seesterne
Apollo: Das tanzende Herz mit Paul Hörbiger
Rechbauer: Königliche Hoheit mit Ruth Leuwerik
Westend: Anna, die büßende Sünderin
Kernstock: Schlagerparade
Liebenau: Keine Angst vor großen Tieren mit Heinz Rühmann

Zum damaligen Zeitpunkt konnte ich mit Kinos noch nichts anfangen, später sollten sie für mich aber noch eine große Bedeutung erlangen, aber davon mehr noch an anderer Stelle.

Nach meiner Geburt ging es gesundheitlich mit meiner Mutter wirklich bergauf. Sie konnte sogar wieder ohne Krücken gehen.

Nach Erzählungen haben sich alle über meine Ankunft zu Hause gefreut, besonders meine Geschwister Franzerl (sieben Jahre) und Mitzerl (sechs Jahre).

So lange Mami mich stillte, ging es auch mit ihrer Krankheit ganz gut. Nach dem Beenden der Stillperiode kamen wieder die alten Probleme. In meinen eigenen Erinnerungen sehe ich meine Mutter nur noch, wie sie sich mit zwei Krücken mühsam fortbewegt.

Die Erinnerungen an Tati sind praktisch gleich Null. Sie stützen sich nur auf Erzählungen meiner Geschwister und Verwandten.

Demzufolge verhätschelte er mich meistens. Oft ging er mit mir in den Kuhstall, der gleich neben dem Wohnhaus war, und setzte mich auf eine der Kühe. Tati konnte aber auch äußerst grob sein. Wenn er von einer „Dienstbesprechung“ vom Gasthaus Strohmeier nach Hause kam und ich in meinem Gitterbett weinte, wurde er sehr ungemütlich.

Tati war Zimmermann und hatte eine eigene Werkstätte, die an der Tenne, einem Heuschuppen unterhalb der Straße, angebaut war. Später, im Jahre 1966, wurde dieser Raum von mir in ein „Fitnesscenter“ umgebaut. An der Decke wurden Seile mit Ringen montiert und mit Hilfe von Ziegeln Hanteln hergestellt. Außerdem gab es jede Menge schwere Betonsteine, mit denen wir Kinder unsere Kräfte messen konnten.

Wir, das waren hauptsächlich Heinz Schuster (*1953), dessen Bruder Manfred Schuster (*1954) und der etwas jüngere Siegfried Lindner (*1957). Dieses Training war sicher der Grundstein für meine „sportliche Karriere“.

Nun aber zurück zu Vaters Werkstatt. An vielen Dachstühlen in Höch, aber auch an der zweiten Aussichtswarte am Demmerkogel, hat Tati Hand angelegt. Die meiste Zeit arbeitete er für die eigene Kasse. Heute würde man sagen, er war selbständig. Nur kurze Zeit war er bei der Firma Stock in Groß St. Florian beschäftigt, was sich später, nach Tatis Tod, als verheerender Fehler herausstellen sollte, da seine Versicherungszeiten für eine Witwenrente nicht ausreichten.

Meine Geschwister

„In einer guten Nacht
hat mir ein Engerl die Botschaft gebracht.
Ich dachte hin und dachte her,
was das für eine Botschaft wär.
Endlich, endlich fiel es mir ein,
dass heut dem Franzerl sein Namenstag
soll sein.“

Meine Geschwister

Franzerl (Franz) und Mitzerl (Maria), so wurden meine beiden Geschwister genannt, könnten fast, nicht nur im Sternbild, sondern auch im wirklichen Leben, Zwillinge sein, denn der Altersunterschied beträgt bis auf zwei Tage genau ein Jahr. Interessanterweise ist für mich der Franzerl immer der Franzerl geblieben. Auch als Erwachsener blieb ihm der Name Franzerl unter uns Geschwistern. Aus Mitzerl wurde hingegen Maria und aus Maria schließlich Ria.

Die beiden traten immer im Doppelpack auf. Sie gingen gemeinsam zur Schule, saßen meist in der gleichen Klasse und beendeten die Volksschule in Höch nur mit Einsern in den Zeugnissen.

Da sorgte ich im Zeugnis schon für mehr Abwechslung. Bereits im zweiten Halbjahr der 1. Schulstufe stand da schon ein „Befriedigend“.

Im Juli 1961 war es dann für Franzerl soweit, ins Berufsleben einzusteigen. Er erlernte bei der Firma Nebel in Wettmannstätten den Beruf des Landmaschinenmechanikers. Ich kann mich sogar noch an seinen ersten Lohnzettel, das war ein ganz schmaler Streifen, auf dem einige Zahlen standen, erinnern. Wichtig war die letzte Zahl am Schluss und wenn ich mich recht erinnere, stand da ein Wochenlohn von netto 56,- ÖS (ca. 4,- €). Franzerl war nun der erste Verdiener in unserem „Waisenhaus“. Aus mir nicht bekannten Gründen wohnte er aber in der Lehrzeit, jedenfalls die erste Zeit davon, wieder beim Zagl.

Im Juni 1965 wechselte er schließlich zur Firma