Oscar Wilde: Salome

 

 

Oscar Wilde

Salome

Drama in einem Aufzuge

 

 

 

Oscar Wilde: Salome. Drama in einem Aufzuge

 

Übersetzt von Hedwig Lachmann

 

Vollständige Neuausgabe.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Gustave Moreau: Salomé, 1871

 

ISBN 978-3-8430-5581-9

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-9610-2 (Broschiert)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Komponiert von Richard Strauss. Uraufführung am 09.12.1905, Königlich-Sächsisches Opernhaus (Semperoper), Dresden. Nach Oskar Wildes gleichnamiger Dichtung.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Richard Strauss: Salome. Drama in einem Aufzuge, nach Oskar Wilde’s gleichnamiger Dichtung, dt. v. Hedwig Lachmann, Berlin: Adolph Fürstner, 1905.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

 

Herodes (Tenor)

 

Herodias (Mezzosopran)

 

Salome (Sopran)

 

Jochanaan (Bariton)

 

Narraboth (Tenor)

 

Ein Page der Herodias (Alt)

 

Fünf Juden (4 Tenöre, 1 Baß)

 

Zwei Nazarener (Tenor, Baß)

 

Zwei Soldaten

Ein Cappadocier, Bässe

 

Ein Sklave[3]

 

Eine große Terrasse im Palast des Herodes, die an den Bankettsaal stößt. Einige Soldaten lehnen sich über die Brüstung. Rechts eine mächtige Treppe, links im Hintergrund eine alte Cisterne mit einer Einfassung aus grüner Bronze. Der Mond scheint sehr hell.[4]

 

Erste Szene.

NARRABOTH. Wie schön ist die Prinzessin Salome heute nacht!

PAGE. Sieh die Mondscheibe, wie sie seltsam aussieht. Wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab.

NARRABOTH. Sie ist sehr seltsam. Wie eine kleine Prinzessin, deren Füße weiße Tauben sind. Man könnte meinen, sie tanzt.

PAGE. Wie eine Frau, die tot ist. Sie gleitet langsam dahin.

 

Lärm im Bankettsaal.

 

ERSTER SOLDAT. Was für ein Aufruhr! Was sind das für wilde Tiere, die da heulen?[5]

ZWEITER SOLDAT. Die Juden. Trocken. Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion.

ERSTER SOLDAT. Ich finde es lächerlich, über solche Dinge zu streiten.

NARRABOTH warm. Wie schön ist die Prinzessin Salome heute abend!

PAGE unruhig. Du siehst sie immer an. Du siehst sie zuviel an. Es ist gefährlich, Menschen auf diese Art anzusehn. Schreckliches kann geschehn.

NARRABOTH. Sie ist sehr schön heute abend.

ERSTER SOLDAT. Der Tetrarch sieht finster drein.

ZWEITER SOLDAT. Ja, er sieht finster drein.

ERSTER SOLDAT. Auf wen blickt er?

ZWEITER SOLDAT. Ich weiß nicht.[6]

NARRABOTH. Wie blaß die Prinzessin ist. Niemals habe ich sie so blaß gesehn. Sie ist wie der Schatten einer weißen Rose in einem silbernen Spiegel.

PAGE sehr unruhig. Du mußt sie nicht ansehn. Du siehst sie zuviel an. Schreckliches kann geschehn.

DIE STIMME DES JOCHANAAN aus der Cisterne. Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm zu lösen den Riemen an seinen Schuh'n. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätten frohlocken. Wenn er kommt, werden die Augen der Blinden den Tag sehn. Wenn er kommt, die Ohren der Tauben geöffnet.

ZWEITER SOLDAT. Heiß' ihn schweigen! Er sagt immer lächerliche Dinge.

ERSTER SOLDAT. Er ist ein heil'ger Mann. Er ist sehr sanft. Jeden Tag, den ich ihm zu essen gebe, dankt er mir.

EIN CAPPADOCIER. Wer ist es?

ERSTER SOLDAT. Ein Prophet.[7]

EIN CAPPADOCIER. Wie ist sein Name?

ERSTER SOLDAT. Jochanaan.

EIN CAPPADOCIER. Woher kommt er?

ERSTER SOLDAT. Aus der Wüste. Eine Schar von Jüngern war dort immer um ihn.

EIN CAPPADOCIER. Wovon redet er?

ERSTER SOLDAT. Unmöglich ist's, zu verstehn, was er sagt.