Weder nett noch niedlich – die Wahrheit über Pinguine

Auch ohne Todesfälle ist es mit der Treue der Pinguine nicht so weit her, wie wir Menschen das gerne hätten. Wir lieben und pflegen so einige Mythen, die die schicken Zweibeiner betreffen, denen wir uns so ähnlich fühlen. Nicht selten tun wir das an Stellen, die mehr über uns Menschen und unsere Ideale und Wünsche aussagen als über die Tiere. Ein Märchen, das sich besonders hartnäckig hält: Pinguine sind treu. Und monogam. Und das auch noch lebenslang.

Wir Pinguinforscher können uns da den Mund fusselig reden und das Gegenteil beweisen, so oft wir wollen – es wäre doch einfach zu schön. Die Wahrheit ist: Ja, es gibt auch treue Pinguine. Doch in den meisten Fällen nur für eine Saison. Pinguine sind hingebungsvolle und auch beeindruckend gleichberechtigte Eltern. Aber sobald der Nachwuchs aus dem Haus ist, sind sie kein Stück besser als wir Menschen. Die Scheidungsrate von Jahr zu Jahr ist hoch, bei Kaiserpinguinen liegt sie sogar bei bis zu achtzig Prozent. Das hat, wie gesagt, damit zu tun, dass sie, wie auch ihre königlichen Verwandten, keine Nester bauen. So fehlt selbst willigen Paaren ein zuverlässiger Treffpunkt. Die kleineren Arten sind etwas treuer, aber ganz generell gilt: Wahre Tugend ist unter Pinguinen in dieser Hinsicht nur schwer zu finden. In Sachen Monogamie sollten wir Menschen uns andere Vorbilder suchen. Albatrosse oder Raubmöwen sind da sehr viel besser geeignet.

Das mit der mangelnden Treue im Reich der Pinguine liegt auch daran, dass die Weibchen oft zu spät kommen. Die Brutsaison ist im tiefen Süden extrem kurz, die Zeit drängt, da darf frau den Partner nicht zu lange warten lassen. Sobald die Ladys an Land gegangen sind, ist Damenwahl angesagt. Die läuft bei Pinguinen nach dem Windhundprinzip ab: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Die Wochen des Balzens sind daher nicht nur die Zeit großer Hoffnungen, sondern auch die Saison der Tragödien und Prügeleien. Eine Dame, die unterwegs aufgehalten wurde und dann beim Eintreffen ihren Gatten beim Turteln mit einer anderen erwischt, ist selten zimperlich. Immer wieder beobachte ich, wie märchenhaft anmutende Schönheiten dann binnen weniger Sekunden zu Furien werden. Da wird gepickt und gehackt bis aufs Blut, geprügelt und verdroschen.

Wer leer ausgeht, kann aber durchaus noch auf seine oder ihre Kosten kommen, denn Pinguine gehen ganz gerne mal fremd. Im Fernsehen Seifenopern anzugucken ist nicht mein Ding, aber in der Pinguinkolonie macht es einen Riesenspaß, die Irrungen und Wirrungen zu verfolgen. Königspinguinmännchen haben nicht selten zwei, manchmal sogar drei Partnerinnen hintereinander in einer Brutsaison. Die jeweils Gehörnte muss dann zusehen, wie sie den Nachwuchs allein großzieht. Ohne Kindergeld. Meistens geht das dann auch nicht gut aus – Küken von alleinerziehenden Pinguinen sterben häufig einen frühen Tod. Ein Elternteil allein kann einfach nicht genug Nahrung herbeischaffen.


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