Komtesse Käthe in der Ehe

Humoresken

 

Tante Kukis Hochzeitsgeschenk

Liebes Knickerchen!

»Ich könnte Ihnen ja englisch schreiben, wenn ich wollte, aber ich thu's nicht, denn Sie würden meinen Brief dann als ein englisches Exercitium betrachten und ihn mir mit den rot angestrichenen Fehlern zurückschicken, und das würde mich scheckig ärgern. Wenn Sie bloß einmal aufhören wollten, mich als Baby zu behandeln, Sie, die auf meiner Hochzeit beinahe getanzt haben! Hätten Sie's nur wirklich gethan! Es ist nichts so gesund, als wenn man sich gelegentlich mal die alten Knochen zusammenschüttelt, wie der gute Tiefenthal sagt. Sie brauchen also über die Redensart nicht gleich Zetermordio zu schreien, denn sie ist, wie Sie sehen, leider nicht von mir. Nun, Ihre alten Knochen können Sie sich immerhin aber noch zusammenschütteln, und zwar auf der Eisenbahn bis Hundeloch in den alten, stoßenden Waggons, denn Sie sollen reisen, nach Nordland reisen, zu uns! › Well, I never!‹ höre ich Sie im Geiste sagen, aber es hilft Ihnen nichts, Sie müssen. Und warum müssen Sie, Sie liebes, altes Knickerchen? Weil das Haus Kirchwald Sie als Blitzableiter braucht, je rostiger desto besser, denn da schlägt's um so sicherer ein, wissen Sie. › I am much obliged to you,‹ werden Sie wiederum sagen, aber ich bekenne, großmütig, wie ich nun einmal bin, daß › to be obliged‹ ganz auf meiner Seite ist. Also schnüren Sie Ihr Bündel, vergessen Sie Ihr gutes Sonntagnachmittag-Schwarzseidenes nicht, gürten Sie sich auch meinetwegen mit dem ganzen Stolze Old-Englands, lassen Sie die Gouvernante hübsch in Hellberg bei Papa, geben Sie ihm einen tüchtigen Kuß von mir – na, in Ihrem Alter wird's Ihnen nichts mehr schaden, liebes Knickerchen – und dann verdösen Sie den richtigen Zug nicht und kommen Sie. – Aber warum?

»Na, zum Kuckuck, das ist doch klar wie Kloßbrühe: auf unser junges, kaum ein Vierteljahr altes Eheglück ist der erste Schatten gefallen, und Sie sollen hier als Wolkenschieber, Blitzableiter und Schneepflug verwendet werden, wenn's not thut, auch als Drachentöter. Sie brauchen aber gar kein so schrecklich entsetztes Gesicht zu machen, denn wenn die Sache für uns ja auch verflixt ernst ist, so brauchen Sie's noch lange nicht ›längst geahnt zu haben, daß ich, Ihre teure Lady Kate, » this most dreadful and impudent child«, auch in der Ehe nimmer gut thuen und mit ihrem Glück bald » at bay« sein würde!‹ Denn im tiefsten Schrein Ihres Herzens haben Sie doch meinen Mann aufs tiefste bemitleidet, daß er so verblendet sein konnte, mich zur Frau zu nehmen, nicht wahr? Leugnen Sie nicht, Knickerchen, denn ich habe Ihnen diesen Gedanken an meinem Hochzeitstage an der Nase angesehen, aber großmütig, wie ich Ihnen gegenüber nun einmal immer bin, habe ich Ihnen diese gute Meinung nicht nachgetragen, sondern Sie nur einfach ins Pfefferland gewünscht.

»Nein, Knickerchen, der Friede unserer Ehe ist bis dato ungestört geblieben, mein Mann und ich leben zusammen wie Philemon und Baucis! Jawohl, wie Philemon und Baucis; noch nicht einmal haben wir uns gezankt, denn wir sind uns sehr gut! Ich habe ihm sogar sein Monokel wieder gegeben, denn er riß das respektive Auge aus alter Gewohnheit immer so weit auf, und mit dem Glase sieht das nicht so gräßlich dämlich aus, you know! Er fängt jetzt sogar schon an, Slang zu schwatzen, also können Sie die Größe und Tiefe meines wohlthätigen Einflusses aus ihn voll und ganz ermessen.

»Und trotzdem ist der erste Schatten auf unseren Frieden gefallen! Denken Sie nur, vorhin, als wir nichts Böses ahnend beim Frühstück sitzen, kommt der Postbote mit einem eingeschriebenen Briefe an meinen Mann. Er liest ihn, läßt das Monokel fallen und sitzt dann düster und blaß wie ein betrübter Lohgerber da und ißt dazu, als ob er bezahlt würde.

»›Schneiderrechnung?‹ frage ich, auf den Brief deutend.

»›Ich wollte, es wäre eine,‹ sagt er mit einem Ausdruck, der mich an den erinnert, wenn Sie die Güte hatten, mir zu prophezeien, daß aus mir niemals was werden würde. Na, Sie können sich denken, was für einen Schreck ich kriegte, und der fuhr mir vollends in den Magen, als mein Mann aufstand, mir einen Kuß gab und sagte:

»›Arme Käthe – deine erste Prüfung beginnt – das Malheur ist schon unterwegs zu uns!‹

»›Die alte Müllern?‹ gapste ich und fühlte, wie ich blaß wurde.

»›Ach was, alte Müllern,‹ sagte mein Mann dumpf, ›das ist noch nichts. Aber hier, hier – Käthe lies mal den Brief!‹

»Damit reichte er mir den schönen glatten Bogen mit den feinen, pedantischen Schriftzügen, und ich las.

»Sie können ihn auch lesen. Knickerchen – hier ist er:

»Mein teurer Neffe!

Daß ich meines leidenden Zustandes wegen Deiner Hochzeit mit der Hofdame der Prinzessin von Nordland nicht beiwohnen konnte, hat mich, wie Du weißt, tief geschmerzt, und wenn Du auch nicht für gut befunden hast, mich durch eine Zeile darüber zu trösten, so will ich über diesen scheinbaren Mangel an Pietät für die einzige Schwester Deines Vaters gern hinwegsehen, in Anbetracht dessen, daß junges Glück ja stets egoistisch ist und in seinem ersten, ach! so vergänglichem Rausche ja allzuleicht vergißt, was die Pflicht und die Ehrfurcht gebeut. Tout comprendre c'est tout pardonner, mein lieber Neffe. Ach, ich habe Dich ja stets ein wenig verzogen. Nun aber will es ein günstiger Zufall, daß mein Arzt mir dringend eine Kur in Kissingen verordnet hat, und da finde ich, daß ich auf dem Wege dahin Nordland berühre. Wie glücklich mich das macht, wie glücklich es Dich und Deine liebe Frau machen wird, denn ich habe beschlossen – nein, nein, nicht etwa einen Zug zu überschlagen, um in Eure Arme zu eilen – wie könnte ich Euch durch solch einen Bettelbrocken in Euren heiligsten Gefühlen betrüben und kränken – nein, ich will, trotzdem es mich in meinen Plänen ein wenig stört, eine vierzehntägige Vorkur in Eurer Mitte zubringen, und wenn ich von Kissingen zurückkehre, dann vier Wochen bei Euch bleiben.

»Lisette, meine treue Kammerjungfer, die Du ja auch kennst, packt schon meine Sachen, und wenn Du diese Zeilen erhältst und mit glückstrahlenden Augen Deiner lieben Frau vorliesest, so eile ich vielleicht schon auf Flügeln des Dampfes Euch entgegen. Ich telegraphiere übrigens noch Zeit und Stunde; denn wenn Ihr in Erwartung meiner auch kaum mehr das Haus verlassen werdet, so bin ich doch billig genug, nicht zu verlangen, daß Du zu jedem Zug zur Bahn eilst, und Deine liebe Frau in freudiger Erregung Dich begleitet.

»Ich komme auch nicht mit leeren Händen zu Euch, Ihr Lieben! Denke Dir, daß ich mich nun für das Hochzeitsgeschenk entschieden habe, das ich Euch verheißen hatte! Aber ich verrate noch nicht, was es ist, es soll eine Überraschung sein, doch so viel will ich schon sagen, daß es Euch unbeschreiblich erfreuen, überraschen und glücklich machen wird, und ich freue mich schon im voraus über die Ergießungen Eures überwältigten Dankgefühles.

»Und nun lebt wohl und auf ein recht, recht fröhliches und köstliches Wiedersehen! In treuer Liebe Deine Dich liebende Tante

Habakukine, Gräfin Kirchwald.«

»Ich war zuerst, als ich den Brief gelesen, einfach starr, liebes Knickerchen, und zwar zunächst über den Namen Habakukine! Haben Sie schon je so was gehört? Mein Mann belehrte mich, daß sie in der Familie einfach »Tante Kuki« genannt wird! Ich habe mir die Seiten halten müssen vor Lachen. Das nahm nun mein Mann höllisch krumm und meinte, das könnte ich ein anderes Mal besorgen, jetzt wäre nicht die Zeit zu solchem Unfug, die Sache an sich wäre schon genug, um einen Menschen in Angst und Fieber zu bringen, denn Tante Kuki hätte nun mal zweifellos ihre Eigenheiten, und ich müßte mich tüchtig zusammenreißen, sie entsprechend zu empfangen, weil das nicht nur ›so‹ wäre, sondern, weil sie meinen Mann als ihren dereinstigen Erben betrachtete und ihm auch schon zweimal die Schulden bezahlt hätte, wie er noch ein junger Lieutenant war etc. etc.!

»Also da säßen wir denn in der Sauce, und an unserem Himmel ist die erste Wolke aufgezogen! Was soll ich denn nun mit dieser Tante Kuki anfangen? Aber Sie, liebes Knickerchen, Sie verstehen so gut mit solchen Leuten umzugehen, und wären es auch die widerborstigsten Kreaturen der Welt – das haben Sie ja an mir so glänzend bewiesen! Ich flehe Sie also auf den Knieen an: kommen Sie her, so schnell als unsere Sekundärbahn fahren will, und helfen Sie mir mit Tante Kuki – ich bin ganz ratlos, was ich überhaupt mit ihr anfangen soll!

»Jetzt kann ich aber nicht mehr schreiben, habe noch nie einen so langen Brief zusammengedoktert, und es ist mir Wurscht, wie Sie über den Stil denken, vorausgesetzt, daß Sie auf Flügeln des Dampfes, wie Tante Kuki sagt, zu uns eilen. Immer Ihre Sie treu liebende

Käthe.

P. S. Vergessen Sie nicht, etwas Proviant mitzubringen.

P. S. Nr. 2. Vergessen Sie auch Ihren Kopf nicht in Hellberg, liebes Knickerchen, und geben Sie den Pferden im Stalle einen Kuß von mir. Sagen Sie dem Johann auch, er wäre ein alter Esel, weil er mir das falsche Zaumzeug geschickt hat.«

* * *

»So, das wäre geschehen,« sagte Gräfin Käthe Kirchwald, als der Brief an ihre ehemalige schwer geprüfte Erzieherin, die im Hause ihres Vaters jetzt das Amt einer Haus- und Ehrendame versah, adressiert und abgeschickt war. Graf Kirchwald, der immer noch dem Prinzen Heinrich von Nordland als Adjutant zugeteilt war, hatte seine junge Frau gleich nach dem Frühstück verlassen, zu seinem täglichen Vortrag bei seinem fürstlichen Herrn, und nun stand sie für einen Moment unthätig da und versuchte, dem drohenden Besuche der unbekannten Tante mit Fassung entgegenzusehen. Daß die Sache nicht so ganz »ohne« war, hatte sie aus der ersichtlichen Aufregung ihres sonst so vornehm ruhigen Herrn und Gebieters ersehen können, aber der Brief an Miß Knickerbocker hatte sie bedeutend erleichtert, und sie beschloß mit dem Gaste »schon fertig zu werden.« Was ein solcher Entschluß bei ihr bedeutete, wird jeder zu ermessen verstehen, der unsere Heldin noch als Käthe Hellberg gekannt hat. Aber trotzdem wollte es ihr noch nicht ganz behaglich bei dem Gedanken werden. Nicht, daß das wirtschaftliche Moment ihr Sorgen bereitet hätte – die alte Hellberger Köchin hatte sich herabgelassen, die junge Frau in ihren neuen Haushalt zu begleiten, und Küchenüberraschungen, wie sie in jungen Ehen allgemein üblich sind, waren daher ausgeschlossen, die Wohnung war hübsch und behaglich eingerichtet, der Bursche hatte sich der Pflichten eines servierenden Dieners mit unleugbarem Talente angenommen, ein nettes Stubenmädchen, auch aus Hellberg stammend, sorgte für Ordnung, und im Stalle machte ein früherer Bursche dem in ihn gesetzten Vertrauen alle Ehre – kurz, selbst eine Fehler suchende Tante hätte in diesem jungen Haushalt nichts ernstlich zu trüben Weissagungen verlockendes ausschnüffeln können.

Freilich, Gräfin Käthe hatte mit dem Species »Tante« ihre Erfahrungen gemacht, und ihr Mann schien auch die seinigen genossen zu haben – das war schon aus seiner Aufregung beim Empfang des ominösen Briefes zu ersehen. Na, vorläufig konnte man sich seines Lebens ja noch erfreuen, noch war die angekündigte Depesche nicht da, und Käthe versuchte zunächst das Bild des drohenden Gespenstes, als welches sie Tante Kuki ziemlich respektlos bezeichnete, durch allerhand angemessene Beschäftigungen zu verscheuchen. Sie schlenderte nämlich zunächst durch ihre Zimmer, hier einer Pagode durch einen leichten Stoß die erforderliche wackelnde Bewegung verleihend, dort ein paar zu pedantisch »ausgerichtete« Sofakissen genial durcheinander werfend, da probierend, ob auch die dünne Lehne eines vergoldeten Salonstühlchens sich stark genug für Turnübungen erwies, und mit solchem Zeitvertreib kam sie dann in der Küche an, um mit der alten Köchin das »Menü« zu machen, das heißt eigentlich sich von der guten Frau Schnörkel erzählen zu lassen, was letztere heut' zu kochen gedachte. Frau Schnörkel aber hatte sich gerade mit dem Fleischer geärgert und war gar nicht geneigt, auf eine Konversation einzugehen; Käthe war daher weise genug, einen eleganten Rückzug anzutreten und lieber nach den Pferden zu sehen; ehe sie die Küche aber verließ, steckte sie noch ein paar Mohrrüben zu sich und sagte im Gehen: »Schnörkeln, jetzt müssen wir uns zusammenreißen, wir kriegen Logierbesuch!«

»Was denn sonst noch?« brummte das alte Faktotum, das ehedem schon Käthens Kinderfrau war, höchst mißgelaunt.

»Das wissen wir noch nicht, das ist eine Überraschung,« sagte Käthe geheimnisvoll.

Aber auch das verfing heut' nicht bei der sonst so neugierigen Frau Schnörkel – freilich wenn man sich schon frühzeitig über den Fleischer ärgern muß, da ist für den Tag kein Stecken mehr gerade. Käthe konzentrierte sich daher ohne weitere Redensarten rückwärts, stieg zum Stall hinab und verbrachte dort ein halbes Stündchen bei den Pferden, und als diese die mitgebrachten Mohrrüben und Zuckerstückchen programmmäßig erhalten, ging sie wieder hinauf und warf sich mit der neuesten Zeitung in der Hand auf ihres Gatten ledernes Sofa.

Indessen hatte Graf Kirchwald seinen Vortrag beendet, hatte für sich und Käthe eine Aufforderung zum Spazierritt mit dem Prinzenpaare für den Nachmittag erhalten und schlenderte nun seinen heimischen Penaten wieder zu, den Kopf voll von dem angekündigten Besuch der Tante Kuki. Er rekapitulierte in Gedanken alles, was seine Erfahrung ihn im Verkehr mit dieser kostbaren Verwandten, die ihn stets ihren Erben genannt, gelehrt hatte, und beschloß zunächst, Käthe eingehend über ihr Verhalten zu unterrichten, denn was hing nicht alles davon ab! Käthe mußte die ganze hinreißende Liebenswürdigkeit, die sie gegen ihn entfaltete, auch auf die Tante übertragen, sie mußte deren Lieblingsgerichte machen lassen, sie mußte – ja was mußte sie nicht alles! Das war schon keine Liste mehr, das war eine ganze Encyklopädie von Pflichten, die, wenn sie ihr vielleicht auch nicht leicht wurden, doch aus Liebe zu ihm erfüllt werden mußten. Und mit diesen Gedanken hatte er sein Haus fast erreicht, da fuhr ihm gegenüber eine hoch mit alten, ledernen, soliden Reisekoffern, Felleisen und Taschen beladene Droschke um die Ecke.

»Na, Gott sei Dank!« dachte Graf Kirchwald, unwillkürlich lächelnd, »die zwölf Personen zu dem Gepäck können doch nicht auch alle drin sitzen?«

»Brr!« machte der Kutscher, welchem Gebot seine magern Rosse mit fabelhafter Bereitwilligkeit gehorchten, und – das Vehikel hielt vor seiner, Graf Kirchwalds, Hausthür.

Eine furchtbare Ahnung zog damit a tempo durch die Seele des jungen Offiziers.

»Grundgerechter Strohsack, das wird doch nicht am Ende gar – –«

Doch ehe er noch ausdenken konnte, war das »Unzulängliche schon Ereignis« geworden – die Droschkenthür ward geöffnet, heraus sprang eine dicke, ältliche Person mit sauertöpfischem Gesichte. Ihr Kostüm verriet sie als der besseren dienenden Klasse zugehörig. Sie half einem zweiten weiblichen Wesen beim Aussteigen, einer wohlkonservierten langen, hageren Dame mit schmalen Lippen, halbgeschlossenen Augen, über denen sich hochgezogene Brauen wölbten, die dem etwas scharfen Gesicht einen permanent erstaunten Ausdruck gaben, umrahmt von glänzenden tadellosen Wellenscheiteln, die sich am Hinterkopf in ein Lockenchignon verloren, wie es ehedem die Kaiserin Eugenie in Mode gebracht hatte. Auf dieser etwas antiken Frisur trug die Dame einen mit grauen Straußenfedern überladenen Hut von länglichrunder Form, wie er auch zur Zeit der eleganten französischen Monarchin beliebt gewesen. Ein ganz moderner grauseidener Staubmantel vollendete die Toilette der Dame, zu der nun Graf Kirchwald mit einem halben Dutzend stark beschleunigter Schritte gelangte.

»Tante Kuki! Welche Überraschung!« rief er, hochrot vom eiligen Lauf, indem er sich auf die elegant behandschuhte Hand der Reisenden herabbeugte, um mit einem Zoll Distance zwischen seinen Lippen und dem Objekt seiner Devotion einen Kuß in die Luft zu hauchen.

»Überraschung?« fragte die Dame mit flötenden, aber etwas scharfen Tönen. »Ja, ich habe dir doch geschrieben, lieber Horst, daß ich komme!«

»Gewiß – gewiß! Wir haben den Brief eben erst erhalten– aber du versprachst noch zu telegraphieren – wir hätten dich doch so gerne von der Bahn abgeholt!«

»Ich habe telegraphiert, lieber Horst, und muß gestehen, daß es mich doch recht befremdet hat, niemand zu meinem Empfange auf der Bahn vorzufinden. Wenn ihr mir damit aber andeuten wollt, daß ich euch nicht gelegen komme –«

Graf Kirchwald unterdrückte heroisch ein Stöhnen.

»Aber Tante Kuki, wie kannst du das denken!« rief er mit etwas forcierter Lustigkeit. »Wir sind ja so glücklich über deinen Besuch! Was aber die Depesche betrifft –«

Gräfin Kuki wandte sich nach ihrer Zofe um, die merkwürdig rot geworden war.

»Lisette, wann war es doch, daß ich dir das Telegramm zur Bestellung übergab?« fragte sie scharf.

»Na, heut' Nacht war's, gnädige Komtesse, wo wir auf der großen Station so lange warten mußten,« polterte Lisette hervor – eine Art und Weise, die Graf Kirchwald schrecklich war.

»Ah – und du hast das Telegramm natürlich richtig aufgegeben?«

»Natürlich,« polterte Lisette grob heraus, »das heißt, ich ließ mir in der dritten Klasse eine Tasse Kaffee geben, und da fand ich eine Bekannte vor und – da habe ich eigentlich die Depesche vergessen. Gnädige Komtesse entschuldigen, aber wie's zum Einsteigen läutete, war's zu spät dazu – was kann ich davor?«

»Du hättest eher daran denken müssen –«

»Ich kann doch meinen Kaffee nicht kalt werden lassen,« war die sonderbare Entschuldigung der alten langjährigen Dienerin.

»Ein excellenter Grund, liebe Lisette,« sagte Graf Kirchwald sarkastisch, und Gräfin Kuki seinen Arm reichend, meinte er lächelnd: »Nachdem nun festgestellt worden ist, daß wir die Depesche also nicht erhalten haben, erlaubst du wohl, daß ich dich hinaufführe! Käthe wird sich so freuen!«

»Ich hoffe es, lieber Horst,« flötete die Tante und setzte vertraulich hinzu: »Ich finde, die gute Lisette läßt in manchem recht nach!«

»Das hab' ich schon gefunden, als ich noch Kadett war, liebe Tante,« war die etwas trockene Antwort. »Dafür legt sie aber auch an Unverschämtheit recht zu – so gleicht sich's wieder aus!«

»O, das mußt du nicht so auffassen,« war die lebhafte Erwiderung. »Alte Dienstboten haben leicht ihre Eigenheiten, und Lisette ist mir wirklich ganz unentbehrlich!«

»Wenn du nur mit ihr zufrieden bist, kann's mir schon recht sein. Doch hier sind wir vor unsrer Thür – nun wollen wir Käthe mal recht gründlich überraschen. Hier im Salon ist sie nicht – sie wird wohl in ihrem Boudoir sein!«

Tante Kuki durchschritt am Arm ihres Neffen mit prüfend scharfem Blick den hübschen, eleganten Salon mit seinen zahllosen Nippes gefüllt – meist Hochzeitsgeschenke, Nichtigkeiten, die einen Raum aber sogleich behaglich und wohnlich machen.

»Sehr nett, diese Rokokomöbel,« meinte sie gnädig. »Ich liebe diesen Stil, er ist so elegant. Nur die Wände sind noch etwas leer – hier z. B. in der Ecke wäre ein excellenter Platz für ein lebensgroßes Bild von mir –«

»Ah – das verheißene Hochzeitsgeschenk,« sagte Kirchwald mit plötzlicher Erleuchtung, doch ohne sonderlichen Enthusiasmus.

»Doch nicht ganz, lieber Horst – es ist eine Extra-Idee von mir,« war die gnädige Erwiderung. »Ah – also dies ist das Boudoir deiner Frau – mon Dieu, comme c'est drôle pour une jeune femme –! –! –!«

Kirchwald wußte nun, woran er war, denn wenn Tante Kuki französisch sprach, dann stand ihr ganzes Empfinden sozusagen auf den Hinterbeinen vor einem Etwas, gegen das sie ein Vorurteil hatte. Ihr Mund kniff die Lippen ein, die schweren Augenlider bedeckten fast ganz die großen, etwas vorstehenden Augen, und die Augenbrauen machten den Versuch, den glänzenden braunen Wellenscheitel zu berühren. Und doch war Käthens Boudoir eigentlich sehr hübsch, und besonders war's charakteristisch: matte Eichenholzmöbel mit grünem Saffianbezug, Bärenfelle als Teppiche, Perserteppiche an den Wänden und in den Zwischenräumen davon Pferdeporträts, Sportscenen, Trophäen von gefundenen Hufeisen, Reitgerten, Fuchsruten, Eichen- und Tannenbrüchen. Aber trotz der ausgeprägten Vorliebe für Sport, der in einer Nische durch ein paar mächtige norwegische Schneeschuhe von Sandelholz noch ergänzt wurde, war's doch das Zimmer einer Dame; denn eine Schußwaffe fehlte, der zierliche Hirschfänger auf dem Schreibtisch war nur ein harmloses Papiermesser, die Schreibgarnitur von Meißener Porzellan wies zarte Blumenmuster auf, und als Briefbeschwerer fungierte der bewußte silberne Bär auf der Lapis-Lazuli-Kugel und präsentierte noch ebenso stolz wie vordem sein ominöses Quadrat mit dem diamantstrahlenden » J'y pense« darauf als sichtbarlichen Zeugen jener Episode aus Käthes Leben, die unsere Leser aus dem »Bärenführer« kennen.

»Originell, Tante Kuki, nicht wahr?« nahm Graf Kirchwald die Bemerkung als Bewunderung hin, »aber doch eigentlich ein sehr behagliches Zimmer. Wo nur Käthe stecken mag?«

Er öffnete die Thür, die zu seinem eigenen Zimmer führte.

»Da ist sie endlich! Käthe komm nur – denke, Tante Kuki ist eben angelangt!«

»Potztausend,« tönte es aus dem Nebenzimmer hervor, und im nächsten Moment stand Käthes jugendschöne, siegende Gestalt im Thürrahmen. – Einen Augenblick maßen sich beide Frauen mit den Blicken, dann trat die junge Hausfrau näher und streckte ihre Hand aus.

»Willkommen in unserem Hause,« sagte sie kurz und schlicht, aber herzlich um ihres Mannes willen, denn Tante Kukis Physiognomie war im Moment nicht gerade sehr einladend.

Tante Kuki legte etwas zögernd ihre schmale Rechte in die ausgestreckte schöne, aber kräftige Hand, die sich mit einer Kraft um die ihrige schloß, daß sie leise aufschrie.

»Nicht so stürmisch, liebe Nichte,« rief sie mit sauersüßem Lächeln. »Kann man seine Freude nicht sanfter äußern?«

»Natürlich,« sagte Käthe trocken und machte eine tadellose Hofverbeugung.

»Sehr schön,« lobte Tante Kuki. »Nun, ich hoffe, wir werden recht gute Freunde werden, nicht wahr?«

Nun mußte Käthe lachen.

»Miß Knickerbocker sagt: › It depends all on mutuality,‹« war ihre prompte Erwiderung.

Tante Kuki kniff den Mund wieder ein.

»Ich spreche nicht englisch,« sagte sie ausweichend.

»O, das thut nichts,« versicherte Käthe, »ich spreche auch lieber deutsch.«

»Wirklich? Nun, um so besser!«

Eine kleine Pause entstand, während welcher Tante Kuki an ihren Handschuhen nestelte. Dann sagte sie: »Du hast meinen Wagen nicht vorfahren hören, liebe Nichte?«

»Nein, ich war im hinteren Zimmer, da hört man nicht, was vor dem Hausthor vorgeht. Ich bin gern dort, wenn Horst nicht zu Haus ist, denn dann ist's mir immer, als wäre ich dem lieben guten alten Kerl näher,« antwortete Käthe, und es lag so viel Herz und so viel Liebe in den mehr als einfachen Worten, daß Kirchwald ein Stock gewesen wäre, wenn er nicht, wie jetzt eben, seine schöne junge Frau gerührt in die Arme geschlossen hätte. Doch in Tante Kukis altjüngferlicher Seele fand der schlichte Herzenston kein Echo.

»Ich bewunderte schon eueren Salon,« sagte sie, sich abwendend.

»Nett, nicht wahr?« rief Käthe lebhaft, »aber hier ist doch meine Lieblingsbude – –«

»Lieblingsboudoir,« unterbrach sie Tante Kuki, als ob sie das Wort nur wiederholte.

»Ach was, Boudoir,« meinte Käthe lachend, »das klingt so geziert und paßt nicht zu mir und nicht auf die liebe Bude hier. Sieh 'mal, diese Fuchsschwänze habe ich alle auf den Schnitzeljagden selbst erbeutet, alle! Famos, nicht?«

Tante Kukis Mund wurde immer schmaler.

»Ich bin in diesen Dingen allzusehr Laie,« sagte sie kühl. »In meiner Zeit fand man den Sport für junge Damen nicht passend.«

»Ja, ja, ich weiß,« rief Käthe mitleidig. »Häkeln, sticken, nähen – und so weiter. Man hat mir das oft erzählt – es muß mordslangweilig gewesen sein!«

»Im Gegenteil,« meinte Tante Kuki scharf. Doch ehe sie in ihrer Rede fortfahren konnte, fiel der Unheil ahnende Kirchwald mit der Bemerkung ein, Tante Kuki würde jedenfalls Sehnsucht nach einem Gabelfrühstück haben und ihr Zimmer aufsuchen wollen.

»Natürlich,« stimmte Käthe enthusiastisch ein. »Ich lasse sofort das Fremdenzimmer herrichten und zum Futtern blasen!«

Und hinaus war sie wie der Wirbelwind, doch nur, um im nächsten Moment den Kopf wieder zur Thür hereinzustecken.

»Ich wollte nur fragen, ob Tante Kuki in Federbetten schläft,« rief sie lustig.

»Ich danke,« war die kühle Erwiderung, »ich pflege meine Betten mit mir zu führen, wenn ich auf Reisen bin!«

»Riesig praktisch,« lobte Käthe und setzte mit dem unschuldigsten Gesichte von der Welt hinzu: »Da hast du natürlich auch Sprungfeder- und Roßhaarmatratze mit, nicht?«

»Welche Idee!« rief Tante Kuki, getäuscht durch Käthes Unschuldsmiene, während Kirchwald sich umwenden mußte, um sein Lächeln nicht zu zeigen.

»Also nicht? Bon,« meinte die junge Frau voll Biederkeit und verschwand.

Eine kleine, aber drückende Pause entstand zwischen Tante und Neffe.

»Nun, Tante, gesteh' es, ist meine Frau nicht reizend?« begann Kirchwald endlich das Gespräch.

»Ich wage nach so kurzer Bekanntschaft noch kein endgültiges Urteil abzugeben,« war die reservierte Antwort. »Das Äußere allein macht es nicht, lieber Horst, und ich hoffe, du hast dich durch äußere Schönheit nicht blenden lassen. Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang!«

»Also gestehst du doch damit ein, daß Käthe schön ist,« rief Kirchwald lächelnd, ohne auf das übrige einzugehen.

»Wenn du sie so findest, ist es wohl die Hauptsache!« sagte Tante Kuki spitz.

»Selbstverständlich – doch man hört auch gern, wenn andere es anerkennen. Und was ihren Charakter anbetrifft – da kannst du ohne Sorgen sein.«

»Das ist mir lieb zu hören,« meinte Tante Kuki kühl, »um so mehr lieb, lieber Horst, als ich große Dinge mit dir vorhabe und deine Frau natürlich dabei auch in Frage kommt. Ich meine das dir verheißene Hochzeitsgeschenk. Ich fühle nämlich, daß die Verwaltung meines Gutes mir mehr und mehr zur Last wird – der stete Ärger mit dem Inspektor und der Verwaltung überhaupt greift meine Gesundheit an, und da mein Vermögen von dem Gute ja gottlob unabhängig ist, so habe ich die Absicht, es dir zu übergeben und es auf deinen Namen übertragen zu lassen.«

Kirchwald glaubte nicht recht zu hören. Tante Kukis Gut, wie sie es nannte, war eine Herrschaft ersten Ranges, ein fast fürstlicher Besitz, den ein Erbonkel ihr unerwartet vermacht hatte – der mußte ihn mit einem Schlage zum reichen Manne machen.

»Aber das ist ja ein kaiserliches Geschenk,« sagte er noch ganz benommen von dem eben gehörten.

»Freilich müßte ich daran eine Bedingung knüpfen,« fiel die Tante schnell ein. »Du mußt den Abschied nehmen, lieber Horst, und selbst auf das Gut ziehen. Denn ich habe an mir selbst erfahren, daß die Verwaltung par Distance ihre großen Schattenseiten hat – doch, da ich es nicht über mich bringen kann, so allein in dem großen Schlosse in der Einsamkeit des Landes zu leben, so mußte eben alles seinen Weg gehen. Nun, ich denke aber, der Entschluß wird dir nicht allzuschwer werden, und wenn du erst Gutsherr von Steinbach bist, so komme ich immer, die Sommermonate bei euch zu verleben.«

Kirchwald hörte diese frohe Verheißung kaum – es war ihm siedend heiß geworden. Er hatte eigentlich keine Neigung zum Landwirt, dafür aber war er gern Soldat. Freilich Steinbach war ein Äquivalent für manches Luftschloß, und wenn es ihm auch schon eingefallen war, daß er den Besitz vielleicht einmal von Tante Kuki erben könnte, Gott, so war doch damit vorläufig noch nicht zu rechnen, denn Tante Kuki war noch nicht fünfzig Jahre alt.

»Ich bin nur neugierig, was Käthe dazu sagen wird,« war sein erster lauter Gedanke nach Tante Kukis Rede. »Donner und Doria! wird sie sagen.«

»Nun, das hoffe ich nicht,« sagte Tante Kuki spitz. »Die künftige Schloßherrin von Steinbach und vormalige Hofdame der Herzogin von Nordland wird sich jedenfalls – feiner ausdrücken.«

Kirchwald ging auf diese Hoffnung der Tante vorläufig nicht ein.

»Sprachlos wird sie sein,« versicherte er erregt. »Aber das Abschiednehmen – was wird sie dazu sagen? Sie ist so gern Soldatenfrau.«

»Wenn sie nur deinen Rock geheiratet hat, so seid ihr, du und sie, tief zu beklagen,« klang es schon bedeutend gereizter zurück.

»Nun Tante, sei 'mal gerecht,« erwiderte Kirchwald ruhig. »Es wechselt keiner seinen Stand und sein ganzes Leben so ohne jede Vorrede – das wäre Leichtsinn, oder, was schlimmer ist, Gleichgültigkeit. Im übrigen ist Käthe auf dem Lande aufgewachsen und weiß mehr davon als ich.«

Während dieses wichtige, tief in Kirchwalds Leben einschneidende Gespräch stattfand, war Käthe hinausgeschossen in die Küche, um bei Frau Schnörkel vorsichtig, aber eindringlich für das leibliche Wohl der Tante zu sorgen; denn die alte Köchin haßte all jene Dinge, welche aus dem gewöhnlichen Kreislaufe des täglichen Lebens hinausgingen, Extraleistungen mußten ihr immer abgeschmeichelt werden. Das Terrain schien aber für heute schon stark besetzt, denn in der Küche stand Lisette, die Jungfer, mit hochrotem Gesichte vor der scheinbar ebenso erregten Frau Schnörkel, und beide schienen ihre Bekanntschaft eben durch einen herzhaften Zank eingeleitet zu haben.

»Nanu, was ist denn hier los?« fragte Käthe erstaunt, als die beiden a tempo redenden Stimmen bei ihrem Eintritt auch a tempo schwiegen.

»Ach!« brach Frau Schnörkel wutentbrannt los. »Der Teufel hat uns ein Kuckucksei ins Haus gelegt, gnädige Frau Gräfin!«

»Wie hat er denn das gemacht?« erkundigte sich Käthe lachend.

»Kommt so 'ne Kammerjungfer, nee, Jammerjungfer ins Haus und will mir kochen lehren,« zeterte Frau Schnörkel, ohne das wissenschaftliche Problem weiter zu erörtern.

»Na nur sachte,« polterte Lisette hervor. »Wenn ich mit meiner Komtesse zu jemandem zu Besuch komme, dann sage ich immer, wie wir's gern gekocht haben wollen, und kein Mensch wird mir dabei den Mund verbieten.«

»Das werden wir sehen,« grölte Frau Schnörkel. »Was für meine Herrschaft gut ist, wird für Ihre Komtesse auch noch zureichen. Wenn ich mich nach jeder hergelaufenen Person richten wollte, das könnte einen hübschen Fraß geben.«

»Hergelaufene Person!« kreischte Lisette empört. »Ich bin die Tochter eines Kaufmanns und ehrlichen Bürgers, verstehen Sie mich, und wer sind denn Sie, wenn man fragen darf?«

»Ich bin die Tochter vom Hellberger Grobschmied,« erwiderte Frau Schnörkel sehr von oben herab.

»Na, das merkt man,« gab Lisette höhnisch zurück.

Käthe merkte auch, daß beide Parteien auf dem Punkte standen, nun in Thätlichkeiten überzugehen.

»Mund gehalten,« kommandierte sie sehr energisch. »Sie,« zu Lisette gewendet, »Sie können ganz ruhig darüber sein, wie die Komtesse bei mir aufgenommen werden wird, und wenn Sie sich noch einmal Einmischungen erlauben, so werde ich mich bei Ihrer Herrin darüber beschweren. Sie, Frau Schnörkeln, Sie machen uns jetzt ein recht nettes Frühstück zurecht, nicht wahr? Machen Sie's nur so gut wie immer und lassen Sie sich nicht hineinreden. Und nicht mehr zanken. Schnörkelchen! Sie wissen: Lärm in der Küche – da versteht mein Mann keinen Spaß! Kammerjungfer, kommen Sie, ich werde Ihnen das Fremdenzimmer zeigen!«

Mit offenem Munde folgte Lisette der jungen Frau, doch die giftigen Blicke, mit denen sie's that, verhießen nichts Gutes. Da sie hier augenscheinlich mit ihren Unverschämtheiten nichts ausgerichtet hätte, so ergriff sie den Ausweg die gekränkte Unschuld zu spielen, und ließ eine Serie allzeit bereiter Krokodilsthränen über ihre fetten Wangen rieseln. Da aber Käthe auch hiervon keine Notiz nahm, so begann sie leise zu schluchzen, während ihr das Domizil ihrer Herrin gezeigt wurde.

»Gnädige Komtesse logieren nie auf der Südseite,« sagte sie mit Duldermiene.

Käthe sah die dicke Person erstaunt an.

»Wie sagten Sie?«

Lisette fand es für geraten, ihre Ansicht nicht zu wiederholen.