Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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ISBN 9783753452692
© Johannis Sinnig 2021
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt.
Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus zu vervielfältigen (Photokopie, Scann, Mikrokopie)
Die Arbeit an dem Buch war nicht möglich ohne langjährige Unterstützung von Freunden und Verwandten. Als ich mich Ende 1990 entschlossen hatte, allein an dem Cheopspyramidenprojekt weiterzuarbeiten, konnte ich noch nicht ahnen, wie viel Aufwand an Zeit und Geld das kosten würde.
Wenn ich trotzdem den eingeschlagenen Weg nicht verlasse, tue ich es in der Hoffnung, durch neue Forschungsergebnisse das Interesse der Öffentlichkeit an der Pyramidenkammerfrage wachzuhalten und zu einer breit angelegten Untersuchung der großen Pyramiden mit modernsten technischen Geräten anzuregen.
Wichtig auf diesem Weg waren immer wieder Freunde und Verwandte, die mich bestärkt und ermuntert haben. An erster Stelle sei hier meinen Eltern Ursula und Gernot Homeyer gedankt. Neben Interesse und Zuspruch war es auch ihre finanzielle Unterstützung, die mir ein Weitermachen ermöglichte. Frau Christel Mathes, die Mutter meiner Frau, ermöglichte uns die erste Studienreise nach Ägypten. Ihr verdanke ich auch den Hinweis auf das deutsche Forschungsprojekt an der Cheopspyramide unter Leitung von S. Wachsmann. Frau Haas übersetzte für meine Arbeit die sehr umfangreichen Forschungsunterlagen der Franzosen und Japaner aus dem Englischen ins Deutsche. Katharina Beyer-Herth schenkte mir das Buch von Thomas Hoving, dessen Darstellung des 4-Kammersystems der Tutanchamun-Grabanlage die Grundlage für meine Arbeit an dem vorliegenden Buch über die 7 großen Pyramiden bildet.
Herrn Frank Teichmann in Stuttgart sei herzlich gedankt für seine Bereitschaft, sich als Fachmann mit meinen Thesen zu beschäftigen und mir wertvolle Anregungen zu geben. Auch allen anderen, die mich unterstützten, sei hier gedankt. Für die 2. Auflage wurde ein neues Kapitel geschrieben, „Sedfest und Pyramiden“. Es erschien mir notwendig, weil die alleinige Fixierung auch von Fachleuten auf die These von Pyramiden als Grabbauten aus meiner Sicht ablenkt von weiteren Elementen der Pyramidenfunktion. Die Pyramide war der ewige Jenseitspalast des Pharao, eine Definition als Grabbau beschreibt ihre Bedeutung aus ägyptischer Sicht in keiner Weise. Die Pyramiden waren nicht Ende sondern Ausgangsort magischer Wirksamkeit des vergöttlichten Herrschers. Sie waren „Orte des Aufstiegs“, „Snofru erstrahlt“, „Chephren ist groß“, „Horizont des Cheops“, Wohnungen von lebenden Gottkönigen.
1 Cheopspyramide, alter und neuer Eingang an der Nordseite. 4. Dynastie, um 2550 v. Chr.
Viele Ägyptenreisende, welche die drei großen Pyramiden von Giseh besucht haben (jene von Cheops, Chephren und Mykerinos, Fotos rechts), kennen die frei zugänglichen Kammern im Inneren dieser gewaltigen Bauwerke. Wenn die Räume nach einer beschwerlichen Kletterei durch enge Gänge aufgesucht werden, ist die Enttäuschung oft groß, denn sie enthalten keinerlei Bildnisse oder Statuen, von Schätzen oder Mumien nicht zu reden. Leere, große Räume, in einigen befinden sich leere Sarkophage (Foto Mitte rechts).
Ein kundiger Fremdenführer wird dem Besucher mitteilen können, dass auch in unmittelbarer Vergangenheit keine Funde in den Pyramidenkammern gemacht wurden. Aus dem Mittelalter existieren Berichte der arabischen Eroberer von Statuenfunden in den Pyramiden, von diesen Statuen fehlt heute aber jede Spur, die Berichte sind so phantastisch ausgeschmückt, dass ihr Wahrheitsgehalt fragwürdig ist1. Wir kennen daher nur die riesigen Pyramiden mit ihren schweigenden, leeren Kammern. Die plausibelste Erklärung für diesen Mangel ist die von Grabräubern schon in frühägyptischer Zeit. Tatsächlich ist von keiner einzigen der großen Pyramiden auch nur ein winziges Stück eines Grabschatzes oder Reste eines Begräbnisses bekannt und zugänglich2.
Die im vorliegenden Buch aufgestellte These von drei bisher ungeöffneten Grabkammern mit Grabschatz und intakten Mumien kann sich daher nicht auf den Vergleich mit einem vollständig erhaltenen Königsgrab aus der Pyramidenzeit stützen. Das älteste unversehrte Pharaonengrab ist jenes des Tutanchamun aus dem Tal der Könige und stammt aus der Zeit des Neuen Reiches, etwa 1200 Jahre später als die Pyramiden des Alten Reiches.
Was sich erforschen und vergleichen läßt, sind die leeren Räume der sieben großen Pyramiden und die Königsgräber zeitlich vor diesen Bauwerken. Beim Vergleich dieser Kammern kann sich herausstellen, dass die Kammern einem einheitlichen Baugedanken folgen. Diesem Baugedanken zufolge zeigen heute drei der sieben großen Pyramiden nicht das vollständige Kammerprogramm. Das kann zweierlei bedeuten: Der Bauherr hatte aus einem uns unbekannten Grund auf einen Raum verzichtet - oder dieser Raum befindet sich noch unendeckt in der Pyramide. Weil es sich in den Pyramiden bei den „fehlenden“ Räumen nur um die Körpergrabkammern handeln kann, liegt der Schluss nahe, in diesen Kammern noch die intakten Grabschätze mit den Mumien der Grabherren zu vermuten.
Wenn es gelänge, einen Weg zum Verständnis des Kammersystemes der Pyramiden zu eröffnen, wenn wir die stummen Zeugen zum Reden bringen könnten, dann würde sich vielleicht auch der Zugang zu bisher verborgenen Kammern erschließen.
Unser Verständnis der Pyramidenzeit würde durch die Entdeckung und Öffnung von Königsgräbern in eine neue Dimension katapultiert. Wenn wir jetzt kaum etwas über diesen Abschnitt der ägyptischen Geschichte wissen, so würden plötzlich drei vollkommen intakte Königsgräber der drei wichtigsten und größten Pharaonen Auskunft geben über ihr Leben, ihre Zeit und ihr Verständnis der Welt. Dazu käme möglicherweise eine weitere noch ungeöffnete Kammer in der Meidum-Pyramide, die als Statuengrab genutzt worden sein könnte. Vom berühmten Pharao Cheops etwa kennen wir bisher nur eine einzige sicher datierte Statuette (Foto rechts), seine Grabkammer würde überwältigend neue Statuen und Kunstschätze zeigen. Auch sein Vater Snofru und sein Sohn Chephren sind uns bisher nur aus wenigen originalen Zeugnissen bekannt.
2 Die drei Pyramiden von Giseh, von links: Mykerinos-, Cheops-, Chephrenpyramide. 4. Dynastie, ab 2550 v. Chr.
3 Cheopspyramide, „Königskammer“ aus Granit mit leerer Granitwanne. 4. Dynastie, um 2550 v. Chr.
4 Kleine Elfenbeinstatuette des Cheops aus Abydos. Einzige sicher datierte Darstellung dieses Pharaos. 4. Dynastie, um 2550 v. Chr.
5 Windrose mit den 2 Himmelsachsen. Die Achsen sind dem ägyptischen Weltbild entsprechend angeordnet, welches Süden als Hauptrichtung hatte. Die Südnord-Achse entspricht dabei dem natürlichen Verlauf des Nil und repräsentiert auch die beiden vereinigten Landesteile Ober-und Unterägypten, es ist die „Königsachse“. Ostwest repräsentiert den Sonnenlauf.
6 Zwei Kammern aus der Mykerinospyramide. Die obere Kammer hat eine Ostwest-Achse, eine flache Kammerdecke und ist aus dem Kalkfelsen gehauen, die untere Kammer besteht aus Rosengranitquadern, zeigt ein gewölbtes Kammerdach und verläuft Südnördlich. Die untere Kammer gilt als die Körpergrabkammer. 4. Dyn., um 2520 v. Chr.
7 Querschnitt des massiven Oberbaues über dem „Südgrab“ des Djoser in Sakkara. 3. Dyn, um 2600 v. Chr. Daneben die Hieroglyphe des „Gotteszeltes“, gebildet aus einem Zelt mit gewölbter Decke und dem Zeichen für „Gott“.
Wenn schon die Öffnung des Tutanchamun-Grabes eine wahre Hysterie ausgelöst hatte, so ist kaum vorstellbar, welche Wirkungen eine Entdeckung und Öffnung von drei vermuteten Gräber des Snofru, Cheops und Chephren hätte. Im Notgrab des eher unbedeutenden Königs Tutanchamun fanden sich über 4500 kostbare Objekte, alleine der goldene Sarkophag wog 225 Kilogramm. Von den ungleich bedeutenderen Gottkönigen Snofru, Cheops und Chephren können wir ein vielfaches an Pracht und Fülle erwarten bei der Ausgestaltung ihrer Grab- und Schatzkammern. Einen blassen Abglanz der künstlerischen Hochblüte jener Zeit bietet als Beispiel die Opfertafel der Prinzessin Néfertiabet aus der Zeit des Cheops (Foto rechte Seite).
Um verborgene Kammern der Pyramidenzeit finden und öffnen zu können, müsste aber erst einmal die Möglichkeit des Vorhandenseins solcher Kammern untersucht und diskutiert werden, was in der archäologischen Forschung nicht geschieht. Archäologen behaupten, die aktuelle Forschung hätte alles Wesentliche schon entdeckt und besprochen, verborgene Kammern könnten ausgeschlossen werden3. Die durch Gantenbrink neuentdeckten Bereiche mit Gangblockierung in den Schächten der Cheopspyramide sollten jedoch vorsichtiger machen mit Aussagen wie “da ist nichts mehr”4.
Vermutlich werden es daher nicht die etablierten Archäologen sein, die Aufgrund meiner neuen Untersuchungen eine Messkampagne starten werden, um meine Theorien zu widerlegen oder zu erhärten. Ich hoffe auf eine interessierte “außerarchäologische” Öffentlichkeit, auf Einzelne, die sich mit der Überzeugungskraft von Argumenten und Fakten beschäftigen, nicht mit Lehrbuchmeinungen und Tabus. Vielleicht reizt es auch den einen oder anderen Sponsoren, außerhalb der breit getretenen Pfade eine Forschung zu unterstützen, die neue Horizonte öffnen könnte.
Der Nachweis dreier bisher ungeöffneter Gräber aus der Pyramidenzeit ist seriöserweise nur mit erheblichem Aufwand möglich. Daher verlasse ich mich nicht auf eine einzige Indizienkette, insgesamt verfolge ich in diesem Buch vier aufeinander bezogene Argumentationsreihen:
Ergebnis: Orientierung Nordsüd. (Kapitel 2: „Himmelsrichtungen und Gräber“). (Bild oben links: Die Körpergrabrichtung „Nordsüd“ ist rot markiert, die Kultraumrichtung „Ostwest“ blau)
Ergebnis: Deutlicher Befund bei U-j und Udimu-Den in Abydos, ebenso bei Djoser in Sakkara, der Knickpyramide des Snofru und der Mykerinospyramide in Gize (Kammerfotos links Mitte). Vermutet bei der Roten Pyramide des Snofru, der Cheopspyramide und der Chephrenpyramide. Der Nachweis wird im Kapitel 3 “Das Süd-Ka-Grab” geführt.
Ergebnis: gewölbte Decke als Aussenform bei den Abydosgräbern der Frühzeit, Übernahme bei Djoser im Südgrab (Foto links Unten), Hereinnahme bei Snofru als Innenform in Meidum in die Vorkammern, bei der Knickpyramide in die Grabkammer, Verschmelzung mit der Grabkammer bei Mykerinos (Foto links Mitte). Vermutet bei der Roten Pyramide des Snofru, der Cheopspyramide und der Chephrenpyramide. (Kapitel 5: „Das Gotteszelt“).
Ergebnis: Räume in Nebenpyramiden mit „T-Grundriss“ werden (auch von Facharchäologen) als „Kultraum“ angesehen. Eine Kammer mit dem gleichen Grundriss in der Hauptpyramide muss deshalb ebenfalls als Kultraum definiert werden (Foto rechts). Die Schlussfolgerungen daraus werden im Kapitel 6 „Die Geheimkammern der Pyramiden“ besprochen.
Die Schwierigkeit bei meinen Untersuchungen besteht darin, dass wir als “harte Fakten” nur die Pyramidenkammern haben. Diese Kammern sind vollkommen leer und ohne Inschriften. Im Verlauf meiner Untersuchungen hat sich aber gezeigt, dass die Grundrisse selbst wie Schriftzeichen zu lesen sind. Dazu muss unser gewohntes Weltbild mit der Hauptrichtung „Nord“ auf den Kopf gestellt werden. Es fällt nicht leicht, die nach Süden orientierte ägyptische Landkarte als neue Basis auf Bauwerke und Kultobjekte anzuwenden. Wenn man sich aber darauf eingelassen hat, erschließt sich der wundervoll sinnvolle Zusammenhang der altägyptischen Welt.
8 Opfertafel der Prinzessin Néfertiabet aus der Zeit des Cheops. 2550 v. Chr.
9 Mykerinospyramide mit Nebenpyramiden. Grundrisse: Nebenpyramidenkammer mit T-Grundriss und Hauptpyramidenkammer mit T-Grundriss.
12 Giza, der Sphinx vor der Chephrenpyramide.
4. Dynastie, um 2530 v. Chr.
Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Raumprogramm der Pyramide des Chephren (Bild linke Seite). Zu diesen Räumen gehören auch Anlagen ausserhalb der Pyramide, welche zunächst untersucht werden sollen. Um auf das Plateau von Giseh zu gelangen, welches den Untergrund für die Pyramide bildet, müssen wir eine rätselhafte Steinfigur passieren, den Sphinx. Vermutet werden kann, dass es sich hier um eine Wächterfigur handelt, am Eingang zum Reich der Toten. Dieses Reich liegt in Ägypten immer im Westen, entsprechend dem Untergangsort der Sonne. Der König folgt im Leben wie im Tode seinem göttlichen Vater, der Tagessonne Re. Neugeboren im Osten wie Horus, Herrscher über die Erde wie Re im Süden, alt und sterbend wie Atum im Westen und als Totengott im Norden wie Osiris5.
Weil sich der Sphinx vor dem Aufweg zur Chephrenpyramide befindet, wird er auch als Personifikation von Chephren gesehen. Der Königs selbst bewacht seine letzte Ruhestätte, in der Gestalt eines mächtigen Fabelwesens, auf seinem Steinkopf ursprünglich eine Uräusschlange, welche nach altägyptischem Verständnis als Sonnendämon Feuer speien konnte. Die Steinsphinx erhält dadurch drachenähnliche Eigenschaften, ihr arabischer Name „Abu Jawl“ bedeutet „Vater des Schreckens“.
Die hinter der Wächtersphinx aufragende Pyramide war ursprünglich mit glatt polierten Kalksteinplatten verkleidet. Im Sonnenlicht glänzte und blendete sie wie ein kosmischer Kristall, sie ist ebenso wie der Sphinx ein Repräsentant des Sonnengottes Re, der sich mit dem in der Pyramide ewig wohnenden Pharao vereinigt hatte.
Neben dem Sphinx befindet sich der Taltempel des Chephren, in dessen Hof sich ursprünglich 23 Granitstatuen des thronenden Königs befanden. Eine dieser Statuen ist rechts oben abgebildet. Hinter dem Kopf umfängt der Horusfalke als Symbol der wiedergeborenen Sonne den Kopf des vergöttlichten Königs. In einer Rekonstruktionszeichnung hat der berühmte deutsche Archäologe Ludwig Borchert die ursprüngliche Situation der Statuen im Taltempel dargestellt (Zeichnung rechts Mitte). Im Taltempel wurden den Königsstatuen reichhaltige Opfer gebracht, noch lange nach seinem Tode vertraten die Statuen stellvertretend den mächtigen Pharao. Im magischen Bewußtsein der Ägypter wurde dabei kaum zwischen Statue und Mumie des Grabherren unterschieden, ebenso wie die Mumie wurde die Statue durch einen zauberkräftigen Vorgang mit Leben erfüllt, dem „Mundöffnungsritual“. Es machte daher Sinn, den Statuen Gaben mit Lebensenergie zu opfern. Diese Lebensenergie, auch „Ka“ genannt, konnte durch eine Scheintür als magische Verbindung der Statue zur Mumie auch der Mumie des Grabherren zukommen.
Im Taltempel haben wir einen öffentlichen Raum, der jederzeit für den Totendienst zugänglich war. Der Totendienst, dessen wesentliches Merkmal die Opferung von Nahrungsmitteln vor den Statuen war, wurde von einer ganzen Heerschar von Totenpriestern geleistet, auch lange nach dem Ableben des verehrten Königs. Große Städte und Verwaltungszentren wurden für die Aufrechterhaltung dieses Dienstes errichtet, das ganze Land war den Zentren zu Abgaben verpflichtet6. Es kann sogar davon gesprochen werden, dass die Pyramiden mit ihren vergöttlichten Grabinsassen und den angeschlossenen Verwaltungseinrichtungen die eigentlichen Machtzentren des altägyptischen Reiches waren. Zu Lebzeiten des Königs verwendete dieser einen Großteil seiner Energie auf die Errichtung der gewaltigen Pyramiden, das gesamte Land mit seinen Ressourcen an Mensch und Material diente dazu. Nach dem Tode dann waren die Pyramiden Zentren des Opferkultes.
10 Dioritstatue des Chephren mit dem Horusfalken als Symbol der aufgehenden östlichen Sonne.
11 Westlicher Abschnitt des T-förmigen Innenraumes des Taltempels mit den Statuen (Rekonstruktion nach Borchardt).
13 Grundriss des Taltempels der Chephrenpyramide. Links konnten Schiffe von einem Seitenkanal des Nil aus in einem Hafen anlegen, rechts führt ein 494 m langer Aufweg an die Ostseite der Chephrenpyramide, zum Totentempel. Die Chephrenstatue stand mit 22 weiteren Plastiken im T-förmigen Innenraum.
14 Grundriss des Totentempels unmittelbar an der Ostseite der Chephrenpyramide. Vom offenen Opferhof bot sich der Ausblick auf die Pyramide, die Scheintür im Westen bildet den Übergang zum Totenreich.
Der Taltempel des Chephren (Bild links) demonstriert auch heute noch die große Bedeutung, welche dem Ka-Opferkult zukam. Gewaltige Granitquader bilden eine T-förmige Pfeilerhalle, der Fußboden war mit Alabasterplatten ausgelegt. Die T-Halle kann als Repräsentant der 2 Himmelsachsen Südnord und Ostwest gesehen werden. Von der Nordecke der Pfeilerhalle führt ein ursprünglich bedeckter Gang hinauf zur Ostseite der Chephrenpyramide. Dort mündet er in einen Totentempel (Bild unten) mit Scheintür zur Pyramide.
Im Totentempel führt der Weg durch zwei Hallen mit Decke, ehe er in einen offenen Opferhof hinausläuft. Von diesem Hof aus muß sich jedem Besucher ein überwältigender Anblick geboten haben: Nach dem dunklen Taltempel am Fuße des Aufweges, dem ebenfalls abgedunkelten Aufweg und den dunklen Vorhallen erschien im gleißenden Sonnenlicht die glatt polierte kalksteinweiße Ostwand der Chephrenpyramide. Überirdisch, ein Kristall aus Licht, Manifestation des zur Erde gestiegenen Sonnengottes. Hinter dem offenen Opferhof erwarteten weitere 5 Statuenschreine die Gaben des Besuchers, Opfermagazine nahmen kostbare Geschenke auf.
Eine Scheintür zwischen Totentempel und Pyramide erlaubte dem Grabherren, die öffentlich zugänglichen Bereiche seiner Grabanlage als Geist zu betreten, Lebens-Ka-Kraft aufzusaugen und sich der Geschenke zu erfreuen. Diese Scheintür ist der Schlüssel für unser Verständnis der magischen Grundkonzeption der Pyramidenanlagen: Offenbar konnte der Geist des verstorbenen Königs vom Grab in der Pyramide durch diese magische Tür den Taltempel betreten, dort den Anwesenden erscheinen und sich an den mitgebrachten Opfergaben erfreuen, ja regelrecht die Lebenskraft der Speisen und Trankopfer aufsaugen. Ein Besucher, etwa der Thronfolger, konnte so über die Opferung von Lebensenergie noch über den Tod hinaus Kontakt zu seinem Vorgänger aufnehmen, sich Rat und Beistand von ihm holen, wohl auch dem ganzen Land den Segen des vergöttlichten Ahnen vermitteln. Auch die Legitimation des Nachfolgers zur Herrschaft wurde dadurch neu bestätigt.
15 Dioritstatue des Chephren
16 Lageplan der Grabanlagen auf dem Giseh-Plateau westlich von Kairo. Eingezeichnet sind im Osten ehemalige Hafenanlagen für die einzelnen Pyramiden, verbunden mit einem zum Nil führenden Kanal. Über die Häfen konnten die Pyramiden mit Schiffen erreicht werden. Aufwege verbanden die Taltempel mit den Totentempeln, welche direkt an die Pyramiden anschlossen. Im Westen und Osten der Cheopspyramide befinden sich Gräber von Angehörigen der Königsfamilie und Beamtengräber. Besucher können heute die Pyramiden von Eingängen im Norden betreten.
Die Gesamtanlage der drei Pyramiden von Giseh zeigt deutlich, dass die Pharaonen für ihre letzte Wohnung einen ganzen Komplex von Kultstätten, Kammern und Bauwerken errichten ließen. Auch wenn wir heute Einzelheiten dieser Gesamtanlage nicht mehr verstehen, können wir doch deutlich zwischen zwei Bereichen unterscheiden: Im Osten befindet sich mit den Taltempeln ein öffentlich zugänglicher Teil, über Kanäle konnten Besucher mit Schiffen bis unmittelbar an die Tempel heranfahren. Während der Bauzeit wurden so Millionen Tonnen Gestein angeliefert, nach der Fertigstellung der Grabanlagen konnte die Bestattung über Schiffe erfolgen, danach war der Totenkult das Ziel öffentlicher Aktivitäten. Die unmittelbar an die Pyramiden angrenzenden Totentempel waren über gedeckte Aufwege sicherlich nur noch für wenige Auserwählte erreichbar. Denkbar wäre das Privileg für den Thronfolger, nahe an der Grabstätte seinem Vater huldigen zu können. Die Pyramiden selbst boten nach Außen keinerlei Zutritt mehr. Ihr Inneres war nach ägyptischem Verständnis ein „Geheimnis“, ein anderes Wort für „Mumie“ und „Verbergen7“. Die Zweiteilung der Pyramidenstätte kann als „Diesseits“ (Osten, Leben) und „Jenseits“ (Westen, Tod) beschrieben werden.
17 Rosengranitquader im Taltempel des Chephren. Westlicher Bereich der Inneren Kammer mit T-Grundriss. In den Nischen waren 23 Dioritstatuen des Chephren aufgestellt.
Der Chephrentaltempel ist der einzige gut erhaltene Tempel des Alten Reiches, die monolithischen Rosengranitblöcke sind fugenlos verbaut (Abbildung oben). Dieser Granit mußte auf dem Nil aus dem über 800 km entfernten Assuan herangeschafft werden, ein einzelner Block kann bis zu 400 t wiegen. Die Ausstattung des Chephrentaltempels mit kostbarem Rosengranit steht in merkwürdigem Kontrast zur Ausführung der bekannten Kammern der Chephrenpyramide in Kalkstein, was uns noch beschäftigen wird.
18 Querschnitt der Chephrenpyramide. Die Kammer neben der Mittelachse wird von einigen Archäologen als Grabkammer angesehen. Sie ist ebenso wie die nördlich davor befindliche Kammer in den gewachsenen Kalkfelsen eingetieft. Auf dem Felsen wurden große Kalksteinplatten dachförmig aufgestellt, um die Decke der Kammern zu bilden. Der Eingang in diese Kammern ist an der Nordseite der Pyramide.
19 Westeingang in die Knickpyramide des Snofru (Vater des Cheops) in Daschur. Bis in die 50er Jahre des 20. Jhd. war der Eingang verschlossen, dann erst brachen Archäologen von innen einen Durchgang in die Außenverkleidung der Pyramide. Vor unbekannter Zeit war im Pyramideninneren von einem unteren Kammersystem aus ein Zugangstunnel in ein oberes Kammersystem gebrochen worden. Von diesem oberen Kammersystem aus führt ein vermauerter Zugangsschacht zur westlichen Außenwand. Ohne die innere Verbindung wäre der zugemauerte Eingang in der Westwand nie entdeckt worden. Bisher ist dieser Eingang der einzige Westeingang in eine der sieben großen Pyramiden, alle anderen bekannten Eingänge gehen von Norden aus. 20 UNTEN: Chephrenpyramide, Mittelkammer.
Der Totentempel mit Scheintür vor der Pyramide war das letzte Bauwerk, welches auch nach dem Begräbnis des Königs öffentlich zugänglich war. Es bildete den Übergang vom Diesseits ins Jenseits, vom Osten in den Westen, vom Leben in den Tod. Jenseits des Totentempels beginnt das ewige Schweigen der Pyramide, der göttliche Bereich des königlichen Vaters.
Allgemein wird davon ausgegangen, dass nach den Begräbnisritualen die Kammern im Pyramideninneren verschlossen und versiegelt wurden. Von Außen wurde ein zuvor freigehaltener Bereich sorgfältig mit mehreren übereinander gemauerten Steinlagen verschlossen, was an der Knickpyramide des Snofru noch heute zu besichtigen ist (Bild links). Zu einer uns unbekannten Zeit wurden dann Pyramiden wieder aufgebrochen, die Kammerinhalte ausgeraubt. Weil aber jede Pyramide mehr als eine Kammer aufweist, können wir nicht ausschließen, dass nicht alle Kammern von den Grabräubern entdeckt und geplündert wurden. Dies bildet ja die Grundlage der Thesen des vorliegenden Buches.
Kehren wir zu der Chephrenpyramide zurück (Abbildung oben). „Der Plan der unterirdischen Räume zeigt eine so auffällige Vereinfachung gegenüber den älteren der 4. Dynastie“, schreibt Rainer Stadelmann über die Kammern dieser Pyramide, „dass lange Zweifel bestanden, dass dies das einzige Raum- und Gangsystem gewesen sei. Das ist nach neueren naturwissenschaflichen Untersuchungen kaum mehr in Frage gestellt (...)8“. Den Zweifeln schließe ich mich an, die neueren Untersuchungen halte ich nicht für überzeugend, weil sie mit Computerabsturz und Datensalat endeten9. Ende der 1960er Jahre unternahm Dr. Luis Alvarez, der Nobelpreisträger des Jahres 1968, den technisch sehr aufwendigen Versuch, verborgene Kammern in einer Pyramide aufzuspüren. Das eigentliche Ziel war die Cheopspyramide. Nachdem hier aber keine Genehmigung zu erhalten war, baute der Physiker seine hochempfindlichen Apparate in der danebenliegenden Chephrenpyramide auf (Abbildung rechte Seite).
Er hatte ein Gerät zur Aufzeichnung des Durchganges von kosmischen Strahlen durch Materie entwickelt. Grundlage dieser Methode war die Tatsache, dass kosmische Strahlen, die mit ihren Teilchen Tag und Nacht unseren Planeten bombardieren, beim Durchgang durch Materie einen Teil ihrer Energie verlieren.
Diese Strahlung wollte Alvarez in der unterirdischen Kammer der Chephrenpyramide auffangen. Durch komplizierte Computerberechnungen aus etwa 2 Millionen in einer „Funkenkammer“ aufgefangenen und elektronisch festgehaltenen Strahlen erhoffte man sich Aufschluss über bisher unentdeckte Kammern über diesen Messapparaten. Wenn sich ein Hohlraum in dem Pyramidenmassiv befinden würde, so die Überlegung, dann müsste es eine Abweichung in der Strahlungsintensität geben. Diese Methode hat den Vorteil, dass sie völlig zerstörungsfrei arbeitet10, anders als bei Davidson im 19. Jahrhundert, der sich seinen Weg mit Dynamit gebahnt hatte11.
Verständlicherweise ist die ägyptische Antikenverwaltung inzwischen sehr zurückhaltend bei Untersuchungen an den großen Pyramiden. Wenn überhaupt noch Experimente genehmigt werden, dann nur solche, die absolut zerstörungsfrei arbeiten. Die Strahlenmessung von Prof. Alvarez bot diese Sicherheit. Sie hatte außerdem den großen Vorteil, dass es sich bei den Strahlen um Naturprodukte handelt, die nicht aufwendig technisch erzeugt werden müssen. Darüber hinaus sind sie von so hoher Energie, dass die Gesteinsmasse einer Pyramide überhaupt von ihnen durchdrungen werden kann. Zunächst schien die Methode ausgezeichnet zu funktionieren. Nach monatelangen Aufzeichnungen und der Analyse der Daten im Rechenzentrum erschienen tatsächlich die Ecken und Kanten der Pyramide auf dem Computerbild. Die Geräte waren also in Ordnung. „Aber „, so schreibt P. Tomkin, „dann ereignete sich etwas Rätselhaftes. Während Dr. Lauren Yazolino, der Assistent von Dr. Alvarez, in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, um die Bänder mit Hilfe des modernsten Elektronenrechners zu analysieren, kam John Tunstall, ein Korrespondent der Londoner Times, nach Kairo, um sich an Ort und Stelle von den Ergebnissen der amerikanischen Messungen zu überzeugen. In der Ein-Shams-Universität suchte der Engländer Dr. Amr Goneid auf, dem das Pyramidenprojekt während der Abwesenheit Dr. Yazolinos anvertraut war. Er fand ihn vor einem modernen IBM-Computer, um den herum Hunderte von Kassetten mit Magnetbändern aufgestapelt waren.“
21 Chephrenpyramide, sog. Königskammer. Dr. Alvarez mit seinen Messinstrumenten zum Auffangen kosmischer Strahlen in einer Funkenkammer, um mögliche Hohlräume aufspüren zu können. Ende der 60er Jahre.
„Es widerspricht allen bekannten Gesetzen der Physik“, mit diesen Worten empfing der Ägypter John Tunstall. Was war geschehen? Jedes Mal, wenn Dr. Goneid die Magnetbänder durch den Computer laufen ließ, ergab sich ein anderes Muster, und die entscheidenden Merkmale, die sich auf jedem Band wiederholen sollten, fehlten. Goneid bemerkte, dass das wissenschaftlich nicht zu erklären sei.
Man habe feststellen müssen, dass die früheren Aufnahmen, die zunächst bedeutsame Entdeckungen erwarten ließen, nun ein Durcheinander sinnloser Zeichen ohne jede erkennbare Struktur darstellten12.“
Wo der bedauernswerte Dr. Goneid noch von „Okkultismus, Fluch der Pharaonen, Zauberei oder Magie13“ sprechen konnte, fällt jedem leidgeprüftem modernem PC-Benutzer sofort eine andere Erklärung des Datensalates ein: der Computer war vermutlich abgestürzt ... Dr. Alvarez wies natürlich diese Vermutung Tunstalls zurück. Alle Geräte hätten ausgezeichnet funktioniert, in einem Bereich von 35° über der Kammer seien keinerlei Anzeichen von Gängen oder Kammern gefunden worden. Ergänzend bemerkte Dr. Yazolino, die einzige Schwierigkeit bei dem Unternehmen wäre dadurch entstanden, das jedesmal dunkle Flecken auf dem Bildschirm erschienen, wenn das Neon in der zur Aufzeichnung benötigten „Funkenkammer“ verbraucht war14. Nach der Beschreibung des Projektes scheint mir aber klar zu sein, dass die Messungen wiederholt werden müssten.
Der Archäologe R. Stadelmann wertet diesen Versuch als eindeutigen Beweis, dass sich in der Chephrenpyramide keine weiteren Räume befinden15. Er beschreibt aber an anderer Stelle, warum z.B. Messungen mit schwerkraftanzeigenden Geräten (Mikrogravimeter) so schwierig auszuwerten sind: „Messungen mit mikrogravimetrischen Instrumenten ... zeigen nicht, wie zumeist vereinfachend behauptet wird, Hohlräume an, sondern Anomalien beim Durchdringen dichter und weniger dichter Körper, z.B. in der Aufeinanderfolge von mehreren Steinen und der Fugen, die gleichsam addiert werden und in dem Gravimeterbild sich gegenüber einer durchgehenden Steinmasse unterscheiden, wobei man nicht direkt Hohlräume, sondern eben Regelwidrigkeiten feststellt16.“ Der von R. Stadelmann gelobte Dr. Alvarez hat eben genau dies gemacht, nur dass er keine Schwerkraftfelder auffing sondern kosmische Strahlen. Das Untersuchungsprinzip war das Gleiche: Hohlräume oder Kammern können nicht direkt nachgewiesen werden, nur die Abweichungen von zu erwartenden „normalen“ Messergebnissen. Wenn es dann Stromschwankungen oder nachlassendes Neon gibt, werden die Ergebnisse verfälscht. Kommt noch ein Computerfehler hinzu, werden Aussagen zur reinen Lotterie.
Damit soll nicht die Messmethode angezweifelt werden. Kosmische Strahlenmessung oder Mikrogravimetrie sind durchaus geeignet, die Pyramiden schadensfrei auf Hohlräume zu untersuchen. Bei der Erdöl-und Erzlagersuche, beim Bau von U-Bahn Tunneln und ähnlichem wird die Schwerkraftmessung seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Auch die Methode von Dr. Alvarez hatte ja zunächst bewiesen, dass sich hiermit arbeiten lässt. Nur sind die vermuteten verborgenen Pyramidenkammern im Verhältnis zur umgebenden Gesteinsmasse so klein (siehe auch Foto rechte Seite), dass sie möglicherweise durch das noch zu grobe Raster der Messungen durchfallen. Das Pyramidenplateau ist kein Schlachtfeld, wo sich nach dem Motto „kam, sah und siegte“ schnelle Erfolge erringen lassen. Wenn sich hier noch unbekannte Kammern verbergen sollten, so werden lange Messreihen über Jahre hinweg nötig sein. Schritt für Schritt müssten Untersuchungen gemacht, jedes Ergebnis erst überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden, um zu sicheren Aussagen zu kommen. Dies ist das tägliche Brot eines jeden Wissenschaftlers. Auf keinem modernen Forschungsgebiet werden große Entwicklungsschritte gemacht, ohne alle verfügbaren Kräfte und Mittel langfristig auf ein Ziel hin zu konzentrieren. Man denke nur an die Krebsforschung, die Kernphysik oder die Erforschung des Weltraums. Selbst die vergleichsweise bescheidene Entwicklung eines neuen Automodells dauert bis zu 10 Jahren.
Warum sollte es bei den Pyramiden anders sein? Noch immer sind sie die größten künstlichen Steinkonzentrationen der Menschheitsgeschichte, haben mehr als 4500 Jahre überstanden, sind von den 7 Weltwundern des Altertums als einziges erhalten geblieben. Ihre Erforschung mit modernen Methoden ist gerade 130 Jahre alt, 1865 wurde die Cheopspyramide von Piazzi Smith zum ersten Mal genau vermessen. Diese Messungen dienten dann zu allerlei mystischen Zahlenspielereien, sind aber teilweise heute noch Standart17.
Der Physiknobelpreisträger des Jahres 1968, Dr. Luis Alvarez, war dann Ende der 1960er Jahre der erste Wissenschaftler, der die damals modernste Technik einsetzte, die Messung kosmischer Strahlen. Obwohl dies ein Schritt in die richtige Richtung war, kann seine Messkampagne doch nur als Probelauf verstanden werden.
22 Chephrenpyramide, Nordeingang
23 Kammer neben der Mittelachse der Chephrenpyramide, Blickrichtung nach Westen. Im westlichen hinteren Teil war der Boden mit Granitplatten gedeckt, eingetieft in diese Platten befindet sich ein Granitsarkophag mit zerbrochenem Deckel. Die Wände werden vom gewachsenen Kalkstein gebildet, in den die Kammer als Grube eingetieft wurde. Den oberen Kammerdeckenabschluss bilden große Kalksteinblöcke, die giebelartig gegeneinander gestellt sind, um den Druck des darüber befindlichen Pyramidenkörpers auf den Fels abzuleiten. Die Maße der Kammer ergeben nur ägyptische Ellenmaße, wenn die Wände verkleidet wären. Man nimmt daher an, dass ursprünglich eine Granitverkleidung für die Kammerwände vorgesehen war. In den Wänden sind Luftschächte angelegt, die jedoch nicht fertig ausgeführt worden sind.
Wenn wir uns vor Augen halten, dass die Kammer, welche als Körpergrabkammer angesehen wird, nur in den gewachsenen Kalkfelsen eingetieft wurde (Foto oben), während der Taltempel des Chephren aus kostbarem Rosengranit bestand, will es nicht einleuchten, dass eine gewaltige Pyramide errichtet wurde, um einem bedeutenden Pharao als ewige Königsresidenz zu dienen - und dann hätte dieser Pharao ausgerechnet an der wichtigsten Kammer gespart, seiner Körpergrabkammer. Die Kammer weist zudem nicht die üblichen Ellenmaße auf, „woraus zu schließen ist, dass die Kammer mit Granit verkleidet werden sollte18“. Warum ist sie es nicht? Dem pragmatischen Einwand, nach dem Verschließen des Grabes würde ja keiner mehr die minderwertige Kammer sehen, kann damit begegnet werden, dass bei einer solchen Haltung auch kostbare Grabbeigaben nicht nötig gewesen wären. Seit der Öffnung des Tutanchamungrabes wissen wir von der verschwenderischen Pracht des Grabschatzes, mehr als 4500 Exponate wurden von Howard Carter aus den vier engen Kammern geborgen. Gegen die „Sparversion“ bei der Ausstattung der Körpergrabkammer in der Chephrenpyramide spricht auch, dass für das magische Bewußsein der alten Ägypter der verstorbene König nach dem Mundöffnungsritual jede Einzelheit seines Körpergrabes noch wahrnehmen konnte. Warum sollte er auf den symbolträchtigen Rosengranit in seiner unmittelbaren Nähe verzichtet haben? Bei Nachschubproblemen hätte Chephren ja auf den reichhaltigen Vorrat in seinem Taltempel zurückgreifen können.
Rosengranit stammte aus Assuan, nahe den Nilkatarakten. Jedes Jahr brachte die Nilüberschwemmung den Ägyptern neues Leben, sie glaubten an Grotten unter den Granitkatarakten, aus denen der Nil immer wieder neu geboren wurde. Symbolisch wurde daher der Assuangranit mit der Wiedergeburt in Verbindung gebracht, schon in den 1. Dynastien kann dieser Granit als Bodenbelag in königlichen Gräbern nachgewiesen werden19.
Nur der Sarkophag und der westliche Bodenbelag der Kammer besteht aus diesem wichtigen Stein (siehe Abbildung oben). Warum nicht die gesamte Kammer, wie der Taltempel? Es sei denn, die Kammer diente nicht als endgültiges Körpergrab, sondern als Kultkammer etwa für die Mumifizierung. Auch bei der Mumifizierung wurden sarkophagähnliche Kästen und Wannen benötigt (Abbildung rechts unten), anschließend könnte eine stellvertretende Statue in dem Sarkophag beigesetzt worden sein.
Ein Statuenbegräbnis wird durchaus in königlichen Grabanlagen angenommen, so beim Südgrab des Djoser20. Die zauberkräftige Macht des Rosengranites, neues Leben schenken zu können, würde bei der Mumifizierung mit anschliessendem Mundöffnungsritual hilfreich gewesen sein. Eine Verwendung der Chephrenkammer im Rahmen der Mumifizierung passt auch besser zu der Tatsache, dass für die Kammer ursprünglich Luftkanäle vorgesehen waren21.
24 Relief, die Mumie auf der Balsamierungsliege wird von Isis in Gestalt eines Ba-Vogels wieder zu neuem Leben erweckt. Kairo, Museum, Neues Reich.
25 Steinliege aus dem Museum in Kairo. Die Liege wurde für einen Abschnitt der Mumifizierung benutzt, Flüssigkeiten können auf der rechten Seite in ein kleines Becken abfließen. Bei der anschließenden Trocknung des Körpers wäre dann ein eher sarkophagähnlicher Behälter nützlich gewesen.
26 Mittelkammer in der Chephrenpyramide mit verschlossenen Luftschächten links (Süden) und rechts (Norden).
27 Detailaufnahmen der beiden Luftschachtverschlüsse (oben an der Südwand, unten an der Nordwand der Kammer)
Die Mumifizierung konnte bei königlichen Mumien über einen Zeitraum von neun Monaten erfolgen22, entsprechend dem Zeitrahmen einer Neugeburt. Wenn wir uns einen ersten Abschnitt der Mumifizierung in der beschriebenen Kammer des Chephren vorstellen (Foto oben), dann wäre es für die an der Mumifizierung beteiligten Personen notwendig gewesen, ihre Arbeit mit frischer Atemluft durchführen zu können. Eine endgültig bestattete Mumie in ihrer Körpergrabkammer brauchte keine Luft, im Gegenteil, die ungestörte Konservierung ergab sich erst bei Luftabschluss, dass mußten die erfahrenen Ägypter gewußt haben.
Möglicherweise wurden die Luftschächte in der Chephrenpyramide (Fotos oben und linke Seite) dann doch nicht vollständig ausgeführt, weil im Verlauf der Bauplanungen der Taltempel aus Rosengranit einen Teil der Mumifizierung übernehmen konnte.
Vorstellbar wäre es dabei, wenn bei Chephren der erste Teil der Mumifizierung, die Waschungen, Organentnahmen und erste Präparierungen, im Taltempel vorgenommen wurden. Für diese Verrichtungen können wir sicherlich einige Wochen an Arbeitszeit annehmen. Mehrere Personen würden daran beteiligt gewesen sein. Diese Personen brauchten über den gesamten Zeitraum Luft zum atmen, Luft, die in einer stickigen Pyramidenkammer ohne Belüftung sehr knapp werden würde.
Als ich bei einem Besuch in der Cheopspyramide selber einmal den unverschlossenen engen Gang zur untersten Pyramidenkammer abstieg, wurde mir dort unten schwindelig, die Luft war verbraucht und stickig. Mein Aufenthalt dort betrug nur wenige Minuten, Arbeit über mehrere Wochen wäre auch nur für eine Person unmöglich. Bei einer Mumifizierung würde anschließend an die Waschungen und Organentnahmen eine Phase der Trocknung mit Natronsalzen einsetzen, die eigentliche Mumifizierung. Das älteste uns bekannte Beispiel einer solchen Mumifizierung befand sich im Grab der Mutter des Cheops, es ist ihr Eingeweidekasten aus Alabaster (Foto rechte Seite oben).
28 Chephrenpyramide von Norden
Für diese Trocknung der Mumie wäre dabei auch eine Kammer mit wenig Luftzufuhr geeignet gewesen, etwa die zentrale Kammer in der Chephrenpyramide mit der Granitwanne (Bild rechts mitte).
Bei der mehrere Monate dauernden Konservierung der Leiche war dagegen die Anwesenheit von lebenden Personen nicht notwendig. Bei der Cheopspyramide können wir annehmen, dass sowohl die Praktiken der Organentnahmen und Präparierungen wie auch die anschließende Trocknung in der großen Granitkammer vorgenommen wurden, weil dort Lüftungsschächte bis zum heutigen Tag ausgezeichnet funktionieren, ein neuerdings angebrachter Ventilator verstärkt diese Funktion (Foto rechts mitte unten). Der Austritt eines Luftschachtes an der Nordflanke der Pyramide wurde kürzlich mit einem Rohr geschützt (Bild rechts unten). Dieses Belüftungssystem ist nicht „symbolisch“, wie uns einige Archäologen weismachen wollen, sondern „real“ und funktional.
Weil Luftschächte in der nach Cheops gebauten Chephrenpyramide angelegt, aber nicht voll ausgeführt wurden (Fotos linke Seite), kann dagegen angenommen werden, dass die Organentnahmen, die in der Cheopspyramide noch in der Pyramidenkammer aus Granit vorgenommen wurden, in der Chephrenpyramide räumlich getrennt davon im Taltempel vorgenommen wurden. Der Taltempel wurde dazu aus dem gleichen magischen Granit ausgeführt wie die Cheopspyramidenkammer und konnte daher auch die gleiche Funktion übernehmen. Weil die Chephrenpyramidenkammer nachweisbar nur bei einer Auskleidung mit Granit die üblichen Ellenmaße gehabt hätte, diese Auskleidung aber nicht ausgeführt wurde, drängt sich der Gedanke auf, dass die Granitquadern des Taltempels ursprünglich für die Pyramidenkammer gebrochen und 800 km weit transportiert wurden. Dann entschlossen sich die Bauherren der Pyramidenanlage zu einer räumlichen Trennung der zwei Phasen einer Mumifizierung. Für den zweiten Abschnitt der Trocknung des Verstorbenen reichte den ägyptischen Priestern dann die einfache Granitwanne in der Chephrenpyramide. Für eine anschließende ewige Ruhestätte wäre die Chephrenkammer aber eindeutig zu ärmlich ausgestattet worden, auch andere wesentliche Merkmale einer Grabkammer treffen auf diesen Raum nicht zu, wie wir im weiteren Verlauf der Untersuchungen noch sehen werden.
Wie können wir uns nun die Planung und Ausstattung der großen Pyramiden mit „magischen Kammern“ zur Zeit ihrer Erbauer vorstellen?
29 Alabasterkasten zur Aufnahme der Eingeweide der Mutter des Cheops (Hetepheres), welche in einer Natronlösung konserviert wurden.
30 Granitsarkophag in der Mittelkammer der Chephrenpyramide
31 Elektrischer Ventilator, der in den funktionierenden Süd-Luftschacht der sog. „Königskammer“ in der Cheopspyramide eingebaut wurde. Die Wände dieser Kammer bestehen aus dem gleichen Rosengranit, welcher auch für die Auskleidung des Chephren-Taltempels verwendet wurde.
32 Luftschachtaustritt an der Nordseite der Cheopspyramide. Ein kürzlich angebrachtes Rohr schützt den Luftschacht vor Verschmutzung.
33 Relief mit Segelschiff, 5. Dynastie, etwa 2300 v.Chr.
34 Fragment einer kleinen Statuette. Der Kopf ist ohne Beschriftung, Stil und Aussehen weisen jedoch auf eine Abbildung des Cheops, 4. Dynastie, um 2550 v. Chr.
Wenn schon der heutige Besucher beeindruckt ist von den Pyramiden mit ihren geheimen Räumen und zugehörigen Kultanlagen, wieviel mehr galt das von den Altägyptern selbst. Schon kurze Zeit nach dem Höhepunkt des Pyramidenbaues in der 4.Dynastie mit Cheops (Foto links), Chephren und Mykerinos, wurden Geschichten und Legenden gewoben um die Erbauung und wundersame Magie der Kammern in diesen gewaltigen Steinbauwerke.
In der Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin befindet sich der sog. „Papyrus Westcar“ (P.3033), der uns eine dieser Geschichten überliefert hat. Obwohl der Papyrus erst aus dem 17. Jahrhundert v. Chr. stammt, geht er vermutlich doch auf Traditionen einer alten Vorlage aus der Zeit der 5. Dynastie zurück23, welche unmittelbar auf die Pyramidenzeit folgte.
„Als Cheops König in Ägypten war“, heißt es in dem Papyrustext, „langweilte er sich oft. Seine Söhne, Freunde und Beamten mußten ihm oft Märchen und Geschichten erzählen, um seine Langeweile zu vertreiben. Da erzählte ihm eines Tages sein Sohn Djedefhor von dem Manne Djedi, der in dem Rufe stand, Tote wiederbeleben zu können und selbst das Geheimnis der Kammern des Thot zu kennen. Djedi war zu dieser Zeit zwar schon einhundertzehn Jahre alt, verfügte aber immer noch über einen gesunden Appetit und ungeheure Kräfte. Als Cheops von diesem Manne gehört hatte, beschloß er, sofort nach ihm schicken zu lassen. Er beauftragte seinen Sohn Djedefhor, den Wundertäter an den Hof in die Residenz zu holen. Da fuhr Djedefhor mit Schiffen nilaufwärts bis zur Pyramide des Snofru, wo er anlegen mußte, um zur Wohnstätte des Djedi zu gelangen. (...) Nach der ehrfurchtsvollen Begrüßung lud Djedefhor den Alten in wohlgesetzten Worten in die Residenz des Cheops ein. Dieser nahm die Einladung an und folgte dem Befehl des Cheops, nachdem ihm für seine Bücher und Schüler ... ein besonderes Schiff zugebilligt worden war.
35 Cheopspyramide von Süden.
Nachdem sie in der Residenz des Cheops angelangt waren, ließ Cheops voller Ungeduld den berühmten Mann bald vor sich laden. Er prüfte die wunderbaren Kräfte des Weisen, indem er ihm befahl, eine Gans, einen Storch und ein Rind wiederzubeleben, denen er die Köpfe hatte abschlagen lassen.
Djedi ließ die Tiere wieder lebendig werden, hatte es aber abgelehnt, den frevlerischen Wunsch des Cheops zu erfüllen, seine Wunderkräfte an einem Menschen zu erweisen. (...)
Endlich aber verlangte Cheops, Djedi solle ihm das Geheimnis der Kammern des Thot offenbaren, denn er war im Begriffe, sich sein Grabmal zu erbauen.
Als er diesen Wunsch des Cheops vernommen hatte, richtete sich Djedi auf und sagte dem Pharao, daß er ihm diesen Wunsch nicht erfüllen könnte. Aber ein anderer würde das Geheimnis lüften. Denn diese Kiste aus Heliopolis, die die Geheimnisse barg, würde das älteste Kind der Ruddedet bringen, das aber noch nicht geboren sei“ (...).
Bemerkenswert für uns ist bei dieser Erzählung der offensichtliche Wunsch des Cheops, für seine Pyramide Kammern zu erbauen, die ähnliche Eigenschaften wie die sagenhaften „geheimen Kammern des Thot“ besitzen. Es scheint dabei einen Zusammenhang zwischen diesen „Kammern des Thot“ und der Auferweckung von Verstorbenen gegeben zu haben, denn bevor Cheops nach dem Geheimnis der Kammern fragte, forderte er den Zauberer Djedi auf, einen Toten wiederzubeleben.
Es liegt nahe, dem Pharao Cheops zu unterstellen, er wollte mit dem Bau von Geheimkammern mit Wiederbelebungseigenschaften seinen eigenen Tod überwinden. Sein „Jenseitsschloß“, wie die Pyramiden auch genannt wurden, wäre dadurch kein Endlager für seinen toten Körper, sondern Ausgangsstätte einer Neugeburt, ein Herrschersitz für den in Ewigkeit lebenden König.
36 Kopf des Djedefre (Djedefhor), Sohn des Cheops.
37 Kopf einer Statue des Hemiunu, höchster Beamter des Cheops und einer der Architekten der Cheopspyramide sowie Hohepriester von Heliopolis.
38 Ausschnitt eines Sarkophages des „Jqr“ aus Gebelen mit der Darstellung von 7 Götter-Schreinen (Pfeil) vor einem Feuerstrom, bewacht von seltsamen Wesen, unter ihnen ein Sphinx. 12. Dynastie, um 1800 v.Chr.
Der Ägyptologe Erik Hornung hat mit großem Scharfsinn einiges dazu beigetragen, den wahrhaftigen Kern der Erzählung besser verstehen zu können24. Zunächst einmal geht er der Frage nach, was mit den „geheimen Kammern des Thot“ gemeint sein könnte. Die Übersetzung „geheime Kammer“ für das ursprüngliche ägyptische Wort „jpwt“ ist dabei umstritten, „jpwt“ wurde lange Zeit als „Schlösser“, dann als „Behälter, von dem eine Anzahl in einem fd.t-Kasten Platz findet“ (Kurt Sethe) übersetzt.
Erik Hornung schlägt für „jpwt“ die Bezeichnung „Götter-Schreine“ vor, welche sich in einem fd.t-Kasten aus Stein befinden. Im „Buch von der Erde“ befindet sich dieser „Geheimnisvolle Kasten“ innerhalb des „Verborgenen Raumes („t-jmnt“). Anders als im „Papyrus Westcar“ enthält der „Geheimnisvolle Kasten“ im „Buch der Erde“ jedoch keine „Götter-Schreine“ („jpwt“), sondern den Leichnam des Osiris.
Wie können wir uns nun diese „Götter-Schreine“ vorstellen? Hornung verweist dazu auf den Jenseitsglauben der altägyptischen Sargtexte und bringt dazu das Beispiel einer Abbildung auf dem Sarg des „Jqr“ aus Gebelen aus dem Turiner Museum (Abbildung oben).
39 Holzkasten des Tutanchamun, der den daneben abgebildeten Quarzit-Eingeweide-Schrein barg. Neues Reich, um 1350 v.Chr.
40 Quarzit-Eingeweideschrein des Tutanchamun.
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