Seit einiger Zeit besucht die kleine Fee Rosalie das berühmte Internat Blütenwald. Viele Feenkinder werden hier in Zauberkunde, gutem Benehmen, dem Reiten auf Einhörnern und den Feenregeln unterrichtet. Aber das Allerwichtigste: Die kleinen Feen fliegen regelmäßig zum Feenbriefkasten. Dort hinterlassen Menschenkinder wie du ihre Wunschbotschaften. Möglicherweise hast du dir auch schon gewünscht, einer Fee zu begegnen? Einer echten Wunschfee, der du deine geheimsten Sehnsüchte mitteilen darfst?
Dann bist du hier genau richtig. In diesem Buch werden Wünsche wahr. Vielleicht ist es heute noch nicht dein Wunsch, aber das kann morgen schon ganz anders aussehen.
Gerade ist früher Nachmittag im Feenreich, Rosalie sitzt an ihren Hausaufgaben. Dabei wird sie von einem winzigen Wesen gestört. Möchtest du wissen, von wem und warum? Dann lass uns nachsehen, was unser Feenmädchen macht.
Tritt ein in die Welt der kleinen Wunschfee Rosalie und ihrer Freunde.
Rosalie saß gerade über ihren Hausaufgaben, als sich plötzlich etwas Zartes, Duftiges auf ihr Pflanzenbuch setzte.
»Hallo, du niedlicher Kerl! Wo kommst du denn her? Bist du ganz alleine?« Interessiert beobachtete die kleine Blumenfee, wie ein himmelblauer Schmetterling anmutig vor ihr hin und her wippte. Schon wollte Rosalie die Hand nach ihm ausstrecken, da hielt ein Kichern sie zurück. Es kam von Nikki, ihrer besten Freundin, die ebenfalls an ihrem Schreibtisch saß.
»Von wegen – alleine! Dreh dich doch mal um, Rosalie!«
Vorsichtig, um den Schmetterling nicht zu erschrecken, wandte sich die kleine Blumenfee zu Nikki. Was sie dort sah, machte Rosalie für einen Moment sprachlos.
Sie schlug die Hände vor den Mund.
Rieb sich die Augen.
Blinzelte und zwinkerte.
»Feenhauchschön!«, wisperte sie schließlich.
Das Zimmer, das Rosalie sich in der Blütenwaldschule mit ihrer Freundin teilte, war voller hauchzarter Schmetterlinge in den unterschiedlichsten Blautönen. Sie schwebten durch den Raum, saßen auf den Betten und Schränken. Ein paar vorwitzige Tiere hatten sich sogar auf Nikkis Haaren niedergelassen.
»Du siehst aus wie eine Blume«, flüsterte Rosalie. »Eine sehr hübsche Blume!«
»Wirklich wahr?« Vor Stolz bekam die kleine Nebelfee rote Wangen. »Überall schwirren und flattern Frau Windhauchs schwebende Boten. Normalerweise bringen sie doch immer unsere Briefe zu den Menschenkindern. Meinst du, das heißt dieses Mal, dass wir …?«
Rosalie nickte. »Wie aufregend! Zum ersten Mal schickt uns die Schulleiterin ihre Schmetterlinge, damit wir zu einem Treffen in ihr Büro kommen.«
»Dann muss es sehr wichtig sein«, stellte Nikki fest.
»Feenhaargenau! Also los!« Rosalie packte die kleine Nebelfee an der Hand und sauste mit ihr aus dem Zimmer. Auch vor der Tür bot sich der kleinen Blumenfee ein traumschönes Bild. Die Gänge und das große Treppenhaus der Schule waren übersät von Frau Windhauchs schwebenden Boten. Sie klebten an der Decke, pendelten auf Lampen und Vorhängen oder tanzten gemeinsam ein Schmetterlingsballett. Aus allen Zimmern, in denen Rosalies Klassenkameradinnen wohnten, schwirrten Dutzende der zierlichen Tiere.
»Schon gehört? Alle Erstklässler sollen zu Frau Windhauch kommen!« Begeistert flog Dentine, die kleine Zahnfee, einem glänzenden Schmetterling hinterher, dicht gefolgt von ihrer Freundin Mariella. »Na los, Rosalie und Nikki, beeilt euch!«, rief die Meerjungfrau den beiden zu.
In Windeseile wirbelten die Feenmädchen zum großen Büro der Schulleiterin. Frau Windhauch saß an ihrem Schreibtisch und erwartete die Schülerinnen bereits.
»Wunderbar, dass ihr so schnell gekommen seid. Ich habe große Neuigkeiten für euch.« Die Schulleiterin erhob sich. »Ihr habt inzwischen so viel in unserer Blütenwaldschule gelernt, dass ihr mit Leichtigkeit auch Aufträge draußen in der Feenwelt erfüllen könnt.«
»Draußen? In der Feenwelt?« Rosalie stupste Nikki begeistert in die Rippen. »Feuchte Feenspucke!«
Frau Windhauch legte den Finger an die Lippen. Sofort verstummte Rosalie.
»Ihr Wetter-, Nebel- und Wolkenfeen begleitet zusammen mit den Meerjungfrauen die Einhörner zu den Kristallbergen. Die jungen Tiere haben Sehnsucht nach ihrer Herde. Und weil der Weg durch das Tal des ewigen Nebels führt, das unterhalb der Schule liegt, seid ihr für diese Mission besonders gut geeignet.«
»Und was machen die Blumenfeen? Was mache ich?«, platzte Rosalie heraus. Kaum hatte sie ihre Frage gestellt, biss sie sich auf die Lippen. Warum musste sie nur immer so vorlaut sein?
Frau Windhauch fuhr ungerührt fort: »Aufgabe der ersten Gruppe ist es, aus den Bergen einige Beutel Kristallpulver mitzubringen. Das brauchen wir für unseren Feenstaub. Ohne Kristallpulver keine Magie!« Schwungvoll pustete die Schulleiterin eine Portion Feenstaub in den Raum. »Flirr und funkel!«
Staunend sah Rosalie dabei zu, wie sich das glitzernde Pulver aus Frau Windhauchs Hand in eine große, schimmernde Libelle verwandelte. Auf ihrem Rücken trug sie einen winzigen Rucksack. Nachdem die Libelle eine Runde durch den Raum gedreht hatte, schwebte sie majestätisch aus dem offenen Fenster.
»Das ist ja Zauberei!«, flüsterte Rosalie.
»Nein.« Frau Windhauch lachte. »Das ist reines Feenhandwerk. Ich habe unsere Eil-Libelle für besonders dringende Wunschpost herbeigezaubert. Auf eurem Weg, eine echte Wunschfee zu werden, werdet ihr auch das noch lernen. Heute wird Libella einen wichtigen Brief zu einem ganz besonderen Freund bringen. Aber zurück zu euren Aufträgen: Ihr anderen Feenkinder macht euch gemeinsam auf den Weg zur Hundert-Kräuter-Aue. Wir brauchen allerlei Nachschub an Heilkräutern für die Schulapotheke.«
Nikki sah Rosalie betrübt an. »Schade, wir sind nicht zusammen. Du bist in einer anderen Gruppe als ich.«
»Koboldmist«, maulte Rosalie.
»Hört auf zu meckern. Ich fliege ja auch nicht mit Mariella.« Dentine deutete auf ihre Freundin, die kleine Meerjungfrau. »Hauptsache, es wird ein Abenteuer!« Sie schnipste aufgeregt mit den Fingern. »Frau Windhauch? Übernachten wir auch unterwegs?«
Die Schulleiterin nickte. »Jede Gruppe wird zwei Tage und eine Nacht unterwegs sein. Auch das gehört zu eurer Aufgabe. Aber keine Sorge, ab sofort wird euch eine neue Lehrerin in allem unterrichten, was ihr für die Reise wissen müsst. Und in einer Woche geht es dann los!«
Aufgeregt schwatzend wollten die kleinen Feen der ersten Klasse gerade aus Frau Windhauchs Büro stürmen, da klatschte die Schulleiterin energisch in die Hände. »Halt! Alle Feenkinder gehen bitte schnurstracks in ihr Klassenzimmer. Alle bis auf Rosalie und Nikki.« Sie zwinkerte den beiden Feenmädchen verschwörerisch zu. »Für euch habe ich eine besondere Aufgabe.«
Schüchtern standen Rosalie und Nikki vor Frau Windhauchs mächtigem Schreibtisch. Sogar in Rosalies Bauch kribbelte es auf einmal, als würden Hunderte von Ameisen darin herumspazieren. Was die Schulleiterin wohl von ihnen wollte?
Frau Windhauch lächelte den Feenmädchen aufmunternd zu. »Ich möchte euch bitten, eine besonders ehrenvolle Aufgabe zu übernehmen, eine Mission für echte Wunschfeen. Ihr sollt eine ganz seltene Zutat besorgen, die wir für jede Zauberei, für jede Feenarbeit benötigen.«
»Noch mehr Kristallpulver?«, überlegte Rosalie.
»Nein.« Frau Windhauch schüttelte nachsichtig den Kopf. »Die Zutat, von der ich spreche, ist das wichtigste Kraut im ganzen Feenreich. Beinahe für jede Magie brauchen wir wenigstens eine Messerspitze davon. Man nennt es Sprudelkraut, und es wächst nur an einem ganz besonderen Ort.«
Als Frau Windhauch eine kurze Pause machte, musste Rosalie fest die Lippen aufeinanderpressen, um nicht schon wieder mit einer Frage herauszuplatzen.