Inhaltsverzeichnis
Alles im Kasten
Kartenverzeichnis
Unterwegs mit Sabine Becht und Sven Talaron
Hin und wieder muss man einen beschwerlichen Weg auf sich nehmen, um den ganzen Reichtum dieser faszinierenden Region zu erleben. So manches Meisterwerk piemontesischer Kirchenkunst beispielsweise liegt verborgen in den endlosen Weinbergen oder tief in den Westalpentälern. Die Kirche von Elva ist so ein Ort, den man erst einmal erreichen muss. Elva liegt hoch über dem wilden Valle Maira, auf dem Weg zum Colle di Sampeyre, der hinüber ins Valle Varaita führt. Steinig und lang ist der Weg, der den Wanderer hinauf auf 1600 Meter bringt, eng und kurvig die abenteuerliche Straßenführung. Hat man die mühsame Tour in die Berge dann doch geschafft, wird man mit spektakulären Fresken belohnt. Detailreich, farbenprächtig und bildgewaltig - ein großartiges Werk Hans Clemers, das schon ein halbes Jahrtausend in dem abgelegenen Bergdorf überdauert.
Den Schlüssel zur Kirche gibt es übrigens in der freundlichen Locanda gegenüber. Und wenn man schon so weit gefahren - oder vielleicht sogar gewandert - ist, kann man sich hier auch stärken. Aus der Küche kommen okzitanische Gerichte und auf den ersten Blick wirken die Portionen ein wenig überschaubar. Eine halbe Stunde Genuss später aber möchte man sich zufrieden auf der Wirtshausbank einrollen, so gehaltvoll sind die Gnocchi al Castelmagno. Dass sie darüber hinaus auch köstlich sind, versteht sich von selbst.
Denn ob Köchin oder Koch eines beliebten Traditionslokals in den Langhe, einer vielgerühmten Gourmetküche in der Stadt oder eben eines abgelegenen, bodenständigen Berggasthofs in den Alpen: Es wäre unter ihrer Würde, den Gästen kein gutes Essen aufzutischen. Einen echten Reinfall? Erlebt man selten. Und gutes Essen, guter Wein, spektakuläre Kunst und vielleicht auch noch ein wenig Wandern durch grandiose Landschaften - das sind doch beste Zutaten für einen rundum gelungenen Urlaub.
Piemont & Aostatal: Die Vorschau
Das Land am Fuß der Berge
Die größte Festlandsregion ganz im Nordwesten Italiens liegt - der Name sagt es - am „Fuß der Berge“, al piè dei monti: umgeben vom halbkreisförmigen Westalpenbogen und einigen berühmten Viertausendern - Mont Blanc, Matterhorn, Monte Rosa und Gran Paradiso. Von Rom ist das Piemont deutlich weiter entfernt als von Bern oder Lyon. Diese Randlage auf dem Weg nach Italien hat in Piemont und Aostatal Spuren hinterlassen: Hier kamen sie alle durch, angefangen mit dem Karthager Hannibal bis hin zu Napoleon, dazwischen ganze Heerscharen von Pilgern, die auf dem Weg nach Rom hier Halt machten und als kulturelles Erbe großartige Kirchen und Klöster hinterließen. Doch trotz der Randlage wäre Italien ohne das Piemont kaum vorstellbar: Hier wurde die italienische Einigungsbewegung Mitte des 19. Jh. vorangetrieben und hier befand sich zumindest vier Jahre lang die erste Hauptstadt des geeinten Königreiches Italien (1861-1865). Turin ist sich dieser Würde bewusst und strahlt noch immer die aristokratische Noblesse vergangener Zeiten aus.
Heilige Berge
Als die Reformation aus dem Norden ins Piemont überzuschwappen drohte, entwickelte man hier ganz eigene Strategien, um die Gläubigen bei der Stange zu halten: Sacri Monti, Heilige Berge, mit aufwendig gestalteten Kapellen, in denen lebensgroße Terrakotta- und Holzfiguren vor der Kulisse aufwendig ausgemalter Räume die einzelnen Stationen der Passion Christi eindrucksvoll in Szene setzen. Während die Kirchen der Protestanten immer nüchterner wurden, setzten die Protagonisten der Gegenreformation im Kampf um die Gläubigen ganz auf die Macht der Bilder. Am deutlichsten erkennt man dies am Sacro Monte di Varallo, der ältesten und gleichzeitig monumentalsten Bergwallfahrt des Piemonts.
Kulinarisches Paradies
Weißer Alba-Trüffel, zarte Haselnuss-Schokolade, würziger Bergkäse, Schmorbraten in Barolo, handgezogene Grissini und gehaltvolle tajarin, die piemontesische Variante der Tagliatelle: Das Piemont ist ein echtes kulinarisches Paradies und das benachbarte Aostatal steuert noch die berühmte fonduta (Fondue) mit Fontina-Käse und die nahrhafte Polenta bei. Geschlemmt wird natürlich immer mit dem passenden Wein, schließlich bringt das Piemont einige der besten Tropfen Italiens hervor.
Prachtresidenzen der Savoyer
Wie ein Kranz legen sich die prachtvollen Schlösser der savoyischen Herrscher um Turin. Die meisten davon stammen aus dem Barock und sind weitläufige Jagd- und Lustschlösser nach französischem Vorbild. Nur die Stararchitekten ihrer Zeit durften sich hier verwirklichen und sie haben das so eindrucksvoll getan, dass es dem heutigen Besucher immer noch den Atem raubt. Zu den interessantesten Savoyer-Residenzen zählen der Besuchermagnet Venaria Reale, das Jagdschloss von Stupinigi und das Castello di Rivoli. Letzteres beherbergt heute eines der wichtigsten Museen für zeitgenössische Kunst in Norditalien.
Italiens erste Hauptstadt
In Turin wurde italienische Geschichte geschrieben: Hier regierten die Herren Minister des neuen Königreichs unter Vittorio Emanuele II; ganze vier Jahre lang (1861-1865) wurde im Parlamentssaal des ehrwürdigen Palazzo Carignano an der Einheit des Landes gearbeitet. Dieser Saal ist übrigens noch heute in seiner Original-Ausstattung von 1865 zu besichtigen. Doch auch das heutige Turin bietet Besichtigungsprogramm für gleich mehrere Tage, besonders dank seiner hochkarätigen Museen, wie beispielsweise dem Ägyptischen Museum oder dem Kinomuseum.
Die Quelle des Po
„Qui nasce il Po“, „Hier entspringt der Po“, steht auf der kleinen Steintafel an der Quelle am Fuß des mächtigen Monviso (3841 Meter) mit seiner markanten Pyramidenspitze. Die Po-Quelle kennt in Italien jedes Kind, sie ist nationales Ausflugsziel, schließlich entspringt hier der größte und längste Fluss des Landes. Von hier fließt der Po einmal quer durch Italien, bevor er sich nach 652 Kilometern ziemlich träge auf der anderen Seite des Landes in die Adria ergießt.
Palio - Stadtrennen um Ruhm und Ehre
1275 wurde es erstmals dokumentiert, das berühmte Pferderennen von Asti, der Palio d’Asti. Und noch immer kämpfen jedes Jahr im September die Jockeys der einzelnen Stadtteile um das aufwendig gestaltete Siegesbanner, angefeuert von wahren Menschenmassen. Im Oktober ist dann Astis Nachbarstadt Alba an der Reihe. Allerdings hat Alba - schon im mittelalterlichen Macht- und Ränkespiel der beiden damaligen Stadtrepubliken nur zweiter Sieger - weit über 600 Jahre gebraucht, um einen eigenen Palio auf die Beine zu stellen, dafür aber einen ganz besonderen: einen Eselspalio mit teilweise recht eigenwilligen Teilnehmern. Eine sehenswerte Angelegenheit, die Asti in puncto Besucherandrang in nichts nachsteht.
Der König der Weine
Barolo, Barbera, Barbaresco - die Namen der berühmtesten Rotweine des Piemont und ganz Italiens zergehen auf der Zunge. Als „Wein der Könige“ machte sich Anfang des 19. Jh. der Barolo einen Namen, nachdem Savoyerkönig Carlo Alberto ihn zu seinem Lieblingswein erkoren hatte und sich den wuchtigen Roten fässerweise an den Hof liefern ließ. Aus dem „Wein der Könige“ wurde dann schnell der „König der Weine“. Die Weinbaugebiete Langhe, Monferrato und Roero erfreuen sich bei Genussreisenden stetig wachsender Beliebtheit, vor allem im Herbst zur Wein- und Trüffelernte.
Durchgangsland Piemont
In der Antike führten wichtige Handelsstraßen der Römer durch das Piemont: die Via Fulvia von Rivoli (Turin) zur Adria und die Via Postumia durch den Südosten der Region von Genua nach Grado (das antike Aquileia). Die wichtigste Pilgerstraße des Mittelalters war die Via Francigena von Frankreich nach Rom, die einmal quer durch das Piemont verlief. Ebenfalls im Mittelalter erlebte die Stadt Saluzzo dank günstiger Lage an der Via del Sale, der alten Salzstraße, einen wahren Wirtschaftsboom. Ihre Spuren haben sie hier alle hinterlassen, die alten Römer ebenso wie die Pilger, Letztere oft mit romanischen Kirchen und Klöstern von unschätzbarem kunsthistorischen Wert wie z. B. die berühmte Sacra di San Michele am Eingang zum Susa-Tal und die Abtei von Staffarda bei Saluzzo.
Lago Maggiore
Der zweitgrößte See Oberitaliens mit den weltberühmten Borromäischen Inseln liegt herrlich zwischen steilen Bergen. Hier gab sich schon im 19. und 20. Jh. die europäische Hautevolee ein Stelldichein: Queen Victoria, George Bernard Shaw und die Zarenfamilie, um nur einige zu nennen. Heute kommen vor allem britische, deutsche, amerikanische und russische Touristen, beliebtester Ort ist Stresa mit seiner prächtigen Uferpromenade.
Hintergründe & Infos
Geografie
Die Landschaften des Piemont könnten kaum gegensätzlicher sein: brettflach die Poebene, sanft rollend die Hügel der Langhe und des Monferrato und spektakulär das von wilden Tälern durchzogene Hochgebirge.

Das Piemont: „al piè dei monti“...

Wie ein schützender Schild legt sich der Westalpenbogen um das Piemont. Bei gutem Wetter bietet der Gebirgszug ein imposantes Panorama. Vom Monte Rosa und dem Aostatal ziehen sich die Cottischen Alpen (Alpi Cozie) südwärts hinab, beschreiben als Seealpen (Alpi Marittime) einen Bogen nach Osten, um dort in die Ligurischen Alpen (Alpi Liguri) überzugehen. Charakteristisch für die Westalpen ist der dramatische, abrupte Steilabfall des Hochgebirges in die Po-Ebene, der lediglich von einem niedrigen, den gesamten Bogen säumenden Moränenhügelkamm „gebremst“ wird. Weiter im Süden erheben sich dann die sanften, lang gezogenen Hügel der Langhe und des Monferrato. Geformt wurde die Landschaft über Jahrmillionen durch Alpen-Auffaltung und Erosion. Mit großer Wucht schob sich die afrikanische auf die eurasische Kontinentalplatte, sodass sich die gigantischen, zerbrochenen Schollen zu den Alpen auftürmten. Wind und Wetter und schließlich die Gletscher der Eiszeiten schliffen die Steinmassen dann zusammen.
Einer der mächtigsten Gletscher der Gegend schabte das Aostatal aus. Durch die weitaus früher zum Stehen gekommenen Seitenzungen des Gletschers sind die Seitentäler des Aostatals ein gutes Stück höher gelegen, der Taleinstieg befindet sich auf einer „Stufe“. Während der Gletscher den heutigen Lauf der Dora Baltea immer tiefer in die Alpen grub, wurden die Geröllmassen zum Talausgang geschoben und gestalteten als Endmoränen die Hügel des heutigen Canavese nördlich von Turin. Entlang des Tales widerstanden lediglich die harten Gesteinsformen der Gletscherkraft und der stetigen Erosion des Wetters, was sich am eindrucksvollsten am Talschluss des Valle d’Aosta zeigt: Hier erhebt sich majestätisch die gigantische Granitwand von Europas höchstem Gipfel, dem Monte Bianco bzw. Mont Blanc.
Flora und Fauna
Generell gibt es eine Mischflora mit mediterranen und alpinen Pflanzenarten. Erstere sind vor allem im südlichen und südwestlichen Piemont eingewandert und haben sich dort den Gegebenheiten angepasst, eine alpine Flora ist in den höheren Lagen der Westalpen und des Aostatals zu finden.
Abgesehen von einigen Schutzzonen entlang der Flussläufe (vor allem Po und Tanaro) mit der typischen Ufer-/Auenvegetation ist das östliche Piemont fast lückenlos kultiviert: Landwirtschaft (besonders Reisfelder), Wein- und Obstanbau. Das Gleiche gilt für die Hügellandschaft des südlichen Piemont, wo die berühmtesten Weine Italiens gedeihen, nur ganz im Süden, in der Alta Langa, kann man eine etwas „wildere“ Natur, aber auch die Plantagen der berühmten „tonda gentile“, der piemontesischen Haselnuss, antreffen. Zum typischen Baumbestand der Region zählen in den Niederungen Buchen, Eschen, Erlen, Birken, Weiden und (Zitter-)Pappeln, im Nationalpark Val Grande auch Linden, Ahorn und Ulmen. In den höheren (Alpen-) Lagen dominieren Lärchen, Kiefern, Fichten und Tannen. Überall im westlichen Piemont und im Aostatal verbreitet sind die oft uralten Kastanienbäume.
In den beiden Nationalparks - dem Parco Nazionale del Gran Paradiso (ca. 71.000 Hektar) und dem Parco Nazionale della Val Grande (knapp 15.000 Hektar) - herrscht die typische Alpenflora vor: Neben den bereits erwähnten Baumarten findet man hier Latschen, Wacholder, Rhododendron, Beerensträucher, Enzian, Edelweiß, Lilien, Alpentulpen und - eher selten - Gletscherbeifuß.
Ähnliches wie für die Flora gilt auch für die Fauna: Im Osten und der dicht besiedelten Mitte des Piemont tut sich wenig Besonderes hervor. Ausnahme sind wieder die Naturschutzgebiete entlang der Flüsse: Hier fühlen sich zahlreiche Vogelarten heimisch, darunter Kormorane, Blesshühner, Graureiher und Seidenreiher. Ein riesiges Storchenschutzgebiet befindet sich bei Racconigi im Westen des Piemont - hier nistet ein großer Teil der italienischen Weißstörche.
Etwa zwölf Prozent der Fläche des Piemont stehen unter Naturschutz, dies besonders in den abgelegenen Bergregionen, wo zahlreiche Wildtiere in ihren Beständen nahezu unbehelligt erhalten bleiben und sich teilweise sogar weiter ausbreiten: Steinböcke, Gämsen, Murmeltiere, Hermeline, Rehe, Hirsche, Füchse, Dachse, Marder und Steinadler wie auch der jüngst wieder angesiedelte Bartgeier. Eher unbeliebte Bewohner der Region sind die Wildschweine, die auf den Feldern oftmals großen Schaden anrichten, und die seit Anfang der 1990er-Jahre aus Frankreich eingewanderten Wölfe, die vielfach auch vor unbewachten Schaf- und Ziegenherden nicht Halt machen. Dagegen werden mittlerweile Schutzhunde und Elektrozäune eingesetzt, was das Problem tatsächlich eingedämmt hat.
Piemont und Aostatal in Kürze
Piemont(Piemonte)
Größe/Bevölkerungsdichte: Mit 25.399 km² die größte Festlandsregion Italiens, nur Sizilien ist etwas größer (ca. 25.700 km²). 4,4 Millionen Einwohner, von denen fast 900.000 in der Hauptstadt Turin wohnen, die Bevölkerungsdichte liegt bei etwa 173 Einwohnern pro km² (zum Vergleich: die nur geringfügig kleinere Nachbarregion Lombardei hat eine Bevölkerungsdichte von ca. 420 Einwohnern pro km²).
Verwaltung: Das Piemont ist in acht Provinzen unterteilt: Alessandria (AL), Asti (AT), Biella (BI), Cuneo (CN), Novara (NO), die Metropolitanstadt Torino (TO), Verbano-Cusio-Ossola (VB) und Vercelli (VC).
Politik: Präsident der Region ist seit 2014 Sergio Chiamparino vom Partito Democratio (PD), ehemaliger Bürgermeister von Turin.
Höchster Berg: Monte Rosa mit 4618 m Höhe (Seitengipfel).
Längster Fluss: Der Po, der am Monviso entspringt, dann durch Turin fließt und das Piemont ganz im Osten bei Alessandria Richtung Lombardei verlässt.
Aostatal (Vallée d’Aoste/Valle d’Aosta)
Größe/Bevölkerungsdichte: Mit einer Fläche von 3.262 km² Italiens kleinste Region. Im Aostatal leben lediglich knapp 127.000 Einwohner, davon ca. 34.000 in der Hauptstadt Aosta. Daraus ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von etwa 39 Einwohnern pro km².
Verwaltung: Region und Provinz Aostatal (AO) sind identisch. Es gibt zwei Amtssprachen: Französisch und Italienisch.
Politik: Das Aostatal ist eine autonome Region mit Sonderstatus (Selbstverwaltung). Präsident ist Augusto Rollandin von der Union Valdôtaine, die nächsten Regionalwahlen finden planmäßig im Früjahr 2018 statt.
Höchster Berg: Monte Bianco di Courmayeur, ein 4748 m hoher Nebengipfel des Mont Blanc.
Längster Fluss: Die Dora Baltea entspringt am Mont-Blanc-Massiv und fließt durch das breite Haupttal der Region ins Piemont, wo sie nordwestlich von Turin in den Po mündet.
Wirtschaft und Tourismus
Das Piemont ist - neben der benachbarten Lombardei - eines der Zugpferde der italienischen Wirtschaft. Rund acht Prozent aller Wirtschaftsunternehmen des Landes sind hier oben im Nordwesten ansässig, die Arbeitslosigkeit liegt deutlich unter dem gesamtitalienischen Durchschnitt.
Über zehn Prozent der italienischen Exportwaren kommen aus dem Piemont. Zu den bekanntesten Wirtschaftsunternehmen der Region zählen Fiat (Turin) und Ferrero (Alba), das italienische Designunternehmen Pininfarina (bei Turin) sowie die zweitgrößte italienische Privatbank Intesa Sanpaolo (Turin). Textilindustrie findet sich eher im Norden des Piemont - Cerruti und Zegna in Biella, Robe di Kappa und Superga-Sportschuhe in Turin. Die ursprünglich piemontesischen Sportartikelhersteller Sergio Tacchini (Lago Maggiore) und Fila aus Biella sind zwischenzeitlich nach Asien abgewandert; der traditionsreiche Schreibmaschinen- und spätere Computerhersteller Olivetti (Ivrea) gehört heute der Telecom Italia.
Weniger bekannt, doch nicht unbedeutend sind die piemontesische Holz-/Möbelproduktion und natürlich Alessi, der weltberühmte Designer von Haushaltswaren aus Omegna am Ortasee (aus dem gleichen Ort kommt übrigens der nicht ganz so bekannte Haushaltswarenhersteller Bialetti mit seinen dennoch berühmten Espressokannen).
Einen besonderen Stellenwert hat im Piemont auch die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, neben dem bereits erwähnten Süßwarenkonzern Ferrero vor allem die traditionsreiche Kaffeerösterei Lavazza in Turin sowie Martini & Rossi und Cinzano etwas südlich von Turin. Ergänzt werden sie durch zahlreiche Kleinunternehmen v. a. im Süßwarenbereich (Gianduiotti, Torrone etc.).
Bei der Landwirtschaft im weitesten Sinne spielt natürlich der Wein eine tragende Rolle, die Zahl der oft recht kleinen Produzenten geht in die Tausende. Der Osten der Region ist die europäische Reishochburg (mit über 30 Prozent des gesamteuropäischen Anbaus), ganz im Süden baut man besonders gute Haselnüsse an, über das gesamte Piemont verteilt gibt es außerdem zahlreiche Obstplantagen. Hauptwirtschaftsfaktoren des Aostatals sind neben dem Tourismus vor allem die Rinderzucht und die Käseproduktion.
Der Tourismus legt im Piemont beständig zu, Anziehungspunkt Nr. 1 ist der Lago Maggiore, gefolgt von den Weingegenden Langhe und Monferrato (mit den Zentren Asti und Alba), die besonders im Herbst bestens besucht sind. Wachsende Besucherzahlen verzeichnen auch die westlichen Alpentäler, in denen in jüngster Zeit kontinuierlich am Ausbau der touristischen Infrastruktur gearbeitet wurde. Allerdings kann man das Piemont touristisch kaum mit den anderen Ferienregionen Italiens - Toskana, Ligurien oder Kampanien - vergleichen, dazu liegt die Region zu sehr im (geografischen) Abseits und natürlich fehlt das Meer. Es sind eher die Feinschmecker und Weinliebhaber, die das Gebiet in ständig wachsender Zahl für sich entdecken. Anders die Lage im Aostatal: Hier spielt der Tourismus eine tragende Rolle, vor allem in den berühmten Skiorten Breuil-Cervinia und Courmayeur.
Klima und Reisezeit
Turin
Alessandria
Gressoney-La-Trinité (1850 m)
Ø Lufttemperatur (Min./Max. in °C)
Ø Lufttemperatur (Min./Max. in °C)
Ø Lufttemperatur (Min./Max. in °C)
Jan.
-0,4
5,8
-2,4
3,2
-7,5
0,4
Febr.
1,5
8,3
-0,6
6,6
-7,7
1,1
März
4,9
13,2
3,7
12,6
-5,5
3,2
April
8,5
17,2
8,0
17,6
-2,6
6,3
Mai
12,5
21,2
12,4
22,4
1,4
10,5
Juni
16,1
25,4
16,2
26,7
4,9
15,0
Juli
19,0
28,3
18,5
29,5
7,2
18,3
Aug.
18,1
27,1
17,9
28,6
7,1
17,1
Sept.
14,9
23,5
14,5
24,1
5,1
14,3
Okt.
9,8
17,5
9,3
16,9
1,3
9,8
Nov.
4,3
10,4
3,9
9,4
-3,4
4,3
Dez.
0,6
6,8
-0,4
4,4
-6,3
1,0
Jahr
9,2
17,1
8,4
16,8
-0,5
8,4

Ein wenig Schatten hilft im hochsommerlichen Piemont

In Piemont und Aostatal herrscht gemäßigtes Klima, das heißt: relativ heiße Sommer und kühle, regenreiche Winter mit zum Teil viel Nebel, auch im Frühjahr und Herbst regnet es relativ viel. Die meisten Regentage zählt man im Mai (bis zu zehn) und im Oktober/November (je sechs bis acht). Während es in den größeren Höhen der Alpen auch im Hochsommer scheinbar relativ kühl bleibt (immer ein frischer Wind, aber Achtung: immense Sonneneinstrahlung!), steigt die schwüle Hochsommerhitze in der platten Ebene um Novara und Vercelli oft ins Unerträgliche. Auch Turin ist im August nicht ideal, wenn auch nicht ganz so überhitzt wie die südlicheren italienischen Städte. Das angenehmste Sommerklima findet man am Lago Maggiore und in den etwas höheren Lagen der Westalpentäler und der Seealpen ganz im Süden des Piemont.
Die besten Reisezeiten sind von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich: Während der Lago Maggiore von Mai bis Ende September Saison hat, sind Mai und Juni in den meisten anderen Gebieten eher Nebensaison: zum Skifahren schon zu spät, zum Hochgebirgswandern noch zu früh. Umgekehrt im September/Oktober: zum Wandern zu spät, zum Skifahren noch zu früh. Apropos Wandern: Gerade im Mai und teilweise auch im Juni legen die meisten Bergbahnbetreiber einen Wartungsmonat ein. Das heißt, dass man Hunderte von anstrengenden Höhenmetern auf dem Weg zur hochalpinen Wanderung zu Fuß bewältigen muss. Auskünfte über die Wartungszeiten der Bergbahnen erteilen die Tourist-Informationsbüros.
Turin
Alessandria
Gressoney-La-Trinité (1850 m)
Ø Niederschlag (in mm)
Ø Tage mit Niederschlag ≧ 1 mm
Ø Niederschlag (in mm)
Ø Tage mit Niederschlag ≧ 1 mm
Ø Niederschlag (in mm)
Ø Tage mit Niederschlag ≧ 1 mm
Jan.
36
4
38
5
77
7
Febr.
48
5
37
5
87
7
März
60
6
54
6
102
8
April
100
8
64
7
106
8
Mai
114
10
60
7
143
12
Juni
96
9
47
5
107
11
Juli
62
5
32
4
95
9
Aug.
76
7
36
4
113
11
Sept.
58
5
43
4
77
7
Okt.
84
6
74
6
114
7
Nov.
60
6
72
7
109
7
Dez.
39
4
46
6
72
7
Jahr
833
75
603
66
1202
101
Der Startschuss für den alpinen Wintertourismus in Piemont und Aostatal fällt in der Regel Anfang Dezember, die Saison dauert - je nach Höhenlage des Skigebietes - bis ca. Mitte, Ende April.
In den Weingebieten um Alba und Asti ist der Herbst absolute Hochsaison: Ab etwa Mitte September bis Mitte November steigen die Zimmerpreise in der Gegend und zum Palio und zur Trüffelmesse ist ohnehin kaum ein freies Bett zu finden. Aber: Mit dem Herbst kommt in den Weinbergen auch der Nebel und der kann sich über mehrere Tage, manchmal noch länger hinziehen.
Ungeachtet alpiner Wanderaktivitäten oder bestimmter Feste/Veranstaltungen empfehlen sich die Monate Mai und besonders Juni als Reisezeit: Alles grünt und blüht, es lässt sich fast immer und überall auch kurzfristig noch ein Zimmer finden, die Temperaturen sind mit durchschnittlich 20 °C angenehm. Ähnliche Voraussetzungen bietet auch der September mit teilweise herrlichen Spätsommertagen.
Geschichte
Die Geschichte des Piemont und des Aostatals ist stark von der geografischen Randlage geprägt und verlief deutlich anders als im übrigen Oberitalien: Die Römer ließen das Gebiet links liegen und kamen nur wegen des Transits nach Gallien vorbei. Als man sich andernorts von den Wirren des frühen Mittelalters erholte, brandschatzten hier ausdauernd die Sarazenen. Und während sich anderswo mächtige Stadtrepubliken entfalten konnten, hielten sich hier die lokalen Autoritäten gegenseitig klein. Erst mit den Savoyern begann ein glanzvollerer Weg durch die Geschichte, der schließlich in der Einigung Italiens endete.

Höfische Kunst im Castello della Manta

Aus vorgeschichtlicher Zeit sind vergleichsweise wenig Zeugnisse überliefert. Funde belegen, dass bald nach dem Abschmelzen der Gletscher ein reger Transitverkehr via Gran San Bernardo über die Alpen einsetzte. Viehwirtschaft treibende Siedler sind in den Tälern des Westalpenbogens seit dem 5./4. Jt. v. Chr. nachweisbar.
Bevor die Römer ihre Herrschaft über das „Land am Fuß der Berge“ festigen konnten, waren zunächst die Kelten (um 400 v. Chr.) und später Hannibal mit seinen Truppen und Elefanten über die Alpen gezogen (218 v. Chr., Zweiter Punischer Krieg), um das aufstrebende Rom zu bedrohen. Während die Karthager nur durch Oberitalien hindurchzogen, hatten sich die Kelten hier für lange Zeit festgesetzt und mit den ansässigen Stämmen vermischt. Als die Römer im 3./2. Jh. ihren Einflussbereich nach Norden ausdehnten, waren es diese Stämme ligurisch-keltischer Herkunft, die sich ihnen entgegenstellten und zum Teil lange Zeit erfolgreich den Legionen widerstanden (zu den Salassern Link).
Für Rom war der Westen seiner Provinz Gallia Cisalpina vor allem von militärischem Interesse. Die Stadtgründungen (bzw. der Ausbau vorgefundener keltisch-ligurischer Siedlungen zu Garnisonsstädten) dienten der Sicherung der Westalpenpässe und damit dem ungehinderten Zugang zu den gallischen Provinzen. Befestigt wurden u. a. Hasta (Asti), Segusium (Susa), Augusta Taurinorum (Turin), Nubilaria (Novara) und Augusta Praetoria Salassorum (Aosta). Eine Ausnahme bildete Aqua Statiellae (Acqui Terme), das als Kurort diente. Vor allem im Aostatal - und dort besonders in Aosta selbst - sind zahlreiche Monumente aus römischer Zeit erhalten geblieben: Stadtbefestigungen, Triumphbögen, Römerstraßen und -brücken etc.
Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches versank das Piemont wie ganz Oberitalien im Chaos. West- und Ostgoten, Alemannen und Burgunder zogen plündernd durch das Land, bis schließlich die Langobarden im Jahr 568 in Oberitalien erschienen, sich festsetzten und ein Königreich gründeten. Im Piemont befestigten sie die alten Römerstädte (v. a. Turin und Ivrea) und taten gut daran, denn aus dem Norden und dem Westen kamen die Burgunder über die Alpen, um den Einfluss der Langobarden zurechtzustutzen (sie besetzten das Aostatal und das Susa-Tal). 774 setzte der Franke Karl der Große dem Langobardenreich in Italien ein Ende.
Aber auch unter den Karolingern kam das Piemont nicht zur Ruhe. Plündernde ungarische Reiterheere drangen bis in die Po-Ebene vor und verwüsteten das Land. Härter noch traf die Region der Einfall der Sarazenen. Die Herrscher des Mittelmeeres, die sarazenischen Korsaren, hatten sich einen Festlandsstützpunkt zugelegt, den sie ab 889 fast hundert Jahre halten konnten: Fraxinetum, das heutige St. Tropez. Unterhalten wurde das gut befestigte Piratennest mit Plünderungen im Hinterland, also jenseits der Seealpen im Piemont. Was von den Ungarn verschont geblieben war, legten marodierende Mauren in Schutt und Asche. Bis heute sichtbare Zeugnisse dieser Zeit sind die eindrucksvollen Sarazenentürme, die sich hoch über der Hügellandschaft der Langhe erheben.
Nachdem die Sarazenen ihren Stützpunkt im Jahr 975 verloren hatten, war das vom Westalpenbogen umschlossene Land ruiniert. Handelsstraßen, die Pulsadern mittelalterlichen Lebens, waren zerstört, ganze Landstriche menschenleer, Städte kaum mehr als zerschlagene Marktbefestigungen. So setzte die für Oberitalien typische Entwicklung eines aufstrebenden Adels erst zeitlich versetzt ein, dessen Konzentration in selbstbewussten Städten fand kaum statt. Im 9. und 10. Jh. sind es drei Regionalmächte, die sich um die Wiederbelebung des Piemont bemühten: die Markgrafschaften von Monferrato, Saluzzo und Ivrea.
Die Geschichte der Markgrafschaft von Ivrea ist so aufregend wie kurz. Markgraf Berengar von Ivrea versuchte in der Mitte des 10. Jh. in der Reichspolitik mitzuspielen und ein von den deutschen Herrschern unabhängiges italienisches Königtum zu errichten, aber er scheiterte am rigorosen Vorgehen Ottos des Großen. 1002 nahm Arduin von Ivrea die Initiative auf und ließ sich in Pavia krönen. Beendet wurde dieses Intermezzo aber bereits zwei Jahre später durch Heinrich II. Damit war die Bedeutung der Markgrafen von Ivrea erloschen. In das Machtvakuum, das sie hinterlassen hatten, drängte eine neue Dynastie: die Savoyer. Sie erhielten 1033 die kleine Markgrafschaft im Susa-Tal und um Turin zum Lehen. Durch skrupellose Außen- und geschickte Heiratspolitik sollte die Dynastie ihren Einfluss in den folgenden Jahrhunderten ausbauen und im 19. Jh. schließlich sogar das gekrönte Haupt eines geeinten Italien stellen.
Im 11. Jh. begannen sich dann auch im Piemont die Städte aus dem Einflussbereich von regierenden Bischöfen und mächtigen Feudalherren herauszulösen und sich zu freien Stadtrepubliken zu entwickeln, allen voran Asti und Novara, gefolgt von Alba, Vercelli, Chieri, Tortona und Turin. Dass ihnen das nicht in dem Maße gelang wie den toskanischen oder lombardischen Nachbarn, hat viele Gründe: einer davon war der Mangel an wirtschaftlicher Schlagkraft, ein anderer hieß Monferrato, dessen Markgrafen nicht im Geringsten daran interessiert waren, starke Stadtstaaten in ihrer Interessenssphäre zu dulden. So drängte die Grafschaft Friedrich Barbarossa kurz nach dessen Erscheinen in Oberitalien in der Mitte des 12. Jh., einen Kreuzzug gegen die comuni, die aufstrebenden Stadtstaaten, zu führen. Daraufhin belagerte der Kaiser (dem freie Städte auch nicht ganz geheuer waren) Chieri, Susa, Tortona, Asti und Alessandria - die ersten drei wurden besiegt und zerstört, Asti kaufte sich frei, das junge Alessandria hielt stand. Schließlich unterlag Barbarossa der Lombardischen Liga (1176), einem militärischen Bündnis der Stadtrepubliken, und die Staufer waren gezwungen, die oberitalienischen comuni anzuerkennen.
Die beispiellose Karriere, die in der Folge der beschränkten kaiserlichen Macht so manche Stadtrepublik Oberitaliens (z. B. in der Lombardei) startete, konnte aber von den piemontesischen Städten nicht in Gang gesetzt werden. Was anderorts zu immenser Mehrung von Wohlstand und Macht führte, mündete im Piemont in heilloses Chaos. Innerhalb der Stadtmauern kämpften Familien gegeneinander (vor allem im Zusammenhang des europäischen Ringens zwischen kaisertreuen Ghibellinen und papstergebenen Guelfen). Städte befehdeten sich untereinander (beispielhaft die tiefe Feindschaft zwischen Asti und Alba) und fochten gegen die Feudalherren, die Markgrafen, die sich ihrerseits gegen andere Feudalherren wandten. In wechselnden Bündnissen kämpfte jeder gegen jeden und konnte doch kaum mehr erreichen, als des Gegners Landstrich zu verwüsten. In dieser Zeit entstanden die borghi franchi, wehrhafte, funktional geplante Dörfer, die sowohl heimatlose Bürger und Bauern aufnahmen als auch neues (d. h. verlassenes) Land in Besitz nehmen konnten.
In der Mitte des 13. Jh. schien es, dass es doch noch einer Macht gelingen könnte, die Oberhand zu gewinnen: Asti. Die Stadt hatte 1253 eine Allianz der Markgrafen von Savoyen und Saluzzo vernichtend geschlagen und 1259 Alba besiegt, als in den vom Niedergang der Staufer ausgelösten Wirren Karl von Anjou in Italien erschien. Der Papst hatte den Bruder des französischen Königs gerufen, um sich der Reste der Staufer-Macht zu entledigen. Als seine Truppen durch das Piemont zogen, hofften alle (außer Asti), einen neuen Lehnsherrn und Verbündeten (gegen Asti) gefunden zu haben. Die streitbare Stadt aber stellte sich 1260 dem Franzosen entgegen und musste eine vernichtende Niederlage hinnehmen. Astis tiefer Fall läutete den Niedergang der piemontesischen Stadtrepubliken ein, kaum hundert Jahre später sollten die meisten entmachtet sein und unter Fremdherrschaft stehen. Asti selbst zeigte sich Anfang des 14. Jh. von internen Fehden zermürbt und rief die Visconti aus Mailand um Hilfe, die nicht nur halfen, sondern die Stadt auch behielten. Bis 1342 waren auch Vercelli, Novara, Alessandria, Bra, Alba und Cherasco in den raffgierigen Händen der Visconti.
Auch in den Markgrafschaften setzten Ende des 13., Anfang des 14. Jh. Veränderungen ein, wobei Saluzzo und das Haus Savoyen geradezu entgegengesetzte Wege einschlugen. Die Savoyer entschlossen sich, ihre Dynastie zu teilen: Nach 1286 gab es eine französische Linie, die neben den Stammländern auch das Aostatal und das Susa-Tal behielt, während eine Nebenlinie, die sich bald Acaia nannte, unter Filippo über Turin und Umgebung herrschte (die Trennung bestand bis 1418). Bei den Saluzzern hingegen kam es zu Erbstreitigkeiten, flankiert von mangelnden Geldreserven, woraufhin Tommaso II sein Land 1343 dem französischen Grafen der Dauphiné zum Lehen gab, der es seinerseits an den französischen König verkaufte. Während also die ersten rein „italienischen“ Savoyer der Geschichte im Piemont herrschten, gehörte mit der Markgrafschaft Saluzzo dem französischen König erstmals direkt piemontesisches Land. Auch im Monferrato standen 1305 Erbstreitigkeiten an, nachdem Giovanni I gestorben war, ohne einen Erben hinterlassen zu haben. Hier übernahm eine Seitenlinie aus dem fernen Konstantinopel die Macht und herrschte als Haus Paleologico.

Karl der Große auf der Jagd: in der Abbazia di Vezzolano

Grundsätzlich hatten sich die Feudalherrschaften dank des Niedergangs der Stadtrepubliken konsolidieren können. Aber anstatt nebeneinander zu erblühen, gaben sich die Markgrafschaften alle Mühe, mit Kriegen, Intrigen und Mord den Nachbarn klein zu halten. Erneut begannen diverse Kriege, in denen jeder gegen jeden kämpfte und in die sich darüber hinaus auch noch die Visconti einmischten - nichtsdestotrotz entstanden in dieser Zeit prachtvolle gotische Burgen und Schlösser (z. B. Fenis, Issogne oder Verrès im Aostatal) und fürstliche Residenzstädte (z. B. Saluzzo und Casale Monferrato).
All diese regionalen Konflikte erstickten, als Italien zum Spielball der großen europäischen Politik wurde: Das Ringen zwischen Franzosen und Habsburgern um die Vorherrschaft war bis ins 18. Jh. das entscheidende Thema auf der europäischen Bühne, Austragungsort der unzähligen Schlachten und Kämpfe war unter anderem natürlich auch das Piemont. Der „Kampf um Italien“ begann 1494, als Karl VIII., der mit Saluzzo bereits einen Fuß im italienischen Stiefel hatte, Neapel eroberte; um 1500 folgte Mailand. Die Savoyer waren nun von französischem Besitztum nahezu eingekreist und konnten sich gegen die durchziehenden und plündernden Truppen nicht zur Wehr setzen. Schließlich waren die Savoyer entmachtet, und das Piemont befand sich fast vollständig in französischer Hand. Die Savoyer erhielten erst mit dem Friedensschluss von Château-Chambrésis 1559, der den Konflikt zwischen Franzosen und Habsburgern fürs Erste beilegte, ihr Herzogtum zurück.
Wieder in Amt und Würden, zogen die Savoyer um. Ab 1563 war Turin, bis dahin vergleichsweise unbedeutend, die Residenzstadt der Dynastie. Emanuele Filiberto (1553-1580) begann mit dem Umbau Turins zu einer der prachtvollsten Barockstädte Italiens und dem Ausbau des Herzogtums zu einem zentralistischen Feudalstaat. Wie wichtig Turin für die Savoyer wurde, zeigt sich auch darin, dass die kostbarste Reliquie des Familienbesitzes in die Stadt am Po überführt wurde: die Sacra Sindone, von nun an das Turiner Grabtuch“ genannt (→ dazu auch). Dem Nachfolger Emanuele Filibertos war all das aber nicht genug, Carlo Emanuele I (1580-1630), klein und verwachsen und mit dem spitzen Beinamen „il grande“ versehen, war darauf aus, auch das savoyische Territorium zu erweitern. 1588 überfielen seine Armeen die Markgrafschaft Saluzzo, um die ein jahrelanges Ringen zwischen Savoyern und Franzosen begann, bis sie der Herzog 1601 endgültig in Händen hielt (wenngleich er dafür französisches Land abtreten musste). Nicht anders geschah es mit der Markgrafschaft Monferrato im Jahr 1613, nur mit dem Unterschied, dass sich in diese Querele auch noch die Spanier einmischten und die Savoyer (samt Spaniern) letzten Endes gegen die Franzosen verloren (1629).

Palast für eine königliche Dame: der Palazzo Madama in Turin

Die aggressiv antifranzösische Politik der Savoyer nahm mit dem Tod Carlo Emanueles (1630) eine Kehrtwendung. Dessen schwächlicher Sohn Vittorio Amedeo I war nämlich mit einer Frau verheiratet, die zum einen nicht die beklagenswerte Entschlussschwäche ihres Gatten teilte, und zum anderen Französin war - allerdings nicht irgendeine Französin, sondern Cristina di Francia, die Schwester des französischen Königs Ludwig XIII. Cristina, die Madama Reale, regierte de facto für Vittorio Amedeo, während die Brüder des verstorbenen Herzogs, Tommaso und Maurizio, mit allen Mitteln opponierten. Die umkämpfte Front verlief nun nicht mehr irgendwo im Monferrato, sondern mitten durch Turin und den herzoglichen Hof: Madamisti und Principisti, Anhänger der großen Madame und Anhänger der Fürsten, standen sich unversöhnlicher gegenüber als Habsburger und Bourbonen (welche es sich ihrerseits natürlich nicht nehmen ließen, ordentlich mitzumischen).
Nach dem Tod Vittorio Amedeos I im Jahr 1637 übernahm Cristina die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn, woraufhin die erbberechtigten Brüder außer Landes flohen. Als diese mit spanischer Unterstützung zurückkehrten, entbrannte ein langer Kampf von bürgerkriegsähnlichen Ausmaßen. Nach dem Tod der Madama Reale (1662) schien sich die Geschichte zu wiederholen: Ihr über 20 Jahre lang bevormundeter Sohn Carlo Emanuele II war sowohl willensschwach als auch mit einer ehrgeizigen Französin verheiratet: Giovanna Battista de Nemour, die die Geschicke des Herzogs und Savoyens über seinen Tod hinaus lenkte und das Herzogtum an Frankreich band. Der Sohn Giovannas aber lehnte sich gegen seine Mutter auf und nahm die Regierung 1686 selbst in die Hand: Vittorio Amedeo II (1675/1686-1730) beendete die Herrschaft der starken Französinnen und sollte das Haus Savoyen zu ungeahnter Machtfülle führen.
Das 18. Jh. begann für Italien wie für weite Teile Europas kriegerisch. Es war die Zeit der großen Kabinettskriege. Vor allem der Spanische Erbfolgekrieg
Vittorio Amedeo IIzu Pietro Micca Prinz EugenFrieden von Utrecht Königreich Sardinien-Piemont
Vittorio Amedeo IICarlo Emanuele IIIVittorio Amedeo III
Carlo Emanuele IVHabsburger
Schlacht von Marengo
13. Juni 18Napoleon noch, die entscheidende strategische Finte geschlagen zu haben. Durch die spektakuläre Alpenüberquerung war er den Österreichern in den Rücken gefallen. Napoleon teilte seine Truppen, um die des verzagten österreichischen Generals in die Zange zu nehmen. Doch der Plan ging nicht auf: Beim kleinen Weiler Marengo in der Nähe von Alessandria griffen die Habsburger Truppen gänzlich unverzagt an, und die zahlenmäßig unterlegene französische Armee war heftig bedrängt, Napoleon kurz vor der Niederlage. Die Hilfe kam unerwartet: , der eigentlich die Österreicher umgehen sollte, hatte den Kanonendonner der Schlacht gehört und aus eigener Initiative mit seinen Truppen kehrtgemacht, um Napoleon zu Hilfe zu eilen. Mit Pathos ging er zum Angriff über („Diese Schlacht ist verloren, doch es ist noch Zeit, eine andere zu gewinnen!“), und die österreichischen Truppen wurden geschlagen.
französischer Herrschaft Vittorio Emanuele ICarlo Emanuele IV
ersten Hälfte des 19. Jh.Carlo Alberto I 5. März 18
Vittorio Emanueles II Camillo Benso Graf von Cavour Il = „Wiedererstehung“ gab dem Prozess und der Epoche schon bald ihren Namen.
italienischen EinigungNapoleon III. Frieden von Zürich
Vertrag von Turin

Der König und sein Ministerpräsident

Giuseppe Garibaldis Zug der Tausend, Vittorio Emanuele IIder Erste, der Zweite.
Giovanni AgnelliFabbrica Italiana Automobili Torino(FIAT) gründete und den Grundstein für den Aufstieg Turins zu einem der bedeutendsten italienischen Industriestandorte des 20. Jh. legte.
WeltkriegeresistenzaAlba nur 23 Tage halten, dann schlug die Besatzungsmacht erbarmungslos zurück.
RepublikEmanuele FilibertoGianni AgnelliRoten Brigaden
Generell hat der Tourismus im Piemont vor allem seit den 1990er-Jahren gewonnen, nicht zuletzt auch durch die Wiederentdeckung der südlichen Weingegenden Monferrato, Roero und besonders Langhe, die einige der besten Weine Italiens hervorbringen. Befördert wird der „Öno-und-Gourmet-Tourismus“ im beginnenden 21. Jahrhundert aber auch durch zwei Piemontesen, die sich dem „guten Geschmack“ wie kaum andere italienische Unternehmer verschrieben haben: Carlo Pertini, der 1987 in Bra die Slow Food-Bewegung aus der Taufe hob, und Oscar Farinetti, Begründer von Eataly, den mittlerweile weltweit vertretenen Gourmet-Kaufhäusern für italienische Lebensmittel.