Alle Haupt- und Nebenfiguren sowie die Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten oder Namensgleichheiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Dieser Titel ist ausschließlich als E-Book erschienen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2020 Adriana Popescu
c/o Literarische Agentur Michael Gaeb
Chodowieckistraße 26,
10405 Berlin
Kontakt: adriana@adriana-popescu.de
Umschlaggestaltung & Satz: Grace Gibson Grafkdesign
Lektorat & Korrektorat: Kerstin Thieme https://korrektorat-thieme.de
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand, Norderstedt
ISBN: 9783752859898
Adriana Popescu, 1980 in München geboren, arbeitete als Drehbuchautorin für das Deutsche Fernsehen, bevor sie als freie Redakteurin für verschiedene Zeitschriften und schließlich als Autorin für mehrere renommierte Buchverlage Romane schrieb. Sie lebt mit großer Begeisterung in Stuttgart.
Mehr Infos unter: http://adriana-popescu.de/
Das Klingeln meines Weckers irrt sich gewaltig in der Uhrzeit, denn es ist noch mitten in der Nacht, als ich nach meinem Handy taste und aus halb geöffneten Augen feststelle, dass es gar nicht mein Wecker, sondern ein eingehender Anruf ist. Schlagartig bin ich wach, weil Anrufe mitten in der Nacht nur selten gute Nachrichten bedeuten. Das wild hämmernde Herz in meiner Brust lässt meine Hände zittern, als ich den grünen Hörer auf dem Display drücke.
»Hallo?«
»JASMIN!«
Er brüllt mir meinen Namen so laut ins Ohr, dass ich sicher bin, die ganze WG hat es gehört, vermutlich sogar die Nachbarn, und ich schließe die Augen, als wäre dann alles leiser.
»Jasmin, Jasmin, Jasmin …«
»Leo, was willst du?«
Ich horche in den Rest der Wohnung, aber es scheint alles ruhig zu bleiben, gut möglich also, dass nur ich sein Gebrüll so laut wahrnehme.
»Jasmin, mir wurde das Herz gebrochen.«
Mit noch immer geschlossenen Augen schüttele ich den Kopf und lege mich zurück ins Kissen.
»Also nichts Neues.«
»Nein, diesmal wurde es mir wirklich gebrochen!«
Der lallende Unterton in seiner Stimme verrät mir, dass er nicht mehr ganz nüchtern ist und ich stelle mich darauf ein, dass er mir eine betrunkene Zusammenfassung seines Abends liefert, aber zu meiner Überraschung schweigt er.
»Bist du noch dran?«
Keine Antwort.
»Leo?«
»Hm?«
»Wo steckst du?«
Jemand wie Leo neigt dazu, viel zu reden, weil er immer glaubt, eine Stille oder Leere füllen zu müssen, sein Schweigen gefällt mir nicht.
»Leo?«
»Ich sitze in deinem Treppenhaus.«
»Was?«
»Ja, ich wusste nicht, wohin sonst …«
Er atmet theatralisch aus und ich schlage die Bettdecke zur Seite und spüre den kalten Boden unter meinen nackten Füßen. Einen Moment bleibe ich so sitzen, dann erhebe ich mich und tapse leise zur Tür und schließlich in den Flur. Moritz’ Zimmertür ist geschlossen und ich hoffe, er schläft den Schlaf der Gerechten.
»Ich lasse dich rein, aber bitte nicht klingeln, okay?«
»Du bist meine Rettung, Jasmin! Meine Rettung!«
Weil seine Stimme schon wieder viel zu laut ist, lege ich auf und schleiche durch den dunklen Flur zur Tür. Ich öffne sie und warte. Seine Schritte hören sich schleppend und scheppernd auf den Stufen unseres Altbaus an, wie eine dramatische Interpretation von Ravels Boléro kommt das Trommelsolo seiner Schritte immer näher, bis ich seinen Schatten auf den Treppen erkennen kann und schließlich das Licht im Treppenhaus anmache.
Er trägt seine schwarzen Skinnyjeans, die er immer trägt, ein weißes T-Shirt und seine schwarze Jeansjacke, die er schon so lange hat, wie ich ihn kenne. Auf zu vielen Partys hat er darin getanzt und sie mir auf dem Nachhauseweg um die Schultern gelegt, wenn es mir zu kalt war. Seine braunen Haare, die den Namen Wuschelkopf wohl oder übel verdient haben, hängen ihm verschwitzt in die Stirn und ich merke an seinem torkelnden Gang, dass er dringend einen Kaffee bräuchte.
»Du bist meine Rettung!«
»Pssst! Es ist halb drei!«
Er hebt übertrieben die Hände, als wolle er sich ergeben und kommt auf Zehenspitzen auf mich zu, was ich mit einem milden Lächeln quittiere.
»Ent-schul-di-gung!«
Er flüstert es mit Alkoholfahne in mein Gesicht, sobald er vor mir steht und mich dabei um fast anderthalb Köpfe überragt, während er mich in eine feste Umarmung zieht. Mir fällt ein, dass ich nur ein Schlafshirt und einen Slip trage, weswegen ich mir in seinen Armen plötzlich unheimlich nackt vorkomme und mich von ihm löse.
»Komm rein und sei leise, Moritz schläft.«
Kaum habe ich den Namen meines Mitbewohners ausgesprochen, verdreht Leo kurz die Augen und ich verpasse ihm einen kurzen Schlag gegen die Schulter, bevor ich die Tür hinter uns schließe und ihn in Richtung Küche bugsiere, wo er das Licht anmacht und sich geräuschvoll auf einen der Stühle fallen lässt.
»Ich war in der Schräglage, weil die dort einfach noch immer die beste Musik spielen!«
Während er mir von seinem Abend erzählt, hole ich den Kaffee aus dem Regal über der Spüle und beginne damit, den Siebträger für die Maschine zu füllen.
»Und da war sie.«
»Wer?«
»Sophie, wer denn sonst?«
»Entschuldige, aber das letzte Mal war die Rede von einer Katharina.«
»Pffft, das ist Ewigkeiten her.«
Leos Zeitrechnung unterscheidet sich vehement von der Zeitrechnung aller anderen Menschen.
»Und was hat Sophie getan?«
Er stützt die Ellenbogen auf den Tisch und verbirgt das Gesicht in den Händen, als wolle oder könne er mich nicht an seinem Herzschmerz teilhaben lassen. Das Spiel kenne ich, habe es oft genug durchgespielt und warte ab, bis es ihn nervt, dass ich nicht nachfrage. Stumm stelle ich die Zuckerdose vor ihn auf den Tisch und hole die Milch aus dem Kühlschrank.
»Sie hat mit Daniel rumgemacht.«
Er murmelt es in seine Hände und ich kann mir ein kurzes Grinsen nicht verkneifen.
»Daniel.«
Mir fällt kein Gesicht zu dem Namen ein, obwohl ich mir Mühe gebe, mit all seinen Kumpels, Kumpelinen, Freundinnen, Ex-Flammen und Affären mitzuhalten.
»Ja. Daniel. Ihrem Freund.«
»Moment.«
Er winkt ab, bevor ich nachfragen kann und schüttelt den Kopf.
»Ja, ich weiß. Aber sie hat gesagt, dass sie bei mir so glücklich war wie noch nie bei einem Mann. Wieso geht sie dann zu ihrem Freund zurück?«
Mit mehr Schwung als nötig schütte ich die Milch in seinen Kaffee und knalle die Tasse vor ihn.
»Weil du aufhören musst, in fremde Beziehungen zu marschieren und dort alles durcheinanderzubringen!«
Einen kurzen Moment sieht er mich so überrascht an, dass man glauben könnte, meine kurze Standpauke hätte ihn nüchtern werden lassen. Doch dann schleicht sich sein schiefes und überaus freches Grinsen zurück in sein Gesicht.
»Pssst! Es ist halb drei!«
»Sehr witzig, Leo.«
Etwas leiser nehme ich ihm gegenüber Platz und sehe ihn an.
»Es ist mein Ernst. Du ziehst durch das Nachtleben und tust so, als könntest du dir alles erlauben, ohne jemals Konsequenzen zu kassieren.«
Schulterzuckend nimmt er einen ersten Schluck und ich hoffe, er verbrennt sich so richtig schön die Zunge.
»Sophie und Daniel waren vielleicht glücklich, bevor du in ihr Leben gestolpert bist.«
»Vielleicht dachte Sophie auch nur, sie sei mit Daniel glücklich, bis ich in ihr Leben gestolpert bin.«
»Wieso sitzt du dann jetzt in meiner Küche und nicht in Sophies?«