Abdschad →, →
Abugida →, →, →, →, →, →
Addis Abeba →
Afghanistan →, →
Akzent →, →, →
Alexander der Grosse →, →, →, →–→
Alphasyllabar →
Altes Testament →, →
Armenien →, →, →, →, →
Asferate, Asfa Wossen →, →
Äthiopien →, →, →
Bangladesch →
Bhutan →
Brahmi-Schrift →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →
Buber, Martin →
Buchstabenschrift →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →
Caesar, Gaius Iulius →, →
China →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →
Cicero, Marcus Tullius →, →, →
Claudius →, →
Codex Alexandrinus →, →
Diakritika →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →
diakritische Zeichen →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →
Durant, Will →, →
Eco, Umberto →
Erasmus von Rotterdam →, →
Etazisten →
Georgien →, →, →, →
Gibson, Mel →
Griechenland →, →, →
Griko →, →
Haber, Peter →
Haiku →
Hangul →, →, →
Harrer, Heinrich →
Hieroglyphen →, →, →, →
Hiragana →, →, →, →, →, →
Homonyme →, →, →
Homophonie →
Ilias →, →, →
Indien →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →
Indonesien →, →
Irak →
Iran →
Israel →, →, →, →, →
Itazisten →
Japan →, →, →, →, →, →, →, →
Jerusalem →, →
Johannesevangelium →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →, →
Kambodscha →
Kanji →, →, →, →, →, →, →, →
Kasachstan →, →
Katakana →, →, →, →, →
Kaukasus →, →
Keilschrift →, →, →, →
Kirgistan →
Konfuzius →, →
Konsonantenschrift →, →
Koran →
Korea →, →, →
Kroatien →
Kuthodaw-Pagode →
Kyrill und Metod →, →
Laos →
Lapide, Pinchas →, →
Linear A →
Logogramme →
logographische Schrift →
Luxenberg, Christoph →
Mahabharata →, →, →
Malaysia →, →
Malediven →, →
Mao Dzedong →, →
Masoreten →
May, Karl →
Mayas →
Mazedonien →
Melanchthon →
Mesrop →, →, →, →
Mongolei →
More →, →
Myanmar →
Neues Testament →, →, →
Odyssee →, →
Pakistan →
Palatalisierung →, →
Peking →, →
Pilatus →, →
Pinyin →, →, →, →
Plato →, →
Puccini, Giacomo →, →
Radikal →, →, →, →
Ramayana →, →
Reuchlin →
Rongorongo →
Russland →, →
Sejong →, →
Serbien →, →, →
Singapur →, →, →
Sophokles →
Spurius Carvilius Ruga →
Sri Lanka →, →, →, →, →
Stimmritzenverschluss →
Strauss, Richard →, →
Taiwan →, →
Tanach →
Thailand →, →
Tonsprache →, →, →, →, →, →, →, →
Torberg, Friedrich →
Türkei →, →, →
Turkmenistan →
Ukraine →
Usbekistan →
Vietnam →, →, →
Weissrussland →
Zhào Yuánrèn →
Zhōu Yuguāng →
Zypern →, →
Schon als Kind haben mich fremde Sprachen und Schriften interessiert. Mit meinen Fragen ging ich meinen Eltern so lange auf die Nerven, bis sie mir die geheimnisvollen Zeichen auf Geschäftsschildern, Etiketten und Hinweistafeln erklärten. So konnte ich mit 4 Jahren schon fast fliessend lesen. Die Mickey Mouse tat das ihre dazu.
Später, da war ich schon in der Schule, war eines meiner Lieblingsbücher der Brockhaus von 1937, den ich von A – Z durchwühlte. Da tat sich mir die Welt der Sprachen und Schriften auf. Griechisch und kyrillisch wurden ausführlich erklärt, auch die japanischen Silbenschriften habe ich eingehend studiert und war immer enttäuscht, dass ich meinen Namen nicht damit schreiben konnte.
Im Gymnasium lernte ich Englisch, Latein und Griechisch, später kam Französisch hinzu. Ich kam allerdings nie auf den Gedanken, mein Hobby zum Beruf zu machen, und studierte Biologie und Biochemie. Die Fachliteratur war teils auf Russisch, was meine Kollegen und mich in einen Russisch-Kurs zwang. Auch zu ein paar Lektionen Chinesisch konnte ich sie überreden. Ein Auslandssemester und die erste grosse Liebe brachten mir Kenntnisse des Polnischen ein.
Meine Berufstätigkeit war mit häufigen Wohnortwechseln verbunden, was mir Grundkenntnisse des Spanischen, Portugiesischen, Rumänischen, Niederländischen, Ungarischen und Bulgarischen verschaffte. Italienisch lernte ich durch viele Reisen in mein Sehnsuchtsland.
Es kam mir dabei nie darauf an, die Sprache fliessend und fehlerfrei zu sprechen – wirklich gut kann ich nur englisch. Ich wollte aber Texte lesen können und die Struktur einer Sprache und manche Feinheiten des Ausdrucks erfassen: wie unterschiedlich drücken Sprachen Sachverhalte aus?
Mehrere Reisen nach Fernost konfrontierten mich mit den asiatischen Schriften. Da ich keine organisierten Reisen mag und mich am liebsten allein oder zu zweit durch ein unbekanntes Land bewege, ist es hilfreich, Strassenschilder und Wegweiser wenigstens grob entziffern zu können.
So kam mir schon recht früh der Gedanke, einen allgemeinverständlichen und für Laien – hoffentlich – interessanten Überblick über die heute verwendeten Schriften zu geben. Das gesammelte Material sollte für einen zweiten Band ausreichen, in dem ich die geschichtliche Entwicklung und die untergegangenen oder heute nicht mehr im Alltag verwendeten Schriften beschreiben möchte.
Ich bin am 3. Januar 1950 in Wien geboren, habe im Bundesgymnasium Wien IX eine gründliche humanistische Ausbildung erhalten und mich dann an der Universität Wien für das Lehramt für Naturgeschichte eingeschrieben. Die obligatorischen Vorlesungen und Seminare in Pädagogik machten mir bald und zum Glück rechtzeitig klar, dass ich zum Lehrer nicht geeignet war. So schloss ich 1974 mit dem Doktorat in Biologie und Biochemie ab, und ging für 13 Jahre in die pharmazeutische Industrie nach Deutschland. 1987 machte ich mich selbständig und baute ein Unternehmen für medizinische Auftragsforschung auf, das ich bis 2013 leitete. Auch da war meine Hauptaufgabe das Verfassen von Texten: Gutachten, Studienberichte, Publikationsmanuskripte.
Aber erst der Rückzug ins Privatleben gibt mir Zeit zu schreiben, was mir Spass macht.
Ponte Tresa, 5. Dezember 2015
Wenn Sie Bemerkungen, Korrekturen oder Hinweise haben – bitte schreiben Sie mir. Ich freue mich über jedes Feedback.
gerhard.krejci@yahoo.com
Über 6000 Sprachen gibt es auf der Welt. Ein jüngst erschienenes Werk listet sogar 8000 auf1. Dagegen ist die Anzahl der Schriften, die gegenwärtig in Gebrauch sind, überschaubar. Ganze 21 Schriften werden heute zur Wiedergabe von Amtssprachen verwendet. Nur 4 davon haben überregionale Bedeutung, das heisst, sie werden für mehrere Sprachen verwendet: Lateinisch, Kyrillisch, Arabisch und Chinesisch.
Wann haben die Menschen damit angefangen, das gesprochene Wort zu kodieren, sodass Inhalte von anderen Menschen wiedererkannt und wiedergegeben werden können?
Wir müssen die Anfänge der Schrift in die Zeit vor etwa 6000 Jahren datieren. Viele alte Schriften sind verlorengegangen. Die Keilschrift, die ägyptischen Hieroglyphen, die Schrift der Mayas können heute nur von Spezialisten gelesen und verstanden werden. Andere, z.B. die Indus-Schrift, die kretische Linear A oder Rongorongo, die Schrift der Osterinsel, sind überhaupt noch nicht entziffert.
In diesem Buch lernen wir die Charakteristika der modernen Schriften kennen, ihre Geschichte und ihr Verhältnis zu den Sprachen, die sie bildlich darstellen. Wir werden soweit wie irgend möglich ohne linguistische Fachbegriffe auskommen; dort wo sie nötig sind, werden sie allgemeinverständlich erklärt. Neben dem Deutschen sind allerdings Grundkenntnisse in der Aussprache des Englischen und Französischen nützlich.
Gehen wir auf eine Reise rund um die Welt und schauen wir und die Schriften an, auf die wir auf unserer Reise stossen.
Wir beginnen praktischerweise mit dem Nullmeridian, der durch Greenwich geht, und wenden uns nach Osten, nach Europa.
In Europa werden drei Schriften gebraucht – die griechische, die kyrillische und unsere lateinische. Wir sehen die drei europäischen Schriften auf den Eurobanknoten: EURO, ΕΥΡΩ, ЕВРО. Sie haben einen gemeinsamen Ursprung und sind Buchstabenschriften, das heisst, jedes Zeichen in einem Wort entspricht einem Laut (dass es so einfach nicht ist, werden wir später noch sehen). Und dies wieder heisst, dass man ein Wort, einen Satz lesen kann, selbst wenn man von der Sprache kein Wort versteht.
Jeder kann den lateinischen Satz „Gallia est omnis divisa in partes tres quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur.“2 fehlerfrei lesen3. Das ist kein Wunder, ist die lateinische Schrift doch unmittelbar aus der lateinischen Sprache entwickelt.
Aber auch den italienische Absatz „Era una bella mattina di fine novembre. Nella notte aveva nevicato un poco, ma il terreno era coperta di un velo fresco non più alto di tre dita.“4 werden die meisten einigermassen unfallfrei vorlesen können, sodass ein italienischer Muttersprachler ihn versteht. Italienisch steht dem Lateinischen in dieser Hinsicht eben am nächsten.
Bei dem polnischen Beispielsatz „Paweł, jestem bardzo szczęśliwa z tobą“5 sieht das schon anders aus. Ohne detaillierte Kenntnis der Ausspracheregeln wird man mit Ausnahme von jestem kein Wort fehlerfrei über die Lippen bringen. Das polnische – und andere slawische Sprachen – mussten sich die lateinische Schrift an ihre Sprachstrukturen anpassen.
Die lateinische Schrift wird in der EU für alle Sprachen ausser Griechisch und Bulgarisch gebraucht.
Die griechische Schrift ist auf Griechenland und den griechischen Teil Zyperns beschränkt. Im Gegensatz zur lateinischen Schrift, in der viele Sprachen geschrieben werden, sind die griechische Sprache und die griechische Schrift ein unzertrennliches Paar – keine andere Sprache wird mit griechischen Buchstaben geschrieben.
Kyrillisch schreibt man in Europa ausserhalb der EU in Russland, Weissrussland, Ukraine, Serbien (zusammen mit lateinisch) und Mazedonien. Auch einige asiatische Sprachen in Ländern der ehemaligen Sowjetunion gebrauchen die kyrillische Schrift (z.B. Kasachstan).
Verlassen wir Europa in Richtung Südosten. Hier bekommen wir es mit zwei semitischen Schriften zu tun, hebräisch und arabisch. Und da müssen wir schon kräftig umdenken. Nicht nur, dass beide Schriften von rechts nach links geschrieben werden – so bequem wie die lateinische Schrift machen es uns diese beiden Schriften nicht.
Auf den Wegweisern, die nach Jerusalem führen, sehen wir den Namen der Stadt als .
Wir buchstabieren (von rechts nach links): I-R-W-SCH-L-I-M.
Das hat recht wenig mit der Aussprache Jeruschalajim zu tun.
Ähnlich in der darunter stehenden arabischen Umschrift: A-U-R-SCH-L-I-M (der in Klammern stehende Name gibt den arabischen Namen der Stadt wieder: Al Kuds, geschrieben alqds).
Die semitischen Schriften sind Konsonantenschriften. Vokale spielen eine untergeordnete Rolle. Das hat mit der Struktur der semitischen Sprachen zu tun. Während im Deutschen die Vokale bedeutungsunterscheidend sind (Hahn, Huhn, Hohn, hin), bestimmen in den semitischen Sprachen nur die Konsonanten den Wortinhalt. K-T-B umfasst im Arabischen alles, was mit der Tätigkeit des Schreibens zu tun hat: katab – er schrieb, katib – Schreiber, kitab – Buch. H-M-D steht für alles, was mit loben, preisen zu tun hat, hamid – loben, Muhammad – der Gepriesene, Ahmet – hochgelobt, Hamid – gepriesen, Haamid – der Preisende.
Wenn Sie jetzt einwenden, dass gerade in einer solchen Struktur die Vokale eine entscheidende Rolle spielen, kann ich Ihnen nur Recht geben. Sehen wir uns die Wurzel K-T-B und ihre Ableitungen im Maltesischen an, die einzige semitische Sprache, die mit lateinischen Buchstaben geschrieben wird: ktibt - ich schrieb, kiteb - er schrieb, kitbet - sie schrieb, miktub - geschrieben, kittieb - Schreiber, kitba - Dokument, ktieb - Buch, kotba - Bücher, ktejjeb - Heft.
Diese Eigenart der semitischen Schriften bringt es mit sich, dass man ein unbekanntes Wort nicht lesen kann – siehe den Wegweiser nach Jerusalem. Die Buchstaben bilden nur das Skelett eines Wortes ab. Man nennt diese Schriften daher defektive Schriften. Die korrekte wissenschaftliche Bezeichnung ist Abdschad nach den ersten drei Buchstaben des arabischen Alphabets, analog zu unserem ABC.
Die hebräische Schrift ist auf Israel beschränkt, während die arabische Schrift in Nordafrika, der arabischen Halbinsel und in Teilen Asiens gebraucht wird.
Auf unserer Reise um die Welt sind wir in Afrika angekommen. Ebenso wie in Europa werden in Afrika 3 Schriften gebraucht. In Nordafrika herrscht die arabische Schrift vor, in Zentral- und Südafrika werden die National- und Stammessprachen in lateinischer Schrift geschrieben. Äthiopien hat ein eigenes Schriftsystem entwickelt, das amharische oder Ge’ez.
Und hier lernen wir eine neue Form der Buchstabenschrift kennen. Jeder Konsonant bildet zusammen mit einem Vokal eine Silbe. Der Grundvokal ist a. Es gibt also kein Zeichen für B oder H, sondern nur für BA oder HA. Das amharische hat 7 Vokale. Die weiteren 6 werden gebildet, indem Diakritika6 an den jeweiligen Konsonanten angehängt werden oder die Form des Buchstaben ein wenig verändert wird.
In der klassischen Ge’ez-Schrift bilden 26 Konsonanten mit 7 Vokalen zusammen ein Syllabar von 182 Zeichen. Diese Art zu schreiben steht zwischen der Buchstabenschrift, wie wir sie kennen, und der reinen Silbenschrift, in welcher jede Silbe ein eigenes, nicht abgeleitetes Zeichen hat. Wissenschaftlich nennt man das ein Alphasyllabar oder Abugida, nach den ersten 4 Buchstaben des amharischen Alphabets. Man kann das auch als erweiterte Buchstabenschrift bezeichnen. Amharisch wird, obwohl semitischen Ursprungs, von links nach rechts geschrieben.
Verlassen wir Afrika in Richtung Asien. Der Kaukasus ist nicht nur die Heimat der grössten Sprachenvielfalt auf unserem Planeten, sondern auch zweier recht eigenartiger Schriftsysteme, die zwischen dem kyrillischen Schriftraum in Norden und dem arabischen im Süden eingeklemmt sind, Georgisch und Armenisch.
Armenisch wurde im 5. Jahrhundert von einem Mönch namens Mesrop entwickelt, der auch von einzelnen Autoren mit dem Georgischen In Verbindung gebracht wird. Welche Schrift ihm als Vorbild diente, lässt sich nicht nachvollziehen; die Reihenfolge der Buchstaben jedenfalls ist aus dem griechischen Alphabet entlehnt. Die eigentümlich gerundeten Formen der Georgischen ( = Sakartwelo = Georgien) und die anmutig strengen der armenischen Schrift ( = Hajastan = Armenien) haben keine Entsprechung in anderen Schriften, auch wenn manche armenische Buchstaben an das äthiopische erinnern.
Wir lassen Vorderasien hinter uns und kommen nach Indien.
Und hier wird es richtig unübersichtlich.
Indien hat zwei überregionale Amtssprachen, Englisch und Hindi, und somit zwei überregionale Schriftsysteme, lateinisch und Devanagari ( = Bhārat Gaarājya = Republik Indien).
Daneben gibt es aber noch 22 offizielle Sprachen, die in 10 verschiedenen Schriftsystemen geschrieben werden. Alle diese Schriften stammen von einer gemeinsamen Urform, der Brahmi-Schrift ab, sind erweiterte Buchstabenschriften, unterscheiden sich aber zum Teil so stark in ihrer Form, dass sie untereinander nicht lesbar sind.
Auch die in Sri Lanka sowie in Zentral- und Ostasien verwendeten Schriften (Singhalesisch, Tibetisch, Thai, Laotisch, Kambodschanisch) gehen auf altindische Schriften zurück.
In Vietnam, Indonesien und Malaysia wird die lateinische Schrift zur Wiedergabe der lokalen Sprachen verwendet.
Nachdem wir jetzt Silbenschriften sowie komplette und defektive Buchstabenschriften kennengelernt haben, tritt uns in China etwas völlig Neues entgegen. Gehen wir in Peking zur Verbotenen Stadt, der ehemaligen Residenz der Kaiser.
Auf dem Tor zum himmlischen Frieden, dem Eingang zur Verbotenen Stadt, sehen wir links und rechts des Mao-Portraits zwei Inschriften. Wir lesen die einzelnen Schriftzeichen:
Linke Tafel:
Mitte | China | Mensch | Volk | gemeinsam | harmonisch | Land | 10000 | Jahre 7 |
Rechte Tafel
Welt | Grenze | Mensch | Volk | stark | Organisation | formen | 10000 | Jahre 8 |
Das ist für uns erst einmal unverständlich. Lediglich die Formel „Zehntausend Jahre“ ist zumindest dem Opernfreund ein Begriff. In seiner Oper „Turandot“ lässt Puccini das Volk von Peking in den Ruf ausbrechen: „Dieci milia anni per nostro imperatore“, also „Zehntausend Jahre für unseren Kaiser“ oder, weniger poetisch: „Lang lebe der Kaiser“.
Die chinesische Schrift ist die einzige überlebende logographische Schrift, das heisst, ein Symbol steht für einen Begriff.
heisst Mitte Reich, also Reich der Mitte = China. Dies ist zum einen eine grosse Stärke, denn egal, wie die Zeichen ausgesprochen werden, die Bedeutung ist unzweideutig. Der Nordchinese liest Bei Jing, der Südchinese Bak King (davon kommt unsere Aussprache Peking). Verstehen können Nordchinesen und Südchinesen einander nur in der Schrift.
Das ist zum anderen aber auch eine grosse Schwäche, denn wenn man bedenkt, dass man einen durchschnittlicher Wortschatz von mindestens 10000 Begriffen benötigt, um unmissverständlich zu kommunizieren, wird klar, welch eine gewaltige Zahl von Logogrammen man lernen muss, um sich schriftlich ausdrücken zu können. Ein durchschnittlich gebildeter Chinese muss 5–6000 Schriftzeichen beherrschen, die Basislese- und schreibfähigkeit wird mit etwa 1500 – 2000 Zeichen erreicht.
Sprache verändert sich. Die Begriffe werden komplexer – vieles lässt sich mit den einfachen einsilbigen Worten nicht mehr ausdrücken. Silben werden kombiniert, zwei- und dreisilbige Wörter entstehen. Im Schriftbild sieht man das nicht. Nach unseren Normen müsste die Inschrift auf dem Tor zum himmlischen Frieden so aussehen:
also: „Lange lebe die Volksrepublik China“.
Wir Mitteleuropäer beherrschen ebenfalls Logogramme, meiner Meinung nach etwa 400 – 500.
Das glauben Sie nicht?
Unsere wichtigsten Logogramme sind – unsere Ziffern. Ob die Logogrammkombination „10“ als zehn, ten, dix, tisz, kymmenen, deset oder dieci ausgesprochen wird, hängt vom Sprecher ab; die Bedeutung ist immer dieselbe.
Dann haben wir etwa 200 Verkehrszeichen, dazu kommen die Logogramme, die auf Flughäfen und Bahnhöfen zur Orientierung verwendet werden.
Wenn wir dann noch die Emotika und Emojis9 der e-mail Kommunikation dazuzählen, kommen wir sicher auf weit über 1000.
Da sind wir jetzt gar nicht so weit von den Chinesen weg.
Der grosse Unterschied ist, dass wir die Logogramme nur passiv verstehen müssen. Oder können Sie das Verkehrszeichen „Unbeschränkter Bahnübergang“ auf Anhieb reproduzieren?
Eben. Der Chinese hingegen muss die Schriftzeichen nicht nur verstehen, sondern auch leserlich schreiben können.
Die chinesische Schrift wird in China, Taiwan und Singapur verwendet, Koreaner und Vietnamesen lernen sie ebenfalls, und in Japan ist sie eine von drei Schriften.
Und damit sind wir auch schon beim kompliziertesten Schriftsystem, das heute in Gebrauch ist, dem japanischen.
Das Japanische verwendet neben den chinesischen Zeichen (Kanji) noch zwei Silbenschriften, die Hiragana und die Katakana. Japanisch hat eine völlig andere grammatikalische Struktur als chinesisch; es werden Vor-und Nachsilben und andere grammatikalische Partikel benötigt. Für diese Strukturen wird Hiragana verwendet. Darüber hinaus wird Hiragana zur Umschrift von Kanji-Zeichen gebraucht, wie auf den meisten japanischen Bahnstationen.
Katakana wird im Wesentlichen für Lehnwörter aus anderen Sprachen benutzt, aber auch in japanischen Texten zur Hervorhebung eines Begriffes.
Wie im obigen Bild ersichtlich, ist auch die lateinische Schrift in Japan verbreitet. In der wissenschaftlichen Literatur werden Fachausdrücke und Formen in lateinischer Schrift wiedergegeben. So kann es sein, dass in einem naturwissenschaftlichen Artikel alle vier Schriften nebeneinander gebraucht werden, Kanji und Hiragana für den Grundtext, Katakana, um etwa einen nichtjapanischen Forschernamen wiederzugeben, und lateinisch für die Bezeichnung einer chemischen Substanz.
Zwischen China und Japan liegt Korea. Sind in China und Japan die schwierigsten Schriftsysteme in Gebrauch, hat Korea das einfachste. Es ist eine reine Buchstabenschrift und ganz auf die koreanische Sprache zugeschnitten. Die Buchstaben stehen allerdings nicht wie bei uns nebeneinander, sondern werden silbenweise zusammengefasst, sodass jede Silbe in ein Quadrat passt uns somit entfernt an ein chinesisches Zeichen erinnert. Die koreanische Bezeichnung für diese Schrift ist Hangul und wird so geschrieben:
Die Schrift kann man in wenigen Stunden lernen und im koreanischen Restaurant die Bedienung verblüffen. Für koreanische Gästen werden in vielen Restaurants Gerichte angeboten, die man dem europäischen Gast nicht zumuten zu können glaubt. Die stehen dann eben nur in Hangul da. Dann entspinnt sich etwa folgendes Gespräch:
„Ich hätte gerne eine Portion Pipimpap.“
Erstaunen. „Woher wissen Sie denn, dass wir das haben?“
„Steht doch da.“
Die volle Aufmerksamkeit des Personals ist Ihnen sicher. Vielleicht werden Sie sogar die originalen dünnen koreanischen Essstäbchen bekommen, die der Chef selbst benützt anstelle der üblichen japanischen Wegwerfstäbchen.
Auf unserer Reise um die Welt haben wir jetzt erst gut ein Drittel Weg zurückgelegt, aber von jetzt an tut sich schriftmässig bis zum Erreichen des Nullmeridians nichts mehr. Im pazifischen Raum, auf dem amerikanischen Kontinent und im atlantischen Raum wird ausschliesslich die lateinische Schrift verwendet.
Lokale indianische Schriftsysteme wie Cherokee, Cree oder Inuktitut sind nie zu offiziellen Schriften eines Staates geworden. Aus demselben Grund verzichten wir hier auf die Besprechung der mongolischen Schrift sowie der Berberschriften.
Nach diesem Überflug tauchen wir ein in das faszinierende Universum der Schriftsysteme und die unterschiedlichen Lösungen der Menschen, ihre Sprache optisch zu kodieren und weiterzugeben.
1 Ernst Kausen: Die Sprachfamilien der Welt, 3 Bände, Buske Verlag
2 Gallien ist dreigeteilt. Einen Teil bewohnen Belger, den anderen Aquitanier, den dritten Kelten – so nennen sie sich selbst. In unserer Sprache heissen sie Gallier. Aus Gaius Iulius Caesar: De bello gallico, eigene Übersetzung.
3 Mit dem kleinen Stolperstein „Celtae“, das in unserer Schulaussprache fälschlich Zeltä ausgesprochen wird. Die korrekte Aussprache zu Zeiten Caesars (Aussprache Ka-esar) war Kelta-e – a und e sind getrennt zu sprechen und nicht als der deutsche Diphthong ä.
4 Es war ein klarer spätherbstlicher Morgen gegen Ende November. In der Nacht hatte es ein wenig geschneit, und so bedeckte ein frischer weisser Schleier, kaum mehr als zwei Finger hoch, den Boden: Umberto Eco: Il nome della Rosa, deutsche Übersetzung Burkhart Kroeber. Dass im italienischen Original der Schnee drei Finger hoch liegt, in der deutschen Übersetzung aber nur zwei, wollen wir ihm nachsehen. Vielleicht sind deutsche Finger dicker.
5 Beispielsatz: Paul, ich bin sehr glücklich mit dir (von einer Frau gesprochen).
6 Diakritika sind an einem Buchstaben angebrachte Zeichen, die seine Aussprache oder Betonung verändern, z.B. a – ä, o – ö etc.
7 Lang lebe die Volksrepublik China
7 Lang lebe die Volksrepublik China
8 Lang lebe die grosse Einheit der Völker der Welt
8 Lang lebe die grosse Einheit der Völker der Welt
9 Emoji ist nicht etwa der Diminutiv von Emotikon, auch wenn die Gleichheit der ersten beiden Silben zu dieser Annahme verführen könnte. Emotikon ist ein Kunstwort, das aus Emotion und Icon gebildet wird, E-moji ist japanisch und bedeutet Bild-Schriftzeichen.
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