Beiträge zur sächsischen Militärgeschichte zwischen 1793 und 1813
sind bisher erschienen:
No. 1 |
Der Übergang der Sachsen am 18.10.1813 |
No. 2 |
Die Kriegsberichte des Infanterie-Regiments Churfürst 1806 |
No. 3 |
Die Heeresreform von 1810 |
No. 4 |
Das churfürstliche Werbemandat vom 21sten April 1792 |
No. 5 |
Das Artillerie-Trainbataillon 1810 – 1813 |
No. 6 |
Das Regiment Artillerie zu Fuß, die reitende Artillerie-Brigade und die Handwerker-Kompanie 1810 - 1813 |
No. 7 |
Die Regimentsartillerie in den Feldzügen von 1806 – 1812 (in Vorbereitung) |
No. 8 |
Die Geschichte der reitenden Artillerie 1810 - 1813 |
No. 9 |
Das Artilleriefuhrwesen 1806 – 1809 |
No.10 |
Das Feldartillerie-Korps 1806 – 1809 |
No.11 |
(in Vorbereitung) |
No.12 |
Die Geschichte der reitenden Artillerie 1802 – 1809 |
No.13 |
Das sächsische Ingenieur- und Pionierkorps 1810 – 1813 |
No.14 |
Die Belagerungs- und Defensionsartillerie 1806 – 1813 |
No.15 |
Das sächsische Ingenieur- und Pionierkorps 1806 – 1809 (in Vorbereitung) |
No.16 |
Der Generalstab und die Branchen der Intendanz 1810 – 1813 (in Vorbereitung) |
No.17 |
Unterricht für die Scharfschützen bey der Churfürstlich sächsischen Infanterie vom Jahre 1804 (Reglement) |
No.18 |
Reglement für die Königlich Sächsische leichte Infanterie zu den Uebungen außer der geschlossenen Ordnung vom Jahre 1810 |
No.19 |
1812 – Die Sachsen in Rußland / Der Feldzug in den Tagesbefehlen des Generalstabes und der Intendanz – Ein Beitrag zur inneren Truppengeschichte |
„...was seine Bravour vor dem Feind, als eine der vorzüglichsten Eigenschaften eines Militairs, anbetrifft, so steht er doch wahrlich keinem andern Soldaten, der hierin seine Schuldigkeit thut, nach; im Gegentheil, er giebt bei seiner gehörigen Diensterfüllung wohl den größten Beweis von Unerschrockenheit und Tapferkeit: denn während dem, daß jeder andere Soldat den Feind im Auge hat und bei der Gefahr, blessirt oder getödtet zu werden, auch wieder thätig bemüht ist, den Feind zu blessiren oder zu tödten, und in diesem Geschäft gar nicht zum Nachdenken, zur Ueberlegung kommen kann und schon aus bloßer Thätigkeit furchtlos erscheint, muß der Trainsoldat ganz ruhig und unbeschäftigt, und ganz außer Stand, den Feind persönlich anzugreifen oder sich gegen ihn zu vertheidigen, und alles dies noch dazu, mit dem Rücken nach dem Feind gekehrt, vor seinem Geschütz halten und nur immer erwarten wenn er von hinten durch eine Kugel verstümmelt oder getödtet wird. Gehört hierzu nicht noch mehr Bravour, als sich selbst mit dem Feinde im Handgemenge zu befinden?“
S. von Tennecker über den Train-Soldaten
Die nähere Beschäftigung mit dem sächsischen Train hat wieder einmal gezeigt, dass der Sachverhalt komplexer und daher weitaus differenzierter zu betrachten ist, als dies die Militärliteratur bisher getan hat.
Bei genügend gründlicher Suche ist eine weitaus breitere Quellenbasis vorhanden, als dies zu vermuten war. So geben die beiden Tennecker’schen Werke von 1811 (hier gilt mein Dank dem Legermuseum in Delft/Niederlande für die Bereitstellung einer Kopie) und 1826 einen aus erster Hand gegeben Einblick in das Innenleben des sächsischen Trains. Die Artillerieakten im Hauptstaatsarchiv in Dresden (hier kann ich mich für das unkomplizierte zur Verfügung stellen und Kopieren nur zum wiederholten Male bedanken) liefern mit den Ausrüstungsentwürfen und Monatslisten wertvolle Details.
Der Prozess, der zur Errichtung des sächsischen Trainbataillons führte – immerhin des ältesten Trainbataillons des deutschen Reichsheeres, dessen Errichtungstag sich in diesem Jahr zum 200. Male jährt – begann im Jahre 1805 mit der Bestellung des Leutnants von Tennecker zum Traindirektor. Als die Artillerie-Kommission des Jahres 1810 die Aufstellung eines stehenden Trains vorschlug, konnte sie auf die 5jährige Arbeit des Herrn v.Tennecker zurückgreifen, der aus einem „Haufen“ in den Mobilmachungen von 1805 und 1808 sowie den Feldzügen von 1806, 1807 und 1809 eine Truppe geformt und aus Fuhrleuten Soldaten gemacht hat. Den Train – besonders den der Artillerie – ab 1805 als zügellosen Haufen zu bezeichnen und ihm alle Exzesse der davor liegenden Jahre per se zu unterstellen, ist daher einfach falsch.
Die Abweichungen in den Forderungen der Artilleriekommission und dem tatsächlichen Friedensetat lag in dem enormen Kostenaufwand, den durchaus sinnvolle und wichtige Einrichtung nun mal verursachen. Ein Problem, mit dem sich noch heute unsere Truppen in Afghanistan herumschlagen müssen.
Dennoch konnten und können die Leistungen des Trains – auch hier wieder vornehmlich des Artillerietrains - nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn der heroisch beschriebene Kampf kann nur deshalb als heroisch beschrieben werden, weil der Train Geschütze und Munition zur rechten Zeit an die rechte Stelle brachte.
Die Vielzahl der verfügbaren Unterlagen macht eine Trennung in der Beschreibung von Artillerie1- und Armee2-Train, wenngleich unter einheitlicher Leitung stehend, notwendig.
Sprotta-Siedlung im Oktober 2010
Anmerkung zur Auflage von 2012
Aufgrund weiterer Erkenntnisse haben sich kleinere Änderungen als notwendig erwiesen, die speziell in die Abschnitte 2 und 3 eingearbeitet wurden.
Sprotta-Siedlung im Mai 2012
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1 Das Trainbatailon ist von seiner eigentlichen Bestimmung her als Artillerie-Train-Bataillon errichtet worden.
2 Heft 16 dieser Reihe.
Mit den AKO’s vom 05.03.1810 und 13.04.1810 wurde im Zuge der Reorganisation der sächsische Armee auch ein stehendes Train-Bataillon mit Wirkung vom 01.10.1810 in Stärke von 2 Offizieren, 37 Unteroffizieren incl. Fourier, 1 Handwerker und 288 Train-Soldaten mit 134 Pferden errichtet.
Kommandeur des Bataillons wurde der zum Capitain ernannte Leutnant von Tennecker3, der bereits seit 1805 beim mobilen Train der sächsischen Armee als Train-Direktor angestellt war.
Die Mannschaft wurde nicht mehr als „Stückknecht“ oder „Kommissariatsknecht“ sondern als Trainsoldat bezeichnet. Ebenso wurden die Unteroffiziere an Stelle der alten Bezeichnungen „Wagenmeister“ und „Schirrmeister“ nunmehr als Sergeant und Korporal betitelt.
Das Train-Bataillon war für die Bespannung der Artilleriefahrzeuge (Geschütze und Munitionswagen) vorgesehen und gehörte infolge dessen zum Artilleriekorps.
Die Formierung des Train-Bataillons fällt zusammen mit der Neuorganisation der Artillerie in 3 Fuß- und 1 reitende Brigade. Zur reitenden Brigade hatte das Bataillon beständig 2 Unteroffiziere, 13 Mann und 26 Pferde abzukommandieren. Da die 26 Pferde für die Bespannung der notwendigen Geschütze und Wagen für zwei Batterien nicht ausreichen, liegt die Vermutung nahe, dass mit diesen Pferden 3 Geschütze und 2 Munitionswagen für eine halbe Exerzierbatterie der reitenden Brigade bespannt wurden. Das ergibt auch insofern einen Sinn, als dass mit den verbleibenden 102 Zugpferden bei jeder der drei Fuß-Brigaden eine Exerzierbatterie von 6 Geschützen und 2 Wagen (oder 5 Geschütze und 3 Wagen) bespannt werden konnten.
Die Trainsoldaten verrichteten den Dienst von Artilleriefahrern und exerzierten mit dem bespannten Geschütz im Batterieverband. Die Trainoffiziere und -unteroffiziere wurden zur Beaufsichtigung der Trainsoldaten in die Batterien eingeteilt. Unteroffiziere wie Soldaten mussten daher das Exerzierreglement der Artillerie erlernen.
Unter dem Kommando der Artillerieoffiziere stand die Trainmannschaft jedoch erst, wenn sie in die Geschütze eingespannt hatte und die Batterie formiert war, wobei die Strafgewalt bei den Trainoffizieren und – unteroffizieren verblieb.
Diesem Verhältnis entsprechend wurde die Trainmannschaft auch getrennt von der Artillerie untergebracht4.
Von den 288 Trainsoldaten waren beständig 144 zu beurlauben5. Die Mannschaft wurde – um bei einer späteren Wiedereinberufung in jeder Abteilung der mobilen Artillerie Verwendung zu finden – zeitweise von der Fuß- zur reitenden Artillerie und umgekehrt versetzt.
Um die Kosten der Beschaffung und Unterhaltung des stehenden Trains teilweise zu decken, wurde derselbe außerhalb des Dienstes zu Militärfuhren aller Art verwendet, für die man sonst hätte Lohnfuhrwerke mieten müssen. So wurde durch den Train die Anfuhr des Materials für Militärbauten sowie aller Bedürfnisse für das Zeughaus, die Pulvermühle, das Laboratorium, die Kasernenverwaltung, die Magazine, das Kadettenhaus, die Strafanstalt und das Lazarett geleistet6. Dadurch ersparte der Fiskus zwar bedeutende Summen, entzog aber gleichzeitig den Trainsoldaten der militärischen Ausbildung, da die Fuhren häufig innerhalb des Dienstes stattfanden.
Für einen solchen zusätzlichen Fuhrdienst erhielt jeder Trainsoldat 2 – 4 Groschen täglich vergütet.7
Bei der Mobilmachung für den Feldzug von 1812 wurde bei dem geringen Friedensstand des Train-Bataillons der Mangel an Trainsoldaten durch eine starke Aushebung gedeckt und es wurden dem Fuhrwesen nur solche Leute überwiesen, die bereits mit Pferden umgegangen waren8.
Zur Führung der Kolonnen wurden außer den bereits vorhandenen 3 Lieutenants noch weitere 7 angestellt, welche größtenteils den älteren Unteroffizieren der Kavallerie und der Artillerie entnommen wurden.
Der Train wurde über die Strapazen9 der anderen Waffengattungen hinaus bei der Herbeischaffung der Verpflegung und Fourage für die Armee auf das stärkste in Anspruch genommen. Die Pferde starben infolge ungewohnter und ungenügender Nahrung sowie durch Krankheiten an manchen Tagen zu Hunderten. Requirierte Pferde der polnischen und russischen Landrasse, die klein und unansehnlich waren, mußten oft zu 10 oder 12 Stück zur Fortbringung des sonst mit 6 Pferden bespannten schweren Fuhrwerkes eingespannt werden.
Vom Land wurde zwar Ersatz an Pferden nachgeführt, dieser Ersatz kam aber meist in einem abgetriebenen und somit unbrauchbaren Zustand bei der Armee an. Zu den Verlusten an Mannschaft haben sich genaue Angaben in den Akten bisher nicht finden lassen.
Die Reste des Fuhrwesens gelangten mit der ins Land zurückkehrenden Armee im Februar 1813 nach Torgau. Hier wurde der Train aufgelöst, die Mannschaften entlassen und die Pferde in Hubertusburg versteigert.10
Fast unmittelbar darauf wurde mit der Neuformation des Armeefuhrwesens in Torgau begonnen. Sie konnte jedoch nicht beendet werden, da die russische Armee gegen Sachsen anrückte. Aus den bereits gestellten Pferden wurde der notwendigste Truppentrain entnommen und ein ca. 600 Pferde starkes Depot gebildet, welches unter dem Kommando des Major von Tennecker durch das Vogtland nach Regensburg marschierte. Nachdem das Depot mit einigen anderen noch in der Formierung begriffenen Einheiten danach noch kurze Zeit bei Prag gestanden hatte, kehrte es Anfang Mai 1813 nach Dresden zurück. Unmittelbar nach seiner Ankunft wurde das Artillerie- und Armee-Fuhrwesen neu formiert. Nach der Teilnahme an der Schlacht von Bautzen marschierte auch der Train in ein Lager bei Görlitz zurück, wo während des Waffenstillstandes eine Auffüllung stattfand.
Nach den verlustreichen Schlachten von Großbeeren, Dennewitz und Leipzig wurden die sächsischen Truppen zur Reorganisation nach Merseburg gesandt.
Der hierbei neu formierte Train hatte eine Gesamtstärke von 1.900 Mann mit 3.700 Pferden.
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3 Christian Ehrenfried Seifert von Tennecker, geb. 1770 in Braunsdorf bei Freiberg, 1792 Cornet, 1795 Sous-Lieutenant, 1810 Premier-Lieutenant, 1810 Capitän, 1812 Major.
4 Bis 1813 in der Stadt Dresden und in Friedrichstadt, ab 1813 in den Kommissariatsgebäuden der Zeughauskaserne.
5 Tenecker 1816 schreibt: „ Damit nun aber alle Mannschaften von dem Stamm des Artillerie- und Armee-Fuhrwesens gleichmäßig unterrichtet werden, so ist es nöthig, daß man alle halbe Jahre mit ihnen wechselt, diejenigen wieder beurlaubt, die so lange im Dienst waren, und an deren Stelle andere vom Urlaub einzieht und sie in Dienst oder vielmehr in Unterricht und Exerciz nimmt, wobei darauf zu sehen ist, daß kein Mann über ein ganzes Jahr auf Urlaub bleibt, wodurch ihm sonst aller eingelernte Dienst wider fremd werden würde, besonders wenn er während seiner Beurlaubung sich garnicht mit Pferden beschäftigt hätte. Alle zwei bis drei Monate mit den Mannschaften zu wechseln, ist.. .nicht rathsam...“.
6 Diese Einrichtung blieb bis 1869 bestehen.
7 Der Entzug vom Dienst wird von Siegel so gesehen. Tennecker betrachtet diese Fuhren durchaus als Unterricht im Fahren.
8 So zumindest die offizielle Verlautbarung. Der Pontonier-Pltn. Brück rapportiert an den kommandierenden General am 11.04.1812, dass: „...sichunter diesen Trainsoldaten, Schuster, Schneider, Schornsteinfeger, Leineweber pp. die von der Behandlung der Pferde und von dem Fuhrwesen nichts verstehen...“ befinden.
9 So ging mit der reitenden Batterie Hiller auch der zugehörige Artillerie-Train nebst Park und der zur Brigade Thielmann gehörende Equipagetrain verloren. Nur ein einziger Trainsoldat des ganzen Kommandos kehrte nach Sachsen zurück.
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