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Satz:

Florian Kronenberg

Fotos:

Arndt Erdnüß, Jonas Parnow, Max Haselmayer u.a.

Umschlag:

 

Entwurf:

Florian und Werner Kronenberg

Vorderseite:

Schminkutensilien (Foto: Parnow)

Rückseite:

Der letzte Vorhang (Foto: Erdnüß)

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2010
388 Seiten, 157 Fotos (50 farbig)
ISBN 978-3-8448-8122-6

Für meine Familie,
die wenigen echten alten und neuen Freunde und
die zahllosen jungen Begleiter,
die sich ein Stück mit auf den Weg gemacht haben...

“Et je ne voudrais pas mourir de vieillesse, mais de fatigue, d’épuisement.
Mourir d’avoir beaucoup fait. Bien fait.”

(Ariane Mnouchkine)

The function of man is to live, not to exist.
I shall not waste my days trying to prolong them.
I shall use my time.
(Jack London)

Ein Mann muss Laster haben, und zwar möglichst solche mit Niveau,
sonst kann er im Alter von nichts erlöst werden.

(Carlos Ruiz Zafón)

Je me considère comme un charlatan. Je construis mon monde avec le bagout :
rien de solide, seulement du carton-pâte et de l’illusion.
Ainsi je ne laisse aucun détritus. Mon art est biodégradable et
quand le rideau se baissera pour la derniére fois,
il ne restera que des souvenirs...

(Jérôme Savary)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort: Droge Theater oder legale Dealer in der Schule

1 Das wird (k)ein „Nach-Spiel“ haben

1.1 Ten years after: Was seither geschah...

1.2 Regiekonzept, Inszenierungsstil und Klinsmann-Effekt

1.3 Stückauswahl

1.4 Schultheater und Urheberrecht

1.5 Schultheater und Film

1.6 Wirklichkeit des (Schul)Theaters und Theatralisierung der (Schul)Wirklichkeit

2 Projektmanagement: Checkliste

3 Tabellarische Übersicht der Projekte 16-21

3.1 Projekte 16-18

3.2 Projekte 19-21

4 Projekt 16: Roger Vitrac, Victor oder Die Kinder an der Macht (2001)

4.1 Plakat

4.2 Werbetext

4.3 Besetzung

4.3.1 Darsteller

4.3.2 Produktion

4.4 Inszenierungsbericht

4.5 Schüler- und Lehrerbeiträge

4.6 Victor oder die Kinder an der Macht – ein (selbst)kritischer Rückblick

4.7 Pressespiegel

4.8 Fotoseiten

5 Projekt 17: Johann Wolfgang Goethe, Faust I (2003)

5.1 Plakat

5.2 Werbetext

5.3 Besetzung

5.3.1 Faust-Ensemble I: Darsteller

5.3.2 Faust-Ensemble II

5.3.3 Musik

5.3.4 Video-AG (Steuerung der Projektionen)

5.3.5 Produktion

5.4 Strich- und Spielfassung zum Faust-Projekt AMG 2003

5.5 Inszenierungsbericht: ... Faust – die Wette gilt!

5.6 Schüler- und Lehrerbeiträge

5.7 Kritische Bilanz

5.8 Zuschauerreaktionen

5.9 Pressespiegel

5.10 Fotoseiten

6 Projekt 18: „So ein Theater im Theater!“ – Walser meets Pirandello (2005)

6.1 Plakat

6.2 Werbetext

6.3 Besetzung

6.4 Dramaturgische Skizzen zum Pirandello/Walser-Projekt

6.5 Inszenierungsbericht

6.6 Schüler- und Lehrerbeiträge

6.7 Kritische Bilanz

6.8 Pressespiegel

6.9 Fotoseiten

7 Selbstironische Intermezzi: Bergische Weihnacht (2005/07)

7.1 Die Vorgeschichte: You shall never say never

7.2 „Ävver dä hät doch ja kinn Frau!“ – Von Dichtung und Wahrheit

7.3 Plakat und Werbetext

7.4 Besetzung und 2. Textfassung 2007

7.5 18.12.2005: Bethlehem is üvverall!

7.6 23.12.2007: Winterliche Reprise

7.7 Pressespiegel

8 Projekt 20: Antigone – Sophokles meets Anouilh (2006)

8.1 Plakat

8.2 Werbetext

8.3 Besetzung

8.4 Inszenierungsbericht

8.5 Schülerbeitrag: Warum eigentlich gegen den Strom und nicht mit ihm?

8.6 Kritische Bilanz

8.7 Pressespiegel

8.8 Fotoseiten

9 Projekt 21: Brecht/Weill: Die Dreigroschenoper (2008)

9.1 Plakat

9.2 Werbetext

9.3 Besetzung

9.4 Inszenierungsbericht

9.5 Kollegenbeitrag: Die Mutter aller Musicals

9.6 Kritische Bilanz

9.7 Pressespiegel

9.8 Fotoseiten

10 Do you remember? – Neue Geschichten hinter den Geschichten

10.1 Von Bensberg über Paris und Danzig nach Aachen und zurück oder Wenn einer eine Reise tut...

10.2 Das „Who-Syndrom“ oder der Theaterminator

10.3 “Herr, lass Hirn regnen” oder Dumm und Dreist gesellt sich gern

10.4 „Papi, bin ich so sexy genug?“ – von Peitschen und Eisenbetten, Latexkleidern und Silikonbrüsten

10.5 Der verlorene Faust oder Je öller, je döller

10.6 Der Schein bestimmt das Bewusstsein oder Wer ist hier eigentlich noch echt?

10.7 Mit Navi wär’ das nicht passiert oder Wieder kein Stop in Rothenburg ob der Tauber

10.8 Kinder auf der Bühne oder „Sind die in der 6d etwa alle so?“.

10.9 Flieg, Fuffie, flieg... oder Wer zuletzt lacht, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

10.10 „Das zieh’ ich nicht an!“ oder Ein Bild für die Götter

10.11 Simsalabim – weg sin se oder Öcher Printen sind die besten!

10.12 Der rote Stuhl für die Braut oder Verfremdung ist, wenn man trotzdem lacht

10.13 Am Ende doch ein Freudenhaus!

11 Abgeschminkt – Bilanz nach 25 Jahren Schultheater

12 Menschen, Zahlen, Sensationen – Statistischer Anhang

12.1 Projekte am Albertus-Magnus-Gymnasium, Bensberg (1991-2008)

12.2 Spielstätten

12.3 Liste der (live oder per Einspielung) benutzten Musiktitel (mit der jeweiligen Projektnummer)

12.4 Probenzeiten

12.5 Was vom Tage übrig blieb: Trophäen

Nachwort: Vielmehr als nur ein Hobby...!

Literaturverzeichnis

Danksagungen

Vorwort:
Droge Theater oder legale Dealer in der Schule Beobachtet, ausprobiert, verändert

Von Sebastian Werner

Es begann im Jahr 1997. Ich befand mich zusammen mit meiner Familie in der Aula der Schule, die ich nun seit einem guten Jahr besuchte. Das erste Mal ein Theaterstück sehen, ich war gespannt, obwohl ich überhaupt nicht wusste, was mich erwartete. Manche in meiner Familie waren zwar der Auffassung, dass ich mit meinen 11 Jahren noch viel zu jung für Wedekinds „Frühlings Erwachen“ war, doch schließlich siegte das Argument, dass meine Cousine doch bei diesem Projekt mitwirke und Kultur doch nie verkehrt sei. Das Licht wurde gedimmt, vor mir saß ein Mann, der unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Bei jedem Geräusch im Hintergrund drehte er sich um. Irgendwie merkte ich, dass er mehr sein musste als nur ein normaler Zuschauer. Doch spätestens seitdem mir das Lied „Help“ von den Beatles aus den Reihen des Chores entgegen geschrieen wurde, lag meine Konzentration an anderer Stelle. Ich war begeistert von dem überwältigenden Feuerwerk von Ausdruckskraft, welche mir entgegen strahlte. Ich saß auf den doch etwas unbequemen Stühlen der Aula und spürte in mir eine Begeisterung, die ich irgendwie überhaupt nicht richtig verstand. Wahrscheinlich genauso wenig wie die eigentliche Geschichte, die mir damals vorgespielt wurde. Doch was war diese Begeisterung, die ihren Höhepunkt während der Applausmusik von Rondo Veneziano erreichte? Es kann gut sein, dass ich bis heute noch nicht begriffen habe, warum ich diese Begeisterung in mir besitze. Ich weiß nur, dass ich sie seit diesem Zeitpunkt habe. Seit dem bin ich angefixt von der schillernden Droge Theater, von der ich wohl nie wieder loskommen kann. Doch wer war der Dealer? Wer hat es geschafft, mit einem großen Anteil, aus einem faulen Sack einen Menschen mit Entscheidungskraft und Zielen zu machen? Standing Ovations für das ganze Ensemble. Doch dann kam da noch einer die Treppe hinauf. Irgendwoher kannte ich ihn doch. Ach ja, der Mann vor mir. Im Licht sah ich, wie verschwitzt er war. Er musste wohl sehr gelitten haben. Aber dafür durfte er ja jetzt auch auf die Bühne. In der selben Nacht durchforschte ich das Jahrbuch und fand ihn schließlich. Werner Kronenberg. Im Programmheft stand vor diesem Namen Regie. Regie – ich hatte nur eine ungefähre Vorstellung von einem Regisseur, doch, dass er irgendwie wichtig ist, war mir bewusst. Ich war wohl ein sehr verrücktes Kind, vielleicht hat sich das auch noch nicht geändert. Also bequatschte ich meine Mutter solange, bis sie mich noch zu den weiteren Vorstellungen fuhr. Jedes Mal wieder das gleiche Gefühl. Auch in den nächsten Jahren, ob Marat/Sade, Sartre, Victor oder Faust, immer wieder tauchte das Unbeschreibliche auf. Mittlerweile war mir der ominöse Herr ein paar Mal auf dem Schulhof begegnet. Irgendwie identifizierte ich ihn mit meiner Begeisterung. Er war die personifizierte Begeisterung. Mein Traum war es seit 1997, selbst einmal dort im grellen Scheinwerferlicht zu stehen und eben diese 500 Leute zu begeistern, unter denen ich mich damals befand. Doch ich war ein schüchterner Junge ohne Selbstbewusstsein, der sich nicht getraut hat, als er endlich in der 9. Klasse war, die Tür der Aula zu öffnen, als wieder einmal das berühmte „erste Treffen“ der Theater-AG anstand. Dann bekam ich ihn auf einmal im Unterricht. Franz-bi, Geschichte und Politik auf französisch. Er schaffte es, im Klassenzimmer genauso zu begeistern wie auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Doch dann war es erst einmal vorbei. Eine Theaterpause schlich sich in die Annalen meiner Geschichte. Der kronenbergsche Unterricht war zu Ende und kein neues Stück in Sicht. Meine schulischen Leistungen fielen immer weiter in den Keller, natürlich nicht nur auf Grund des Theaters. Bis eines Tages der zweite Dealer am breiten Firmament des öden Schullebens auftauchte. Ich bekam das Fach Literatur. Mit dem Thema „Lust auf Lyrik“. „Bäh, ich hasse Lyrik“, dachte ich mir, doch ich konnte diesen Kurs nicht umgehen. Nun schon zum zweiten Mal in meiner Schullaufbahn schaffte es ein Mitglied des Lehrkörpers, zugegeben mit einem leicht bis mittelschwer hektischen Habitus, mich zu beeindrucken und zu verführen. Klitschko gewinnt die zweite Runde. Er, seine übermäßig kreativen Ideen und sein Perfektionismus haben mir Dinge gezeigt, die heute zu den wichtigsten meines Lebens zählen. Unser erstes Ziel war, die für uns wohl beste Lese-(Lyrik-)Nacht des AMG zu realisieren. Und ich kam, mit Hilfe von Lyrik, das erste Mal in Kontakt mit der Schauspielerei. Und es sollten noch einige andere Ziele folgen. Zusammen mit meinem Mitschüler Peter Faymonville haben wir es geschafft, unsere wohl erfolgreiche Multimedia-AG aufzubauen.

Bei „Walser meets Pirandello“ hielt ich mich dann noch im Hintergrund, doch nach dem stetigen Aufbau durch die zwei Dealer sollte bald mein großes Finale folgen. Natürlich sollte dies gewohnheitsgemäß am AMG das Abitur sein. Ich habe mir jedoch seit meiner Kindheit angewöhnt, andere Wege zu gehen als die Gewohnheit es vorschreibt und somit nur ein wackliges und eher schlechtes Abi hingelegt. Die Droge verschob also mein Finale um mindestens eineinhalb Jahre nach hinten. Mein Engagement in der Theater-AG beflügelte mich. Mit Hilfe von Klitschko und Kroni entwickelte ich mich zu einem tatkräftigen, gestalterischen Teil ihres Werkes. Ich durfte zum ersten Mal meine bisher erlernten Fähigkeiten einbringen. Dies führte schließlich zur unvergesslichen Erfüllung meines größten Traumes. Die Rollenvergabe Ende 2005 besiegelte amtlich die Wende vor dem Absturz. Ich wurde „Créon“ in Anouilhs Part des Antigone-Projekts. Natürlich wieder einmal Kronis ultimativ letztes Werk und auch ich sollte damit meine Karriere am AMG endgültig beenden. Auf jeden Fall nach dem Erlebnis des absolut größten Kicks. Es war, wie ich es mir seit 1997 vorgestellt hatte. Die Theaterzeit ist zwar zunächst sehr anstrengend, doch die Gefühle während der Applausmusik waren das größte Erlebnis meines noch jungen Lebens und ließen alle Anstrengung im endlosen Bewusstsein des Nichts verpuffen. Vielleicht habe ich hier die Gründe und Ziele der in der Historie vorgezeichneten Begeisterung gefunden.

Doch dann war er schließlich da, der Augenblick des Abschluss. Bye, bye AMG. Doch was war los, ich schaffte es nicht loszukommen. Auf einmal verstand ich Kroni und warum er die Kritik über seine Rücktrittsgerüchte immer so locker wegsteckte. Er, wie ich jetzt auch, kennen die Nebenwirkungen, die so eine Droge mit sich bringt. Ich schaffte es nicht, die Sucht zu besiegen. Da war ich wieder. Oft von vielen Augen der Schüler auf dem Schulhof und von den Lehrern im Lehrerzimmer verspottet. „Was macht der denn noch hier“ hörte ich aus allen Ecken. Doch sowohl Kroni als auch ich wussten und wissen genau, warum wir dies leicht ertragen und was für uns dabei herauskommt.

Diesmal war es Brecht mit seiner Dreigroschenoper. Nicht schlecht. Beschleichen doch Menschen in meinem Alter sehr oft die großen Ideale der Gerechtigkeit und der Moral. Endlich noch einmal spielen und seinen Traum wieder erfüllen. Das mitnehmen, was man für sein Leben braucht. So haben die Dealer es geschafft, mich zu verändern und meine anfänglichen Schwierigkeiten in die richtige Bahn zu lenken. Nun habe ich es endlich geschafft und kann mich erhobenen Hauptes vom AMG verabschieden, auch wenn es drei Jahre später geworden ist. Doch ohne diese Droge wäre ich heute nicht das, was ich bin.

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Werner Kronenberg (links), Jürgen Klisch (mitte) und Sebastian Werner (rechts).

Ich bin mir sicher, diesmal habe ich eine Therapie gefunden, die mich künftig vom AMG-Theater abhält, welche letztendlich durch es selbst entstanden ist: Die Verfolgung meiner Ziele und die Lust auf die große Reise durch die Welt und das Leben. Ich hoffe, Kroni hat so etwas ähnliches in petto.

Nachwort: Vielmehr als nur ein Hobby...!

Von Golriz Ranjbar

Theaterarbeit in der Schule ist etwas, auf das eine Schule nicht verzichten sollte. Die Erfahrungen, die sowohl Schüler als auch Lehrer während dieser Arbeit machen, werden in solcher Form nicht wieder im Leben erscheinen. Es ist etwas ganz Besonderes und es ist prägend. So mancher mag es unterbewerten und als Kinderspiel oder trivial betrachten, doch wer einmal einen Einblick in die Proben und hinter die Kulissen erhalten hat, wird seine Meinung um 180 Grad ändern. Denn die Arbeit, die hinter einem Theaterstück mit bis zu 50 oder manchmal sogar mehr Teilnehmern steht, ist alles andere als ein Kinderspiel. Ich bin der Meinung, dass Theaterarbeit in der Schule sogar unbedingt notwendig und sehr wichtig ist, denn in keiner anderen schulischen AG setzen sich Schüler und Lehrer so intensiv mit Kultur auseinander. Das Lesen, Kennenlernen, Analysieren und hautnahe Erleben eines Stückes/einer Inszenierung erweitert den kulturellen Horizont ungemein und es bleibt eine Menge hängen an geschichtlichem, kulturellem und allgemeinem Wissen, also genau das, was eine Schule u.a. ausmachen sollte. Zudem fördert das Mitwirken in einer Theater-AG nicht nur diejenigen, die vielleicht später beruflich in diese Richtung gehen wollen, in ihrer Entwicklung, sondern auch die Teamarbeit zwischen den Schülern. Darüber hinaus regt es die Phantasie an und es wirkt motivierend zu sehen, zu was man in der Lage ist.

Der Anspruch an ein Theaterstück ist allgemein immer hoch. Man erwartet, dass alles klappt, dass die Rollen textsicher und ausdrucksstark sind, dass es für jeden Akt eine besondere Kulisse gibt, dass ausgefallene und beeindruckende Kostüme zu sehen sind und dass es einfach gut ist. Diesen Anspruch hat nicht nur das Publikum an das Stück, sondern auch die Regisseure und das Ensemble an sich selbst. Bei Beginn der Arbeiten schwirren den Regisseuren Tausende von Ideen durch den Kopf, manche Szenen sind schon fertig konzipiert und bereit, angespielt zu werden. Doch in einer Schule ist es nicht so einfach, die ganzen Ansprüche zu erfüllen, denn es gibt sowohl räumliche, terminliche als auch finanzielle Aspekte, die zu beachten sind. Außerdem ist es nicht selbstverständlich gegeben, dass sich Schüler finden, die zum Theaterspielen geeignet und die gleichzeitig bereit sind, in ihrer Freizeit mehrmals die Woche zur Probe zu erscheinen. Da spielt natürlich der schulische Aspekt eine große Rolle; die schulischen Leistungen dürfen schließlich nicht zu kurz kommen.

Aufgrund dieser Aspekte haben viele Menschen keinen besonders großen Anspruch an ein Schultheaterstück und nehmen es nicht wirklich ernst. Umso schöner ist es, das Publikum und das Ensemble (und auch so manchen Lehrerkollegen) vom Gegenteil zu überzeugen. Dass man in einer Schule nicht die gleichen Möglichkeiten hat, wie in einem professionellen Theaterhaus, z.B. wechselnde Kostüme oder Kulissen, ist selbstverständlich, aber oft kommt es nicht auf Quantität, sondern auf Qualität an. Die Schüler/-innen, die sich bei der Theater-AG anmelden, haben Lust, etwas Neues zu erleben, auf der Bühne zu stehen, zu zeigen, was für Talente sie haben und einfach eine tolle Erfahrung zu machen. Mit diesem Interesse kann viel Positives für die Entwicklung im Spiel genutzt werden, wodurch die Schüler/-innen immer mehr an Ausdruck und Sicherheit gewinnen, da sie mit den Proben und der Unterstützung der Lehrer wachsen.

Die Lehrer, die sich der Aufgabe der Regie widmen, spielen eine sehr große Rolle in der Theater-AG. Sie sind die leitenden Köpfe des Ganzen und machen dieses Unternehmen erst möglich. Auf ihre Geduld, ihre Kreativität, ihr organisatorisches Geschick kommt es an und natürlich auf das Zusammenspiel mit den Schülern. Das Verhältnis muss stimmen, um ein gutes Stück zu inszenieren. Die Schüler müssen den Ideen und Forderungen der Lehrer vertrauen und sich bemühen, dem wiederum in sie gesetzten Vertrauen gerecht zu werden. Dieses Verhältnis aufzubauen und über den gesamten Probenzeitraum aufrechtzuerhalten, ist schwierig, aber ein Muss für ein stabiles Ensemble. Wenn Lehrer dann in dem Stück selber als Schauspieler mitwirken, fällt es manchen schwer, diese als dieselben Lehrer anzusehen, die sie aus dem Unterricht kennen, da sie zu "Schauspielkollegen" geworden sind und mit ihnen viel "private" Zeit bei den Proben und Aufführungen verbracht wird. Doch genau das ist sehr wichtig: sie bleiben Autoritätspersonen, die dadurch, dass sie eine andere Rolle spielen als ihre übliche Lehrerrolle, nicht weniger respektvoll behandelt werden dürfen. Ich habe bei den Proben und Aufführungen viele Lehrer näher kennen gelernt und diese gewisse Distanz, die man sonst als Schüler zu Lehrern hat, hat sich etwas verkleinert, was sie sympathischer und authentischer gemacht hat. Dadurch verloren sie nicht an Autorität, im Gegenteil, man lernt sie als Schüler mal anders kennen, wodurch Vorurteile und falsche Bilder abgebaut werden.

In den Proben trifft man oft auf seine Grenzen. Texte lernen, konzentriert und die gesamte Zeit in seiner Rolle sein, den Anweisungen der Regisseure folgen, nicht stören, indem man mit Freunden tuschelt und manchmal an einem einzigen Satz 5-10 Minuten lang herum experimentieren, weil die Betonung einfach nicht stimmt („die END-SIL-BEN BE-TO-NEN“). Jeder Satz ist von Bedeutung und darauf wird seitens der Regie viel Wert gelegt.

Ich habe durch solche Feinarbeiten gemerkt, wie viele Aussprachefehler sich in unserem Sprachgebrauch befinden und wie wenig wir darauf achten, klar und deutlich zu artikulieren. Diese Feinarbeiten an der Aussprache sind sehr hilfreich für den normalen Sprachgebrauch, sehr zur Freude vieler Lehrer und auch mancher Eltern.

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Aber auch das Spielen von Szenen mit „Fremden“, da die Mitspieler ja Schüler aus verschiedenen Stufen sind oder auch Lehrer, bringt neue Erfahrungen und auch neue Bekanntschaften. Ich habe durch die Proben gelernt, auf Kommando präsent und in meiner Rolle zu sein, ganz egal, ob es ein Unbekannter ist, mit dem ich spiele, oder jemand, den ich kenne. Diese Erfahrung bereichert die Persönlichkeit, denn man lernt, sich mehr zu öffnen und keine Scheu zu haben vor etwas Unbekanntem. Zudem merkt man, dass man mit dieser Person oder mit diesen Personen im selben Boot sitzt, da jeder auf der Bühne eine Rolle spielen, seinen Text lernen und konzentriert sein muss. Dadurch entwickelt sich während der Probenarbeiten ein erstes Ensemble-Empfinden, das sich von Probe zu Probe steigert und letztendlich in einem großen Zusammengehörigkeitsgefühl endet. Und was natürlich zu allen Proben gehört, ist Kritik von der Regie, denn jede Art von Feedback ist eine Motivation und Stärkung zur Entwicklung der Rolle.

Was mir immer viel bedeutet hat bei den Proben war, dass wir, also die Schüler/-innen, viel mitbestimmen konnten, wenn es z.B. um die Position von Gegenständen auf der Bühne oder um unsere Kostüme und manchmal auch, wenn es um die Betonung von Wörtern und Sätzen ging. Das hat unsere Kreativität sehr gefordert und uns das Gefühl gegeben, dass viel Wert auf unsere Meinung gelegt wird.

Wer bei mehreren Theaterprojekten am AMG mitgewirkt hat, wird an sich selbst eine Entwicklung bemerkt haben. Ich wurde von Projekt zu Projekt auf der Bühne sicherer und ausdrucksstärker. Wenn ich mich als trommelnder Kinderpunk vor fast 8 Jahren in der Inszenierung von „Victor“ über eine rebellische „Antigone“ zu einer besoffenen alten Mutter, Celia Peachum in der „Dreigroschenoper“ betrachte, sehe ich eine große Entwicklung, die mir neben Selbstbewusstsein und persönlichem Erfolg auch die Möglichkeit gegeben hat, durch die vielen gesammelten Erfahrungen an weiteren außerschulischen Projekten teilzunehmen. Ich wurde durch die Theaterprojekte mit „Kroni & Klischko“ reifer und entwickelte mich in vielerlei Hinsicht weiter. Ich gewann an Ausdruck, an Sicherheit auf der Bühne, an Selbstbewusstsein und ich fühlte mich gefördert in meinen Talenten und so geht es vielen Mitwirkenden der Theater-AG des AMG.

Diese Entwicklung habe ich persönlich v.a. Herr Kronenberg zu verdanken, mit dem ich während der vielen Projekte durch Dick und Dünn gegangen bin. Seien es fröhliche und sehr amüsante Momente, in denen man zusammen Latexkostüme einkaufen war oder ernste Augenblicke, in denen Unpünktlichkeit oder Unkonzentriertheit herrschte. Auch einen angeheiterten Kroni habe ich bei der Premierenfeier erlebt und einen Kroni, der schon alles hinschmeißen wollte, da einfach nichts funktionierte. Mal war er geduldig, lustig drauf und störte die Probe selbst, indem er mit Klisch oder Anderen heiter redete, mal war er ungeduldig und schlecht gelaunt, da er seit morgens um 7h00 bis zur Probe abends in der Schule war. In solchen Momenten war das einzige, was wir als Schauspieler machen konnten: „nicht diskutieren, spielen!“

Zu den vielen besonderen Momenten gehören natürlich die Aufführungen, die immer emotionsgeladen endeten und Kroni lief so manche Träne über das Gesicht. Auch die vielen Theaterbesuche in Köln und Umgebung zähle ich zu den besonderen Momenten und das große Theateressen nach jedem Projekt, zu dem alle Mitwirkenden, sowohl auf, als auch hinter der Bühne, geladen waren.

Kroni wusste immer, dass sich die ganze Mühe der 12-18 Monate Probenarbeiten auszahlen würde. Und das hat er uns stets vor Augen geführt und uns dadurch v.a. in harten Zeiten die nötige Energie gegeben. Auch durch sein Lob und seine Faszination für unsere Entwicklung wurden wir gestärkt.

Letztendlich ist er die Person, die mich stets unterstützt, an meine Fähigkeiten geglaubt und mich viele Dinge gelehrt hat. Er hat mich über die vielen Jahre gefördert und angespornt, aus dem was ich kann, etwas zu machen. Ohne ihn hätten ich und viele Andere unsere Leidenschaft zum Theater vielleicht nie entdeckt und wären nicht so weit gekommen.

Danke Kroni!

Literaturverzeichnis

Bezüglich aller grundsätzlichen Erwägungen verweise ich an dieser Stelle auf das Literaturverzeichnis im ersten Band meines „Krippenspiels“. Im folgenden finden nur neuere und jene ergänzende, aber ebenso wichtige Publikationen Erwähnung:

Ayckbourn, Alan : Theaterhandwerk. 101 selbstverständliche Regeln für das Schreiben und Inszenieren. Berlin 2006 (Originalausgabe: The Crafty Art of Playmaking, London 2002) [er muss es ja schließlich wissen]

Barbéry, Muriel : L’élégance du hérisson, Paris 2006

Bauer, Joachim: Lob der Schule – Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern, Hamburg 2007 [die notwendige Ergänzung zu Buebs: Lob der Disziplin]

Brighelli, Jean-Paul: La fabrique du crétin – La mort programmée de l’école, Paris 2005 [das mutigste pädagogische Buch seit 1968]

Brighelli, Jean-Paul : A bonne école, Paris 2006

Bueb, Bernhard: Lob der Disziplin – Eine Streitschrift, Berlin 2006 [Thesen, so alt wie Sokrates und so unentbehrlich wie die Zukunft]

Bueb, Bernhard: Von der Pflicht zu führen. Neun Gebote der Bildung, Berlin 2008 [eigentlich dasselbe in grün, nur von oben betrachtet]

Féral, Josette (Hg.) : Ariane Mnouchekine & le Théâtre du Soleil. Des traditions orientales à la modernité occidentale, Paris 2003

Grube, Thomas und Sanchez Lansch, Enrique: Rhythm is it! – You can change your life in a dance class, D 2004 [der ultimative Film für alle Beteiligten an jeder Form von Amateurtheater (und Pädagogik)]

Irving, John: Owen Meany, Zürich 1990 [die detaillierteste und drastischste Beschreibung eines Krippenspiels, die ich kenne]

Kronenberg, Werner: Nieder mit dem Krippenspiel – Schultheater im Spagat zwischen Kunst und Pädagogik, Norderstedt 2000

Kronenberg, Werner: So ein Theater im Theater! Amüsante, nachdenkliche und kritische Kurzgeschichten aus über 20 Jahren Schultheater – ein Hörbuch, 2 CDs, Lindlar 2006

McCourt, Frank: Tag und Nacht und auch im Sommer, München 2006 (Originalausgabe: Teacher Man, New York 2005)

Mnouchkine, Ariane : L’art du présent – Entretiens avec Fabienne Pascaud, Paris 2005

Perret, Pierre : Le café du Pont – Parfums d‘enfance, Paris 2005

Perrin, Francis : Molière chef de troupe, Paris 2007

Savary, Jérôme: Dictionnaire amoureux du spectacle, Paris 2004 [das tollste Buch über die Welt des Theaters überhaupt]

Danksagungen

Wie bereits beim ersten Band von Nieder mit dem Krippenspiel so hat auch diese Fortsetzung die Erinnerung an unerschütterliche Weggenossen, hochtalentierte Mitspieler und überaus großzügige Förderer wachgehalten, ohne die so ein Theater-Marathon von fast einem Vierteljahrhundert nicht zu realisieren wäre. Einerseits scheint die Liste der Erwähnenswerten ungeheurer lang, bei Lichte und über die Jahre betrachtet schält sich doch ein harter Kern derer heraus, denen wirklich mein aufrichtiger Dank gilt:

• meinem langjährigen Co-Regisseur, Weg- und Leidensgenossen und Freund Jürgen Klisch, der unter und mit mir sicher ebenso sehr gelitten wie von mir profitiert hat. Für mich war – neben seiner großen Kreativität – am wichtigsten, dass er mich stets hartnäckig an meine eigenen Prinzipien erinnert hat. Wir waren uns im Wesentlichen (und das heißt v.a. im Kampf gegen das Kripppenspiel!) von Anfang bis Ende unserer Zusammenarbeit einig. Das heißt schon was!

• meinem jahrzehntelangen Freund Ernst Wittwer, der immer ein gutes Maß und Auge hatte, nicht nur für die Essens- und Getränkemengen in seiner Theatergastronomie, sondern auch für das wirklich Machbare an unseren dramaturgischen Wolkenkuckucksheimen. Er bot immer konkrete Hilfe, wenn von anderen Rat-Schläge drohten.

• meinem treuen Theater-Fotografen und Freund Arndt Erdnüß, ohne den unsere Projekte und auch dieses Buch unbebildert geblieben wären und der mit mir manche Nacht bis zum Frühstück in der Schule ausgeharrt hat. Das vergisst man nicht mehr.

• meinem langjährigen Adlatus und Spätzünder Sebastian Werner, dem ich als eitler Autor von Kurzgeschichten, Regisseur und Produzent unendlich viel Kleinarbeit (v.a. im Multimedia-Bereich) verdanke, die ich nur durch die Förderung seines Selbstbewusstseins gutmachen konnte. Ich denke, wir sind quitt und haben beide enorm gewonnen.

Dr. Karl-Heinz Roider, der mir als Vorgesetzter nicht nur ein Jahrzehnt lang in den jeweiligen heißen Theaterphasen den Rücken von lästigen Aufgaben in der Schulverwaltung freigehalten, sondern auch als Schulleiter das AMG-Theater ohne jedes Wenn und Aber gegen kleinkarierte Anfeindungen, materielle Widrigkeiten und unvermeidliche Selbstzweifel verteidigt und großzügig moralisch wie administrativ unterstützt hat.

• unserem langjährigen Förderer Erhard Schüller (Fa. Neon Arens, Köln), dem wir nicht nur seit Faust I (2003) professionelle Dachwerbungen, sondern auch manche kostenlose Sonderanfertigung für das Bühnengeschehen verdanken, die in keinem Katalog der Welt zu finden sind. Seine Bescheidenheit war stets so beeindruckend wie seine Zuverlässigkeit. Un très grand merci!

• nicht zuletzt den herausragenden Schüler/innen und Kollegen/innen, ohne deren Talent, Zuverlässigkeit und Belastbarkeit die meisten Projekte doch im Sumpf des Krippenspiels stecken geblieben wären. Jede einzelne Erwähnung ist ungerecht und doch mehr als verdient. So denke ich besonders gerne und in Respekt und Dankbarkeit an Linda Gießmann, Rebecca Stahlhut, Carsten Oerder, Angelika Schulz, Aaron Bongers, Golriz Ranjbar, Isabel Ruetten, Geronimo Barde, Dominika De Silvio, Dorothee Hippel, Ursula Klein, Stephanie Grabs, Lisa Musculus, Simon Horvath, Boris Schneider, Daniel Pape, Linda Tönnes, die Abram-Brothers, Joel Weissenberger, Joanna Miranda, Johanna Frassek, Philipp Kressmann, Miriam Klein, Mathias Scheidhauer, Lena Schmidt, Karina Schmidt, Wilfried Ahrens, Svea Freudenstein, Frank Becker, Herbert Friedrich, Norbert Kemper, Christian Röttges und Joseph Rein. Chapeau bas!
Und noch ist die Liste der Ungenannten viel zu lang...

• meinem Sohn Florian Kronenberg, der erneut das Layout dieses Bandes besorgt hat und dabei die Erfahrung seines Studiums als Medieninformatiker einbringen konnte.

• meiner Frau Dorothee Kronenberg, zu der ich besser nichts mehr sage, außer: jeder ahnt, was sie (mit mir und durch mich) hinter sich hat. Ohne meine Theaterarbeit wäre ihr allerdings auch manche tolle Reise und mancher großartige Theaterabend versagt geblieben. Und ich wäre wohl auch nicht besser als ich halt bin...

1 Das wird (k)ein „Nach-Spiel“ haben

1.1 Ten years after: Was seither geschah...

Wo wird so viel gemischt, gezaubert, getrickst, geschoben, gekichert, gedonnert, gebogen, gelogen, verjüngt, vertauscht, verraten, verkauft, verramscht, verloren, verboten, verletzt, zerlesen, zerredet, zerfleddert, zermanscht, zersetzt, zersungen, zersprungen und zerlebt wie in Goethes Hexenküche und eben – im Schultheater?! Da braucht es ein gutes Rezeptbuch, damit die Mischung gerät und nicht fade, schnöde, geschmacklose Kost oder gar verdorbener Brei dabei herauskommt. Mein erster Versuch dazu liegt nun schon ein Jahrzehnt zurück. Nach weiteren 6 Großprojekten ist es an der Zeit, ihn zu überprüfen, zu ergänzen, vielleicht zu korrigieren und gleichzeitig Bilanz zu ziehen.

Die Buchveröffentlichung von „Nieder mit dem Krippenspiel!“ (Teil I, Bod, Norderstedt 2000) war ein echtes Abenteuer.

Nachdem zunächst – wie abzusehen und zu befürchten – kein Verlag das Manuskript (mangels zu erwartenden Absatzes) drucken wollte, bot sich unerwartet eine Publikationsmöglichkeit durch das elektronische Verfahren von Books on demand (www.bod.de) des LIBRI-Verlages in Norderstedt. Da ich zur ersten Generation der Autoren gehörte, die ihr Buch in diesem Verfahren publizierten, erfuhr ich die üblichen Widrigkeiten und Kinderkrankheiten der mittlerweile seriös und erfolgreich etablierten Publikationskette und konnte die ersten Exemplare stolz im März 2000 in Bensberg vorstellen.

Weitere Lesungen in Büchereien, Schulen und Wohnzimmern folgten. Wenn sich auch der kommerzielle Absatz in überschaubaren Grenzen hielt, so waren doch die öffentlichen Reaktionen bei Weggefährten, in Lehrerseminaren, einem – v.a. an den Kurzgeschichten – interessierten Publikum, der Presse, im Rundfunk (WDR 5, 04.12.2000, WDR 3, 04.04.03 und WDR 5, 12.01.06) und anderen Spielleitern zahl- und aufschlussreich. V.a. letztere zeigten mit zum Teil verschnupften Kommentaren, dass sie der „Krippenspiel-Vorwurf“ entweder persönlich oder zumindest grundsätzlich existentiell berührte und der im Buch aufgezeigte Graben mitten durch die Spielleiter-Szene wurde durchaus weiter vertieft. Ob das Buch andererseits auch lokal und überregional Veränderungen im Bewusstsein der Spielleiter und in der schulischen Inszenierungspraxis bewirken konnte, ist schwer einzuschätzen. Eigene Aufführungsbesuche in der Folgezeit lassen ebenso Schlimmes befürchten (OWI lebt!) wie Positives hoffen. Am schlimmsten sind dabei die allseits beliebten und meist unkritisch umjubelten Musicals, bei denen in den seltensten Fällen die musikalische und die spielerische Komponente gleichzeitig gelungen sind und stimmig ineinander greifen. Aber es gibt auch großartige Inszenierungen, bei denen einfach alles stimmt. Nur leider zu selten...

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Auch trägt die Lokalpresse wenig zur Hebung von Professionalität und spielerischem Niveau bei, indem sie aus falschem Taktgefühl heraus oft undifferenziert grottenschlechte Krippenspiele1 wie Spitzenprojekte gleichermaßen lobt („Schüler präsentierten beeindruckend...“) und damit den Theatermachern keine Chance realistischer Selbsteinschätzung lässt. Denn wer liest nicht gern die Lobeshymnen, anstatt eigene Unzulänglichkeiten zu erkennen und an ihnen zu arbeiten und zu wachsen (oder auch die Finger von dem Geschäft zu lassen!). Man muss die Pfuscher ja nicht öffentlich hinrichten, aber dann soll man sie wenigstens nicht auch noch loben (das tun sie meist selber!). Das ist man dem Theater, den Zuschauern und nicht zuletzt den Schülern schuldig.

Seither sind 10 Jahre und weitere 6 Großprojekte ins Land gegangen.

Was habe ich selber an den früheren Ausführungen zum Schultheater zu revidieren, korrigieren oder gar zu widerrufen? Wenig, auch wenn dies prätentiös erscheinen mag.

Mein Co-Regisseur im Faust, in Walser meets Pirandello, der doppelten Antigone und der Dreigroschenoper, Jürgen Klisch, hat mir die Kernthesen und viele Details meines Nieder mit dem Krippenspiel immer wieder unter die Nase gerieben, wenn ich in der Hektik des Inszenierungsgeschäftes geneigt war, selbst davon abzuweichen, manches nicht (mehr) so eng zu sehen oder einfach etwas zu übersehen und zu vergessen. Es hat sich in der – eigenen – Praxis als Handbuch ausgesprochen bewährt, wenn auch Ergänzungen angebracht sind.

1.2 Regiekonzept, Inszenierungsstil und Klinsmann-Effekt: „Die Schule ist kein Spaßbad!“

Grundsätzlich gilt mein dramaturgisches Credo unverändert: die ergebnisorientierte Pädagogik der Anstrengung und des Erfolges und die Dialektik von Freiheit und Unterwerfung. Daran ändern auch einige bitterböse Kommentare, Briefe oder E-mails als Reaktionen auf mein erstes Buch nichts. Im Gegenteil. Denn entweder entstammten sie jugendlicher Blauäugigkeit (so im Falle von Referendaren: „Und was machen sie mit den Unbegabten?“ – Gegenfrage: „Was macht der FC mit den Einbeinigen?“) oder gekränkter Eitelkeit. Was zählt, sind aber nur die sicht-, hör-, riech- und erlebbaren Ergebnisse auf der Bühne. „Entscheidend is uff’m Platz!“

Diese aber können nur wirklich gelingen und sind bedenkenlos vorzeigbar, wenn nicht nur die künstlerische Konzeption und Gestaltung überzeugen, sondern auch das Ensemble geschlossen bereit und ausreichend belastbar ist, um nach der anfänglichen Euphorie am Start über die Klippen der Besetzung durch die Wüste trockener Probenarbeit und das Tal der Tränen mit den Ängsten des Scheiterns schließlich den Gipfel einer gelungenen Aufführungssession zu erreichen. „Die Schule ist kein Spaßbad“ (so der Titel eines aufschlussreichen Artikels von Bernhard Bueb in der FAZ vom 24.02.2005). Das (Schul)Theater ist dies noch viel weniger. Mit Bueb postuliere ich erneut und weiterhin auch und gerade für die Theaterarbeit mit Jugendlichen den Primat der Unterwerfung unter selbstgestellte und freiwillig akzeptierte Regeln. „Disziplin, Verzicht, Arbeitsethos und die Fähigkeit zu rationaler Lebensführung sind in unserer Kultur die Voraussetzungen für die Erfahrungen von Glück und Freiheit. Denn es ist in unserer abendländischen Kultur so, dass Glück besonders befreiend erlebt wird, wenn es einer Anstrengung folgt.“ (ibid.) Der Weg ist eben nicht das Ziel und wer Publikumsmassen zu Begeisterungsstürmen über eine Schulaufführung von Faust I oder der Dreigroschenoper hinreißen will, tut gut daran, sich und allen Beteiligten rechtzeitig zu verdeutlichen, welche entbehrungsreiche Zeit vor ihnen liegt. Es darf zu Beginn jeder Theaterreise kein Missverständnis über den Charakter der Fahrt und die Rollenverteilung geben: „Le théâtre, c’est un bateau, et un acteur n’est pas un passager sur ce bateau. Il fait partie de l’équipage. Les passagers, ce sont les spectateurs!“2 Natürlich funktioniert dies nur, das lehrt ganz banal die Jahrtausende alte Geschichte der Pädagogik, über das persönliche Beispiel des/der Spielleiter/s: „Sich selber nicht erlauben, was man dem anderen nicht zugestehen will, von anderen nichts fordern, was man nicht selber zu leisten bereit ist.“ (I. Kant). Haben wir endlich den Mut, uns offen zu einer Kultur der Anstrengung zu bekennen. Dann darf man allen mit Recht die zu erwartende Belohnung in Form von Glücksmomenten („indescriptibles et inoubliables3)versprechen, wie sie die Schule sonst in der Regel nicht zu liefern vermag. „Das Glück, das einer schöpferischen Anstrengung folgt, ist von größerer Dauer, als das passiv erlebte Glück, es hinterlässt kein schales Gefühl, wenn es endet, es findet Anerkennung bei den Mitmenschen, erregt also weniger Neid, und es ist wiederholbar, ohne sich abzunutzen.“ (Bueb, ibid.) Gerade die Erinnerungen von Ehemaligen bestätigen dies immer wieder nach Jahren und Jahrzehnten. Man muss also wahrlich nicht den plumpen Hinweis auf den Missbrauch dieser Prinzipien und Methoden in der NS-Vergangenheit fürchten.4 Der Zweck heiligt eben manchmal doch die Mittel! Werinden Theaterhimmel schauen will, muss erst den Gipfel erklimmen und „nur die Harten komm’ in’ Garten!“

Das Ziel emanzipatorischer Persönlichkeitsbildung ist in der Theaterarbeit so evident und erhaben, wie die Methoden hart sind: „Die Akzeptanz von Disziplin in einer Bildungseinrichtung ist darum oft ein Gradmesser für die Exzellenz ihrer Adepten.“ (Bueb, ibid.) Dabei schließen das von Bueb geforderte Postulat der Disziplin und die neurobiologisch fundierte Analyse von Lernen und Schul(miss)erfolg in einem „interaktiven und dialogischen Beziehungsgeschehen“5 keinesfalls einander aus.

Eindrucksvoll und prominent bestätigt fühle ich mich in dieser Grundhaltung durch das Tanzprojekt, das Sir Simon Rattle und der englische Choreograph Royston Maldoom 2002 mit den Berliner Philharmonikern und 250 Berliner Kindern und Jugendlichen aus allen sozialen Schichten und vielen Nationen zu Strawinskys „Le sacre du printemps“realisiert haben.6 Sie berichten exakt von denselben Schwierigkeiten, Widerständen und Hürden wie den unabdingbaren Voraussetzungen zur Entdeckung des eigenen Potentials und der Besteigung des Olymps: Disziplin und Vertrauen, Engagement und Leidensfähigkeit, Begeisterung und Selbstverzicht. Ohne das gibt es keine Gipfeleuphorie! Dieser seit Sommer 2006 als „Klinsmann-Effekt“ wahrgenommene Ansatz ist weder sadistisch noch masochistisch: er lebt von der Dialektik von Disziplin und Euphorie, Bescheidenheit und (Über)Mut, „Gras-fressen-wollen“ und Höhenflug. Nur so wird ein lahmer Esel zum Schmetterling. Einfach wunderbar!

Dass diese Grundüberzeugung aber auch in einem Regie-Duo zu verwirklichen ist (siehe Inszenierungsbericht zu Faust I, 2003) habe ich mittlerweile mehrfach erfahren (so auch in Walser meets Pirandello 2005, der doppelten Antigone 2006 und der Dreigroschenoper 2008). Wenn ein Projekt den Spielleiter an seine kreativen, seelischen, psychischen und physischen Grenzen führt, tut er gut daran, den Synergieeffekten gemeinsamer Arbeit zu vertrauen. Die unvermeidlichen Reibungsverluste („Warum tu ich mir das an?“) werden durch unschätzbare Vorteile aufgewogen, wenn die gemeinsame (künstlerische und pädagogische) Grundkonzeption trägt und Kompetenzabsprachen und Arbeitsteilung funktionieren. Dann erkennen die zu führenden Ensembles auch trotz individueller Präferenzen für einen der beiden Spielleiter den spezifischen Mehrwert, d.h. den komplementären Charakter gemeinsamer Führung.

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Unantastbar aber ist der Primat der Regie über weitere „Abteilungsleiter“ im Team wie Musik und Kunst und Technik. Selbst im Musiktheater à la Brechts/Weills Dreigroschenoper entscheidet die Regie letztlich über die Charaktere auch bezüglich ihres musikalischen Ausdrucks. Und wenn ein Künstler inkompatible Vorstellungen vom Bühnenbild hat, dann muss man sich eben trennen. Sonst zeitigen Kompromisse tödliche Wirkung. Die Art der Arbeitsteilung wird ansonsten sicher unterschiedlich ausfallen, z.B. durch den Schwerpunkt eines Spielleiters in der sprachlichen Profilierung der Mitspieler neben der stärker auf die spielerische Ausbildung ausgerichteten Akzentuierung des anderen. Jeder darf zu Beginn gemeinsamer Regiearbeit auch einfach drauflos phantasieren. „Es darf keine Denkverbote geben!“ beteuert mein Co-Regisseur immer wieder. Stimmt. Aber jedes Wolkenkuckucksheim bedarf ebenso sehr der praktischen Korrektur hinsichtlich seiner Realisierbarkeit. Dafür braucht man in der Regel einen nüchternen Partner. Früher war das immer meine Frau, aber leider erst nach der Premiere. Nachdem wir (Klitschko &Kroni) unsere Hörner – nicht ohne Verluste und Verwundungen – in zwei Projekten aneinander abgestoßen hatten, kam es beim Antigone-Projekt 2006 und der Dreigroschenoper 2008 zu einem überaus konstruktiven und kreativen Dialog innerhalb der Regie, der erst die allseits bestaunte Geschlossenheit und Stimmigkeit beider Megaprojekte in Inszenierung, Bühnenbild und Spielmaterialien möglich gemacht hat. Auch gute Partnerschaften müssen eben verdammt hart erarbeitet werden, bevor sie ungewöhnliche Früchte hervorbringen.

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Und professionelle Organisation und Logistik (vom Probenplan bis zum Theateressen) sind die unabdingbaren Voraussetzungen jeder künstlerischen Arbeit (vgl. dazu die Checkliste in Kap. 2). Wer dies unterschätzt, bleibt immer zweiter Sieger und wer dies nicht beherrscht, ist eigentlich nur zu bedauern: er/sie rackert für die Katz...

Was zählt, ist letztlich nur das (immer überdurchschnittlich gewollte) Gesamtergebnis. Dann kann man getrost auch den Applaus teilen!

Ein Wort noch zu meinen Vorbildern. Natürlich sind es bezüglich des Schultheaters im Wesentlichen nicht Pädagogen, sondern Regisseure im Sinne echter Spielleiter. Es wird nicht überraschen, dass mein ganz persönliches Quartett der Romania entstammt, auch wenn Sie Welten in Theorie und Praxis der Theaterarbeit trennen:

Jean Baptiste Poquelin, dit Molière, der viel zu sehr als Säulenheiliger der französischen Literaturgeschichte und Lieferant klassischer Komödien für regiewütige Zeitgenossen und zuwenig als „chef de troupe“, als Spielleiter bekannt ist, der sich um „jeden Scheiß“ kümmern musste, um eine Gruppe von 12–15 Leuten nicht nur am Spielen, sondern auch am Leben zu halten7.

Maurice Béjard, der Altmeister des europäischen Tanztheaters, dessen getanzte Bilder (v.a.1789 et nous) mich gelehrt haben, dass Theatergeschichten immer und zuerst Bilderbüchern entspringen müssen.

Jérôme Savary, der wunderbare Schaumschläger des Grand Magic Circus meiner frühen Berufsjahre, der Scharen von mehr oder weniger echten Jungfrauen aus den Reihen meiner Schülerinnen um den Kölner Dom herum einem teuflisch echt gespielten Hunnenkönig in die Arme trieb und mir zeigte, dass Theater keine niedlichen Guckkastenbühnen braucht. Seine über 200 Inszenierungen sprengen sprichwörtlich jeden Rahmen.8

Ariane Mnouchkine, die große Dame der Pariser Cartoucherie, die mit ihrem Théâtre du Soleil seit über 40 Jahren nicht nur dramaturgische Maßstäbe gesetzt hat (auch wenn ich ihren Regiestil der création collective nicht wirklich teile), sondern die mir immer wieder imponiert, wenn sie jeden Abend am Eingang ihres wunderbaren Theaters im Bois de Vincennes die Zuschauer begrüßt, eigenhändig die Karten abreißt und sich bis zum Schlussapplaus um alle Details des Ablaufes eines Theaterabends von der Essenausgabe über die Belüftung bis zum Klopapier unauffällig selber kümmert und im Halbdunkel auch noch das Spiel auf der Bühne überwacht.9 Sie hat mir gezeigt, was Respekt vor dem Zuschauer und Theater als Gesamtkunstwerk schon vor der Eingangstür bedeuten.

1.3 Stückauswahl

In Krippenspiel I hatte ich ausdrücklich vor den großen Klassikern der Bühnenliteratur gewarnt. Nach meinen Erfahrungen mit Brechts Heiliger Johanna (Köln 1990), Goethes Faust I (Bensberg 2003), der Antigone des Sophokles (Bensberg 2006) und Brechts Dreigroschenoper (Bensberg 2008) habe ich auch diese Furcht (nicht zu verwechseln mit riesengroßem Respekt) verloren. Denn einer, der es wissen müsste, hatte schon geraten: „Wenn Sie sich einen großen Namen als Regisseur machen wollen, dann nehmen Sie nie neue Stücke an. Halten Sie sich an die Klassiker.“ 10 Entscheidend ist und bleibt eine spezifische Perspektive des Regisseurs, ein Leitfaden von Sichtweisen und Intentionen, der mit dem Verstehenshorizont der jugendlichen Mitspieler verknüpfbar sein muss. Dann ist fast alles möglich, es sei denn, eine der beiden genannten Bedingungen fehlt – wie meines Erachtens in Faust II: dann lässt man es eben...

Hier ist nicht der Ort, darüber zu philosophieren, wer ein Stück vorzuschlagen und auszuwählen hat. Ob der Vorschlag vom Spielleiter oder einem Mitspieler stammt, ist letztlich unerheblich, Hauptsache, dass der Virus schließlich das Ensemble ergreift und dieses das Stück adoptiert. In der Regel habe ich die Stücke bereits ausgewählt, bevor überhaupt ein Ensemble existierte. Oft war ich jahrelang mit ihm schwanger gegangen, bis es endlich reif war, bisweilen kam der Vorschlag aus den Reihen der Mitspieler des vorausgehenden Projektes. Entsprechend meinem dramaturgischen Credo (vgl. 1.2.) halte ich nichts von unendlichen Diskussionen in Frauen- oder Männergruppen (geschweige denn in gemischten), bis nach monatelangem Suchen, nicht kürzerer Nabelschau und Austausch von Befindlichkeiten ein Stück gefunden ist, das doch kaum mehrheitsfähig erscheint. Theaterarbeit ist ein kontinuierlicher, jahre-, wenn nicht lebenslanger Prozess, bei dem meist anders als in der Bibel gilt: Wer nicht suchet, findet trotzdem. Manche Stücke müssen im Spielleiter reifen, meist aber der Spielleiter für die Stücke und oft ist auch das Publikum noch nicht bereit für diese oder jene Thematik. Sich ausschließlich an einem hypothetischen Publikumsgeschmack zu orientieren, halte ich indes für fatal. „Die eine Eigenschaft, die ein Regisseur von Anfang an haben und die er sich bis zum Ende bewahren muss, ist Zutrauen, eine unbeirrbare Gewissheit, was die Qualität des Stückes angeht“11.

Natürlich gelten im Schülertheater v.a. ökonomisch andere Regeln als bei den Profis. Gott sei dank sind wir nicht den Gesetzen von Rentabilität und Auslastungsquoten unterworfen, müssen unser Fähnchen nicht nach den zweifelhaften Kompetenzen von Lokalpolitikern oder Fördervereins-Vorsitzenden hängen. Der schöpferische Geist weht, wohin er will, aber das heißt auch wiederum nicht in beliebige Richtung. Empfehlenswert ist das Alternieren von zu erwartenden Kassenschlagern (d.h. immer „Klassiker, die in der Klasse gelesen werden“, also Schullektüre sind: Miller, Brecht, Frisch, Wedekind, Sartre, Goethe, Sophokles) und unbekannteren Stücken und Autoren (Weiss, Goll, Vitrac, Pirandello, Walser), von Etablierten und Newcomern, von Komödien und Tragödien, von eher konventionellen Inszenierungen und Experimentaltheater. Nur in dieser Dialektik entsteht über Jahre ein kreatives Zusammenspiel von Stammpublikum (d.h. Schulgemeinde und fremde Theatergänger) und Spielleitern bzw. Ensembles, die sich wirklich inszenatorisch und spielerisch entwickeln, wachsen, Mut zum Experiment aufbringen, Fortschritte machen, Maßstäbe setzen, die Latte hoch halten.

Neu war nach der Faust-Inszenierung (2003) auch die Idee, Stücke über thematische Brücken (z.B. „Theater im Theater“) zu kombinieren (wie ich das 1998 mit zwei Sartre-Stücken:Das Spiel ist aus & Geschlossene Gesellschaft bereits getan hatte) und so den Klassiker der Postmoderne Luigi Pirandello mit der jungen Autorin Theresia Walser (Das Restpaar) zu verbinden (Walser meets Pirandello, 2005) oder die Antigone des Sophokles mit der von Jean Anouilh an einem Abend zu konfrontieren (2006). Solche Brücken bieten auch dem Publikum neue Wege des Verstehens jenseits der eingefahrenen Sichtweisen. Dabei gilt Brechts Gebot des unterhaltenden Theaters uneingeschränkt, aber Unterhaltung muss weder schenkelklopfende Stammtischstrategen noch hirnamputierte Soap-Stammkunden bedienen. Unterhaltung entspringt sui generis einfach aus gut gemachtem Theater! Und gerade die Zuschauer, die sich bei einer gelungenen Gesangseinlage entspannt zurückgelehnt haben, werden nachher anmerken, die Lieder wären aber mal wieder verzichtbar gewesen. Spielleiter kennen ihre Pappenheimer, auch unter Kritikern und Zuschauern. Geschenkt...

1.4 Schultheater und Urheberrecht

Meine Erfahrungen mit dieser Problematik sind so vielfältig wie zwiespältig; sie bleiben auch im Profibereich so ambivalent wie rechtlich klar geregelt bzw. immer neu klärungsbedürftig.12 Immer häufiger greifen Autoren persönlich in die dramaturgische Arbeit ein, um ihre Stücke vor tollwütigen Regisseuren und deren Verhunzung zu schützen und berühren dabei die Grenzgänger auf dem schmalen Grat zwischen Urheberschutz und künstlerischer Freiheit. Im Profitheater ist die Tendenz zur Ersetzung von Inspiration durch Klamauk nicht zu übersehen.13 Diese Problematik existiert im Amateurtheater nicht minder.

Hexenjagd