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Über dieses Buch

Vom Meister über den »Aufstöger« zum »Euro-Peter« – die Biografie des beliebtesten Trainers der deutschen Bundesliga!

Peter Stöger sorgt für Furore: Sein spektakulärer Weg mit dem 1. FC Köln begann gleich mit dem Titel in der zweiten deutschen Bundesliga. Die Rückkehr in die oberste Klasse brachte laufend Rekorde: bester Saisonstart und erstmals nach zwanzig Jahren eine Nacht lang sogar Tabellenführer – und am Ende Kölns erste Qualifikation für den Europapokal seit einem Vierteljahrhundert!

Peter Linden beschreibt das Leben des Spielers und Trainer Stöger: Sieben Titel und ein Europacupfinale mit Austria Wien und deren Erzrivalen Rapid, 65 Länderspiele, WM-Teilnahme 1998. 2004 begann die Karriere auf der Trainerbank – es folgte gleich ein Meistertitel.

Dieses Buch beschreibt, mit welchen Taktiken und Methoden sich Stöger auch nach einem Tiefschlag zurück kämpfte, wie er wieder zum österreichischen Meistermacher avancierte und nun im deutschen Spitzenfußball mitmischt.

Mit einem Vorwort von Toni Polster.

Peter Linden

Peter Stöger

SEINE MANNSCHAFTEN. SEINE ERFOLGE.

Mit einem Vorwort von Toni Polster

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Inhalt

Vorwort von Toni Polster

Kurzbiografie

Kapitel 1
Ein Kind aus Favoriten: Was der Peter sagt, das gilt!

Kapitel 2
Sechs Titel in sechs Jahren

Kapitel 3
Zur Begrüßung Polizeischutz

Kapitel 4
Die Launen eines Milliardärs

Kapitel 5
Du bist mein Star

Kapitel 6
Es begann mit drei Unentschieden

Kapitel 7
FC-Trainer ist Kulturgut: Träumen verboten

Kapitel 8
In zwei Sekunden 70 000 Freunde weg

Kapitel 9
Viva FC Colonia! Was es nur bei Köln gibt

Kapitel 10
Wenn Österreichs Kanzler gratuliert

Kapitel 11
Ruhe, Erfolgshunger, Karneval feiern

Kapitel 12
Lang, länger, Stöger

Vorwort von Toni Polster

In den fünf Jahren, in denen ich beim 1. FC Köln spielen durfte, habe ich dem Klub einmal Peter Stöger als Verstärkung empfohlen. Ich weiß nicht mehr, woran der Transfer damals scheiterte. Er hätte uns schon damals ähnlich gutgetan wie jetzt, zwei Jahrzehnte später, als Trainer. Als er nach dem Meistertitel 2013 mit Austria das Angebot aus Köln bekam und mich um meine Meinung fragte, gab es für mich kein Überlegen, ihm zu raten, es anzunehmen. Wenn ein österreichischer Trainer bei einem Klub in einer Millionenstadt, in der Fußball so geliebt und gelebt wird wie in Köln, begehrt ist, muss man Ja sagen.

Es ist schwierig zu erahnen, ob ein guter Spieler auch ein guter Trainer wird. Aber Peter war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Auch was Köln betrifft. Er hat da von Beginn an das richtige Gefühl gehabt, wie er sich präsentieren muss. Via soziale Medien ließ er die Fans an seinen Gedanken teilhaben. Ich weiß, dass dies sehr gut ankam. Damit ist es ihm gelungen, auch die Ahnungslosesten zu überzeugen. Weil alle spürten: Dieser Trainer nimmt sich nicht wichtiger als die Mannschaft. Die hat er auch stets in seine Entscheidungen eingebunden. Das ist die richtige Einstellung, mit der er das Team hinter sich gebracht hat. Das nennt man dann Menschenführung: Ich habe den Eindruck, die Spieler würden ihm bis ans Ende der Welt folgen.

Ich bin ein ganz anderer Typ als Peter. Er hat auch Sinn für Humor, ist ein offener Mensch, aber doch introvertierter als ich. Ich kenne ja auch den Sportvorstand ganz gut: Jörg Schmadtke war in meinen zwei Saisonen bei Borussia Mönchengladbach zuerst als Tormann mein Zimmerpartner und Freund, dann ein ganz strenger Co-Trainer von Rainer Bonhof. Respekt vor ihm, wie er es geschafft hat, in Köln so angesehen sein! Man darf nicht vergessen: Er spielte beim großen Lokalrivalen Mönchengladbach, lebt in Düsseldorf und arbeitet in Köln. Keine leichte Konstellation, die er perfekt hingekriegt hat. Ich ziehe den Hut, wie es beide geschafft haben, Ruhe in den Klub zu bringen. Wenn ich da noch an meine Zeit denke: Was wir in der Kabine gesprochen haben, konnte man am nächsten Tag in den Zeitungen lesen. Weil sich einige Spieler mit den Medien verbündeten. Das gibt’s jetzt alles nicht mehr. Mit ein Grund, warum es immer nur aufwärtsging, seit beide am sportlichen Ruder sind – Aufstieg, danach in der Bundesliga nie auf einem Abstiegs- oder dem Relegationsplatz, in der dritten Saison nach einem Vierteljahrhundert wieder für den Europapokal qualifiziert.

Gar nichts anfangen kann ich mit der Theorie, der Wiener »Schmäh« passe perfekt zu Köln. Mag schon sein. Aber hinter jedem Schmäh muss die Leistung stehen. Es ist für mich unglaublich, dass Peter jetzt schon der Trainer mit der längsten Amtszeit beim Kultklub ist. Natürlich träumen einige vom ganz großen Coup, vom Meistertitel. Das wird sich nicht ausgehen, selbst wenn er nochmals den bis 2020 laufenden Vertrag verlängert. Denn dazu fehlen die finanziellen Mittel: Köln hat nicht die gleichen Möglichkeiten wie Bayern, Borussia Dortmund oder auch RB Leipzig. Der nächste Schritt hinauf kann nur sein: dauerhaft international spielen. Vielleicht gelingt einmal im Pokalfinale der große Wurf. Ich würde es allen wünschen, mich mit ihnen freuen.

Ich traue Peter sogar zu, in Köln eine ähnliche Institution zu werden, wie es früher Otto Rehhagel über 14 Jahre bei Werder Bremen war. Peter ist jetzt vier Jahre in Köln. Fehlen nur noch zehn …

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Toni Polster
Wien, im Juni 2017

Peter Stöger, geboren am 11. April 1966 in Wien, begann seine Spielerkarriere als Jugendlicher beim Favoritner AC. Sein erstes Spiel in der österreichischen Bundesliga bestritt er 1985 mit einem Kampfgewicht von nur 56 Kilogramm. Über Vorwärts Steyr und Österreichs ältesten Fußballklub, die Vienna, landete er 1988 beim Lieblingsklub seiner Jugendzeit, der Wiener Austria, mit der er in sechs Jahren sechs Titel gewann. Nach einer durchwachsenen Saison in Innsbruck kehrte er nach Wien zurück, allerdings zu Austrias Erzrivalen Rapid, wo er 1996 Meister wurde und ins Finale des Europapokals der Pokalsieger kam. Als es dort im Herbst 1997 zum Krach kam, folgte die Trennung. Es gab in dieser Zeit unter anderem ein Angebot des 1. FC Köln für den Mittelfeldspieler, der jedoch nach Linz zum LASK ging. Nach einem Finanzcrash des Traditionsklubs kehrte er wieder zur Austria zurück. 2004 beendete er seine aktive Laufbahn.

Auch die Karriere auf der Trainerbank begann bei seiner Austria: 2004 zunächst als Manager der Amateure, dann ab Mai 2005 als Sportdirektor der Kampfmannschaft. Als Trainer engagierte er den bisherigen Scout Frenkie Schinkels. Nach einem Monat gelang der Cupsieg, in der zweiten Saison mit Stöger und Schinkels holte Austria sogar das Double. Als fast alle Stützen verkauft wurden, sanken die Leistungen. Im Herbst 2006 trat Schinkels zurück. Stöger wollte selbst den Trainerjob übernehmen, doch die Austria beurlaubte ihn. Im Juni 2007 gab er sein Comeback bei Vienna als Sportdirektor und Trainer. 2009 gelang der Aufstieg von der dritthöchsten Spielklasse (der Regionalliga Ost) in die zweite. Als die Vienna im April 2010 in Abstiegsgefahr geriet, musste er gehen.

Ab November 2010 war Stöger Trainer des Traditionsklubs GAK in der Regionalliga Mitte. Im Juni 2011 kaufte er sich aus dem Vertrag frei, um in der Bundesliga den SC Wiener Neustadt als Trainer und Sportdirektor zu übernehmen. Seit damals ist Manfred Schmid als Co-Trainer an seiner Seite. Ein Jahr später verhandelte Stöger neuerlich selbst die Vertragslösung, um das Angebot der Austria zur Rückkehr anzunehmen. 2012/13 führte er die Austria vor Favorit Red Bull Salzburg mit bis heute bestehendem Punkterekord zum österreichischen Meistertitel. Danach nahm er jedoch unerwartet ein Angebot des 1. FC Köln an, der damals in der zweiten deutschen Liga stand.

In Köln ging es nur aufwärts: 2013/14 Aufstieg; 2014/15 drei Runden vor Schluss den Klassenerhalt gesichert, ohne auf einem Abstiegsplatz gestanden zu sein; 2015/16 Platz neun. Im Januar 2016 verlängerte der 1. FC Köln die Verträge mit Stöger und Schmid bis 2020. Sozusagen als Bestätigung landete Köln 2016/17 auf Platz fünf der Bundesliga, spielt damit erstmals seit einem Vierteljahrhundert im Europapokal – eine Erfolgstory vom »Aufstöger« bis zum »Euro-Peter«.

Privat ist seit fast zwanzig Jahren Ulrike Kriegler an der Seite von Peter Stöger.

Kapitel 1

Ein Kind aus Favoriten: Was der Peter sagt, das gilt!

Friedrich Torberg, Jahrgang 1908, war in Österreichs Kulturleben eine Instanz als Feuilletonist, Theaterkritiker, Sportjournalist. Bekannt wurde er unter anderem durch den Roman »Der Schüler Gerber«, die Anekdotensammlung »Die Tante Jolesch« und das Gedicht »Auf den Tod eines Fußballspielers«, das so begann: »Er war ein Kind aus Favoriten und hieß Matthias Sindelar.« Der ist österreichische Fußballgeschichte, bestritt zwischen 1924 und 1939 bei den Amateuren – der späteren Austria – viele großartige Spiele, trug 43-mal den österreichischen Teamdress, gehörte zum legendären Wunderteam von Hugo Meisl. Torberg zählte zu den Bewunderern des »Papierenen«, wie man ihn wegen seiner schmächtigen Erscheinung nannte. Er beschrieb Sindelar im Gedicht mit den Sätzen: »Er spielte Fußball wie kein zweiter, er stak voll Witz und Phantasie. Er spielte lässig, leicht und heiter, er spielte stets, er kämpfte nie.«

Ein Kind aus Favoriten, dem zehnten Wiener Gemeindebezirk, ist auch einer, der 27 Jahre nach dem mysteriösen Tod Sindelars, nämlich am 11. April 1966 geboren wurde: Peter Stöger. Auch er spielt stets, auch oft lässig, leicht und heiter, lernte das in Favoriten. Nicht wie Jahrzehnte zuvor Sindelar auf der Steinmetzwies’n, sondern in einem »Betonkäfig« in der Per-Albin-Hansson-Siedlung. Der »Käfig« lag vor dem Küchenfenster der Wohnung, in der Stöger aufwuchs. Dort holte er sich von klein auf das technische Rüstzeug, meist in Duellen gegen Ältere, um später lässig, leicht und heiter spielen zu können. Die Ausflüge zum Entenpark reizten ihn da schon weniger. Erst mit neun Jahren kam Peter zu einem Verein. Heutzutage beginnen viele schon deutlich früher mit der Karriere bei einem Klub.

Die Idee, wie ein Freund in der Südstadt, im Umland von Wien, bei Admira zu spielen, fand bei Mama Erika keinen großen Anklang. Für die Eltern kam nur ein Klub im zehnten Bezirk infrage. Zum Favoritner AC konnte er mit der Straßenbahn fahren. Drei Stationen mit der Linie 67, und er war praktisch am FavAC-Platz in der Kennergasse. Dort durchwanderte er alle Nachwuchsmannschaften, saß als schmächtiges Bürschchen mitunter nur auf der Ersatzbank. Aber das zerstörte nicht seinen Spaß am Fußball. Ganz im Gegenteil – es steigerte ihn fast noch. In der Schule war er nie auf die besten Noten, die »Einser«, getrimmt. Die Eltern akzeptierten auch »Dreier« und »Vierer«. Nur bei einem »Fünfer« (in Österreich die schlechteste Zensur) wurde es heikel. Als Peter nach vier Jahren das Gymnasium beendete und auf die Handelsschule wechselte, um mehr Zeit für Fußball zu haben, unterstützten ihn Mutter und Vater trotzdem.

Wenn er am Wochenende nicht selbst spielte, bewunderte er als Besucher seine Idole – das Horr-Stadion am Favoritner Verteilerkreis beim Laaerbergbad war ja nicht weit entfernt. Dort spielte die Austria, der er die Daumen hielt. Mit zwölf freute er sich riesig, dass die mit den Gebrüdern Sara, Herbert Prohaska, Ernst Baumeister, Alberto Martínez, Thomas Parits oder Julio Morales 1978 nicht nur die österreichische Meisterschaft dominierte, sondern sogar bis ins Europapokalfinale der Pokalsieger im Pariser Prinzenparkstadion vordrang. Beim 0 : 4 gegen Belgiens Renommierklub aus Brüssel, Anderlecht, litt er vor dem TV-Schirm. Aber dort bejubelte er ein paar Wochen später auch die österreichische Nationalmannschaft bei ihrer ersten WM-Teilnahme seit zwanzig Jahren in Argentinien. Mit vielen der Idole aus der damaligen Zeit sollte es Stöger später noch zu tun bekommen – als Mitspieler, als seine Trainer oder Teamchefs. Oder als sein Sportvorstand, der ihn entlassen und Jahre später wieder zurückholen sollte … Aber das alles hätte er sich damals nicht träumen lassen.

1983 passierte es, dass der FavAC Vuzem in die erste Division mit damals 16 Vereinen aufstieg. Vuzem, ein Lederunternehmen aus dem zehnten Bezirk, das es heute noch immer gibt, sponserte den Klub, der auch auf die Hilfe eines der führenden österreichischen Unternehmers setzen durfte: Leopold Böhm, damals Besitzer der Modekette Schöps mit mehr als hundert Filialen in Österreich, in den Siebzigerjahren bei den Austria-Triumphen deren Präsident. Einige Spieler, die beim Wiener Spitzenklub nicht mehr gefragt waren, finanzierte Böhm für den FavAC. In der ersten Saison schaffte der FavAC den Klassenerhalt in der obersten Spielklasse, auch weil ein Klub (Union Wels) in Konkurs ging. In der zweiten kam mitten im Kampf gegen den Abstieg die große Stunde des inzwischen 19-jährigen Mittelfspielers Peter Stöger: Trainer Adolf Blutsch – als Spieler bei der Austria groß geworden, dann nach Australien gewechselt, 1965 Mitglied in der Meistermannschaft des Linzer ASK, des ersten österreichischen Meisters, der aus den Bundesländern kam – versuchte es mit jungen Talenten statt mit satten Routiniers. Er überhörte alle Warnungen in Sachen Stöger, die da etwa hießen: »Der hat ja so dünne Füß!« Worauf Blutsch feststellte: »Das stimmt – aber die können Fußball spielen!« Defensivaufgaben waren nicht gerade Stögers Vorliebe. Aber Blutsch sah dessen Stärken ohnehin in der Offensive.

Am 12. April 1985 bestritt Stöger im FavAC-Dress sein erstes Bundesligaspiel am Innsbrucker Tivoli. Mit einem Kampfgewicht von nur 56 Kilogramm. Durchsetzen ging da über Zweikämpfe nur schwer, besser über die Spielintelligenz. Das 0 : 0 gegen die Tiroler galt wie ein Sieg. Seine Mitspieler: unter anderen Idole von der Austria – Robert und Josef Sara, Alberto Martínez, dazu der frühere violette Legionär aus Brasilien, Marcelo, der Ur-Tiroler Didi Constantini, Mitte der Siebzigerjahre im Abwehrzentrum von Wacker Innsbruck an der Seite des berühmten Bruno Pezzey zweimal österreichischer Meister, später 1992 im Teamchefjahr von Ernst Happel dessen Assistent, nochmals mehr als ein Jahrzehnt später selbst Österreichs Teamchef. Mit ihnen kämpfte Stöger um den Klassenerhalt. Constantinis Erinnerung an Stöger: »Er war nie vorlaut, aber so schnell, dass er kaum zu erwischen war.« Heimvorteil am FavAC-Platz? Dorthin verloren sich in den vier Heimspielen, die Stöger hier noch in der obersten Spielklasse bestritt, höchstens 2500 Zuschauer. Im Klubhaus waren im Erdgeschoss die Kabinen ebenso wie die Kantine. Oben auf dem Balkon durften Journalisten, Funktionäre und einige privilegierte Fans die Spiele verfolgen. Eine Art VIP-Klub in Favoritner Version.

Nach seinem Debüt spielte der 19-jährige Stöger alle ausstehenden acht Partien von der ersten bis zur letzten Minute durch. Aber da es nur je zwei Siege und Unentschieden bei vier Niederlagen gab, hieß es am 31. Mai 1985: Abstieg. Damals eine bittere Enttäuschung. Eine mehr, dass dem Talent keine Angebote ins Haus schneiten. Also hieß es: in der zweiten Liga weiterspielen. Dort konnte sich der FavAC aber nur eine ganz junge Billigtruppe leisten. Die dem zweiten Abstieg hintereinander nicht entging. Auf ein Angebot seines Traumklubs Austria oder vom grün-weißen Lokalrivalen Rapid wartete Stöger vergeblich. Auch die Admira zeigte kein Interesse. Hingegen Blutsch, inzwischen Trainer bei Austria Salzburg: Dort bat dieser seinen Präsidenten Rudi Quehenberger inständig, ihm doch vom FavAC das Mittelfeldduo Peter Stöger und Andi Reisinger zu holen. Doch Quehenberger konnte Blutsch den Wunsch nicht erfüllen – in Salzburgs Kasse herrschte totale Ebbe. Blutsch gab den Tipp an Vorwärts Steyr weiter. So bekam der FavAC für Stöger noch eine Viertelmillion Schilling Ablöse, nach heutigem Kurs rund 18 000 Euro.

Der damalige Meisterschaftsmodus in Österreich lautete: erste und zweite Liga mit je zwölf Klubs. Nach 22 Runden kam die Teilung in Play-offs: Die ersten acht der ersten Liga spielten um den Titel und die Europapokalplätze, die letzten vier von oben sowie die ersten vier der zweiten Liga um vier Plätze in der ersten Liga für die kommende Saison, die letzten acht gegen den Abstieg. Vorwärts Steyr mit gestandenen Routiniers wie dem ehemaligen Teamtorhüter Erwin Fuchsbichler, den eigenen Ikonen Radan Lukic und Kurt Hochedlinger, dem Polen Tadeusz Malnowicz und dem Wiener Youngster Stöger schaffte aus der zweiten Liga zwar den Sprung ins mittlere Play-off, aber dort gegen Union Mödling, die Vienna, den Grazer AK, Austria Klagenfurt, Austria Salzburg, Eisenstadt und DSV Alpine aus Leoben in der Steiermark nicht den Sprung unter die letzten vier.

Auch eine Erinnerung Stögers an seine Zeit bei Steyr unter Trainer Franz Mrakowitsch: Er bekam dort seinen ersten Dienstwagen. Mehr Schlagzeilen als mit Stöger machte Steyr erst ein Jahr nach dessen Zeit: als es gelang, den damals schon 36-jährigen UdSSR-Stürmerstar Oleg Blochin von Dynamo Kiew nach Oberösterreich zu lotsen. Entscheidend daran beteiligt: der heutige Finanzminister der Republik Österreich, Hans Jörg Schelling. Als damaliger Chef des Möbelhauses Leiner/Kika, das Vorwärts Steyr sponserte.

Als Steyr und Vienna im Frühjahr 1987 um den Aufstieg kämpften, übernahm bei Wiens ältestem Fußballklub – offizieller Vereinsname: First Vienna FC 1894 – Ernst Dokupil den Trainerposten. Der hatte eine Vorliebe für schlampige Wiener Genies. Vielleicht, weil er in seiner eigenen Spielerzeit selbst als eines gegolten hatte. Er hatte schon ein Jahr zuvor, als Trainer des Simmeringer SC, von seinen Spielern, die auch gerne ihre Zeit im Favoritner Fußballtreff Durdak – einem Café an der Laxenburger Straße – totschlugen, den Hinweis bekommen, dass beim FavAC ein Talent nach genau seinem Geschmack spielen würde. Dokupil registrierte das zunächst, ohne sich wirklich um einen Transfer zu bemühen. Als er dann diesen Tipp – einen »schmalpickten Filigrantechniker«, so Dokupil im Blick zurück – im Steyr-Dress gegen seine Vienna im Play-off spielen und tricksen sah, wusste er sofort: Den muss ich kriegen! Er ärgerte sich damals mehr mit der alternden Attraktion im blau-gelben Vienna-Dress, dem 33-jährigen Mario Kempes, als er sich freute, den Torschützenkönig der WM 1978, den Weltmeister mit Argentinien im eigenen Land, zu trainieren.

Die Vienna verlor damals in Steyr mit 0 : 1, führte dann daheim auf der Hohen Warte bereits 5 : 0, konnte aber bei der von Stöger angetriebenen Aufholjagd Steyrs mit Müh und Not gerade noch ein 5 : 4 retten. Dokupil lag seinem Präsidenten Walter Nettig, damals Besitzer einer Fotogeschäfte-Kette mit 27 Niederlassungen, später führender ÖVP-Kommunalpolitiker in Wien und Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, in den Ohren, doch auf Kempes zu verzichten und statt ihm Stöger zu kaufen. Das sei besser für die Zukunft der Vienna. Und Dokupil fand nach dem Aufstieg Gehör: Kempes wechselte nach St. Pölten, Nettig legte für Stöger schon 1,5 Millionen Schilling auf den Tisch von Vorwärts Steyr. Rund 110 000 Euro. Viel Geld für einen 21-Jährigen. Es war gut investiert. Für Stöger war es aber ein weiter Weg von Favoriten hinüber ans andere Ende der Stadt, nach Döbling, zum Training. Nur gut, dass Viennas damaliger Vizepräsident Heinz Havelka Besitzer eines Autohauses war. Also bekam Stöger einen Honda von Havelka für die Fahrten in den Nobelbezirk und wieder zurück.

Die Saison war dann eine Berg- und Talfahrt: Gleich in der zweiten Runde ein 0 : 7-Debakel bei der Austria, praktisch vor Stögers eigener Haustüre, im Favoritner Horr-Stadion. Aber andererseits ein Sieg gegen den FC Tirol Innsbruck, bei dem Präsident Gernot Langes-Swarovski große Pläne hatte, Trainerguru Ernst Happel nach Jahrzehnten nach Österreich zurückholte, auch Bruno Pezzey aus Bremen nach neun erfolgreichen Jahren in der Bundesliga. Der deutsche Ex-Internationale mit Inter-Mailand-Vergangenheit Hansi Müller war schon vor Happel und Pezzey in Tirol. Und diese Startruppe bezwang nun der Außenseiter Vienna auf der Hohen Warte mit 3 : 1. Mit Stöger-Festspielen. An seiner Seite: das von Austria ausgeborgte Talent Gerald Glatzmayer. Dokupil war von Stöger so sehr überzeugt, dass er ihn mit nur 21 Jahren zum Kapitän bestimmte – der sich deshalb sehr geehrt fühlte. Seinen routinierten Legionären aus Tschechien und Ungarn Jiří Ondra und Zoltán Péter – immerhin ehemalige Teamspieler – sagte Dokupil in der Kabine klipp und klar: »Was der Peter sagt, das gilt!«

Der Sprung ins obere Play-off gelang. Bei den Spielen der Vienna gegen den Grazer AK kam es zum ersten Aufeinandertreffen mit einem, der nun seit 2013 in Deutschland sein Trainerkonkurrent ist: Ralph Hasenhüttl, damals der aufstrebende 20-jährige Sturmtank neben dem deutschen Legionär Dieter Schatzschneider. Im Winter 1988, in dem Stöger am 5. Februar bei einem Turnier in Frankreich das erste seiner insgesamt 65 Länderspiele bestritt, und zwar gegen die Schweiz in Monaco (und mit 1 : 2 verlor), kam zu ihm noch ein weiteres schlampiges Genie im blau-gelben Vienna-Dress dazu, das bei Tabellenführer Rapid nicht zum Zug gekommen war: Andreas Herzog, 19 Jahre jung. Der sollte am Ende seiner Laufbahn im Jahr 2004 mit 103 Länderspielen Österreichs Rekordteamspieler sein, zuvor in den Neunzigerjahren Meister und Pokalsieger in Deutschland mit Werder Bremen, UEFA-Pokal-Sieger mit Bayern München. Das erste Länderspiel bestritt Herzog einen Monat nach Stöger in seiner Vienna-Zeit. Mit Stöger ergänzte er sich ideal: Herzog war der Mann für Tempodribblings und lange Pässe, Stöger der laufstarke Stratege. Dazu Glatzmayer – das Mittelfeldtrio mischte zunächst die Konkurrenz auf. Da gewann Stöger zweimal gegen die Austria, einmal sogar bei sich »daheim« im Favoritner Horr-Stadion, und auch zweimal gegen Happels Truppe aus Innsbruck. Bis ein Bänderriss bei Herzog dazwischenkam. Er bestritt nur sieben der 14 Spiele. Aber im letzten war er wieder fit – da sicherte sich Vienna die unerwartete UEFA-Pokal-Qualifikation.

Der Erfolg weckte Begehrlichkeiten: Rapid beorderte seine Leihgabe Herzog zurück in den Westen der Stadt – und Stöger bekam von seinem Lieblingsklub Austria ein Angebot, zu dem er nicht Nein sagen konnte. Denn er hatte sich geschworen: »Wenn ich die Vienna verlasse, dann nur zur Austria.« Dazu sollte es nun kommen. Denn Austrias allmächtiger Boss Joschi Walter sah im 22-jährigen Stöger den Nachfolger für den violetten Denker und Lenker Herbert Prohaska. Österreichs Jahrhundertfußballer war inzwischen schon 33 Jahre alt, hatte Probleme mit der entzündeten Achillessehne. Die Vienna bekam für Stöger keine Millionenablöse, sondern vier Spieler.

Mit dem Wechsel sollten für Stöger die erfolgreichsten Jahre als Spieler beginnen. Auch das Auto musste er tauschen: Bei Austria fuhr man Peugeot. Denn der mit allen Wassern gewaschene Walter, der beste Verbindungen zu allen wichtigen Kreisen in Wien pflegte, war Importeur der französischen Automarke. Seinen Betrieb in der Brigittenau, die Peugeot-Klinik in der Pasettistraße, nannte er selbstbewusst das »Autohaus zur Gerechtigkeit«.

Kapitel 2

Sechs Titel in sechs Jahren

Gerecht behandelt waren sich die Trainer der Austria im Büro von Joschi Walter in den Jahren vor Stögers Transfer nicht unbedingt vorgekommen: Als Thomas Parits im Sommer 1985 – als Meister mit neun Punkten Vorsprung auf den Erzrivalen Rapid – um eine Vertragsverlängerung vorstellig wurde, beendete Walter abrupt das Gespräch und das Arbeitsverhältnis. Parits’ Nachfolger Hermann Stessl kam ein Jahr später als Meister und Cupsieger einem solchen Schritt zuvor, indem er selbst seinen Hut nahm und zum FC Zürich übersiedelte.

Da kehrte überraschend Parits zurück. Der Burgenländer aus Siegendorf hatte in seiner besten Zeit als Stürmer 1970/71 beim 1. FC Köln unter der ehemaligen österreichischen Fußballgröße Ernst Ocwirk in einer Mannschaft mit Ikonen wie Wolfgang Overath, Wolfgang Weber, Heinz Flohe, Hannes Löhr, Karl-Heinz Thielen, Bernd Cullmann und Jupp Kapellmann gespielt, das Pokalfinale gegen Bayern München vor 71 000 Zuschauern im Stuttgarter Neckarstadion nach Verlängerung mit 1 : 2 verloren. Am Ende seiner Rückkehrsaison verlor die Austria in der letzten Runde Platz eins und den Titel an Rapid – damit war es für ihn vorbei. Als Ernst Happel 1987 dem Ruf von Swarovski-Boss Gernot Langes nach Tirol folgte, konterte Walter mit Ex-Teamchef Karl Stotz, der Österreich noch zur WM