Annette von Droste-Hülshoff: Gedichte

 

 

Annette von Droste-Hülshoff

Gedichte

Die Ausgabe von 1844

 

 

 

Annette von Droste-Hülshoff: Gedichte. Die Ausgabe von 1844

 

Neuausgabe mit einer Biographie der Autorin.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Annette von Droste-Hülshoff (Gemälde von J. Sprick, 1838)

 

ISBN 978-3-8430-8117-7

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-9392-7 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-9393-4 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: Nach der zweiten und letzten eigenen Gedichtausgabe der Autorin: Gedichte von Annette Freiin von Droste-Hülshof, Stuttgart und Tübingen (Cotta) 1844. – Neben den Gedichten enthält die Ausgabe vier Versepen, die hier nicht berücksichtigt wurden.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Annette von Droste-Hülshoff: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Nach dem Text der Originaldrucke und der Handschriften. Herausgegeben von Günther Weydt und Winfried Woesler, Band 1–2, München: Winkler, 1973.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Zeitbilder

Ungastlich oder nicht?

(In Westfalen)

 

Ungastlich hat man dich genannt,

Will deinen grünsten Kranz dir rauben,

Volk mit der immer offnen Hand,

Mit deinem argwohnlosen Glauben;

O rege dich, daß nicht die Schmach

Auf deinem frommen Haupte laste,

Und redlich, wie das Herz es sprach,

So sprich es nach zu deinem Gaste:

 

»Fremdling an meiner Marken Stein,

Mann mit der Stirne trüben Falten,

O, greif in deines Busens Schrein,

Und laß die eigne Stimme walten.

Nicht soll bestochner Zeugen Schar

Uns am bestochnen Worte rächen,

Nein, Zeug' und Richter sollst du klar

Dir selbst das freie Urteil sprechen.

 

Fühlst du das Herz in dir, nicht heiß

Doch ehrlich, uns entgegen schlagen,

Dein Wort kein falsch und trügend Gleis,

Befleckend was die Lippen tragen,

Fühlst du ein Gast dich wie er lieb

Dir an dem eignen Hausaltare,

Dann frisch heran – nicht wie ein Dieb,

Nein, frisch, mit fröhlicher Fanfare!

 

Wer unsres Landes Sitte ehrt,

Und auch dem seinen hält die Treue –[7]

Hier ist der Sitz an unserm Herd!

Hier unsres Bruderkusses Weihe!

Wer fremden Volkes Herzen stellt

Gleich seinem in gerechter Waage –

Hier unsre Hand, daß er das Zelt

Sich auf bei unsern Zelten schlage!

 

Doch sagt ein glüh Erröten dir,

Du gönntest lieber einer andern

Als deiner Schwelle gleiche Zier –

Brich auf, und mögest eilends wandern!

Wir sind ein friedlich still Geschlecht

Mit lichtem Blick und blonden Haaren,

Doch unsres Herdes heilig Recht

Das wissen kräftig wir zu wahren.

 

Die Luft die unsern Odem regt,

Der Grund wo unsre Gräber blühen,

Die Scholle die uns Nahrung trägt,

Der Tempel wo wir gläubig knieen,

Die soll kein frevler Spott entweihn,

Dem Feigen Schmach und Schamerröten,

Der an des Heiligtumes Schrein

Läßt eine falsche Sohle treten!

 

Doch einem Gruß aus treuem Mut,

Dem nicken ehrlich wir entgegen,

Hat jeder doch sein eignes Blut,

Und seiner eignen Heimat Segen.

Wenn deine Ader kälter rinnt,

So müssen billig wir ermessen:

Wer könnte wohl das fremde Kind

Gleich eignem an den Busen pressen?

 

Drum, jede Treue sei geehrt,

Der Eichenkranz von jedem Stamme;

Heilig die Glut auf jedem Herd,[8]

Ob hier sie oder drüben flamme;

Dreimal gesegnet jedes Band

Von der Natur zum Lehn getragen,

Und einzig nur verflucht die Hand,

Die nach der Mutter Haupt geschlagen!«[9]

 

Die Stadt und der Dom

Eine Karikatur des Heiligsten

 

»Der Dom! der Dom! der deutsche Dom!

Wer hilft den Kölner Dom uns baun!«

So fern und nah der Zeitenstrom

Erdonnert durch die deutschen Gaun.

Es ist ein Zug, es ist ein Schall

Ein ungemeßner Wogenschwall.

Wer zählt der Hände Legion

In denen Opferheller glänzt?

Die Liederklänge wer, die schon

Das Echo dieses Rufs ergänzt?

 

Und wieder schallt's vom Elbestrand:

»Die Stadt! die Stadt! der deutsche Port!«

Und wieder zieht von Land zu Land

Ein gabespendend Klingeln fort;

Die Schiffe ragen Mast an Mast,

Goldregen schüttet der Palast,

Wem nie ein eignes Dach beschert,

Der wölbt es über fremde Not,

Wem nie geraucht der eigne Herd,

Der teilt sein schweißbenetztes Brod.

 

Wenn eines ganzen Volkes Kraft

Für seines Gottes Heiligtum

Die Lanze hebt so Schaft an Schaft,

Wer glühte nicht dem schönsten Ruhm?

Und wem, wem rollte nicht wie Brand[9]

Das Blut an seiner Adern Wand,

Wenn eines ganzen Volkes Schweiß

Gleich edlem Regen niederträuft,

Bis in der Aschensteppe heiß

Viel Tausenden die Garbe reift?

 

Man meint, ein Volk von Heil'gen sei

Herabgestiegen über Nacht,

In ihrem Eichensarg aufs neu

Die alte deutsche Treu' erwacht.

O werte Einheit, bist du eins –

Wer stände dann des Heil'genscheins,

Des Kranzes würdiger als du,

Gesegnete, auf deutschem Grund!

Du trügst den goldnen Schlüssel zu

Des Himmels Hort in deinem Bund.

 

Wohlan ihr Kämpen denn, wohlan

Du werte Kreuzesmassonei,

So gebt mir eure Zeichen dann

Und euer edles Feldgeschrei!

Da, horch! da stieß vom nächsten Schiff

Die Bootmannspfeife grellen Pfiff,

Da stiegen Flaggen ungezählt,

Kantate summte und Gedicht,

Der Demut Braun nur hat gefehlt,

Jehovas Namen hört' ich nicht.

 

Wo deine Legion, o Herr,

Die knieend am Altare baut?

Wo, wo dein Samariter, der

In Wunden seine Träne taut?

Ach, was ich fragte und gelauscht,

Der deutsche Strom hat mir gerauscht,

Die deutsche Stadt, der deutsche Dom,

Ein Monument, ein Handelsstift,

Und drüber sah wie ein Phantom

Verlöschen ich Jehovas Schrift.[10]

 

Und wer den Himmel angebellt,

Vor keiner Hölle je gebebt,

Der hat sich an den Kran gestellt

Der seines Babels Zinne hebt.

Wer nie ein menschlich Band geehrt,

Mit keinem Leid sich je beschwert,

Der flutet aus des Busens Schrein

Unsäglicher Gefühle Strom,

Am Elbestrand, am grünen Rhein,

Da holt sein Herz sich das Diplom.

 

Weh euch, die ihr den zorn'gen Gott

Gehöhnt an seiner Schwelle Rand,

Meineid'gen gleich in frevlem Spott

Hobt am Altare eure Hand!

Er ist der Herr, und was er will

Das schaffen Leu und Krokodill! –

So baut denn, baut den Tempel fort,

Mit ird'schem Sinn den heil'gen Hag,

Daß euer beßrer Enkel dort

Für eure Seele beten mag!

 

Kennt ihr den Dom der unsichtbar

Mit tausend Säulen aufwärts strebt?

Er steigt wo eine gläub'ge Schar

In Demut ihre Arme hebt.

Kennt ihr die unsichtbare Stadt

Die tausend offne Häfen hat

Wo euer wertes Silber klingt?

Es ist der Samariter Bund,

Wenn Rechte sich in Rechte schlingt,

Und nichts davon der Linken kund.

 

O, er der alles weiß, er kennt

Auch eurer Seele ödes Haus;

Baut Magazin und Monument,

Doch seinen Namen laßt daraus![11]

Er ist kein Sand der glitzernd stäubt,

Kein Dampfrad das die Schiffe treibt,

Ist keine falsche Flagge die

Sich stahl der See verlorner Sohn,

Parol' nicht die zur Felonie

Ins Lager schmuggelt den Spion!

 

Baut, baut, – um euer Denkmal ziehn

Doch Seufzer fromm und ungeschmückt,

Baut, – neben eurem Magazin

Wird doch der Darbende erquickt.

Ob eures Babels Zinnenhag

Zum Weltenvolk euch stempeln mag?

Schaut auf Palmyrens Steppenbrand,

Wo scheu die Antilope schwebt,

Die Stadt schaut an wo, ein Gigant,

Das Kolosseum sich erhebt.

 

Den Wurm der im geheimen schafft,

Den kalten nackten Grabeswurm,

Ihn tötet nicht des Armes Kraft,

Noch euer toller Liedersturm.

Ein frommes, keusches Volk ist stark,

Doch Sünde zehrt des Landes Mark;

Sie hat in deiner Glorie Bahn,

O Roma, langsam dich entleibt,

Noch steht die Säule des Trajan,

Und seine Kronen sind zerstäubt![12]

 

Die Verbannten

Ich lag an Bergeshang,

Der Tag war schon gesunken,

In meine Wimper drang

Des Westen letzter Funken.

Ich schlief und träumte auch vielleicht,[12]

Doch hört' ich noch der Amsel Pfeifen,

Wie Echos letzte Hauche, feucht

Und halb verlöscht, am Schilfe streifen.

 

Mein äußres Auge sank,

Mein innres ward erschlossen:

Wie wild die Klippenbank!

Wie grau die Moose sprossen!

Der Öde Odem zog so schwer

Als ob er siecher Brust entgleite,

Wohin ich blickte, Rohres Speer,

Und Dorngestrüpp und Waldesweite.

 

Im Grase knistert' es,

Als ob die Grille hüpfte,

Im Strauche flüstert' es,

Als ob das Mäuslein schlüpfte;

Ein morscher halbverdorrter Stamm

Senkte die bräunliche Gardine,

Zu Füßen mir der feuchte Schwamm,

Und überm Haupt die wilde Biene.

 

Da raschelt' es im Laub,

Und rieselte vom Hange,

Zertretnen Pilzes Staub

Flog über meine Wange.

Und neben mir ein Knabe stand,

Ein blondes Kind mit Taubenblicken,

Das eines blinden Greises Hand

Schien brünstig an den Mund zu drücken.

 

Von linder Tränen Lauf

Sein Auge glänzte trübe,

»Steh auf«, sprach es, »steh auf!

Ich bin die Kindesliebe,

Verbannt, zum wüsten Wald verbannt,

Ins öde Dickicht ausgesetzet,[13]

Wo an des sumpf'gen Weihers Rand

Der Storch die kranken Eltern ätzet!«

 

Dann faltete es hoch

Die hagern Händchen beide,

Und sachte abwärts bog

Es des Geröhres Schneide.

Ich sah wie blut'ge Striemen leis

An seinen Ärmchen niederflossen,

Wie tappend ihm gefolgt der Greis,

Bis sich des Rohres Wand geschlossen.

 

Ich ballte meine Hand,

Versuchte mich zu schwingen,

Doch fester, fester wand

Der Taumel seine Schlingen.

Und wieder hörte ich den Schlag

Der Amsel und der Grille Hüpfen,

Und wieder durch den wilden Hag

Der Biene sterbend Sumsen schlüpfen.

 

Da schleift' es, schwer wie Blei,

Da flüstert' es aufs neue:

»O wache! steh mir bei!

Ich bin die Gattentreue.«

Das Auge hob ich, und ein Weib

Sah ich wie halbgebrochen bücken,

Das eines Mannes wunden Leib

Mühselig trug auf seinem Rücken.

 

Ein feuchter Schleier hing

Ihr Haar am Antlitz nieder,

Des Schweißes Perle fing

Sich in der Wimper wieder.

»Verbannt! verbannt zum wilden Wald,

Wo Nacht und Öde mich umschauern!

Verbannt wo in der Felsen Spalt

Die Tauben um den Tauber trauern!«[14]

 

Sie sah mich lange an,

Im Auge Sterbeklagen,

Und langsam hat sie dann

Den Wunden fortgetragen.

Sie klomm den Klippensteig entlang,

Ihr Ächzen scholl vom Steine nieder,

Wo grade unterm Schieferhang

Sich regte bläuliches Gefieder.

 

Ich dehnte mich mit Macht

Und langte nach dem Wunden,

Doch als ich halb erwacht,

Da war auch er verschwunden,

Zerronnen wie ein Wellenschaum, –

Ich hörte nur der Wipfel Stöhnen,

Und unter mir, an Weihers Saum,

Der Unken zart Geläute tönen.

 

Die Glöckchen schliefen ein,

Es schwoll der Kronen Rauschen,

Ein Licht wie Mondenschein

Begann am Ast zu lauschen,

Und lauter raschelte der Wald,

Die Zweige schienen sich zu breiten,

Und eine dämmernde Gestalt

Sah ich durch seine Hallen gleiten.

 

Das Kreuz in ihrer Hand,

Um ihre Stirn die Binde,

Ihr langer Schleier wand

Und rollte sich im Winde.

Sie trat so sacht behutsam vor,

Als ob sie jedes Kräutlein schone,

O Gott, da sah ich unterm Flor,

Sah eine blut'ge Dornenkrone!

 

Die Fraue weinte nicht

Und hat auch nicht gesprochen,[15]

Allein ihr Angesicht

Hat mir das Herz gebrochen,

Es war wie einer Königin

Pilgernd für ihres Volkes Sünden,

Wo find' ich Worte, wo den Sinn,

Um diesen Dulderblick zu künden!

 

Als sie vorüber schwand

Mit ihren blut'gen Haaren,

Da riß des Schlummers Band,

Ich bin emporgefahren.

Der Amsel Stimme war verstummt,

Die Mondenscheibe stand am Hügel,

Und über mir im Aste summt'

Und raschelte des Windes Flügel.

 

Ob es ein Traumgesicht

Das meinen Geist umflossen?

Vielleicht ein Seherlicht

Das ihn geheim erschlossen?

O wer, dem eine Trän' im Aug',

Den fromme Liebe je getragen,

Wer wird nicht, mit dem letzten Hauch,

Die heiligen Verbannten klagen![16]

 

Der Prediger

Langsam und schwer vom Turme stieg die Klage,

Ein dumpf Gewimmer zwischen jedem Schlage,

Wie Memnons Säule weint im Morgenflor.

Am Glockenstuhle zitterte der Balke,

Die Dohlen flatterten vom Nest, ein Falke

Stieg pfeifend an der Fahne Schaft empor.

 

Wem dröhnt die Glocke? – Einem der entkettet,

Des müden Leib ein Fackelzug gebettet[16]

In letzter Nacht bei seinem einz'gen Kind.

Wer war der Mann? – Ein Christ im echten Gleise,

Kein Wucherer, kein Ehrendieb, und weise

Wie reiche Leute selten weise sind.

 

Darum so mancher Greis mit Stock und Brille,

So manches Regentuch und Handpostille,

Sich mühsam schiebend durch der Menge Drang.

Er war ein heitrer Wirt in seinem Schlosse, –

Darum am Tor so manche Staatskarosse,

So mancher Flor das Kirchenschiff entlang.

 

Die Glocken schwiegen, alle Kniee sanken,

Posaunenstoß! – Die Wölbung schien zu wanken.

O »Dies irae, dies illa!« Glut

Auf Sünderschwielen, Tau in Büßermalen!

Mir war als säh ich des Gerichtes Schalen,

Als hört' ich tröpfeln meines Heilands Blut.

 

Das Amen war verhallt. Ein zitternd Schweigen

Lag auf der Menge, nur des Odems Steigen

Durchsäuselte den weiten Hallenbau.

Nur an der Tumba schwarzer Flämmchen Knistern

Schien leise mit dem Grabe noch zu flüstern,

Der Weihrauchwirbel streute Aschengrau.

 

»Geliebte!« scholl es von der Wölbung nieder,

Die Wolke sank, und mählich stiegen Glieder,

Am Kanzelbord ein junger Priester stand.

Kein Schattenbild dem alle Lust verronnen,

Ein frischer saft'ger Stamm am Lebensbronnen,

Ein Adler ruhend auf Jehovas Hand!

 

»Geliebte«, sprach er, »selig sind die Toten

So in dem Herrn entschliefen, treue Boten,

Von ihrer Sendung rastend.« Dann entstieg

Das Wort, gewaltig wie des Jordans Wallen,[17]

Mild wie die Luft in Horebs Zederhallen,

Als er bezeugte des Gerechten Sieg.

 

Die Stimme sank, des Stromes Wellen schwollen,

Mir war als hört' ich ferne Donner rollen:

»Weh über euch, die weder warm noch kalt!

O, wäret kalt ihr oder warm! die Werke

Von eurer Hand sind tot, und eure Stärke

Ist gleich dem Hornstoß der am Fels verhallt.«

 

Und tiefer griff er in der Zeiten Wunde,

Die Heller ließ er klingen, und vom Grunde

Hob er den seidnen Mottenfraß ans Licht.

Erröten ließ er die bescheidne Schande

In ihrem ehrbar schonenden Gewande,

Und zog der Lust den Schleier vom Gesicht.

 

Die Kerzen sind gelöscht, die Pforte dröhnte.

Ich hörte schluchzen, – am Gemäuer lehnte

Ein Weib im abgetragnen Regentuch.

Ich hörte säuseln – neben mir, im Chore,

Ein Fräulein gähnte leise hinterm Flore,

Ein Fahnenjunker blätterte im Buch.

 

Und alle die bescheidnen Menschenkinder,

Wie sich's geziemt für wohlerzogne Sünder,

Sie nahmen ruhig was der Text beschert.

Und abends im Theater sprach der Knabe,

Der achtzehnjähr'ge Fähndrich: »Heute habe

Ich einen guten Redner doch gehört!«[18]

 

An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich

Ihr steht so nüchtern da gleich Kräuterbeeten –

Und ihr gleich Fichten die zerspellt von Wettern –[18]

Haucht wie des Hauches Hauch in Syrinxflöten –

Laßt wie Dragoner die Trompeten schmettern;

Der kann ein Schattenbild die Wange röten –

Die wirft den Handschuh Zeus und allen Göttern;

Ward denn der Führer euch nicht angeboren

In eigner Brust, daß ihr den Pfad verloren?

 

Schaut auf! zur Rechten nicht – durch Tränengründe,

Mondscheinalleen und blasse Nebeldecken,

Wo einsam die veraltete Selinde

Zur Luna mag die Lilienarme strecken;

Glaubt, zur Genüge hauchten Seufzerwinde,

Längst überfloß der Sehnsucht Tränenbecken;

An eurem Hügel mag die Hirtin klagen,

Und seufzend drauf ein Gänseblümchen tragen.

 

Doch auch zur Linken nicht – durch Winkelgassen,

Wo tückisch nur die Diebslaternen blinken,

Mit wildem Druck euch rohe Hände fassen,

Und Smollis Wüstling euch und Schwelger trinken,

Der Sinne Bachanale, wo die blassen

Betäubten Opfer in die Rosen sinken,

Und endlich, eures Sarges letzte Ehre,

Man drüber legt die Kränze der Hetäre.

 

O dunkles Los! o Preis mit Schmach gewonnen,

Wenn Ruhmes Staffel wird der Ehre Bahre!

Grad', grade geht der Pfad, wie Strahl der Sonnen!

Grad', wie die Flamme lodert vom Altare!

Grad', wie Natur das Berberroß zum Bronnen

Treibt mitten durch die Wirbel der Sahare!

Ihr könnt nicht fehlen, er, so mild umlichtet,

Der Führer ward in euch nicht hingerichtet.

 

Treu schützte ihn der Länder fromme Sitte,

Die euch umgeben wie mit Heil'genscheine,

Sie hielt euch fern die freche Liebesbitte,[19]

Und legte Anathem auf das Gemeine.

Euch nahte die Natur mit reinem Schritte,

Kein trunkner Schwelger über Stock und Steine,

Ihr mögt ihr willig jedes Opfer spenden,

Denn alles nimmt sie, doch aus reinen Händen.

 

Die Zeit hat jede Schranke aufgeschlossen,

An allen Wegen hauchen Naphthablüten,

Ein reizend scharfer Duft hat sich ergossen,

Und jeder mag die eignen Sinne hüten.

Das Leben stürmt auf abgehetzten Rossen,

Die noch zusammenbrechend haun und wüten.

Ich will den Griffel eurer Hand nicht rauben,

Singt, aber zitternd, wie vom Weih' die Tauben.

 

Ja, treibt der Geist euch, laßt Standarten ragen!

Ihr war't die Zeugen wild bewegter Zeiten,

Was ihr erlebt, das läßt sich nicht erschlagen,

Feldbind' und Helmzier mag ein Weib bereiten;

Doch seht euch vor wie hoch die Schwingen tragen,

Stellt nicht das Ziel in ungemeßne Weiten,

Der kecke Falk ist überall zu finden,

Doch einsam steigt der Aar aus Alpengründen.

 

Vor allem aber pflegt das anvertraute,

Das heil'ge Gut, gelegt in eure Hände,

Weckt der Natur geheimnisreichste Laute,

Kniet vor des Blutes gnadenvoller Spende;

Des Tempels pflegt, den Menschenhand nicht baute,

Und schmückt mit Sprüchen die entweihten Wände,

Daß dort, aus dieser Wirren Staub und Mühen,

Die Gattin mag, das Kind, die Mutter knieen.

 

Ihr hörtet sie die unterdrückten Klagen

Der heiligen Natur, geprägt zur Dirne.

Wer hat sie nicht gehört in diesen Tagen,

Wo nur ein Gott, der Gott im eignen Hirne?[20]

Frischauf! – und will den Lorbeer man versagen,

O Glückliche mit unbekränzter Stirne!

O arm Gefühl, das sich nicht selbst kann lohnen!

Mehr ist ein Segen als zehntausend Kronen![21]

 

Die Gaben

Nie fand, so oft auch scherzend ward gefragt,

Ich einen Mann, vom Grafen bis zum Schneider,

Der so bescheiden oder so betagt,

So hülflos, keinen so Gescheiten leider,

 

Der nicht gemeint, des Herrschertumes Bürde

Sei seinen Schultern grad das rechte Maß.

War einer zweifelnd je an seiner Würde,

So schätzt' er seine Kräfte desto baß,

 

Der hoffte auf der Rede Zauberbann;

Schlau aus dem Winkel wollte jener zielen,

Kurz, daß er wisse wie und auch den Mann,

Ließ jeder deutlich durch die Blume spielen.

 

Ihr Toren! glaubt ihr denn daß Gott im Zorne

Die Großen schuf, ungleich der Menschenschar,

Pecus inane, das sein Haupt zum Borne

Hinstreckt wie weiland Nebukadnezar?

 

Daß, weil zuweilen unter Zotten schlägt

Ein Herz wo große Elemente schlafen,

Deshalb wer eine feine Wolle trägt

Unfehlbar zählt zu den Merinoschafen?

 

Daß langes Schauen zweifellos erblinde,

Und wer den Fäden rastlos nachgespürt,

Daß dieser, gleich dem überreizten Kinde,

So dümmer wird je länger er studiert?[21]

 

Wer zweifelt, daß ein Herz wie's Throne schmückt

Gar oft am Acker frönt und Forstgehege,

Daß manche Scheitel sich zur Furche bückt,

Hochwert daß eine Krone drauf man lege?

 

Doch ihr des Lebens abgehetzte Alten,

Ihr innerliche Greise, seid es nicht.

Bewahr' der Himmel uns vor eurem Walten,

Vor dem im Sumpfe angebrannten Licht!

 

Ihr würdet mahnen an des Fröners Sohn,

Der, woll' ihm Gott ein Königreich verschreiben,

Fürs Leben wüßte keinen bessern Lohn,

Als seine Schweine dann zu Roß zu treiben. –[22]

 

Vor vierzig Jahren

Da gab es doch ein Sehnen,

Ein Hoffen und ein Glühn,

Als noch der Mond »durch Tränen

In Fliederlauben« schien,

Als man dem »milden Sterne«

Gesellte was da lieb,

Und »Lieder in die Ferne«

Auf sieben Meilen schrieb!

 

Ob dürftig das Erkennen,

Der Dichtung Flamme schwach,

Nur tief und tiefer brennen

Verdeckte Gluten nach.

Da lachte nicht der leere,

Der übersatte Spott,

Man baute die Altäre

Dem unbekannten Gott.

 

Und drüber man den Brodem

Des liebsten Weihrauchs trug,[22]

Lebend'gen Herzens Odem,

Das frisch und kräftig schlug,

Das schamhaft, wie im Tode,

In Traumes Wundersarg

Noch der Begeistrung Ode

Der Lieb' Ekloge barg.

 

Wir höhnen oft und lachen

Der kaum vergangnen Zeit,

Und in der Wüste machen

Wie Strauße wir uns breit.

Ist Wissen denn Besitzen?

Ist denn Genießen Glück?

Auch Eises Gletscher blitzen

Und Basiliskenblick.

 

Ihr Greise, die gesunken

Wie Kinder in die Gruft,

Im letzten Hauche trunken

Von Lieb' und Ätherduft,

Ihr habt am Lebensbaume

Die reinste Frucht gepflegt,

In karger Spannen Raume

Ein Eden euch gehegt.

 

Nun aber sind die Zeiten,

Die überwerten, da,

Wo offen alle Weiten,

Und jede Ferne nah.

Wir wühlen in den Schätzen,

Wir schmettern in den Kampf,

Windsbräuten gleich versetzen

Uns Geistesflug und Dampf.

 

Mit unsres Spottes Gerten

Zerhaun wir was nicht Stahl,

Und wie Morganas Gärten[23]

Zerrinnt das Ideal;

Was wir daheim gelassen

Das wird uns arm und klein,

Was Fremdes wir erfassen

Wird in der Hand zu Stein.

 

Es wogt von End' zu Ende,

Es grüßt im Fluge her,

Wir reichen unsre Hände,

– Sie bleiben kalt und leer. –

Nichts liebend, achtend wen'ge

Wird Herz und Wange bleich,

Und bettelhafte Kön'ge

Stehn wir im Steppenreich.[24]

 

An die Weltverbesserer

Pochest du an – poch nicht zu laut,

Eh du geprüft des Nachhalls Dauer.

Drückst du die Hand – drück nicht zu traut,

Eh du gefragt des Herzens Schauer.

Wirfst du den Stein – bedenke wohl,

Wie weit ihn deine Hand wird treiben.

Oft schreckt ein Echo, dumpf und hohl,

Reicht goldne Hand dir den Obol,

Oft trifft ein Wurf des Nachbars Scheiben.

 

Höhlen gibt es am Meeresstrand,

Gewalt'ge Stalaktitendome,

Wo bläulich zuckt der Fackeln Brand,

Und Kähne gleiten wie Phantome.

Das Ruder schläft, der Schiffer legt

Die Hand dir angstvoll auf die Lippe,

Ein Räuspern nur, ein Fuß geregt,

Und donnernd überm Haupte schlägt

Zusammen dir die Riesenklippe.[24]

 

Und Hände gibts im Orient,

Wie Schwäne weiß, mit blauen Malen,

In denen zwiefach Feuer brennt,

Als gelt' es Liebesglut zu zahlen;

Ein leichter Tau hat sie genäßt,

Ein leises Zittern sie umflogen,

Sie fassen krampfhaft, drücken fest –

Hinweg, hinweg! du hast die Pest

In deine Poren eingesogen!

 

Auch hat ein Dämon einst gesandt

Den gift'gen Pfeil zum Himmelsbogen;

Dort rührt' ihn eines Gottes Hand,

Nun starrt er in den Ätherwogen.

Und läßt der Zauber nach, dann wird

Er niederprallen mit Geschmetter,

Daß das Gebirg' in Scherben klirrt,

Und durch der Erde Adern irrt

Fortan das Gift der Höllengötter.

 

Drum poche sacht, du weißt es nicht

Was dir mag überm Haupte schwanken;

Drum drücke sacht, der Augen Licht

Wohl siehst du, doch nicht der Gedanken.

Wirf nicht den Stein zu jener Höh'

Wo dir gestaltlos Form und Wege,

Und schnelltest du ihn einmal je,

So fall auf deine Knie und fleh,

Daß ihn ein Gott berühren möge.[25]

 

Alte und neue Kinderzucht
1.

In seiner Buchenhalle saß ein Greis auf grüner Bank,

Vor ihm, in grünlichem Pokal, der Rebe Feuertrank;

Zur Seite seiner Jugend Sproß, sich lehnend an den Zweigen,

Ein ernster Vierziger, vernahm des Alten Wort in Schweigen.[25]

 

»Sohn«, sprach der Patriarch, es klang die Stimme schier bewegt:

»Das Kissen für mein Sterbebett du hast es weich gelegt;

Ich weiß es, eine Träne wird das Leichentuch mir netzen,

In meinen Sessel wird dereinst ein Ehrenmann sich setzen.

 

Zu Gottes Ehr' und deiner Pflicht, und nach der Vordern Art,

Zog ich in aller Treue dich, als schon dein Kinn behaart.

Nicht will die neue Weise mir zum alten Haupte gehen,

Ein Sohn hat seinen Herrn, so lang zwei Augen offen stehen.

 

Mein Vater, – tröst' ihn Gott, er fiel in einem guten Strauß! –

War Diener seinem Fürsten und ein König seinem Haus,

Sein treues Auge wußte wohl der Kinder Heil zu wahren,

Den letzten Schlag von seiner Hand fühlt' ich mit zwanzig Jahren.

 

So macht' er mich zum Mann, wie du, mein Sohn, zum frohen Greis,

Zum Mann der tragen kann und sich im Glück zu fassen weiß,

Wie mag, wer seiner Launen Knecht, ein Herrenamt bezwingen?

Wer seiner Knospe Kraft verpraßt, wie möcht' er Früchte bringen?

 

Nur von der Pike dient sich's recht zum braven General.

Gesegnet sei die Hand die mir erspart der Torheit Wahl!

Mit tausend Tränen hab' ich sie in unsre Gruft getragen,

Denn eines Vaters heil'ge Hand hat nie zu hart geschlagen.

 

Mein Haar ist grau, mein blödes Aug' hat deinen Sproß gesehn,

Bald füllst du meinen Sitz, und er wird horchend vor dir stehn.

Gedenk der Rechenschaft, mein Sohn, lehr deinen Blick ihn lesen,

Gehorsam sei er dir, wie du gehorsam mir gewesen!«

 

So sprach der Patriarch, und schritt entlang die Buchenhall',

Ehrfürchtig folgte ihm der Sohn, wie Fürsten der Vasall,

Und seinen Knaben winkt' er sacht herbei vom Blütenhagen,

Ließ küssen ihn des Alten Hand, und seinen Stab ihn tragen.[26]

 
2.

An blühender Akazie lehnt ein blonder bleicher Mann,

Sehr mangelt ihm der Sitz, allein die Kinder spielen dran,

So schreibt er stehend, immer Ball und Peitschenhieb gewärt'gend,

Schnellfingrig für die Druckerei den Lückenbüßer fert'gend.

 

»In Osten steigt das junge Licht, es rauscht im Eichenhain,

Schon schlang der alte Erebus die alten Schatten ein,

Des Geistes Siegel sind gelöst, der Äther aufgeschlossen,

Und aus vermorschter Dogmen Staub lebend'ge Zedern sprossen.

 

O Geistesfessel, härter du als jemals ein Tyrann,

Geschlagen um des Sklaven Leib, du tausendjähr'ger Bann!

Geheim doch sicher hat der Rost genagt an deinem Ringe,

Nun wackelt er und fürchtet sich vor jedes Knaben Klinge!

 

Hin ist die Zeit wo ein Gespenst im Büßermantel schlich,

In seinen Bettelsack des Deutschen Gold und Ehre strich,

Wo Greise, Schulmonarchen gleich, die stumpfe Geißel schwenkten,

Des Sonnenrosses Zaum dem Grab verfallne Hände lenkten.

 

Nicht wird im zarten Kinde mehr des Mannes Keim erstickt,

Frei schießt die Eichenlode, unbeengt und ungeknickt;

Was mehr als Wissen, wirkender als Gaben, die zerstückelt –

Des kräft'gen Wollens Einheit wird im jungen Mark entwickelt.

 

Wir wuchsen unter Peitschenhieb an der Galeere auf,

Und dennoch riß das Dokument vom schnöden Seelenkauf

Durch deutsche Hand, durch unsre Hand, die, nach Ägyptens Plagen,

Noch immer stark genug den Brand ans Bagnotor zu tragen!

 

Doch ihr, die ihr den ganzen Saft der Muttererde trinkt,

An deren Zweig das erste Blatt schon wie Smaragde blinkt,

Ihr!« – unser Dichter stutzt – er hört an den Holundersträuchen

Sein Erstlingsreis, den Göttinger, wie eine Walze keuchen.[27]

 

Und auf der Bank – sein Manuskript – o Pest! sein Dichterkranz –

Dort fliegt er, droben in der Luft, als langer Drachenschwanz!

Und – was? ein Guß? – bei Gott, da hängt der Bub, die wilde Katze,

Am Ast, und leert den Wasserkrug auf seines Vaters Glatze![28]

 

Die Schulen

Kennst du den Saal? ich schleiche sacht vorbei,

»Der alte Teufel tot, die Götter neu« –

Und was man Großes sonst darin mag hören.

Wie üppig wogend drängt der Jugend Schwarm!

Wie reich und glänzend! – aber ich bin arm,

Da will ich lieber eure Lust nicht stören.

 

Dann das Gewölb' – mir wird darin nicht wohl,

Wo man der Gruft den modernden Obol

Entschaufelt, und sich drüber legt zum Streite;

Ergraute Häupter nicken rings herum,

Wie weis' und gründlich! – aber ich bin dumm,

Da schleich' ich lieber ungesehn bei Seite.

 

Doch die Katheder im Gebirge nah,

Der Meister unsichtbar, doch laut Hurra

Ihm Wälder, Strom und Sturmesflügel rauschen,

Matrikel ist des Herzens frischer Schlag,

Da will zeitlebens ich, bei Nacht und Tag,

Demüt'ger Schüler, seinen Worten lauschen.[28]

 

Heidebilder

Die Lerche

Hörst du der Nacht gespornten Wächter nicht?

Sein Schrei verzittert mit dem Dämmerlicht,

Und schlummertrunken hebt aus Purpurdecken

Ihr Haupt die Sonne; in das Ätherbecken

Taucht sie die Stirn, man sieht es nicht genau,

Ob Licht sie zünde, oder trink' im Blau.

Glührote Pfeile zucken auf und nieder,

Und wecken Taues Blitze, wenn im Flug

Sie streifen durch der Heide braunen Zug.

Da schüttelt auch die Lerche ihr Gefieder,

Des Tages Herold seine Liverei;

Ihr Köpfchen streckt sie aus dem Ginster scheu,

Blinzt nun mit diesem, nun mit jenem Aug';

Dann leise schwankt, es spaltet sich der Strauch,

Und wirbelnd des Mandates erste Note

Schießt in das feuchte Blau des Tages Bote.

 

»Auf! auf! die junge Fürstin ist erwacht!

Schlaftrunkne Kämmrer, habt des Amtes acht;

Du mit dem Saphirbecken Genziane,

Zwergweide du mit deiner Seidenfahne,

Das Amt, das Amt, ihr Blumen allzumal,

Die Fürstin wacht, bald tritt sie in den Saal!«

 

Da regen tausend Wimper sich zugleich,

Maßliebchen hält das klare Auge offen,

Die Wasserlilie sieht ein wenig bleich,

Erschrocken, daß im Bade sie betroffen;

Wie steht der Zitterhalm verschämt und zage!

Die kleine Weide pudert sich geschwind[29]

Und reicht dem West ihr Seidentüchlein lind,

Daß zu der Hoheit Händen er es trage.

Ehrfürchtig beut den tauigen Pokal

Das Genzian, und nieder langt der Strahl;

Prinz von Geblüte hat die erste Stätte

Er immer dienend an der Fürstin Bette.

 

Der Purpur lischt gemach im Rosenlicht,

Am Horizont ein zuckend Leuchten bricht

Des Vorhangs Falten, und aufs neue singt

Die Lerche, daß es durch den Äther klingt:

 

»Die Fürstin kömmt, die Fürstin steht am Tor!

Frischauf ihr Musikanten in den Hallen,

Laßt euer zartes Saitenspiel erschallen,

Und, florbeflügelt Volk, heb an den Chor,

Die Fürstin kömmt, die Fürstin steht am Tor!«

 

Da krimmelt, wimmelt es im Heidgezweige,

Die Grille dreht geschwind das Beinchen um,

Streicht an des Taues Kolophonium,

Und spielt so schäferlich die Liebesgeige.

Ein tüchtiger Hornist, der Käfer, schnurrt,

Die Mücke schleift behend die Silberschwingen,

Daß heller der Triangel möge klingen;

Diskant und auch Tenor die Fliege surrt;

Und, immer mehrend ihren werten Gurt,

Die reiche Katze um des Leibes Mitten,

Ist als Bassist die Biene eingeschritten:

Schwerfällig hockend in der Blüte rummeln

Das Kontraviolon die trägen Hummeln.

So tausendarmig ward noch nie gebaut

Des Münsters Halle, wie im Heidekraut

Gewölbe an Gewölben sich erschließen,

Gleich Labyrinthen in einander schießen;