In weiter Kammer schlief ich und die Brüder
Auf stillen Betten, die der Traum umspielet;
Der Amme Lied ertönte still, und nieder
Die Winternacht mit kalten Sternen zielet.
Gesegnet seid, ihr ernsten nächt'gen Scheine,
Die ihr mir in die junge Seele fielet!
Ich fühlte ruhig mich, in Frieden klar und reine;
Der Brüder Herzen hört ich um mich schlagen,
Ergötzt war meine Brust, ich wacht alleine,
Hört sie im Traum die kindschen Wünsche klagen.
Der eine sprach von Wagen und von Rossen.
"Hinan, hinan!" hört ich die Schwester sagen,
"Ein Auge schließ ich auf der Leiter Sprossen,
Daß mich der tiefe Abgrund nicht ergrause."
Sie wußte nicht, daß beide sie geschlossen.
Die andre sprach von ihrem Blumenstrauße,
Wie er schon wieder frisch erblühen werde;
Und die ihr nah: "O tritt die Spitzenkrause
Mir nicht so liederlich hin an die Erde!"
Doch ferner schlummert einer; heftig bebet
Sein Busen, und mit trotziger Gebärde
Spricht er: "Seht hin, Geliebte, seht, es schwebet
Der Luftball hoch, ich habe ihn erfunden!"
Dann wirft er sich im Bette, hoch erhebet
Die Füße er, das Haupt hängt er nach unten.
Des Fensters Schatten lag gleich einer Leiter
Auf seiner Decke; künstlich eingewunden
Erseufzt er tief und schlummert lächelnd weiter.
Auf eines Mägdleins Bette glatt gestrichen
Erglänzt zur andern Seite Mondschein heiter;
Die weißen Röcklein auf dem Stuhle glichen
Zwei Engeln, die ihr still zum Haupte wachten.
Still war sie, bis der Mond von ihr gewichen;
Er senkte sich zur Erde. Sprünge machen
Sah ich ein Kätzlein schwarz beim letzten Bette;
Es spielte mit herumgestreuten Sachen,
Ein Strumpfband wars und eine Blumenkette;
Und als der Mond am Bett hinaufgeschwebet,
Sah ich's, als ob es glühnde Augen hätte.
Bang hob ich mich, und mir entgegen hebet
Das Mägdlein sich und sprach: "Wie schön gesungen
Hat heut die Amme, noch das Herz mir bebet:
Frau Nachtigall, mein Herz ist mir zersprungen."
So sprach das Kind und legte still sich nieder.
Ich fühlte mich mit Weh und Lust durchdrungen,
Ein stilles Feuer zog durch meine Glieder.
Oft hieß es mich empor nach ihr zu sehen,
Und immer hob ihr lockigt Haupt sie wieder.
Dann sprach sie Worte, mir nicht zu verstehen,
Gebetet war es, und es war gedichtet,
Und bis ich sah den Mond mir untergehen,
Blieb mir ihr Haupt genüber aufgerichtet.
Dann hört ich draußen — harte Worte klangen,
Bis eine milde Stimm den Streit geschlichtet.
In unsre Kammer leise kams gegangen,
Von Bette schlichs zu Bette, gab uns Küsse
Und segnet uns auf Stirne und auf Wangen.
Ich war der letzte. Heiße Tränengüsse
Fühlt ich aus Mutteraugen auf mich fließen.
Ich wußte nicht, warum sie weinen müsse,
Ich traute nicht, den Arm um sie zu schließen.
Und als sie aus der Kammer war geschieden,
Da mußten meine Augen Tränen gießen,
Da fühlte ich zuerst den Schmerz hienieden!
Ich betete: "Maria, sei gegrüßet,
So viele Tränen sie geweint!" und schlief in Frieden.
——
Viel war ich krank, kam wenig an die Sonne,
Die bunte Decke war mein Frühlinggarten,
Der Mutter Pflege war mir Frühlingswonne.
Ich konnte oft den Abend nicht erwarten,
Wenn sie die Wundermärchen uns gesungen,
Daß rings die Kinder in Erstaunen starrten.
Und keines ist mir so ins Herz gedrungen,
Als von des süßen Jesus schweren Leiden,
Wie des Herodes Kindermord mißlungen,
Maria durch Ägypten mußte reiten,
Und was sie da erfuhr in schweren Nöten,
Da focht ich in Gedanken gen die Heiden.
Und sah ihr Blut in allen Abendröten. —
Oft kam ein alter Diener mich besuchen,
Mit kräftgen Reden meine Zeit zu töten,
Die Tasche leer vom oft versprochnen Kuchen,
Ein Meister im Versprechen und Beteuern,
Was oft sich falsch bewärt; dazu ohn Fluchen
Konnt er mit seinen Augen Glaub erneuern.
Vom Antichrist tät er mir prophezeien,
Und hat zum Held gen ihn in Abenteuern
Vor allem mich mit einem Schlag geweihet,
Den scherzhaft er mir auf das Haupt gegeben;
Doch meine Seele ihn des Ernstes zeihet;
Nichts traf so ernsthaft mich in meinem Leben;
Der Antichrist erfüllet mich mit Schrecken,
Und täglich mußt ich vor dem Trüger beben.
Ich sah ihn stets gen mich die Hand ausstrecken:
Allmächtiger, erleuchte meine Tage
Und wolle mich vor meinem Feind verstecken!
Und da dem Alten ich die Angst so klage,
Sprach er: "Wenn du drei Tage ohne Weinen
Geduldig bleibst, ich dich zur Kirche trage,
Da sollst du dir ein großer Held erscheinen,
Man wird dich singend bei dem Eintritt grüßen."
Ich glaubte ihm. Bei aller Krankheit Peinen
Ließ keine Trän ich von den Augen fließen.
Und als die Stunde endlich war erschienen,
Ward ich geschmückt vom Kopf bis zu den Füßen.
Ich ließ mich stolz, gleich einem Herrn, bedienen;
Der Alte selbst trug mich auf seinen Armen
Und machte übertrieben ernste Mienen.
Ich fühlte mich von Sonnenschein erwarmen,
Und als wir uns dem alten Kloster nahten,
Gab an der Pforte ich den frommen Armen,
Die barhaupt bittend uns entgegentraten,
Was ich besaß: sechs neue blanke Heller.
Mein Träger ging auf wohlbekannten Pfaden;
Er zeigte links hinab: "Dies ist dein Keller",
Sprach er, "da hast du deine vollen Fässer
Mit allen Sorten besten Muskateller!"
Ich glaubte ihm, und mit dem blanken Messer
Uns da ein schwarz und weißer Mönch begegnet.
Der Alte sprach: "Nun sieh, stets kommt es besser!"
Und als: "Wer war es?" ich ihm scheu entgegnet —
"Dies war dein heilger Pater Küchenmeister,
Was er am Spieße brät, das ist gesegnet.
Er ist aus Schwaben und Marcellus heißt er;
Er soll den Antichrist zum Spieße stecken,
Er ist ein Zauberer, beschwöret Geister."
Nun hörte ich durch blühnde Gartenhecken
Die Orgel aus der Kirche rührend klingen;
Mich faßte da ein nie gefühlt Erschrecken.
Als endlich zu der Kirche wir eingingen,
Des Weihrauchs süße Wolken mich umwallten,
An hohen Säulen goldne Engel hingen,
Der vielen Bilder seltsame Gestalten,
So stille und so kühl die hohen Bogen,
Wie unsre Schritte in den Hallen schallten,
Die Orgeltöne jubilierend zogen,
Und wie die Mönche zu den Stühlen schlichen —
So wunderbar hat nie mein Herz geflogen.
Der Alte machte mir des Kreuzes Zeichen,
Mit Weihewasser er mich tüchtig sprengte,
Befahl mir dann, zu horchen und zu schweigen.
Die Seele sich in meine Ohren drängte.
Als laut im Chor sie meinen Namen sagen,
Entzücken sich mit tiefer Angst vermengte.
Die Worte mir wie Feu'r zur Seele klangen:
"|O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria!|"
Ein ewiges Gefühl hab ich empfangen.
Ruft man mich Clemens, sprech ich still: "|o pia!|
In meiner letzten Stund dich mein erbarme;
|O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria,|
Empfange meine Seel in deine Arme!"
——
Schon siebenmal war Weihnacht mir erschienen
Mit ihres Kinderschatzes frommen Glanz;
Ich konnte lesen und die Messe dienen.
Die Erde stand in Frühlingsfreude ganz;
Des lustgen Pfingstfests Feier zu begehen
Schmückt man die Kinder mit dem Blumenkranz.
Zur Kirche sah man tausend Kinder gehen;
Es teilt die Firmung dort der Bischof aus,
Daß sie bestätigt in dem Glauben stehen.
In Feierkleidern trat ich aus dem Haus
Und zog mit vielen Kindern zu der Weihe,
Wie sie geschmückt mit einem Blumenstrauß.
Am Chore kniend in der langen Reihe
Hab ich vom Bischof da das Öl empfangen
Auf meine Sirne, Gott mir Kraft verleihe!
Den Backenstreich empfingen meine Wangen,
Daß ich gedenke an den ernsten Tag,
An dem zur Kirch ich neu bin eingegangen.
Derb und empfindlich schien bei mir der Schlag;
Er sah in mir wohl jenes irdsche Wanken,
Das zu bestimmen noch ich kaum vermag.
Ich trat erschüttert aus den heilgen Schranken,
Und meine Stirn umschlang ein blaues Band.
Jedoch in mir, da schwankten die Gedanken,
Denn mir zur Seite an dem Altar stand
Ein kleines Mägdlein, das mich tief gerühret;
Ich faßte heftig ihre kleine Hand
Und habe sie zwei Schritte wohl geführet.
Da sprach mein Führer: "Laß das Mägdlein stehn!
Dergleichen Spiel allhier sich nicht gebühret."
Sie schied von mir, ich mußte weitergehn;
Verschlungen ward dies Kind mir von der Menge,
Und nimmer hab ich wieder es gesehn.
Von Sehnsucht wird noch jetzt die Brust mir enge;
Ich suche jetzt wohl noch nach jenem Kinde,
Und immer mehr tritt mirs aus dem Gedränge.
Traf mich des Priesters Hand dort nicht gelinde,
So traf mich schärfer noch mit seinem Pfeil
Der kleine Cupido mit seiner Binde.
Des Priesters Schlag rührt mich nur kurze Weil,
Und nie genas ich von der Liebe Wunden;
Der Tod empfängt den Kranken noch nicht heil.
Du zartes Mägdlein, dir mir dort verschwunden,
Siehst du auf Erden noch das süße Licht,
Hast du gelebt und hast du Leid empfunden,
Begegnet dir dies dunkele Gedicht:
Nimm hin den Gruß und Dank, du Namenlose,
Im irdschen Traum du himmlisches Gesicht!
Und schläfst du schon in unsrer Mutter Schoße,
So falle dir aus meinem ernsten Kranz
Ein Opfer auf das Grab: die weiße Rose!
——
Getrennet lebte fern ich von den Meinen
In strenger und unmütterlicher Zucht.
Denk ich der Zeit, seh ich sich mir versteinen
Die Tage in des Lebens Blumenflucht,
Wie kleine Gärten zwischen steilen Mauern,
Die nie ein Sonnenstrahl hat heimgesucht,
Wo kalte Marmorkinder einsam trauern,
Die wilder Buchs und Salbei trüb umkreist.
Ihr kennet wohl des Knaben einsam Trauern!
Ich fühlte elend mich und tief verwaist.
Du, Schwester, die die trüben Tage teilte,
Du fühltest auch, was fremde Pflege heißt.
Den Genius, der früh bei mir verweilte,
Den sah ich dort zuerst, als unerkannt
Er mir das junge Herz begeisternd heilte.
Da schmückt ich mich mit einem blauen Band,
Und fesselt mich mit goldpapiernen Ketten,
Trug einen Schäferstab in kindscher Hand
Und auf der Brust geweihte Amuletten.
Ein alter Scherbenhügel war mein Thron;
Ich sprach: "Wer will den armen Sklaven retten?"
Fürst, Schäfer war ich, und verlorner Sohn,
Und sehnt mich zu den zarten Wolkenschafen,
Die durch den Himmel überm Haupt mir flohn.
So war ich einst begeistert dort entschlafen.
Schon stiegen die Gestirne aus dem Blau,
Die gütig mich mit ihrem Segen trafen;
Es spiegelte der Traum sich in dem Tau,
Der meine Stirne kühlend schon benetzte;
Er führte mich auf eine stille Au,
Wo eine Kinderschar sich laut ergötzte.
Fremd schienen sie; ich stand an einem Baum,
Zu dem ich scheu mich endlich niedersetzte.
O seliger, o himmelvoller Traum!
Ich sah hinauf. Aus deinem Himmel, Linde,
Zog nieder eines weißen Kleides Saum,
Und nieder stieg ein Kind aus dem Gewinde
Der Zweige, die es neidisch mir versteckt,
Ein Ebenbild von jenem Firmungskinde.
Sehnsüchtig hatte ich die Arme ausgestreckt,
Da kamen sie, dich boshaft mir zu rauben,
Die Unverständ'gen haben mich geweckt.
Nie blüht ihr wieder mir, ihr Jugendlauben,
Im Fackelschimmer nie betrogner Lust!
Die Liebe starb, die Hoffnung und der Glauben.
Was füllet jetzt die narbenvolle Brust?
Verbrannt das Herz! wie knirscht die tote Kohle!
Das habt ihr stillen Tränen wohl gewußt.
Zur Stube mußt ich, harte Worte holen,
Zur Strafe büßt ich ein mein Abendbrot,
Als hätte ich, was Gott mir gab, gestohlen:
Des selgen Traumes tiefes Abendrot.
Da war mein Herz im Innersten ergrimmet,
Ich fühlte recht, was mir zum Dasein not:
Ein Himmel blau, in dem die Hoffnung schwimmet,
Ein Schmerz in meiner freien starken Hand,
Die ihn nach ihren Melodien stimmet.
Und alles dies, was da zuerst ich fand,
Ward mit Moralien und trocknen Blicken
Zertrümmert mir, was niemals ich verstand.
Entschuldigend erzählt ich mein Entzücken;
Da lachte man den armen Träumer aus,
Den Scherbenkönig, drehte mir den Rücken;
Und als ich weinte, bracht man mich hinaus
Zum dunklen Gartensaal voll Malereien,
Der immer mich erfüllet hat mit Graus.
Es schienen da in traurig langen Reihen
Die Bilder von den Schatten überbebt,
Die mondumspielte Rebenlauben streuen.
Den Richter sah ich, der das Schwert erhebt,
Vor Salomon das Kindlein zu zerspalten;
Es schwankt das Laub, er zuckt, er scheint belebt.
Ich schauderte und konnte mich nicht halten
Und kniete nieder vor Mariens Bild.
Die Hände hab ich innig da gefalten
Und flehte kindisch zu der Mutter mild:
"O, Mutter Gottes, hilf dem armen Kinde!"
Da deckte sie mich mit allgütgem Schild;
Mein Schmerz zerfloß im Beten hin gelinde,
Es senkte nieder sich der ernste Traum,
Ich schlummert ein im Schatten jener Linde.
"Bitte für uns arme Sünder
Jetzt und in dem Tode, Amen!"
Spricht sie — und vom Stern der Frühe
Weissagt auch die fromme Schwalbe,
Und des Traumes schwülen Flügel
Spannt sie über Rosablanken.
Auf der goldnen Locke Fülle,
Schwer vom blanken Nacken wallend,
Sinkt ihr schlummernd Haupt zurücke,
Himmelsspiegel wird die Wange.
Schüchtern um die rosgen Füße
Ihr der Tau die Traumflut sammelt,
Und der West mit kühlem Flüstern
Dunkle Schlummersegel spannet.
Und der Traum spielt, sie berückend,
Auf der Wimpern goldnen Strahlen,
Die zum Schlummer sind entzücket
In des Morgensternes Glanze.
Und es kreuziget die Süße
Fromm gewohnt sich Stirn und Wange,
Legt in Gottes Hand die Zügel
Der nachtwandelnden Gedanken.
Von den lichtergrauten Hügeln
Nieder zu des Tales Garten
Durch die Nebelwege düster
Sieht sie einen Jüngling wallen.
Zu des Gartens Rosengrüften,
Wo die Düfte schlummernd schwanken,
Eilet Rosablanka schüchtern;
Jener folget ihrem Pfade,
Wandelt ernsthaft durch die Türe,
In der Rechten einen Spaten,
Und sie wagt nicht, ihn zu grüßen,
Also hell und finster war er.
Und sie pflückt gebückt in Züchten
Süße Blümlein, die noch schlafen,
Die unschuldgen, ohne Sünde,
Ohne Taufe, ihm zum Kranze.
Da sie scheu den Kranz schon ründet,
Steht vor ihr der trübe Wandrer,
Spricht: "Wohl selig sind die Blüten,
Die du tötetest im Schlafe;
Selig in der Nacht gepflücket,
Die in Unschuld sind empfangen,
Die nicht traf der Fluch der Sünde,
Starben selig vor dem Apfel.
Aber uns tut not zu büßen,
Denn das Weib ward durch die Schlange
Zu dem Gottesraub verführet,
Den sie teilte mit dem Manne.
Und so hat der Herr erzürnet
An die Erde uns gebannet;
In der Mutter muß ich wühlen
Nach dem göttlichen Erbarmen.
Mit dem Fleische ist die Sünde
Aus der Erde aufgegangen;
In der Mutter muß ich wühlen,
Bis der Vater sich erbarmet!"
Und vor Rosablankens Füßen
Fing der Ernste an zu graben,
Und da er die Gruft erwühlet,
Hat die Erde ihn umfangen.
Mit ihm zu der Erden Grüften
Sinken auch des Tales Schatten;
Aus den Gründen zu den Hügeln
Tritt die Nebelwoge wachsend.
Trüb getürmt auf düstern Füßen
Schwankt der Riese auf am Walde,
Schwingt die Nacht auf seinen Rücken,
Kalt die Nebelfäuste ballend.
Trügend rüstet sich der Lügner
Mit dem Sonnengott zum Kampfe,
Der auf goldnen Flügelfüßen
Flammet aus dem Ozeanen.
Seinen Spiegel stellt er lügend
In der Dünste giftgem Walle
Antichristisch ihm genüber;
Jeder wache, nicht zu fallen!
Wo der Traum in irdschen Gründen
Barg den Mann, will Rosablanke
Ganz in tiefer Angst entzücket
Ihren Blumenkranz begraben.
Aber ihr entgegen züngelnd
Reckt sich eine bunte Schlange,
Und mit heilgem Mut gerüstet
Betet bebend Rosablanke:
"Sei verflucht, du Geist der Lügen,
Dich zertrat des Weibes Samen;
O Maria, sei gegrüßet,
Mutter Gottes, voller Gnaden!
Amen!" und aus Himmelsflüssen Gießt sich aus ein Meer des Glanzes: __Maris Stella__ sei gegrüßet, __Semper virgo, ave, salve!__
Und der Jungfrau Heldenfüße
Traten auf das Haupt der Schlange;
Kindisch ihre Schuld zu sühnen
Gibt dem Kranz ihr Rosablanke.
Aber auf des Tales Hügeln
Glüht die Sonne, und es wallen
Schon die Bienen nach den Blüten,
Und es eilt die fromme Schwalbe,
Kühlt des Traumes schwülen Flügel
Auf dem Spiegel klarer Wasser,
Und beträufelt mit dem Flügel
Weckend Rosablankens Wange.
Auf des Fensters Efeuranken
Spielt der Strahl der jungen Sonne,
Und des Laubes Schatten schwankend
Weckt den greisen Vater Kosme.
Schlummerstille ist die Kammer
Rosablankens, als er horchet,
Und er trägt den Krug zum Bache,
Füllet ihn mit frischem Borne.
Aus dem Wasserspiegel mahnet
Ihn des Alters ernster Bote;
"Du wirst bald die Schuld bezahlen!"
Spricht des Hauptes Silberlocke.
Betend senkt er in dem Schatten
Seine Stirne an den Boden;
Mit ihm betet auch das Wasser
und des Gartens heilge Rose.
Und des Tales Sänger alle,
Blumen, Bäume, hohe Wolken,
Schallend, wachend, atmend, wandelnd,
Opfern fromm der goldnen Sonne.
Aber zu der Kinder Lallen
Weint der graue Büßer Kosme,
Denn um seine Hütte wachsen
Weiße, rote, gelbe Rosen.
Schamvoll, schuldvoll überschwankend
Wiegt die rote, blutge Rose —
Ach, sie treffen ihn gleich Stacheln —
Stumm zwei Knospen an der Sonne!
Abgewendet von dem Alten
Unterm Zorn der dunklen Dornen
Läßt die gelbe Rose wanken
Tränenschwere Trauerglocken.
Und die weiße Rose, zagend,
Gleicht dem Geiste einer Nonne,
Bleicht den Schleier weinend, wachend
Ewig unter Mond und Sonne.
Jetzt auch zu dem Bache wandelt
Rosablanka, während Kosme
Betend liegt; mit kühlem Wasser
Netzt sie Wange, Brust und Locke,
Ihre Stimme noch umfangen
Von des Traumes Nebelkrone,
Und die Augen scheu umflattert
Von der Sonnenbilder Flocken.
Doch des Wassers Spiegel mahnet
Zu dem frommen Wunsch die Fromme:
"Könnte alle Schuld ich zahlen
Mit der goldnen Flut der Locken!"
Ihre Worte hört der Alte,
Und spricht zu ihr: "Fromme Tochter,
Sei gesegnet an dem Tage,
Da du bist zum Licht geboren!
Aber bleich sind deine Wangen,
Und die Augen trüb umfloret?" —
"Vater, schwere Träume brachte
Diesen Morgen mir Aurore.
Überm Haupte bang gespannet
Schwankt und droht des Traumes Bogen,
Den zerbrochen mir die Schwalbe,
Niederträufelnd einen Tropfen." —
"War es Feuer, war es Wasser,
Rosablanka, was dir drohte?
War erwühlet dir der Garten?
Bebte unter dir der Boden?" —
"Ja, es waren Tränen, Vater,
Und es war die Glut der Rosen,
Und um göttliches Erbarmen
Ward erwühlt des Gartens Boden." —
"Wehe! wehe! Rosablanka,
Der gewühlet in dem Boden,
Fand er göttliches Erbarmen
Oder blieb sein Werk verloren?" —
"Er ging unter still ermahnend,
Über ihm ist aufgeschossen
Eine bunte, schöne Schlange,
Dringend hin nach meinen Rosen."
"Wehe! wehe! Rosablanka,
Gabst du hin die heilgen Rosen?
Hat die bunte, schöne Schlange
Dich mit bunter Luft betrogen?"
"Von dem Himmeln kam gegangen
Die den Heiland hat geboren;
Sie zertrat das Haupt der Schlange
Und ich gab ihr hin die Rosen." —
"Sei gesegnet, Rosablanke,
Für die Worte voller Trostes!
Daß sich mein der Herr erbarme
Mag ich nun in Demut hoffen." —
Tiefbeweglich sprach der Alte,
Und es wagte nicht die Fromme
Nach der Rede Sinn zu fragen,
Sie sah schüchtern an den Boden.
Aber zu der Hütte wandeln
Beide nun, und Vater Kosme
Spricht: "Nun gehe zu dem Garten,
Fülle deinen Schoß mit Rosen,
Während ich die Honigwaben
Und das Wachs, das diese Woche
Ich zu Kerzen zog und malte,
Dir in deinen Korb geordnet.
Nach Bologna mußt du wandern,
Eh noch höher steigt die Sonne,
Dort verkaufe deine Ware
Bei den schwarz und weißen Nonnen.
Zwanzig Soldi nur an barem
Gelde nehme ich vom Kloster;
Was dir bleibt von deinem Wachse,
Tausche ein um weiße Brote.
Bringe mir auch Purpurfarbe,
Einen Gran geriebnen Goldes,
Und Ultramarin zwei Asse
Aus dem Kram am römschen Tore.
In dem Kloster zu Sankt Claren
Gibt dem Meßner zwanzig Soldi,
Daß er morgen, eh es taget
Eine Seelenmesse ordne.
Morgen sind es zwanzig Jahre
Daß die Mutter dir gestorben.
Herr, dich ihrer Seel' erbarme
Durch die Mutter deines Sohnes!
Ew'ge Ruhe gibt den Armen,
Die der Erde Schoß bewohnen." —
Amen! betet Rosablanke,
Und geht weinend nach den Rosen.
Da sie kehret, hat der Alte
Ihr den Korb schon wohlgeordnet,
Drüberhin ein Tuch gespannet,
Darauf gießt sie aus die Rosen.
"Was dir bleibet, Rosablanke,
Gib den Armen oder opfre;
Gehe in Gottes Namen." —
Und sie gehet mit dem Korbe.
Kosme schließt das Tor des Gartens
Und der Hütte kleine Pforte,
Riegelt ein sich in der Kammer,
Wäre gern allein verschlossen.
Aber nicht am Tor des Gartens,
Nicht an seiner Hütte Pforte,
Noch der Kammer, hört den Hammer
Er des strengen Gläubgers pochen.
In den Bußen wohnt der Mahner
Alter Sünde, und die Rose
Mahnt am Fenster, und die Schwalbe,
Seiner Armut Gast, mahnt Kosme.
Und die fromme Rosablanke,
Die mit goldner Flut der Locken
Möchte alle Schuld bezahlen,
Ist der strengste Gläubger Kosmes.
Zu der Hütte letzter Kammer
Schleichet bang der alte Kosme,
Dort hält er den Schatz des Jammers
Sich im festen Schrank verschlossen.
Eine Locke blonder Haare,
Die Gewande einer Nonne
Nimmt er weinend aus dem Kasten,
Und dann eine schwere Rolle.
Er befestigt sie am Rande,
Und es rollet zu dem Boden
Ein Gemälde, das der Maler
Unvollendet, halb entworfen.
Unten auf dem Meer der Schatten
Schwankt, umwogt von dunklen Wolken,
Ohne Steuer, ohne Flagge,
Bleich der Kahn des halben Mondes.
An den Seiten aufwärts wallen
Opfersäulen grauer Wolken,
Die den Regenbogen tragen,
Des Triumphes Friedenspforte.
Um des Tores Bogen ranken
Engel sich, aus rotem Golde,
Und von ihren Händen fallen
Purpurrote Morgenrosen.
Wo sie zu dem Monde fallen
Scheinet er von blankem Golde
Eine Sichel, die am Abend
Rosen streute für Auroren.
Aber nächtlich hat die Schlange
Um die Sichel sich gerollet.
O erscheine, Herr des Gartens,
Tritt den Lügner an den Boden!
Denn inmitten dieser Tafel
Ist noch kaum ein Strich gezogen,
Gleich des Blinden Auge starret,
Gott erharrend, hin der Bogen.
Jährlich nur an diesem Tage
Weint vor dem Gewand der Nonne
Und der Locke goldner Haare,
Büßt vor diesem Bilde Kosme.
Wie, an heilgen Jahrestagen
Nur, die Kirche die Kleinode,
Die Reliquien des Schatzes
Auftut, zu der Frommen Troste,
So auch liegt der Schatz des Jammers
Jährlich vor dem Büßer offen
Da geboren Rosablanke,
Da die Mutter ihr gestorben.
Die in schwerer Schuld empfangen,
Die in schwerer Schuld gestorben,
Und es ist der Sünde Vater
Rosablankas Vater Kosme.
Bis in tiefer Reue Flammen
Der Verzweiflung Erz geschmolzen,
Weinet Kosme in der Kammer
Vor dem Bild und Kleid der Nonne.
Und als in des Büßens Asche,
Wie der Blick geschmolznen Goldes,
Hoffnung ihm entgegenlachet,
Geht bereiten er das Opfer.
Er gießt aus gebleichtem Wachse,
Das im Mittagsstrahl zerflossen,
Eine hohe Totenfackel,
Einer Schlange gleich geformet.
Malt sie an mit bunten Farben,
Schmückt sie auch mit Punkten Goldes;
Brennen soll sie am Altare
Bei der Totenmesse morgen.
Und so hat er still gemalet,
Bis zum Garten ging des Mondes
Blanke Sichel, und des Abends
Rosen streute für Auroren.
Ruhig steht mit seinem Buche
Schon Meliore auf der Straße,
Vor dem Haus der hohen Schule
auf die Mitgenossen harrend.
Er bedenkt die tiefsten Punkte,
Die Apone vorgetragen,
Wünscht ihm eine leichtre Zunge
Und sich schärfere Gedanken.
Daß die Welt aus Gott entsprungen,
Und doch nicht von ihm erschaffen;
Daß Gott sei im Mittelpunkte,
Wo auch nichts sei und doch alles —
Dieses scheint ihm höchstens dunkel;
Aber da er Apo fragte,
Sprach der Lehrer: "Es war dunkel,
Da das Licht noch war im Schaffen.
Bildend in den Kreaturen,
Hatte es nicht Zeit zu strahlen;
Also sei es dir kein Wunder,
Daß es noch bei dir nicht taget.
Fühlst du erst die Macht des Dunkels,
Dann magst du nach Licht recht schmachten,
Nur der Durstgen Wünschelrute
Wird auf kühle Brunnen schlagen.
Ist es mir erst recht gelungen
Euch ins Dunkle einzufangen,
Dann zu sehn des Lichtes Wunder,
Mögt ihr selbst ins Aug euch schlagen." —
Und so gab er sich zur Ruhe,
Wollte nicht mehr weiter fragen,
Ließ ergeben sich hinunter
In der Weisheit Stollen fahren.
Harmoniam der Naturen,
Welche auf smaragdner Tafel
Nach der Sündflut aufgefunden
Zara, in Hermetis Grabe,
Und der Dinge Signaturen
Hat schon Apo vorgetragen,
Und beinahe ists schon dunkel,
Daß man sich ins Aug möcht schlagen.
Aber heute in der Stunde
Wird er hohe Dinge sagen,
Von der Töne Macht und Wunder
Und der Kunst des Liebestrankes.
O, daß er die ganze Stunde
Lehrte von dem Liebestranke,
Denn Meliore kennt die Wunder
Harfenklanges und Gesanges.
Denn es schlug die Liebeswunden
Ihm Biondettas Wunderharfe,
Die um Tanz und Sang und Tugend
Man die heilge Tänzrin nannte.
Doch nun hört an dem Turme
Eine Viertelstunde schlagen,
Und durchs Fenster in der Schule
Apos Stimme lehrend schallen.
Da er so versäumt die Stunde
Von der Kunst des Liebestrankes,
Will er eilen zu dem Brunnen,
Wo der Trank lebendig wallet.
Trunken schlugen seine Pulse,
Da er ihrer Wohnung nahet;
Wie durch dunkle Grüfte, rufend
Sich, verwandte Quellen wandeln,
Sich in ewiger Unruh suchen,
Aber fest in Stein gefangen,
Murmelnd ungeduldig sprudeln,
Können nicht zusammenfallen.
An Biondettens Fenster duftet
Einer blühnden Linde Schatten,
In den Zweigen gehn zur Schule
Gern die süßen Nachtigallen.
Lauschen in den Dämmerungen
Auf der Jungfrau Sang und Harfe,
Wenn die Meisterin verstummet
Wiederholen sie es lallend.
In Bewundrung ganz betrunken
Singt das Bölklein durcheinander,
Die Studentlein ohne Ruhe
Mit dem Federmantel schlagen.
Oft auch mischt ein frecher Kunde
Drein den ungewaschnen Schnabel,
Und die Sänger all im Sturme
Fassen, rupfen ihm den Kragen.
Und entflohn zum nahen Turme
Lehrt der Star die andern Stare
Eines höhern Standpunkts Schule,
Gründend auf der Wetterfahne.
Klagt auch, daß die andern drunten
Seine Hauptideen stahlen,
Macht ein kunterbunt Gemunkel,
Läßt in alle Welt es tragen.
Doch in den Begeisterungen
Weiß die Jungfrau nichts von allem,
Sie hat nur vor Gott gesungen,
Lauschen gleich die Nachtigallen.
So vergleicht der hohen Schule
Er der hohen Linde Schatten,
Wo in überflüssgen Zungen
Ihm Biondettens Sang verhallet.
Ach! er möchte hin zum Grunde
Stürzen dieses Baumes Schatten,
Oder in den Zweigen ruhend,
Die ihm bloß ertönt, betrachten.
Doch ein Bild von Gottes Mutter
Steht auf einsamen Altare
Bei der Linde, ihre Kuppel
Wölbet ihm des Tempels Halle.
Ihm zur Seite steht ein Brunnen
Einsam wie das Bild, es fallen
Leis der Linde Blüten runter
Auf den Spiegel seines Wassers.
Arm ist wohl das Bild an Schmucke,
Handel-, wandellos die Straße,
Aber nächtlich hört die Mutter
Hell Biondettens süßes: Ave!
Und geht sie, im bunten Putze
Schimmernd, zu der Bühne abends,
Teilt sie fromm die Flitterblumen
Mit Marien, voll der Gnaden.
Auf des Altars öder Stufe
Keimen Blümlein in dem Grase;
Nahe ist das Tor, hier ruhen
Gern, sich ordnend, müde Wandrer.
Denn hier steht ein kühler Brunnen
Einsam wie das Bild, es fallen
Leis der Linde Blüten runter
Auf den Spiegel seines Wassers.
Still an des Altares Stufen
Kniet Meliore und betrachtet
Glaubend, was mit Dämmerungen
Ihm der Schule Geist umnachtet.
Eine Jungfrau kömmt zum Brunnen;
Zu der Stadt trägt Rosablanke
Einen Korb mit Wachs und Blumen,
Sprengt die Rosen an mit Wasser.
Sitzt zu ruhn dann auf die Stufen
Bei dem Jüngling am Altare,
Ihre züchtgen Augen wurzeln
Bang auf der Gestalt des Mannes.
Die erfrischten Rosen rufen,
Und er blickt nach Rosablanken;
Wie der Born geweckt die Blumen,
Weckt sein Blick die Rosenwange.
Von geheimer Macht bezwungen
Spricht die Jungfrau: "Herr, im Garten
Bot ich heut dir diese Blumen,
Und du hast sie ausgeschlagen.
Grubst dir emsig eine Grube,
Und empor schoß eine Schlange;
Du gingst in der Grube unter,
Ach in mir ist dieser Garten!
Es erschien mir Gottes Mutter
Und zertrat die böse Schlange,
Und doch fühl ich mich verwundet,
Da ich lebend dich betrachte!"
Und Meliore spricht verwundert:
"Du klagst einem kranken Arzte,
Rettung müßte ich sonst suchen
Vor der Schönheit meiner Kranken.
Du sagst wahr: Längst ging ich unter
In der Wangen Rosengarten,
Der Gesang des süßten Mundes
War mir eine bunte Schlange.
Aber hier steht Gottes Mutter.
Daß sie unser sich erbarme,
Lasse um die Stirn ihr duftend
Einen Kranz von Rosen prangen!"
Und er sitzet auf den Stufen,
Flichten den Kranz mit Rosablanken;
Da bricht durch der Linde Dunkel
Zu dem Bild Biondettens: Ave!
Und es krönet Gottes Mutter
Schon Meliore mit dem Kranze,
Und Biondettens Lied verstummet,
Bitter weinet Rosablanke.
Ihr zum Herzen hingedrungen
Sind die Fluten des Gesanges,
Ihr im Busen ist entsprungen
Eine Quelle des Verlangens.
Und der Tränen Flut wird suchen
Stets die Fluten des Gesanges,
Bis sie einst durch Gottes Wunder
Selig ineinander fallen.
Doch nun eilet mit den Blumen
Nach dem Kloster Rosablanke,
Weil von Schülern dicht umrungen
Apo sich der Linde nahet.
Er mag gern mit seinem Zuge
Durch Biondettens Straße prangen,
Und sie bei dem nahen Turme,
Wo er hauset, stolz enlassen.
Ernsthaft mit gezogenem Hute
Folgt die Schar dem finstern Manne;
Vom Altare springt herunter
Schnell Meliore, ihn erwartend.
Nahet nach demütgem Gruße
Ruhig dann dem finstern Manne.
"Daß ich heut versäumt die Schule" —
Spricht er — "muß ich leider klagen.
Ungeduldig, ohne Ruhe,
Konnt ich nicht die Zeit erwarten,
Und ging aus, sie aufzusuchen,
Aber ich bin irr gegangen."
Zu ihm spricht mit höhnscher Zunge
Apo, scharf ins Aug ihm fassend:
"Und der Irrgang scheint gelungen,
Angenehm ist dieser Schatten.
Dieser Baum hegt geistge Zungen.
Einen Vogel zu erhaschen,
Bist du zum Altar gesprungen,
Und doch führst du leere Taschen." —
"Meister, nein! das Haupt der Mutter
Krönt ich mit dem Rosenkranze,
Während ich, bis du zum Turme
Kehretest, deiner hier geharret.
Denn ich wollte dich ersuchen,
In der Kürze mir zu sagen,
Was in der versäumten Stunde
Mir vom Liebestrank entgangen.
Denn der Töne Macht und Wunder
Kann ich mir schon deutlich machen;
Dieses Baumes geistge Zungen
Über mich sind ausgegangen."
Apo spricht: "Der Töne Wunder
Lehrte dich der Linde Schatten,
Lerne nun von diesem Brunnen
Auch die Kunst des Liebestrankes." —
"Meister, höchlich ich bewundre,
Wie du fein mich höhnend strafest;
Ach! zu tief ist mir der Bunnen,
Und der Eimer schöpft nur Wasser.
Auf des Glanzes Spiegel unten
Sah ich oft ein Antlitz strahlend
Durch die grünen Zweige funkeln,
Aber nimmer steigts zum Rande.
Treulos immer ists verschwunden,
Wenn ich weisheitsdurstig nahte.
Nur das Bild von Gottes Mutter
Weilte ruhig meinen Klagen.
Und so krönt ich sie mit Blumen,
Daß, nach gleichem Preis verlangend,
Auch das schönre Bild des Brunnens
Gütger meiner Andacht achte.
Doch noch immer muß im Durste
Ich am kalten Rande schmachten,
Möcht hinab zu einem Kusse
Stürzend mich im Tode baden." —
"Trage Wasser in den Brunnen." —
Spricht der Meister — "bis zum Rande,
Dann magst du die durstge Zunge
Bald im kühlen Spiegel laben." —
"Meister, was dir nie gelungen",
Spricht Meliore, "soll ich wagen?
Seit dem Teufel hat die Schule
Wasser in den Born getragen.
Doch des Himmels Spiegel unten
Ist noch nie heraufgewallet;
Von der Schule zu gesunden
Will den Blick ich aufwärts schlagen."
So sprach er im Jugendmute,
Als er fühlt der Rede Stachel.
Apo spricht: "Ich sag dem Kruge:
Gehe, bis du brichst, zum Wasser!
Kühner Knabe, willst du Funken,
Fange eh du streichst die Katze!"
Zornig geht er dann zum Turme,
Und Meliore steht verlachet.
Nieder auf Bolognas Gassen
Brennt die volle Mittagssonne,
Und aus hohen Schloten wallen
Weiß des dichten Rauches Wolken.
In den Kellern klimpern Flaschen,
Und auf kühlem Marmorboden
Wird mit silbernem Gerassel
Schon des Reichen Tisch geordnet.
Suchend hie und da den Schatten,
Schleichen von der Klosterpforte
Auch die Bettler zu dem Mahle,
Mit dem vollen Suppentopfe.
Und der Ochse lauscht am Wagen,
Wiederkäuend in der Sonne
Einsam auf dem heißen Markte,
Auf das Plätschern hoher Bronnen.
Aber in der Linde Schatten,
Wo die fromme Tänzrin wohnet,
Scheint der Mittag selbst entschlafen
An dem lieben, stillen Bronnen.
Leis umgrast von seinem Lamme
Auf dem dicht berasten Boden
Ruht ein süßer, kleiner Knabe,
Schlummerglühnd in goldnen Locken.
Jede Blüte hör ich fallen,
Hör des Knaben leisen Odem,
Und die reine Rosablanke
Tritt einher mit ihrem Korbe.
Auf den Stufen des Altares,
Wo sie früh den Kranz geflochten,
Ladet sie zum armen Mahle
Kindlich ein die Mutter Gottes.
Eine goldne Honigwabe,
Auch ein Stückchen weißen Brotes
Und die milchgefüllte Flasche
Nimmt sie aus dem weißen Korbe.
Da erwacht der blonde Knabe
Und steht harrend bei dem Bronnen,