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© Alfred Hunold 2011
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3. Auflage im März 2017
ISBN: 978–3–7431-3619-9
Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
Wenn wir das gestellte Thema bezogen auf Korschenbroich zu einem ordentlichen Abschluß bringen, so sind damit zugleich einige Grundlagen gelegt, um die Diskussion um einen größeren geographischen Raum, seine früheren Sprachen, seine Besiedlung und seine Geschichte in einem neuen Lichte zu betrachten. Dieser größere Raum ist von dem Forscher Hans Kuhn (1899 - 1988) seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als „Nordwestblock“ bezeichnet worden. Und so gilt für diesen Raum, was allgemein für Völker und Sprachen gilt:
„Das Leben der Völker offenbart sich in der Sprache, dem getreuen Abbilde ihrer wechselnden Zustände, und wo die Geschichte der Völker schweigt, wo der Faden der Überlieferung abgerissen ist, da beleuchtet der uralte Stammbaum der Wörter, welcher den Sturz der Reiche überlebt, den Ursprung der Völker selbst und verewigt ihr Andenken“. (Eichhoff/Kaltschmidt „Vergleichung der Sprachen von Europa und Indien“, Leipzig 1840, S. IX)
Kuhns Thesen sind überwiegend nicht anerkannt worden. Nicht weil einzelne Fragen konträr behandelt wären, sondern weil das Denken der Menschen manche „Mauern in den Köpfen“ lieber stehen ließen.
Vor die Wahl gestellt, aus eigener Überlegung heraus eine Lösung aufzuzeigen oder eine oder mehrere Meinungen aus der Fachliteratur quasi als Zeugen zu zitieren, werden sich viele für die letztere Möglichkeit entscheiden, zumal sie den Anstrich der Wissenschaftlichkeit für sich hat.
„Das Denken schafft Abbilder des Geistes bzw. des Urbildes einer Erscheinung. Der Idealfall tritt – wie Rudolf Steiner dies am Beispiel Goethe immer wieder beschreibt - ein, wenn der denkende Mensch sich in eine fragende Haltung gegenüber dem zu Erkennenden begibt, wenn er die Welterscheinungen studiert, nicht indem er – wie üblich – die Antworten Anderer aufsucht oder durch logische Schlüsse kombiniert, spekuliert und rätselt, sondern indem er Fragen ausbildet und pflegt. Die gewissenhafte Pflege der Fragen gelingt nur bei Unterdrückung jeglichen Vorwissens und aller Meinungen. Erst wenn das Verstandes-Wissen schweigt, entsteht durch die richtig gestellte Frage die Möglichkeit, daß sich der Geist des Objektes im Bewusstsein des Fragenden ausspricht. Dann hat man – wie man sagt – Einfälle, Ideen“. (Hans Bonneval: Umstülpung als Schöpfungs– und Bewusstseins-Prinzip, 2005, S. 104)
Immer wenn eine Sache als ganz sicher dargestellt wird, kann man davon ausgehen, daß vorher Fragen nicht gestellt wurden.
Durch die falsch gestellte Frage „War das Gebiet des Nordwestblocks keltisch oder germanisch?“ wurden Scharen von Sprachforschern in die Irre geleitet. Diese Frage …..“wird nur derjenige lösen, der für keltische und deutsche Namenforschung gleich vorbereitet, nach beiden Seiten hin gleiche Gerechtigkeit zu üben bereit und befähigt ist….“ (K. Müllenhoff, Deutsche Altertumkunde, Bd 2, 1890, S. 236)
Die Meinungen alter Forscher des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts wurden oft weder genügend aufgegriffen noch überprüft, obwohl nicht alles überholt ist. Man hat den Eindruck, daß manchen jungen Forschern eine gewisse Ehrfurcht vor der Wissenschaftsleistung der Älteren abhanden gekommen ist.
Ich hoffe, daß Hans Kuhn eine späte Anerkennung zuteil wird.
Mir ist bewußt, daß sich bei der Deutung so vieler Orts- und Flurnamen einige Fehler einschleichen werden, deshalb muß ich in aller Bescheidenheit oft von „wahrscheinlich“, „vermutlich“ oder „könnte“ sprechen. Da wo mehrere Deutungen möglich sind, wenn auch mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit, geben wir diese an, um dem Leser eine Auswahl zu bieten. Diese Wahlmöglichkeiten sollten nicht mit Unwissenheit oder Unentschiedenheit des Autors verwechselt werden, sondern ist mit der Zubilligung eines "gesunden Menschenverstandes" an den Leser begründet. Obwohl eine große Zahl von Namen in ihrer Bedeutung rekonstruiert werden konnte, möchte ich mich nicht in eine Reihe stellen mit denen, die ein „Ich weiß es nicht“ nie oder sehr spät zugeben würden.
„Das Indogermanische ist die längst ausgestorbene und nur erschlossene Sprache, die den vielen Zweigen der jetzt größten Sprachfamilie des Erdballs zugrunde liegt und durch deren Vergleichung in wesentlichen Zügen rekonstruiert werden konnte. Diese Sprachen reichten im Altertum nicht nur, wie der gewählte Name sagen soll, vom Indischen bis zum Germanischen, sondern sowohl im Osten wie im Westen noch darüber hinaus, und heute ist kein Erdteil frei von ihnen.
Wir kennen einige von ihnen schon im 2. Jahrtausend vor Christus – das Indische, Hethitische (in Kleinasien) und Griechische. Sie waren schon damals weit vom Grundstock abgetrennt und hatten auch schon eine starke eigene Entwicklung hinter sich.
Die Grundsprache, die wir hauptsächlich mit ihrer Hilfe erschließen können, muß in der mittleren und vor allem jüngeren Steinzeit gesprochen worden sein, da jedoch, trotz der Weiträumigkeit der primitiven Kulturen und der großen Beweglichkeit ihrer zumeist noch nicht sesshaften Menschen, gewiß noch auf einem viel engeren Raum, der sich aber ständig erweitert haben wird.
Da die westlichen Indogermanengruppen offenkundig noch lange zusammenblieben, als sich im Osten die ersten großen Gruppen schon abgetrennt hatten, kann das Indogermanische kaum in einem einzigen Zuge in seine vielen Teile auseinandergebrochen sein.
Es wird daher, als sich die genannten östlichen Gruppen – und gewiß noch weitere – schon abgespalten hatten, noch ein Indogermanisch gegeben haben, dass noch nicht den Charakter einer abgesprengten Tochtersprache hatte, ein Spät- oder Restindogermanisch, das zugleich wohl ein Westindogermanisch war.“ (Kuhn, Hans, Das letzte Indogermanisch, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, 1978, S. 3 )
Dieses Indogermanisch soll laut Kuhn zuletzt in einem Gebiet gesprochen worden sein, das er den „Nordwestblock“ nannte.
Der Titel dieser Schrift ist bewußt angelehnt an Hans Kuhn, der 1978 ein Heft „Das letzte Indogermanisch“ veröffentlichte. Einleitend schreibt er, „es geht mir hier darum, ob es gelingt, diesem letzten Indogermanisch näherzukommen und etwas darüber auszumachen, wo und bis wann es gesprochen wurde, und auf welcher Entwicklungsstufe es gestanden haben mag, und wie es beschaffen war.“ (S. 3)
Vielleicht gelingt es uns, auf diesen Anspruch von Kuhn,- über das hinaus, was Kuhn selbst dazu geschriebenen hat -, wenigstens zum Teil eine konkrete Antwort zu geben.
In diesem Sinne möchte ich den Leser auf eine abenteuerliche Reise durch eine alte und zugleich gar nicht so alte Sprachwelt mitnehmen.
Korschenbroich ist eine Stadt von ca. 35.000 Einwohnern, die aus mehreren früher selbständigen Gemeinden gebildet wurde.
Diese Gemeinden hießen Korschenbroich, Pesch, Kleinenbroich, Liedberg und Glehn und sind heute Ortsteile von Korschenbroich. Weitere Ortsteile sind Überseite, Neersbroich, Herrenshoff, Herzbroich, Rader-broich, Steinhausen, Lüttenglehn, Epsendorf, Scherfhausen, Rubbelrath und Steinfort.
Korschenbroich liegt im Westen des Rhein-Kreises Neuss und wird umgeben von den Städten bzw. Gemeinden Mönchengladbach im Westen mit den hier betroffenen Stadtteilen Rheydt, Giesenkirchen, Schelsen, Neuwerk, Geneicken, Üdding; Stadt Willich mit Schiefbahn, Anrath und Kehn im Norden; Stadt Kaarst im Osten mit dem Ortsteil Büttgen und der alten Honschaft Ahn und weiter dem Ortsteil Kaarst und der Stadt Neuss im oder am alten Urstromtal des Rheins Richtung Niers.
Korschenbroich weist insofern sprachlich eine Besonderheit auf, als die sogenannte Benrather Linie mitten durch die Stadt verläuft.
Skizze zum engeren rheinischen Sprachraum:
Die in unserer Arbeit aufgeführten Namen beziehen sich nicht nur auf das Korschenbroicher Stadtgebiet, sondern auf das ganze Feucht- und Sumpfgebiet, das von Neuss bis an die Maas reicht und von dem die beigefügte geologische Karte nur einen Ausschnitt bietet, unabhängig davon, zu welcher Stadt es gehört. Es sind also auch einige Randgebiete von Mönchengladbach, Schiefbahn und Kaarst einbezogen. Andererseits hatten wir nicht einen so guten Einblick in die Flurnamen all dieser Orte, so daß von diesen Randgebieten eher die Namen größerer Bezirke als die von einzelnen Fluren bekannt waren.
Es sind auch einige Namen erwähnt, die vielleicht den einheimischen Lesern nicht geläufig sind, die aber in der heimatkundlichen Literatur über unsere Gegend und in alten Karten enthalten sind.
Das sumpfige Rückzugsgebiet der Eburonen
„Mitten durch die Stadt verläuft die Benrather Linie; der Verlauf dieser Linie im Stadtgebiet ist auf die einst vorhandenen sumpfigen Waldgebiete zwischen den nördlichen und südlichen Stadtteilen zurückzuführen: Niersbruch, Hoppbruch, Bruch am Jüchener Bach (Bongartzweide)“.(Hubert Köhnen, „Unges Platt“, S. 9)
Darüberhinaus war insbesondere das nördliche und östliche Gemeindegebiet früher ein einziges, riesiges Sumpfgebiet, das erst durch die Meliorationen (Trockenlegung) ab 1856 für die Landwirtschaft einigermaßen nutzbar wurde, während es davor stets durch Überschwemmungen und hohen Grundwasserstand gefährdet war.
Dieses vernässte Gebiet zog sich im Westen bis auf das Stadtgebiet von Mönchengladbach (Neuwerk, Lürrip, Üdding und Rheydt) hin, im Norden und Osten bis auf das Gebiet der ehemaligen Gemeinden Schiefbahn und Kaarst.
In dem größten Teil des Gebietes haben wir Gley-, Pseudogley oder Naßgleyböden bei heute noch i.a. 4 – 13 dm Grundwasser unter Flur, teilweise mit starker Staunässe.
Die vorgermanische Besiedlung eines Landes ist in der Regel nicht leicht zu fassen, allerdings macht da unsere Heimat eine besondere und günstige Ausnahme.
Die erste schriftlich überlieferte Besiedlung war die eines Stammes der Belgen, oder Belger, des Stammes der Eburonen. Die Belger waren eine der drei Völkergruppen, die bereits Cäsar in seinem Kriegsbericht "De bello gallico" nannte. Die Eburonen besiedelten ungefähr eine Fläche, die im Norden etwa bei Krefeld eine Grenze hatte, im Westen zur Maas, im Süden durch den Eifelnordrand, und im Osten durch den Rhein begrenzt wurde, (wenn auch nicht ausgeschlossen werden kann, daß Teile dieses Stammes am nördlichen Niederrhein oder jenseits des Rheines, von Duisburg bis Honnef, gesessen haben).
Diese Völkerschaft leistete erbitterten Widerstand gegen die Unterwerfung durch die Römer unter Gaius Julius Caesar um ca. 50 vor Christus. Die Eburonen belagerten ein Winterlager einer römischen Legion und rieben die Truppen dieses Winterlagers anschließend völlig auf, als die sich zu einem anderen Winterlager zurückziehen wollten.
Daraufhin mobilisierte Cäsar mehrere Legionen, hob auch neue Legionen aus, um die Macht Roms zu demonstrieren, verwüstete das Land und vernichtete die Bevölkerung.
Reste der Bevölkerung flüchteten in die Berge, die Ardennen, und in die Sümpfe. („Quorum pars in Arduennam silvam, pars in continentes paludes profugit. VI.Cap. 31)........
Wo einer ein entlegenes Tal oder ein Waldstück fand, das ihm einigermaßen Schutz und Rettung zu bieten schien, da blieb er. (Ubi cuique aut vallis abdita aut locus silvestris aut palus impedita spem praesidii aut salutis aliquam offerebat, consederat. VI. Cap. 34) .......
Alle Dörfer und Gehöfte, die man sah, wurden eingeäschert, und von überall die Beute weggeführt; (Omnes vici atque omnia aedificia, quae quisque conspexerat, incendebantur, praeda ex omnis locis agebatur. VI. Cap. 43) (G. J. Caesar, De bello gallico )......
Das Land, das entvölkert da lag, wurde von den damals rechtsrheinisch siedelnden germanischen(?) Ubiern, die mit den Römern verbündet waren, in Besitz genommen.
Wenn auch nur ein kleiner Teil der Eburonen überlebt haben sollte, so wohl solche, die wie in unserer Gegend in den Sümpfen ein Versteck gefunden hatten. Der Erhalt von nichtgermanischen Orts- und Flurnamen in dieser Fülle, insbesondere auch ihre Dichte in der Fläche, beweist, daß dort eine angestammte Bevölkerung nicht vernichtet wurde, sondern überlebt haben muß.
Wir müssen bei unserem heutigen Kenntnisstand von einem Volkstum ausgehen, das zum sogenannten Nordwestblock gehörte, also weder Kelten noch Germanen waren, und eine Sprache hatten, die als „das letzte Indogermanisch“ gilt (Hans Kuhn).
Wir denken dabei vermutlich mit Recht an die Eburonen, die im Raume Korschenbroich ein Rückzugsgebiet gefunden haben könnten. Korschenbroich ist mit den es umgebenden Niederungen der Niers, der Triet und des Jüchener Baches u. E. ein Zentrum der Namen aus alter Zeit. Das genaue und gewissenhafte Studium der Ortsnamen und der Flurnamen eröffnet den Blick in eine versunkene Sprachwelt, von der noch nicht bekannt ist, in welch alter oder in welch neuer Zeit (erst) die Sprache der Eburonen verklang.
Wir können auch nicht ausschließen, daß die Eburonen früher einmal rechtsrheinisch gesiedelt hatten. Wenn die Ubier ein verwandtes Volk waren, dann wird das Eburonenland nicht sogleich germanisiert worden sein. Erst sehr viel später, als andere Gegenden romanisiert wurden, wovon die verbliebenen Eburonen um Korschenbroich aber auch unberührt geblieben sein müssen, da wir in den Flurnamen keine Spur der Romanisierung finden, wird eine Germanisierung mit dem Einfall der fränkischen Stämme einige Jahrhunderte später allmählich begonnen haben.
Wir wollen außer auf die Namen auch auf die Menschen, die hier lebten und leben, einen Blick werfen. Denn sie sind die Nachfahren derjenigen, die die untergegangene Sprache gesprochen haben. Dadurch können wir ein Gespür für die Kontinuität in unserer Heimat bekommen. Dasselbe wird sich später bei der Betrachtung der Familiennamen herausstellen.
H. Köhnen: „Die Laten waren die von den Franken vorgefundene einheimische Bevölkerung. Die von Salhöfen aus neu gegründeten Hofesverbände, Latengüter genannt, waren mit den Salhöfen eng verbunden. Sie waren diesen dienst- und abgabenpflichtig und fielen beim Tode des Bewirtschafters wieder an den Sal- oder Fronhof zurück. Dieses Heimfallrecht trat allmählich außer Kraft, die Erblichkeit der Latengüter setzte sich als rechtmäßig durch. Im Hofesverbande waren die Laten aber nicht ganz rechtlos. Sie bildeten das Hofesgericht oder die Latenbank, die über die Einhaltung alter Gewohnheiten wachte.
Da die Kurmudsgüter ursprünglich nicht teilbar waren, erhielten die nachgeborenen Söhne eine kleine Behausung, eine Kate. Diese Kätner oder Kötter hatten keinen Anteil an der Feldflur und der Allmende. Ursprünglich waren die Kötter Unfreie gewesen, Nachkommen der von den Franken bei der Eroberung des Landes vorgefundenen Restbevölkerung“. (Köhnen, Kleinenbroich, S. 31)
Die Bezeichnung „Laten“ kann auf urk. lauto- = Reichtum, Gut, sanskrit (altindisch) lota = Beute zurückgeführt werden. Beute = Reichtum aus der Sicht der neuen Herren.
Der Grundherr konnte beim Tode des Laten eine Abgabe wählen, entweder „das Besthaupt“, (das beste Pferd oder die beste Kuh, Besthaupt = beste Nachzucht, haupt = aus dem Keltischen = Nachzucht) oder das beste Kleidungsstück des Verstorbenen. Daher hieß diese Abgabe Kurmud, (von urk. karja = Tadel, im altslawischen noch in der Bedeutung = demütigen, strafen, ureuropäisch karmin = bitter, und urk. meido-s = Ruhm, altbretonisch muoet = Gerichtstag, also nicht wie manche meinen: Kur = wählen). So eine Abgabe zu leisten war für den betroffenen Bauern bitter und stellte ursprünglich eine Demütigung dar.
Tacitus: "Es ist bei den Stämmen Brauch, daß jedermann freiwillig den Oberhäuptern etwas von seinem Vieh oder Korn überläßt; das wird als Ehrengabe angenommen und dient zugleich der Bestreitung des Notwendigen." (Tacitus, Germania, 15)
Ähnliches dieser Art dürfen wir mehr oder weniger überall in Europa voraussetzen. Es war also nicht eine nur auf die Laten abgestellte Belastung.
J. Bremer: 1302 wird von dem Hofe „Kirsmich und Arff mit allen Latengerichten“ gesprochen. (Bremer, Millendonk S. 26.)
„Da das Kleinenbroicher Gaugericht der Auflösung verfiel, stellten sich auch die freien Höfe unter Millendonk. Doch unterscheidet noch das Weistum von 1515 Untersassen = Untertanen, das sind die früheren Laten, und Eingesessene d. s. die freien Besitzer.“ (Bremer, Millendonk S. 76)
„1700 zahlten die Laten „unter dem Glockenturm“ nach dem erneuerten Register an den Küster 249 H. Fahrzins, 17 ½ A., 4 Fettmenger, 4 Hühner. Noch um 1800 (genauer von 27.10.1791 bis 13.3.1792 ) kamen in Millendonk 43 Rt und 35 Stb an Sterbeabgabe der Laten auf, sie wurden dann durch die französische Revolution abgeschafft“.
(Bremer, Millendonk, S. 16.)
H. Köhnen: "Bis ca 1830 sprach man von Köttern, berief in Kleinenbroich Versammlungen von Köttern ein, beschloß gemeinsame Rechtsakte, die von 230 Köttern unterschieben wurden."
(Hubert Köhnen, Kleinenbroich, S. 20)
H. Kuhn: Zitat: „Ich kehre nun in das von der ersten germanischen Ausbreitung umgangene Land zwischen Aller und Rhein zurück.
Da hier große Mengen von Orts- und Personennamen und auch anderen Wörtern in die Sprache der neuen Herren übergegangen sind, .... so kann hier, in starkem Unterschied zu den größten übrigen Teilen Deutschlands, kein großer Teil der alten Bewohner ausgerottet oder verjagt worden sein.
Dies wird dadurch bestätigt, daß seine Bevölkerung auch in der späteren Geschichte die zähe Beharrenskraft gezeigt hat, mit der sie sich lange sowohl der Germanen wie der Kelten erwehrt haben muß und dann die Römer zwang, sich mit der Rheingrenze abzufinden.
Die wenigen Kriterien, die ich hier bringen konnte, zeigen, daß das Land zwischen Harz und Rhein in der Zeit der Römerkriege von der Germanisierung erfaßt war, lassen aber offen, wie weit.
Daß sie abgeschlossen war, ist unwahrscheinlich. Ich folgere das kaum noch aus der sehr späten Verschiebung des k- im Anlaut weiter westlich und seiner Erhaltung in vielen Namen und Vokabeln im Zwischenland, wohl aber aus dem eigentümlichen Welchen-Ennest und der Bewahrung des indogermanischen o (statt a) in einigen Namen. (v.a. *Logina neben *Lagina im Namen der Leine).
Es ist unwahrscheinlich, daß die o-Formen vor der späteren Römerzeit ins Germanische gelangt sind. Ähnlich wie diese o neben a stehen, wie schon bemerkt, auch in diesen Gebieten, weit verstreut, neben dem herrschenden H- vereinzelte bewahrte K-, Callendoorn (Overijssel) und Kaldern (bei Marburg) neben Hellendoorn, Kersne (jetzt Zerßen bei Rinteln), Künsebeck (w. Bielefeld), Keflike (bei Brilon) neben Heerse, Hunse, Heflike, usw.
Sie scheinen für die absolute Chronologie nicht verwertbar, beweisen aber ebenso wie die o neben a, daß die Germanisierung dieser Provinzen nicht in schnellem Zuge erfolgt sein kann. Sie muß sich durch mehrere Jahrhunderte hingezogen haben.
Auch ihre Formen können sehr verschieden gewesen sein. Abseitige Lage der Orte mit vorgermanischen Namen weist in einigen Teilen auf Verdrängung von den guten Böden und aus den besten Lagen, die dann von den erobernden Germanen besetzt sein müssen, zentrale Lage anderer wie auch das Fortleben vieler alter Stammesnamen jedoch auf große Schonung des Alten, die hinterlassenen Wörter Late und Kate (Kotten) wiederum auf Minderung des Rechts und der wirtschaftlichen Stellung.
Wir müssen allerdings davon ausgehen, dass neben dem indogermanischen, dem belgischen und germanischen, auch noch eine heute vaskonisch genannte Sprachschicht bestand. (Vorläufer des Baskischen)
Im ganzen deutet das Zeugnis der Namen und der Sprache auf einen langsamen und ziemlich ruhigen Übergang von einem Volkstum zum anderen.“ Zitat Ende. (Hans Kuhn, Völker zwischen Kelten und Germanen, S. 126 )
Es stellt sich nun die Frage, bis wann die eburonische Sprache gesprochen worden ist.
Das ist die wichtigste Frage des ersten Teiles dieser Arbeit.
Die Antwort kann erst am Ende dieses Teiles gegeben werden.
Die Deutung der Orts- und Flurnamen stößt natürlicherweise auf große Schwierigkeiten, weil sie oft aus alter Zeit stammen und die Namen nicht mehr verstanden werden. Das kann insbesondere daher rühren, daß sie aus fremden Sprachen stammen, die zu verschiedenen Völkern gehört haben können.
Diese Völker haben in der Vorzeit in unserem Raum gelebt, und zwar in der Regel nacheinander, und alle haben irgendwie mehr oder weniger ihre Spuren in der Namenwelt hinterlassen. Das heißt zugleich, dass manche der aufgefundenen Namen nicht unbedingt von den Eburonen stammen müssen.
Bei diesen alten Namen stehen wir oft vor einem Rätsel, wir können uns dem Sinn eines fremden Namens nur nähern, indem wir vergleichen und Analogieschlüsse ziehen, wo gleiche oder ähnliche Namenwörter auftauchen, in welcher Kombination z.B. zusammengesetzte Wörter auftreten, in welcher geographischen Lage, für welche Landschaft sie verwendet wurden, und wo der Siedlungsraum bestimmter Völker oder Sprachgruppen lag, sofern wir das wissen.
Mit schriftlichen Belegen wird man nur in Ausnahmefällen in eine frühere Zeit als um das Jahr 1000 n. Chr. kommen. Sie sind nützlich, aber auch sie können uns irreleiten, wenn die Namen früh entstellt worden sind.
So wird man bei einigem Einfühlungsvermögen in frühere Zeiten zu der Erkenntnis kommen, daß die meisten der geographischen Namen einen Bezug zur Landschaft haben, insbesondere Namen, die eine Beziehung zum Wasser haben, also Fluß, Bach, Teich, Wasser, Sumpf, Moder, Moor, Feuchtigkeit, Morast, Schlamm, da gerade sie eine starke Bedeutung im ländlichen Leben im allgemeinen und insbesondere in unserem, von Sümpfen geprägten Raum hatten.
„Die älteste Schicht der Flußnamengebung, die “primitivste“ Stufe der Flußlaufbezeichnung ist da, wo nur noch das Wasser allein gilt, das man freilich sehr genau und mit geradezu naturhaften Sinnen beobachtet haben muß, ihm immer wieder neue Eigenschaften ablauschend, um es mit ständig wechselnden Wasserwörtern zu benennen“. (Hans Krahe)
Zwar können wir eine Auffassung nicht teilen, die glaubt, sämtliche alte Namen auf den Bedeutungskreis Wasser und Feuchtigkeit zurückführen zu können, so der Namenforscher Bahlow.
Aber es dürften doch die meisten sein und erst recht in den Fluren des Untersuchungsgebietes. Das zu erkennen ist sein Verdienst. Andere Deutungen werden so wie in unseren Zeiten sich auf die Art des Geländes beziehen, Heide im Sinne von Trockenheit, Art der Bewaldung, Baumstümpfe, Stockholz, Hochwald, Wiesen, Acker, freies Land, steiniges Land, Art der Gewässer, Sumpf, Tümpel, Wassergräben, Moor, Tallagen.
Aber auch andere Sinndeutungen sind möglich bis hin zur Art der Gewässer, ob stille oder rauschende. Man kann das daran erkennen, welchen Sinn gleiche Wortstämme in verwandten Sprachen haben.
Schließlich können Gewässer auch Grenzen markieren, dafür haben wir etliche Beispiele.
Es sind uns auch Flurnamen überliefert, die ein Grenz(wach?)häuschen bezeichnen, oder ein Schlachtfeld, ein Feld einer schmachvollen Schlacht, eines Verrates, ein Ort, wo früher einmal ein Metallhort gestohlen wurde, eine Zwingburg oder Festung, oder einen Ostwald, usw.
Die Umgestaltung und Umdeutung, die wir oft als Verballhornung bezeichnet wird, betrifft Namen jeden Alters und kommt meist aus einem Mißverständnis heraus zustande. Die Menschen geben einen Namen weiter, so wie sie ihn verstehen. Gute Beispiele sind die sich auf Tage beziehenden Bezeichnungen wie Gründonnertag („grün“ = greinen = weinen) und Rosenmontag („rosen“ = roesen“ = sich wild benehmen).
„Dennoch liegt einem Namenbenutzer nicht selten daran, das sprachliche Gebilde, mit dessen Hilfe er sich mit anderen Sprachteilnehmern verständigt, auch zu verstehen. Nicht zuletzt hierauf beruhen die volksetymologischen Umdeutungen, die ein nicht mehr durchsichtiger Flurname erfahren kann“
(U. Scheuermann, Germanistische Linguistik 2, Die sprachliche Erschließung der Dorfflur mit Hilfe von Flurnamen, Anm. 18, S. 563).
Dabei können wir in unserem Falle die Feststellung treffen, dass sich auf zwei alte Sprachschichten eine neue germanisch-deutsche Schicht gelegt hat, meist ohne die anderen Sprachschichten überhaupt zu erkennen, geschweige denn ihren Sinn, nur um die alten Wörter, so wie sie sich angehört haben mögen, in ein neues germanisch-deutsches Sprachgewand zu kleiden.
Dieses Sprachgewand gab dann manchmal gar keinen Sinn. “Eilv morg bun“ ergibt dann ein „Elf Morgen Baum“. Das ist dann noch der günstigste Fall, man erkennt wenigstens, dass da was nicht stimmt; anders liegt es, wenn das Namenwort anscheinend aus dem Hochdeutschen entnommen und einen ganz plausiblen Sinn ergibt.
Beispiele sind Kirchkamp, Martinshütte, Heiligenhäuschen, Bilderstöckchen oder Kleinenbroich. Hier ahnt der Betrachter die tieferliegende Sprachschicht nicht, die sich nur dem aufschließt, der alles kategorisch in Frage stellt. Zu oft werden Namen kritiklos hingenommen und man merkt nicht, dass man einer Verballhornung, einem abgeschliffenen Namen oder nur einem zufällig gleichlautendem Namen aufgesessen ist.
In jedem Fall ist es bei Orts- und Flurnamen ratsam, eine gefundene Deutung mit der Topographie, also der Landschaftsbeschreibung, zu vergleichen.
Zur Gliederung der gefundenen Namen ist folgendes zu sagen:
Ganz allgemein unterscheiden wir
Beispiel: Pastoratstraße
Pastorat ist ein üblicher Ausdruck für einen Wohnsitz eines katholischen Pastors, auch dessen Amtssitz so genannt.
Wenn allerdings ein Weg in den Wald führt, wo nirgends und nie ein Pastorat gewesen ist, wird der Namenforscher mißtrauisch.
Vermutlich von irisch bass oder bos = Klaue, Huf oder Rindvieh, von urkeltisch bousso- = Rindvieh
cymrisch. to = Präposition mit Dativ, deutsch etwa „zu“ oder „auf“ cymrisch rhath = Fläche, Ebene, Wiese, urk. razd = reiben, glätten, straße = stroot = urk. sredo- = Strom, Guss und urk. srutu- = Fluß > nasses Gehölz
also nasses Gehölz an einer Kuhwiese
Beispiel: Magistergemeinde
Eine Flur dieses Namens muß aufhorchen lassen. Er ist offensichtlich zwar hochdeutsch, aber unsinnig.
mag von urkeltisch makaia = Feld
"Ister" von irisch ichtar = untere, also unteres Feld
Gemeinde = entstellt aus irisch moin = Sumpf, urkeltisch makni, mokni = Sumpf, cymrisch mawn; es kommt vor, daß ein vorkeltisches Stammwort mit deutschen Vor- oder/und Nachsilben ergänzt wird, also sumpfiges unteres Feld
Beispiel: Taubenschlag
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