Titelangaben


Herbert George Wells

Egon Friedell



Die Rückkehr der Zeitmaschin






- H. G. Wells: Die Zeitmaschine

- Egon Friedell: Die Reise mit der Zeitmaschine


Neu bearbeitet, übersetzt und kommentiert










Herbert George Wells


Herbert George Wells, meist als H. G. Wells bekannt, der Kurzform seines Namens, wurde am 21. September 1866 in Bromley, einem Vorort Londons, geboren. Er verbrachte seine Jugend unter eher bescheidenen Verhältnissen, was ihn nicht daran hinderte, viel zu lesen, eine Vorliebe, die er von seinem Vater übernommen hatte.


Wells begann zunächst eine Lehre in einer Tuchhandlung in Windsor, wurde jedoch nach bereits einem Monat wieder entlassen. Kurzfristig arbeitete er als Hilfslehrer an einer Schule in Somerset sowie als Apothekergehilfe in Midhurst. Von 1881 an verbrachte er nochmals zwei Jahre als Lehrling im Tuchhandel, anschließend nahm er wieder eine Stelle als Hilfslehrer an, diesmal im Progymnasium in Midhurst.


Ab 1884 bekam Wells ein Stipendium, das es ihm ermöglichte, drei Jahre lang Physik, Chemie, Geologie, Astronomie und Biologie an der Normal School of Science in South Kensington (heute: Imperial College of Science) zu studieren. Einer seiner Lehrer, Thomas Henry Huxley, machte ihn mit der darwinschen Evolutionstheorie bekannt, was einen starken Eindruck auf Wells ausübte. Unter anderem entwickelte er in dieser Zeit eine tiefe Abneigung gegen das Christentum. Der Mensch war für ihn ein weiterentwickelter Affe, der Evolutionsprozess, so glaubte Wells, führe eher zu Destruktionen denn zu Fortschritt.


Im Jahr 1887 kam Wells über George Bernard Shaw mit der Fabian Society in Kontakt, später engagierte er sich auch in der neu gegründeten Labour Party. Sein Examen an der Normal School of Science schloss er nicht ab. Nachdem Wells an der Universität London seine Prüfung in Zoologie bestanden hatte, arbeitete er von 1891 bis 1893 als Tutor für Biologie am College für das Fernstudium der Universität. Nach Studienabschluss war er Mitbegründer der „Royal College of Science Association“ und wurde ihr erster Präsident.


Ab 1893 begann Wells, während er sich von einer Erkrankung erholte, Erzählungen und Beiträge für Zeitschriften zu verfassen. Schon bald wurden Kurzgeschichten sowie phantastische Romane von Wells veröffentlicht. Zu deren bekanntesten zählen neben der „Zeitmaschine“ (1895) „Die Insel des Dr. Moreau“ (1896) und „Der Krieg der Welten“ von 1898.


Später befasste sich Wells auch mit soziologischen und politischen Problemstellungen, unter anderem befürwortete er die Gründung eines Weltstaates, durch den es seiner Ansicht nach möglich sein sollte, dauerhaften Frieden auf der Erde zu sichern. Wells starb am 13. August 1946 in London. Sein Körper wurde verbrannt und seine Asche im Meer verstreut.



Egon Friedell


Egon Friedell wurde am 21. Januar 1878 als Egon Friedmann in Wien geboren. Die Ehe seiner Eltern wurde 1887 geschieden. Nachdem die Mutter die Familie bereits 1879 verlassen hatte, wuchsen Egon und seine beiden Geschwister bei ihrem Vater auf, dem jüdischen Seidentuchfabrikanten Moriz Friedmann. Nachdem dieser 1891 gestorben war, wurde Egon Friedell von einer Tante in Frankfurt am Main aufgenommen.


Bereits zu seiner dortigen Schulzeit galt Friedell als notorischer Störer und Querdenker, er wechselte die Schule mehrmals. 1897 konvertierte er zum evangelisch-lutherischen Glauben. Sein Abitur bestand Friedell 1899 am Gymnasium in Bad Hersfeld, allerdings erst im vierten Anlauf. Im selben Jahr bekam er das Erbe seines Vaters zugesprochen, so dass er vorübergehend zu weitgehender finanzieller Unabhängigkeit kam. An der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg nahm Friedell 1900 das Studium der Philosophie auf, das er Im Jahr 1904 mit einer Dissertation über Novalis abschloss.


Friedell arbeitete in den folgenden Jahren als Journalist und Schriftsteller. Er machte sich einen Namen als als Dramatiker, Theaterkritiker und Kulturphilosoph. Ab 1906 wirkte er auch als Schauspieler, Kabarettist und Conférencier. 1910 war Egon Friedell Mitbegründer des „Das Intime Theater“ Wien, wo er unter anderem als Regisseur, Beleuchter und auch Schauspieler tätig war. Im Jahr 1914 begab sich Friedell wegen Alkoholproblemen in ein Sanatorium bei München.


Von 1919 bis 1924 arbeitete Egon Friedell als Journalist und Theaterkritiker, außerdem war es als Dramaturg, Regisseur und Schauspieler am Deutschen Theater in Berlin und am Theater in der Josefstadt in Wien tätig. Ab 1927 arbeitete Friedell als Essayist, Schriftsteller und Übersetzer, in dieser Zeit verfasste es auch seine „Kulturgeschichte der Neuzeit“, deren drei Bände zwischen 1925 und 1931 erschienen. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten fiel er bei diesen bald in Ungnade, 1938 wurde seine „Kulturgeschichte“ in Deutschland verboten.


Als Friedell 1938 von SA-Männern verhaftet werden sollte, kam er diesen zuvor und nahm sich durch ein Sprung aus einem Fenster seiner im 3. Stock gelegenen Wohnung das Leben. Egon Friedell wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.



„Lange Zeit hindurch ...“



Lange Zeit hindurch konnte ich mich nicht dazu überreden, dass das, was ich gesehen hatte, menschlich war. Aber allmählich dämmerte mir die Wahrheit auf: Der Mensch war nicht eine einzige Gattung geblieben, sondern hatte sich in zwei gesonderten Tieren differenziert. Meine anmutigen Kinder der oberen Welt waren nicht die einzigen Abkommen unserer Generation, sondern auch dieses bleiche, ekelhafte, nächtliche Wesen, das vor mir aufgeblitzt war, war ein Erbe alter Zeiten ...“





Was Sie über diese Geschichten wissen sollten


Kennen Sie das? Sie lesen einen packenden Roman, nach womöglich vielen Tagen sind sie beim letzten Kapitel angelangt. Schon jetzt meldet sich irgendwo in Ihrem Inneren ein vages Gefühl der Wehmut, ähnlich wie es auch bei einem nahenden Abschied aufkommt. Schließlich blättern Sie die letzte Seite um, klappen das Buch zu und legen es beiseite. Noch eine ganze Weile kreisen Ihre Gedanken um das Gelesene. Nicht selten führt dies dazu, dass Sie sich ausmalen, wie die Geschichte hätte weitergehen können ...


Egon Friedell, der sich Anfang des letzten Jahrhunderts unter anderem als Schriftsteller, Kulturphilosoph und Schauspieler einen Namen gemacht hatte, muss es ähnlich gegangen sein, nachdem er Herbert George Wells' „Die Zeitmaschine“ gelesen hatte. Allerdings beließ er es nicht dabei, die Handlung im Geist fortzuspinnen, er brachte die sich entwickelnden Gedanken auch zu Papier. Wo er anknüpfte, kann leicht erahnen, wer Wells' „Die Zeitmaschine“ gelesen hat.


In dem Roman begibt sich ein Erfinder auf eine Reise in eine ferne Zukunft und trifft dort weder gewandeltes Klima, mega-hyper-smarte Smartphones noch selig machende Elektromobilität an. Er findet vielmehr Eloi und Morlocks vor, ferne Nachkommen der Menschheit, die über das Zwischenstadium einer Art von Sozialismus in einem pervertierten Herr-und-Hühnchen-Verhältnis gelandet sind, in dem der eine den anderen auffrisst.


Die Geschichte endet damit, dass der Zeitreisende zurückkehrt, resigniert Bericht erstattet und sich wieder auf die Reise begibt. Bei Wells ward er nie wieder gesehen, bei Friedell sehr wohl.


Friedells Fortsetzung ähnelt Wells‘ genialer Dystopie, andererseits besitzt sie aber doch einen völlig anderen Charakter als das Original. Unser Prädikat: Besonders lesenswert, genauso wie das Original.


Hier liegen beide Werke in neu editierten Fassungen vor. Wie bei allen Veröffentlichungen der ofd edition handelt es sich nicht einfach um automatisiert kopiertes Rohmaterial, sondern um sorgfältig neu überarbeitete und der aktuellen Rechtschreibung angepasst Texte – die bessere Lesbarkeit steigert den Genuss bei der Lektüre erheblich.



1.: Die Zeitmaschine



Einleitung


Der Zeitreisende (denn so werde ich am besten von ihm reden) setzte uns eine geheimnisvolle Sache auseinander. Seine grauen Augen leuchteten und zwinkerten, und sein meist blasses Gesicht war gerötet und belebt. Das Feuer brannte hell, und die weichen Strahlen des Glühlichts in den Silberlilien trafen die Bläschen, die in unseren Gläsern aufblitzten und vergingen. Unsere Stühle – von ihm erfundene Patente – umarmten und liebkosten einen eher, als dass sie auf sich sitzen ließen, und es herrschte jene üppige Nach-Tisch-Atmosphäre, in der die Gedanken anmutig und frei von den Fesseln der Präzision hinlaufen. Und er stellte es folgendermaßen dar – indem er einzelnen Punkten mit einem hageren Zeigefinger Nachdruck verlieh – während wir dasaßen und träge seinen Ernst bei diesem neuen Paradoxon (wofür wir es hielten) und seine Fruchtbarkeit bewunderten.


„Sie müssen mir aufmerksam folgen. Ich werde mit der einen oder andere Vorstellung aufräumen müssen, die fast allgemein angenommen wird. Die Geometrie zum Beispiel, die man Sie auf der Schule gelehrt hat, gründet sich auf einen Irrtum.“


„Ist damit anzufangen nicht etwas zu viel von uns erwartet?“, sagte Filby, ein streitliebender Mann mit rotem Haar.


„Ich will von Ihnen nicht verlangen, dass Sie irgendetwas ohne vernünftigen Grund annehmen, Sie werden bald so viel zugeben, wie ich von Ihnen nötig habe. Sie wissen natürlich, dass eine mathematische Linie, eine Linie von einer Dicke Null, in Wirklichkeit nicht existiert. Das hat man Sie gelehrt? Ebenso wenig eine mathematische Fläche. Das sind bloße Abstraktionen.“


„Das stimmt“, sagte der Psychologe.


„Auch ein Würfel kann, da er nur Länge, Breite und Tiefe besitzt, in Wirklichkeit nicht existieren.“


„Da erhebe ich Einspruch“, sagte Filby. „Natürlich kann ein fester Körper existieren. Alle wirklichen Dinge – –“


„Das glauben die meisten Menschen. Aber warten Sie einen Augenblick. Kann ein momentaner Würfel existieren?“


„Ich verstehe Sie nicht“, sagte Filby.


„Kann ein Würfel, der überhaupt keine Zeit dauert, existieren?“


Filby wurde nachdenklich. „Offenbar“, fuhr der Zeitreisende fort, „muss jeder wirkliche Körper in vier Dimensionen Ausdehnung haben: also Länge, Breite, Tiefe und – Dauer. Aber infolge einer natürlichen Schwachheit des Fleisches, die ich Ihnen im Moment erklären will, neigen wir dazu, diese Tatsache zu übersehen. Es gibt wirklich vier Dimensionen; wir nennen sie die drei Ebenen des Raumes, und eine vierte, die Zeit. Es herrscht jedoch die Neigung, zwischen den ersten drei Dimensionen und der vierten einen unwirklichen Unterschied zu machen, weil sich zufälligerweise unser Bewusstsein intermittierend vom Anfang unseres Lebens bis zum Ende der vierten Dimension entlangbewegt.“


„Das“, sagte ein sehr junger Mann, der anstrengt versuchte, seine Zigarre über der Lampe anzuzünden, „das ... ist wahrhaftig ganz klar.“


„Nun ist es sehr merkwürdig, dass dies in so ausgedehntem Maße übersehen wird“, fuhr der Zeitreisende mit einem leichten Anfall von Heiterkeit fort. „In Wirklichkeit meint man dies mit der vierten Dimension, obgleich manche, die von der vierten Dimension reden, nicht wissen, dass sie es meinen. Es ist nur eine andere Art, die Zeit anzusehen. Es gibt keinen Unterschied zwischen der Zeit und einer der drei Dimensionen des Raumes, außer dass sich unser Bewusstsein auf ihrer Linie bewegt. Aber einige Narren haben diese Idee auf der verkehrten Seite zu fassen bekommen. Sie haben alle gehört, was sie über diese vierte Dimension zu sagen haben?“


„Ich nicht“, sagte der Bürgermeister aus der Provinz.


„Es liegt einfach so. Vom Raum im Sinne unserer Mathematiker spricht man als von etwas, das drei Dimensionen hat, die man Länge, Breite, Tiefe nennen kann, und was stets mit Hilfe dreier Ebenen, deren jede im rechten Winkel zu den beiden anderen steht, definierbar ist. Aber einige philosophische Leute haben gefragt, warum gerade drei Dimensionen? – warum nicht noch eine Richtung, die im rechten Winkel zu den drei anderen steht? – und sie haben sogar versucht, eine vierdimensionale Geometrie zu konstruieren. Professor Simon Newcomb hat das erst vor einem Monat oder so der New Yorker Mathematischen Gesellschaft auseinandergesetzt. Sie wissen, dass man auf einer Fläche, die nur zwei Dimensionen hat, die Figur eines dreidimensionalen Körpers darstellen kann, und ebenso, meinen Sie, könne man durch Modelle von drei Dimensionen einen von vier darstellen – wenn man nur der Perspektive der Sache Herr werden könnte. Sehen Sie?“


„Ich glaube“, murmelte der Bürgermeister aus der Provinz; und indem er die Brauen zusammenzog, versank er in sich, und seine Lippen bewegten sich wie bei einem, der mystische Worte wiederholt. „Ja, ich glaube, jetzt sehe ich's“, sagte er nach einiger Zeit und hellte vorübergehend auf.


„Nun, ich will Ihnen nicht vorenthalten, dass ich seit einiger Zeit an dieser Geometrie der vier Dimensionen gearbeitet habe. Einige meiner Resultate sind sonderbar. Hier, zum Beispiel, sehen Sie das Porträt eines Mannes im Alter von acht, ein zweites im Alter von fünfzehn, ein drittes im Alter von siebzehn, ein viertes im Alter von dreiundzwanzig Jahren, und so weiter. All das sind offenbar gleichsam Lektionen, dreidimensionale Darstellungen seines vierdimensionalen Seins, das ein festes und unveränderliches Ding ist.“


„Wissenschaftler“, fuhr der Zeitreisende nach einer Pause fort, wie sie zur rechten Assimilation seiner Worte erforderlich war, „wissen recht gut, dass die Zeit nur eine Art von Raum ist. Hier sehen Sie eine beliebte wissenschaftliche Risszeichnung, einen Wetterbericht. Diese Linie, der ich mit meinem Finger folge, zeigt die Bewegungen des Barometers. Gestern stand es so hoch, gestern Abend ist es gefallen, heute Morgen wieder gestiegen und dann langsam bis hier herauf. Das Quecksilber hat doch diese Linie in keiner der allgemein anerkannten Raumdimensionen gezogen? Aber sicherlich hat es eine solche Linie gezogen, und diese Linie, müssen wir also folgern, lief die Zeitdimension entlang.“


„Aber“, sagte der Arzt, indem er eine Kohle im Feuer scharf fixierte, „wenn die Zeit wirklich nur eine vierte Raumdimension ist, wie kommt es, dass man sie als etwas anderes ansieht und immer angesehen hat? Und warum können wir uns nicht in der Zeit umherbewegen, wie wir uns in den anderen Dimensionen des Raumes bewegen können?“


Der Zeitreisende lächelte. „Sind Sie so sicher, dass wir uns im Raum frei bewegen können? Rechts und links und vorwärts und rückwärts können wir uns frei genug bewegen, und das haben die Menschen auch immer getan. Ich gebe zu, wir bewegen uns in zwei Dimensionen frei. Aber auf und ab? Da beschränkt uns die Schwerkraft.“


„Nicht ganz“, sagte der Arzt. „Es gibt Ballons.“


„Aber vor den Ballons hatte der Mensch – von krampfhaften Sprüngen und den Unebenheiten der Erde abgesehen – nicht die Freiheit vertikaler Bewegung.“


„Immer konnten sie sich ein wenig auf und ab bewegen.“


„Leichter, weit leichter ab als auf.“


„Und in der Zeit können Sie sich gar nicht bewegen; vom gegenwärtigen Moment können Sie nicht fort.“


„Mein lieber Herr, gerade da sind Sie im Irrtum. Gerade da ist die ganze Welt im Irrtum. Wir kommen beständig vom gegenwärtigen Moment fort. Unsere geistige Existenz, die immateriell ist und keine Dimensionen hat, läuft von der Wiege bis zum Grabe mit geistförmiger Geschwindigkeit die Zeitdimension entlang. Genau, wie wir abwärts wandern würden, wenn wir unser Dasein fünfzig Meilen über der Erdoberfläche begännen.“


„Aber die große Schwierigkeit ist die“, unterbrach der Psychologe, „Sie können sich im Raum in allen Richtungen bewegen, aber Sie können sich nicht in der Zeit hin und her bewegen.“


„Das ist der Kern meiner großen Entdeckung. Aber Sie haben Unrecht, wenn Sie sagen, wir können uns in der Zeit nicht hin und her bewegen. Wenn ich mich zum Beispiel eines Ereignisses sehr lebhaft erinnere, gehe ich zum Moment seines Geschehens zurück: ich werde geistesabwesend, wie Sie sagen. Ich springe auf einen Moment zurück. Natürlich haben wir kein Mittel, irgendwie längere Zeit dahinterzubleiben, so wenig ein Wilder oder ein Tier Mittel hat, sechs Fuß über dem Boden zu bleiben. Aber ein zivilisierter Mensch ist in dieser Hinsicht besser dran als der Wilde. Er kann im Ballon gegen die Schwerkraft steigen, und warum sollte er nicht hoffen, dass er einmal werde imstande sein, seine Fahrt die Zeitdimension entlang zu unterbrechen oder zu beschleunigen oder sogar umzukehren und in entgegengesetzter Richtung zu wandern?“


„O, das“, begann Filby, „ist alles – –“


„Warum nicht?“, fragte der Zeitreisende.


„Es ist gegen die Vernunft“, sagte Filby.


„Gegen welche Vernunft?“, fragte der Zeitreisende.


„Sie können beweisen, dass weiß schwarz ist“, sagte Filby, „aber Sie werden mich nie überzeugen.“


„Vielleicht nicht“, sagte der Zeitreisende. „Aber Sie beginnen jetzt, das Ziel meiner Untersuchungen in der Geometrie der vier Dimensionen zu sehen. Schon vor langer Zeit ahnte ich etwas von einer Maschine – –“


„Um durch die Zeit zu reisen?“, rief der sehr junge Mann.


„Die in jeder Richtung des Raumes und der Zeit fährt, wie es ihr Führer will.“


Filby begnügte sich mit Lachen.


„Aber ich habe experimentellen Beweis“, sagte der Zeitreisende.


„Das wäre für den Historiker außerordentlich bequem“, meinte der Psychologe. „Man könnte zurückreisen und zum Beispiel den anerkannten Bericht der Schlacht bei Hastings prüfen!“


„Meinen Sie nicht, Sie würden Aufmerksamkeit erregen?“, sagte der Arzt. „Unsere Vorfahren waren nicht sehr duldsam gegen Anachronismen.“


„Man könnte sein Griechisch von Homers und Platos Lippen lernen“, meinte der sehr junge Mann.


„In dem Fall würden Sie im Examen sicher durchfallen. Die deutschen Gelehrten haben das Griechische so sehr verbessert.“


„Und dann die Zukunft“, sagte der sehr junge Mann, „Denken Sie nur! Man könnte all sein Geld anlegen, es mit Zinsen anstehen lassen und vorauseilen!“


„Um eine Gesellschaft zu finden“, sagte ich, „die auf streng kommunistischer Basis errichtet ist.“


„Von allen wilden, ausschweifenden Theorien!“, begann der Psychologe.


„Ja, so schien es mir; und deshalb habe ich nie davon gesprochen, bis –“


„Experimenteller Beweis!“, rief ich. „Sie wollen das beweisen?“


„Das Experiment!“, rief Filby, dem die Gedankenspiele zu anstrengend wurden.


„Lassen Sie uns Ihr Experiment einfach anschauen“, sagte der Psychologe, „obgleich das alles Unfug ist, wie Sie wissen.“


Der Zeitreisende sah sich lächelnd im Kreise um. Dann ging er, immer noch leicht lächelnd, die Hände tief in den Hosentaschen, zum Zimmer hinaus, und wir hörten seine Schuhe den langen Gang bis zu seinem Laboratorium hinunter.


Der Psychologe blickte uns an. „Ich möchte wissen, was er gefunden hat?“


„Irgendein Taschenspielertrick“, sagte der Arzt, und Filby fing an, uns eine Geschichte über einen Beschwörer zu erzählen, den er zu Burslem gesehen hatte, aber ehe er noch mit seiner Vorrede fertig war, kam der Zeitreisende zurück, und Filbys brach mit der Ausbreitung seiner Anekdote ab.


Die Maschine


Was der Zeitreisende in der Hand hielt, war ein glitzerndes Rahmenwerk aus Metall, kaum größer als eine kleine Uhr, und sehr fein gearbeitet. Es war Elfenbein daran und eine durchsichtige, kristallinische Substanz. Und jetzt muss ich ausführlich werden, denn was folgt, ist – wenn man nicht seine Erklärung annimmt, etwas absolut Unerklärliches. Er nahm einen der kleinen achteckigen Tische, die im Zimmer herumstanden, und stellte ihn vors Feuer, mit zwei Füßen auf den Kaminteppich. Auf diesen Tisch stellte er den Mechanismus. Dann zog er einen Stuhl heran und setzte sich. Der einzige andere Gegenstand auf dem Tische war eine kleine Lampe mit Lampenschirm, deren helles Licht voll auf das Modell fiel. Außerdem standen vielleicht ein Dutzend Kerzen umher, zwei davon in Messingleuchtern auf dem Kaminsims, und mehrere in Wandleuchtern, so dass das Zimmer glänzend erleuchtet war. Ich saß in einem niedrigen Sessel, dem Feuer am nächsten, und zog ihn soweit vor, dass ich fast zwischen dem Zeitreisenden und dem Kamin zu sitzen kam. Filby saß hinter ihm und sah ihm über die Schulter. Der Arzt und der Bürgermeister aus der Provinz beobachteten ihn im Profil von rechts, der Psychologe von links. Der sehr junge Mann stand hinter dem Psychologen. Wir waren alle auf dem Quivive. Es scheint mir unglaublich, dass uns unter diesen Bedingungen ein noch so fein ersonnener und noch so geschickt ausgeführter Streich gespielt werden konnte.


Der Zeitreisende sah erst uns an und dann den Mechanismus. „Nun?“, fragte der Psychologe.


„Dieses kleine Ding“, sagte der Zeitreisende, indem er die Ellenbogen auf den Tisch stützte und über dem Apparat die Hände zusammendrückte, „ist nur ein Modell. Es ist mein Entwurf zu einer Maschine, um durch die Zeit zu reisen. Sie werden bemerken, dass es seltsam verquer aussieht und diese Welle dort sonderbar funkelt, gleichsam als wäre sie irgendwie irreal.“ Er zeigte darauf mit dem Finger. „Auch ist hier ein kleiner weißer Hebel und dort noch einer.“


Der Arzt stand aus seinem Stuhl auf und sah sich das Ding an. „Es ist wundervoll gearbeitet“, sagte er.


„Die Arbeit daran hat zwei Jahre gedauert“, erwiderte der Zeitreisende. Dann, als wir alle dem Beispiel des Arztes gefolgt waren, sagte er: „Jetzt möchte ich, dass Ihnen eindeutig klar ist: Wenn ich diesen Hebel umlege, gleitet die Maschine in die Zukunft fort. Dieser Hebel hier kehrt die Bewegung um. Der Sattel ist der Sitz eines Zeitreisenden. Ich werde den Hebel gleich drücken, und die Maschine wird ihre Arbeit verrichten, Ich werde verschwinden, mich in die Zukunft bewegen und fort sein. Sehen Sie das Ding gut an. Sehen Sie auch den Tisch an und überzeugen sich, dass ich Sie nicht betrüge. Ich will nicht dieses Modell verlieren und mir nachher nachsagen lassen, ich sei ein Quacksalber.“


Es trat eine Pause von vielleicht einer Minute ein. Der Psychologe schien mich ansprechen zu wollen, aber er gab seine Absicht auf. Dann streckte der Zeitreisende den Finger zum Hebel aus. „Nein“, sagte er plötzlich, „geben Sie mir Ihre Hand.“ Und er wandte sich dem Psychologen zu und nahm dessen Hand in seine und sagte ihm, er solle den Zeigefinger ausstrecken. So war es der Psychologe, der das Modell der Zeitmaschine auf seine endlose Reise schickte. Wir alle sahen, wie sich der Hebel bewegte. Ich bin absolut sicher, dass kein Betrug vorlag. Es kam ein Windhauch auf, und die Lampe flackerte. Eine der Kerzen auf dem Kaminsims wurde ausgeblasen, die kleine Maschine drehte sich plötzlich, wurde undeutlich, war vielleicht eine Sekunde lang wie ein Geist zu sehen, wie ein Wirbel schwach glitzernden Messings und Elfenbeins – und dann war sie fort, verschwunden. Abgesehen von der Lampe, war der Tisch leer.


Alle schwiegen eine Minute lang. „Allmächtiger“, entfuhr es Filby.


Der Psychologe erholte sich aus seiner Erstarrung und blickte unter den Tisch. Da lachte der Zeitreisende heiter. „Nun?“, sagte er mit einem Blick zum Psychologen. Dann stand er auf, ging zur Tabaksdose auf dem Kaminsims und begann sich, uns den Rücken zukehrend, seine Pfeife zu stopfen.


Wir blickten einander an. „Hören Sie“, sagte der Arzt, „ist das Ihr Ernst? Meinen Sie im Ernst, dass diese Maschine in der Zeit gereist ist?“


„Sicherlich“, sagte der Zeitreisende und bückte sich, um einen Span am Feuer zu entflammen. Dann wandte er sich um, während er die Pfeife anzündete, und sah dem Psychologen ins Gesicht. Dieser wollte zeigen, dass er nicht die Fassung verloren hatte, nahm sich eine Zigarre und versuchte, sie unbeschnitten anzuzünden. „Da hinten“, der Zeitreisende zeigte zum Laboratorium, „habe ich noch mehr für Sie. Dort steht eine große Maschine, fast fertig, und wenn alles richtig zusammengefügt ist, gedenke ich, selber auf die Reise zu gehen.“


„Sie wollen sagen, die Maschine sei in die Zukunft gewandert?“, sagte Filby


„In die Zukunft oder die Vergangenheit – wohin, weiß ich nicht sicher.“


Nach einer Pause hatte der Psychologe eine Eingebung. „Sie muss in die Vergangenheit verschwunden sein, wenn sie irgendwohin gewandert ist“, sagte er.


„Warum?“, sagte der Zeitreisende.


„Weil ich annehme, dass sie sich im Raum nicht bewegt hat, und wenn sie in die Zukunft gewandert wäre, würde sie noch immer hier sein, weil sie diese Zeit hätte durchwandern müssen.“


„Aber“, sagte ich, „wenn sie in die Vergangenheit gewandert wäre, hätte sie zu sehen sein müssen, als wir in dieses Zimmer kamen, und letzten Donnerstag, als wir hier waren, und den Donnerstag davor und so fort.“


„Ernste Einwände“, bemerkte der Bürgermeister aus der Provinz mit einer Miene der Unparteilichkeit, indem er sich zum Zeitreisenden wandte.


„Keine Spur“, sagte der Zeitreisende; und zum Psychologen: „Sie denken. Sie können das erklären. Es ist ein Geschehen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, wissen Sie, verflüchtigte Wahrnehmung.“


„Natürlich“, sagte der Psychologe und beruhigte uns. „Das ist etwas ganz Gewöhnliches in der Psychologie. Daran hätte ich denken sollen. Das ist einfach genug und hilft dem Paradoxen wundervoll. Wir können diese Maschine so wenig sehen und wahrnehmen, wie wir die Speiche eines wirbelnden Rades oder einer Kugel, die durch die Luft fliegt, sehen können. Wenn sie fünfzig oder hundertmal so schnell durch die Zeit wandert wie wir, wenn sie eine Minute durchläuft, während wir eine Sekunde durchlaufen, so wird der Eindruck, den sie macht, natürlich auch nur ein Fünfzigstel oder ein Hundertstel von dem sein, den sie hinterlassen würde, wenn sie nicht durch die Zeit wanderte. Das ist ganz klar.“ Er fuhr mit der Hand durch den Raum, wo die Maschine gestanden hatte. „Sie sehen?“, sagte er lachend.


Wir saßen eine Minute oder so und starrten den leeren Tisch an. Dann fragte uns der Zeitreisende, was wir von dem allen hielten.


„Heute Abend klingt alles ausreichend plausibel“, sagte der Arzt; „aber warten Sie bis morgen. Warten Sie auf den wachen Menschenverstand eines neuen Tages.“


„Möchten Sie die Zeitmaschine selber sehen?“, fragte der Zeitreisende. Und zugleich nahm er die Lampe und führte uns den langen Gang zu seinem Laboratorium hinunter. Ich erinnere mich lebhaft des flackernden Lichts, seines wunderlichen, breiten Kopfes in der Silhouette, des Schattentanzes, als wir ihm alle folgten, verwirrt, aber ungläubig, und daran, wie wir dort im Laboratorium den Mechanismus erblickten, dessen Miniaturausgabe wir mit vor unseren Augen hatten verschwinden sehen. Teile waren aus Nickel, Teile aus Elfenbein und andere waren ohne Frage aus Felskristall geschliffen und geschnitten. Die Maschine war ziemlich fertig, nur die gewundenen Kristallwellen lagen noch unvollendet auf der Bank neben einigen Zeichnungen, und ich nahm eine in die Hand, um sie besser zu betrachten. Es schien Quarz zu sein.


„Hören Sie“, sagte der Arzt, „ist es Ihnen wirklich ernst? Oder ist es ein Trick – wie der Geist, den Sie uns vergangene Weihnachten zeigten?“


„Auf der Maschine“, sagte der Zeitreisende und hielt die Lampe hoch, „will ich die Zeit erforschen. Ist das klar? Es ist mir in meinem ganzen Leben nie ernster gewesen.“


Keiner von uns wusste recht, wie er es nehmen sollte.


Ich fing über der Schulter des Arztes Filbys Blick auf, und er blinzelte mir feierlich zu.


Die Rückkehr


Ich denke, damals glaubte keiner von uns so recht an die Zeitmaschine. Die Sache ist die, dass der Zeitreisende zu jenen Männern gehörte, die zu gescheit sind, als dass man ihnen glaubt: Man hatte nie das Gefühl, dass man alles um ihn herum überblickte; man vermutete stets noch einen feinen Hinterhalt, einen Scharfsinn, der hinter seiner Offenheit lauerte. Hätte Filby das Modell gezeigt und die Sache mit den Worten des Zeitreisenden auseinandergesetzt, so hätten wir ihm weit weniger Skeptizismus entgegengebracht. Denn wir hätten seine Motive erkannt: Ein Schweineschlächter konnte Filby verstehen. Aber der Zeitreisende hatte mehr als einen Anflug von Laune in seinen Elementen, und wir misstrauten ihm. Dinge, die den Ruhm eines weniger klugen Menschen ausgemacht hätten, erschienen in seinen Händen lediglich als intelligente Tricks. Es ist ein Fehler, die Dinge zu leicht zu tun. Auch Leute, die ihn eigentlich ernst nahmen, waren sich nie ganz sicher, dass er nicht flunkerte. Daher glaube ich, keiner von uns sprach in der Zeit zwischen diesem und dem nächsten Donnerstag sehr viel über den Zeitreisenden, obgleich ohne Zweifel den meisten von uns die sonderbaren Möglichkeiten im Kopf herumgingen, die Plausibilität, das heißt die praktische Unglaublichkeit der Sache, die merkwürdigen Möglichkeiten des Anachronismus und der äußersten Konfusion, an die man denken musste. Mich für meinen Teil beschäftigte besonders der Trick mit dem Modell. Darum, entsinne ich mich, sprach ich am Freitag mit dem Arzt, den ich in der Linné-Gesellschaft traf. Er sagte, er habe in Tübingen etwas Ähnliches gesehen, und legte besonderen Nachdruck auf das Ausblasen der Kerze. Aber wie der Trick geschah, konnte er nicht erklären.


Am nächsten Donnerstag ging ich wieder nach Richmond – ich glaube, ich war einer der regelmäßigsten Gäste des Zeitreisenden – und da ich spät ankam, so fand ich schon vier oder fünf Herren in seinem Salon versammelt. Der Arzt stand mit einem Bogen Papier in der einen, seiner Uhr in der anderen Hand vor dem Feuer. Ich sah mich nach dem Zeitreisenden um und: – „Es ist jetzt halb acht“, sagte der Arzt. „Ich denke, wir gehen besser zu Tisch.“


„Wo ist – –?“, sagte ich und nannte unseren Gastgeber.


„Sie sind gerade gekommen? Es ist etwas merkwürdig. Er bittet mich in diesem Billet, zu Tisch zu führen, wenn er um sieben nicht zurück ist. Er ist aus dringenden Gründen abgehalten. Sagt, er wolle sich erklären, wenn er kommt.“


„Es wäre schade, das Essen verderben zu lassen“, sagte der Herausgeber einer bekannten Tageszeitung; und daraufhin klingelte der Doktor zu Tisch.


Der Psychologe war außer dem Doktor und mir der einzige, der auch auf dem vorigen Diner gewesen war. Die anderen Leute waren Blank, der erwähnte Herausgeber, ein Journalist und noch jemand – ein ruhiger, scheuer Mann mit einem Bart – den ich nicht kannte, und der, soweit meine Beobachtung ging, den ganzen Abend hindurch den Mund nicht auftat. Bei Tisch wurde ein wenig die Abwesenheit des Zeitreisenden erörtert, und ich nannte in halb scherzhaftem Sinn als Grund eine Reise in die Zeit. Der Herausgeber wollte das erklärt haben, und der Psychologe gab einen hölzernen Bericht von dem „geistreichen Paradoxon und Trick“, den wir vor einer Woche gesehen hatten. Er war mitten in seiner Auseinandersetzung, als die Tür vom Gang langsam und geräuschlos aufging, ich saß der Tür gegenüber und sah es zuerst. „Hallo!“, sagte ich. „Endlich!“ Und die Tür ging weiter auf, und der Zeitreisende stand vor uns. Ich stieß einen kleinen Schrei vor Überraschung aus. „Gütiger Himmel! Nanu, was ist los?“, rief der Arzt, der ihn danach sah. Und die ganze Tafelrunde wandte sich zur Tür.


Er sah furchtbar aus. Sein Rock war staubig und schmutzig und die Ärmel herunter grün beschmiert; sein Haar war wirr, und wie mir schien, grauer – entweder von Staub und Schmutz oder weil seine Farbe wirklich verblichen war. Sein Gesicht war gespenstisch bleich; sein Kinn zeigte eine braune Wunde – einen tiefen Schnitt; sein Ausdruck war verstört und eingefallen wie von intensivem Leiden. Einen Moment zögerte er in der Tür, als sei er vom Licht geblendet. Dann kam er ins Zimmer. Er hinkte genau, wie ich es bei fußwunden Landstreichern gesehen hatte. Wir starrten ihn schweigend an und erwarteten, er würde reden.


Er sagte kein Wort, sondern trat mühsam an den Tisch und machte eine Bewegung zum Wein hin. Der Herausgeber schenkte ein Glas Sekt ein und reichte es ihm. Er leerte es, und es schien ihm gut zu tun, denn er blickte rings um den Tisch, und der Schatten seines alten Lächelns flackerte über sein Gesicht. „Was in aller Welt haben Sie angestellt?“, sagte der Arzt. Der Zeitreisende schien nicht zu hören. „Lassen Sie sich nicht von mir stören“, sagte er mit ein wenig stotternder Artikulation. „Mir geht es gut!“ Er unterbrach sich, hielt sein Glas zum Nachfüllen hin und trank es in einem Zug aus. „Das tut gut“, sagte er. Seine Augen wurden klarer, und in seine Wangen trat wieder ein wenig Farbe. Sein Blick flackerte mit einer Art stumpfen Beifalls über unsere Gesichter und ging darin im warmen und behaglichen Zimmer umher. Dann sprach er wieder, immer noch, als fühlte er sich gleichsam in seinen Worten zurecht. „Ich will mich waschen und anziehen, und dann komme ich wieder hinunter und erkläre ... Heben Sie mir etwas von der Hammelkeule auf. Ich vergehe vor Verlangen nach einem Stück Fleisch.“


Er blickte zu dem Herausgeber hinüber, der ein seltener Gast war, und der hoffte, es gehe ihm gut. Der Herausgeber begann seine Frage. „Erzähle ihnen gleich“, sagte der Zeitreisende. „Ich bin – komisch! Bin gleich fertig.“


Er setzte sein Glas hin und ging zur Tür zum Treppenhaus. Wieder fiel mir seine Lahmheit auf und der gedämpfte Klang seines Schrittes; ich stand auf und sah seine Füße, als er hinausging. Er hatte nichts darauf als ein Paar zerrissener, blutbefleckter Socken. Dann schloss sich die Tür hinter ihm. Ich hatte halb Lust, ihm zu folgen, doch mir fiel ein, wie er es hasste, wenn man sich zu viel um ihn kümmerte. Eine Minute vielleicht war ich zerstreut. Dann hörte ich den Herausgeber sagen: „Auffallendes Benehmen eines hervorragenden Naturwissenschaftlers“; er dachte (wie gewöhnlich) in Überschriften. Und das lenkte meine Aufmerksamkeit auf die helle Tafel zurück.


„Wie heißt das Spiel?“, sagte der Journalist. „Hat er den Amateur-Dienstmann gespielt? Ich verstehe nichts.“ Mir begegnete das Auge des Psychologen, und ich las meine eigene Deutung auf seinem Gesicht. Ich dachte an den Zeitreisenden, der mühsam die Treppe hinaufhinkte. Ich glaube nicht, dass sonst noch jemand seine Lahmheit bemerkt hatte.


Der erste, der sich vollständig von dieser Überraschung erholte, war der Arzt, der für einen neuen Teller auf die Glocke drückte – der Zeitreisende hasste es, Diener zum Servieren am Tisch zu haben. Da kehrte der Herausgeber mit einem Grunzen zu Messer und Gabel zurück, und der Schweigsame folgte seinem Beispiel. Das Diner begann von neuem. Die Konversation beschränkte sich eine Weile auf Ausrufe, mit denen jemand seine Verwunderung kundtat; dann wurde der Herausgeber in seiner Neugier fordernd. „Ergänzt unser Freund sein bescheidenes Einkommen durch heimliche Arbeit, oder hat er seine Nebukadnezar-Phasen?“, fragte er. „Ich bin überzeugt, es ist diese Sache mit der Zeitmaschine“, sagte ich und setzte den Bericht des Psychologen über unsere letzte Begegnung fort. Die neuen Gäste waren skeptisch. Der Herausgeber erhob Einwände. „Was war dieses Zeitreisen? Ein Mensch kann sich nicht mit Staub bedecken, indem er sich in einem Paradoxon wälzt, wie?“ Und dann, als ihm die Idee aufging, flüchtete er sich zur Karikatur. Gab es in der Zukunft keine Kleiderbürsten? Auch der Journalist wollte es um keinen Preis glauben und schloss sich dem Herausgeber dabei an, es sich leicht und die ganze Sache lächerlich zu machen. Sie waren beide von der neuen Art der Journalisten – sehr lustige, unehrerbietige junge Männer. „Unser Spezialkorrespondent von übermorgen berichtet“, sagte der Journalist – oder vielmehr, er schrie es – als der Zeitreisende zurückkam. Er trug nun den gewöhnlichen Abendanzug, und außer seinem eingefallenen Blick war von den Veränderungen, die mich erschreckt hatte, nichts mehr so erkennen.


„Hören Sie“, sagte der Herausgeber erheitert, „diese Burschen hier behaupten, Sie seien mitten in die nächste Woche gereist! Erzählen Sie uns vom kleinen Rosebery, ja? Was wollen Sie dafür haben?“


Der Zeitreisende ging ohne ein Wort zu dem für ihn reservierten Platz. Er lächelte ruhig, auf seine alte Art. „Wo ist mein Hammelbraten?“, sagte er, „Was für ein Fest es ist, einmal wieder eine Gabel in Fleisch zu stecken!“


„Berichten Sie!“, rief der Herausgeber.


„Zum Henker mit dem Gerede!“, sagte der Zeitreisende. „Ich will essen. Ich sage kein Wort, ehe ich nicht etwas Pepton in meine Arterien bekomme. Danke. Und das Salz.“


„Ein Wort“, sagte ich. „Sind Sie in die Zeit gereist?“


„Ja“, sagte der Zeitreisende mit vollem Munde, wobei er nickte.