Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2021 by Geschichtswissenschaftliche Gesellschaft Wien, ZVR:626233967

Foto: „Erhard Zauner“ by z-foto, © 2018

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweiser Nachdruck sind verboten.

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-75-437617-1

Ich danke allen Menschen,
die dazu beigetragen haben,
dass dieses Buch erscheinen konnte.

Ich widme dieses Buch allen Menschen,
die sich nicht vorschreiben lassen wollen,
was sie glauben sollen.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Der biblische Exodus und seine Probleme
  3. Die biblische Chronologie und ihre Probleme

1 Einleitung

Bei meinen jahrzehntelangen Beschäftigungen mit der biblischen Geschichte wurde die Vermutung immer klarer, dass die Geschichte von Abraham bis David aus mehreren unabhängigen Stücken zusammengesetzt wurde. Weiters deutete vieles darauf hin, dass das, was in der Bibel nacheinander erzählt wird – Ägypten Aufenthalt – Exodus – Landnahme – Richter – Saul und David – sich eher zeitgleich nebeneinander abgespielt hat. So ähneln sich Situationen bei der Landnahme mit solchen bei David. Andererseits sieht es aus, als wüssten die Menschen in der nächsten Epoche nichts von dem, was in der vorigen passiert ist. Ganz besonders betrifft dies Mose und seine Gesetze.

Bei meinen Recherchen zur ägyptischen Geschichte, besonders zu der des Neuen Reiches, der 18. Dynastie und Echnaton fielen mir ebenfalls Ungereimtheiten auf. Allerdings zeigte sich auch, dass vieles, was über Mose berichtet wird – abgesehen von seinem hohen Alter – sehr gut auf Tutanchamun passt. Besser jedenfalls als auf Echnaton, der ja schon seit langem als „historischer Mose“ betrachtet wird.

Ich wollte daher untersuchen, ob sich eine „verkürzte“ biblische Geschichte besser mit der ägyptischen harmonisieren lässt und ob damit vielleicht auch folgende Fragen besser beantwortet werden können:

Die Suche nach der Frühgeschichte Israels bzw. dem historischen Exodus der Juden aus Ägypten gestaltete sich wie die Fahrt auf einer Hochschaubahn. Anfangs war alles klar und eindeutig:

Doch je genauer ich mich mit dem alttestamentarischen Geschehen auseinandersetzte, desto widersprüchlicher und verwirrender wurde alles: Rechnen wir vom heute weitgehend anerkannten Baubeginn des Tempels im Jahre 967 v.Z. 1 zurück, so kommen wir auf 1446 v.Z. für den Exodus. Damals herrscht, nach weitgehend allgemein anerkannter ägyptischer Chronologie, Thutmosis III. aus der 18. Dynastie (D18). Er ist zwar ein sehr mächtiger Pharao, doch finden wir in seiner Zeit keine ägyptischen Plagen, er kommt nicht im Roten Meer um, sondern herrscht weitere 20 Jahre.

Ich versuchte mich mit mehreren unterschiedlichen Ansätzen der Problematik zu nähern und musste dabei feststellen, dass die Geschichte vom Aufenthalt in und dem Auszug aus Ägypten immer verworrener wurde statt klarer.

  1. Versuch: Die Beantwortung der Exodus-Frage mit Hilfe der biblischen Angaben in den fünf Büchern Mose. Weder die Größe des ausziehenden Volkes samt den Viehherden und der Nahrungs- und Wasserversorgung, noch deren Ausrüstung bzw. die Herstellung von Offenbarungszelt und Bundeslade können so wie beschrieben stattgefunden haben.
  2. Versuch: Die Beantwortung der Exodus-Frage mit Hilfe der biblischen Chronologie. Da einander aber einige Zeitangaben im Alten Testament (AT) widersprechen, kommen wir auf eine Spanne von 600 Jahren und mehr, in denen der Exodus stattgefunden haben könnte.
  3. Versuch: Die Beantwortung der Exodus-Frage mit Hilfe des Stammbaumes von Jakob. Von den rund 1300 im Alten Testament (AT) genannten Personen haben nur rund 200 aus besagter Zeit einen lückenlosen Stammbaum. Bei der Zuordnung zu den Generationen und den biblischen Epochen tauchten dann widersprüchliche aber sehr erstaunliche Fakten auf.
  4. Versuch: Die Beantwortung der Exodus-Frage mit Hilfe der außerbiblischen Quellen. Entgegen der Meinung der meisten Menschen gibt es davon wesentlich mehr mit teils detaillierteren Schilderungen. Auch sie widersprechen einander und differieren um mehrere Jahrhunderte.
  5. Versuch: Die Beantwortung der Exodus-Frage mit Hilfe der ägyptischen Chronologie. In Ägypten gibt es kein Gründungsjahr, von dem aus gezählt wird, daher ändern sich die Herrscherdaten, wenn zwei Dynastien als zeitgleich erkannt werden gegenüber einer Zählung dieser Dynastien nacheinander. Für die angenommene Zeit des Exodus gibt es daher ebenfalls eine Bandbreite von über 500 Jahren für ein und denselben Pharao.
  6. Versuch: Die Beantwortung der Exodus-Frage aufgrund der Tatsache, dass sowohl Echnaton als auch Mose einen Monotheismus begründeten. Hier zeigte sich, dass keiner der beiden einen lupenreinen Monotheismus darstellt. Echnaton stellte zwar Aton über alle anderen Götter und zerstörte die Amun-Tempel, ließ aber andere unberührt und baute sogar eine Grabstätte für den Mnevis-Stier in Achet-Aton. In Israel existierte während der Richter- und der Königszeit ein bunter Götterhimmel. Ein weitgehender Monotheismus ist erst rund 800 Jahre später, nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil, nachweisbar, doch auch während der nächsten Jahrhunderte wird Jahwe nicht alleine verehrt. Außerdem trennen den Aton- und den Jahwe-Kult mehr als sie verbindet.
  7. Versuch: Die Beantwortung der Exodus-Frage aufgrund von phänomenologischen Ähnlichkeiten. Dieser Ansatz war erfolgreich und brachte erstmalig völlig neue, erstaunliche, aber auch unerwartete Ergebnisse. Ich suchte nach Ereignissen in der Geschichte Ägyptens und der Nachbarländer, die entweder mit Elementen der biblischen Erzählung übereinstimmen, oder, zumindest als literarische Vorlage dafür gedient haben könnten. Dabei zeigte sich, dass sich diese Parallelen zu verschiedenen Zeiten häufen. Das Ergebnis ist daher, dass es mehrere (große) Auszüge von unterschiedlichen Menschengruppen unter verschiedenen Voraussetzungen, Bedingungen und Pharaonen zu verschiedenen Zeiten gegeben hat. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von kleineren Auszügen, die aber auch noch interessante Einsichten bieten.

Mit diesem völlig neuen Ansatz des mehrfachen Auszugs aus Ägypten lassen sich wesentlich mehr Teile der biblischen Mose- und Exodus-Erzählung zuordnen, als wenn man nur von einem einzigen Exodus ausgeht. Offensichtlich wurden bei der Endredaktion des AT im babylonischen Exil alle Erzählungen zu einem einzigen spektakulären, von Jahwe geleiteten Exodus zusammengefasst, mit all den bekannten chronologischen und sonstigen Problemen.

Was dabei aber auch noch zutage trat, ist eine Verschwörung zur Vertuschung der wahren Umstände des letzten großen Exodus unter Tutanchamun sowohl von ägyptischer als auch von jüdischer Seite vor dreitausend Jahren.

Eine weitere große Verschwörung gibt es dann ab 1922, als im Grab von Tutanchamun Papyri gefunden wurden, die unter anderem „… die wahre und skandalöse Beschreibung des Exodus der Juden aus Ägypten zum Inhalt“ 2 haben. Daher gehe ich von einer zweiten, gegenwärtigen Verschwörung zur Vertuschung der historischen Realität des Auszugs der Juden aus Ägypten aus.

Tutanchamun hat mit dem biblischen Mose mehr gemeinsam als jede andere historische Person. Allerdings leitet er den Exodus nicht selbst, sondern übergibt das Kommando an seine beiden Generäle Ramses und Haremhab. Regie führt dabei die graue Eminenz „Gottvater“ Ay!

1.1 Das Alte Testament ist „Theo-Fiction-Literatur“

Zu Vielem, was im AT geschrieben steht, gibt es keine oder nur geringe archäologische Entsprechungen. Etliches lässt sich nur schwer oder gar nicht mit den historischen Aufzeichnungen benachbarter Staaten in Einklang bringen. Ein großer Teil, speziell aus der Exoduserzählung, lässt sich nur vor dem Hintergrund des Kultes im Zweiten Tempel in Jerusalem verstehen. Ich möchte daher in Anlehnung an den literarischen Begriff der „Science-Fiction“ für das Alte Testament eine neue Literaturgattung definieren. Bei Science-Fiction wird meist unter der Prämisse einer oder mehrerer wissenschaftlich-technischer Erkenntnisse oder Errungenschaften eine reale oder fiktive Gesellschaft in einer zumeist zukünftigen Zeit und/oder weit entfernten Gegend dargestellt. Dabei werden bekannte wissenschaftliche und technische Möglichkeiten mit Spekulationen angereichert und teilweise dramatisch übersteigert in die Zukunft projiziert.

Für mich ist das AT analog dazu „Theo-Fiction“. Damit meine ich die Darstellung einer realen oder fiktiven Gesellschaft in einer vergangenen Zeit und/oder weit entfernten Gegend unter der Prämisse eines schon seit langer Zeit existierenden und in das damalige Geschehen eingreifenden Gottes. Dabei werden die zum Zeitpunkt der Abfassung herrschende Theologie und die religiösen Praktiken mit Spekulationen angereichert und teilweise dramatisch übersteigert in die Vergangenheit rückprojiziert.


1 v.Z. = vor der Zeitenwende = v.Chr.

2 Stanglmeier: Die Moses-Schriftrollen; Kopp 2006; S 150

2 Der biblische Exodus und seine Probleme

Vielleicht liegt der gesamten Problematik der zeitlichen Zuordnung und der allgemeinen Umstände des biblischen Auszugs eine einzige Ursache zugrunde, nämlich die, dass alles nicht so stattgefunden hat, wie uns die Bibel, die Theologen, aber auch die modernen Wissenschaftler, allen voran die Ägyptologen, glaubhaft machen wollen. Dafür gibt es, meines Erachtens, fünf plausible und gut nachvollziehbare Gründe.

Grund 1: Mehrere Wanderbewegungen von unterschiedlichen Stämmen von und nach Ägypten zu verschiedenen Zeiten aus verschiedenen Motiven sind zur Steigerung der Dramatik und zur höheren Ehre Jahwes zu einem einzigen gigantischen Befreiungswerk zusammengefasst, das so nie stattgefunden hat und daher auch weder archäologisch in den betroffenen Gebieten noch literarisch bei den damaligen Nachbarn gefunden werden kann.

Grund 2: Bei der Zusammenstellung des Alten Testaments, hunderte, wenn nicht sogar tausend Jahre nach den Ereignissen sind unterschiedliche Erzählstränge von verschiedenen Stämmen, die in diesem Gebiet gelebt haben, zu einer einheitlichen von Jahwe inszenierten Geschichte des einen auserwählten Volkes zusammengefasst worden. Dabei wurden Geschehnisse, die an verschieden Orten zur gleichen Zeit stattgefunden hatten, hintereinander gereiht. Dies geschah auch im Sinne des damals aktuellen „internationalen“ Trends: „Unser Volk ist das älteste der Welt“. Dadurch wurde die biblische Geschichte viel zu weit in die Vergangenheit zurückverlegt.

Grund 3: Die moderne Wissenschaft, speziell die Ägyptologen, haben auch gewissermaßen eine stillschweigende Übereinkunft, dass an der grundsätzlichen Chronologie der ägyptischen Geschichte bzw. den Dynastien nicht gerüttelt wird. Kleine Korrekturen bei den Jahresangaben, speziell was das Mittlere und Neue Reich betrifft, sowie die zweite und dritte Zwischenzeit, können angebracht werden. Eine Infragestellung dieser Konsens-Chronologie ist aber ein Sakrileg.