mit Dominik Hechler
WHAT IT TAKES
Talent, Training, Mindset. Wie ich es geschafft habe, in der NFL erfolgreich zu sein
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Originalausgabe
2. Auflage 2021
© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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Redaktion: Stephanie Kaiser-Dauer
Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt
Umschlagabbildung: Autumn Beury
Satz: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-7423-1939-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1671-1
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1672-8
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Vorwort von Julian Edelman
TEIL I
PHYSIS
Körperliche Fitness – »Hard work beats talent when talent does not work hard«
Muskulatur – »There is no magic pill you can take«
Training – »There are no off-days«
Ernährung – »You can’t outwork a bad diet«
Die eigenen Stärken kennen – »Do your job!«
TEIL II
PSYCHE
Drucksituationen – »The wolf climbing the mountain is always hungrier than the wolf on top«
Selbstzweifel und Ängste – »No doubts and fears« im Profisport
Umfeld – meine Frau Lindsey als »inner circle«
Reha – »Availability is more important than ability«
Siege und Niederlagen – »Hard work pays off«
TEIL III
GLÜCK
Was ist Glück oder: »If you don’t like your life, go and change it«
(ehemaliger Wide Receiver und Teamkollege von Sebastian Vollmer bei den New England Patriots und dreifacher Super-Bowl-Sieger)
Die NFL ist ein hartes Geschäft. Wenn du als Spieler in dieser Liga erfolgreich sein willst, brauchst du die richtige Einstellung, den unbedingten Willen und vor allem das entsprechende Mindset. Du musst dem Sport alles unterordnen und bereit sein, jeden Tag aufs Neue intensiv an dir zu arbeiten. Nur dann wirst du auf dem Rasen auch bestehen können. Sebastian hat all das verinnerlicht und während seiner Karriere gelebt. Als sein ehemaliger Teamkollege bei den New England Patriots kann ich das mit Sicherheit sagen. Allerdings hatten wir auch das Glück, bei einer Franchise zu spielen, die innerhalb der NFL mit ihren sechs Super-Bowl-Erfolgen in den Jahren 2000 bis 2020 eine Dynastie geprägt hat. Head Coach Bill Belichick und seine Staff haben uns jeden Tag sowohl physisch als auch psychisch gefordert, aber wir haben diese Methoden alle geliebt, weil wir dadurch besser und erfolgreicher wurden. Gewinnen macht eben Spaß.
Der Weg dorthin ist aber nicht immer einfach, kann hier und da sogar sehr steinig sein. Im Leistungssport ist die mentale Stärke deswegen genauso wichtig wie die physische. Es geht darum, sich nie entmutigen und niemals Selbstzweifel aufkommen zu lassen. Der Glaube an dich selbst und die eigene Stärke muss immer da sein. Vor allem dann, wenn es sportlich vielleicht zeitweise mal nicht so rundläuft. Durch diese Täler muss man sich durchkämpfen.
Als Spieler solltest du dich an deinen bereits erlernten Fähigkeiten orientieren, aber nicht darauf ausruhen, sondern unbedingt danach streben, sie weiter zu verbessern und alles Weitere darauf aufzubauen. Der unbedingte Wille, noch besser und noch stärker zu werden, muss jederzeit vorhanden sein. Außerdem solltest du dein privates Leben strikt von dem als Footballer trennen. Denn auf dem Rasen ist mental kein Platz für irgendetwas anderes als American Football. Es ist wichtig, diesbezüglich eine klare Grenze zu ziehen und dich auf dem Spielfeld auf das zu fokussieren, was du kontrollieren kannst.
Dabei geht es dann vor allem um deine antrainierten Grundlagen. Denn wenn du auf dem Rasen unter Druck stehst und somit einer Stresssituation ausgesetzt bist, wirst du dich unterbewusst auf das besinnen, was du am meisten und besten trainiert hast. Aus meiner Sicht – und das hat Sebastian in seiner Karriere perfekt umgesetzt – muss dein NFL-Mindset unerbittlich sein. Hindernisse und sportliche Rückschläge müssen wie Herausforderungen betrachtet werden, die es zu meistern gilt. Aufgeben ist dabei keine Option.
Dafür solltest du eine eigene Routine finden, die für dich persönlich funktioniert, und dann auch dabei bleiben und täglich im Training danach leben. In meinen Augen sollte man auch nicht zwingend immer nur härter, sondern vor allem intelligenter trainieren. Denn du entwickelst dich nur dann weiter, wenn du auch für dich selbst herausfindest, woran du wirklich noch arbeiten und was du verbessern solltest. Es bringt also nichts, einfach nur ohne Sinn und Verstand jeden Tag hart an dir zu arbeiten. Du musst wissen, warum und vor allem wofür du das alles überhaupt machst.
Sebastian und ich wissen aus unserer gemeinsamen Zeit bei den Patriots nur zu gut, dass du Opfer bringen musst, wenn du es ganz nach oben schaffen willst. Du bekommst nichts geschenkt, hinter allen Erfolgen steckt sehr viel harte Arbeit. Denn letztlich werden die Trainingsinhalte in den Spielen irgendwann zur Realität, und dann willst du so gut wie nur irgendwie möglich vorbereitet sein.
Sebastian hat all diese Punkte wie kaum ein anderer in unserem Team verkörpert. Wir haben uns von unserem Mindset sehr geähnelt und wussten somit, was auf dem Rasen – egal ob im Training oder aber im Spiel – zu tun war, um erfolgreich zu sein und noch besser zu werden.
Sebastian, es war mir eine große Freude mit dir zusammenspielen zu dürfen.
Julian Edelman
Eine Woche lang habe ich auf diesen Moment hingefiebert. Jetzt sitze ich in Pads, meinem Helm auf dem Kopf und somit in voller American-Football-Montur im Locker Room der New England Patriots im Stadion von Foxborough und schaue ungeduldig auf die Uhr. Es ist Sonntag, 18. Oktober 2009, und ich bin kurz davor, mein erstes NFL-Spiel als Starter für die Patriots zu absolvieren. Doch die Zeit bis zum Kick-off will einfach nicht enden. Immer wieder starre ich auf den Sekundenzeiger, will endlich raus aufs Spielfeld. Ich verspüre eine extreme Vorfreude auf mein erstes Spiel in der NFL in der Startformation, weiß als Offensive Tackle aber auch, welch enorme Verantwortung ich im Spiel auf meiner Position trage. Denn wenn ich meinen Job nicht richtig gut mache, funktioniert die Offense nicht und unser Quarterback Tom Brady muss womöglich einen harten Sack einstecken. Das heißt, dass er von einem gegnerischen Defensivspieler noch mit dem Ball in der Hand hinter der Line Of Scrimmage zu Boden gerissen wird, was wiederum Raumverlust für unser Team bedeuten würde. Das will ich natürlich mit aller Macht verhindern.
Der eigentliche und somit gesetzte Left Tackle Matt Light hatte sich in der Woche zuvor in der Partie bei den Denver Broncos so stark verletzt, dass er erst einmal ausfiel. Also musste jetzt ich, ein NFL-Rookie – also ein Neuling –, im Spiel gegen die Tennessee Titans ran und mein Können auf dem Rasen unter Beweis stellen. Ein Moment, auf den ich im College in Houston, Texas, und all die Monate zuvor in der Offseason, also der Zeit der Spielpause zwischen zwei Saisons, in Foxborough jahrelang hingearbeitet hatte. Jetzt zählte es also. Ich spürte den Druck bereits während der Woche, immer wieder kamen Teamkollegen und Coaches zu mir und machten mir Mut, dass ich das gegen die Titans »schon irgendwie schaffen würde«. Dabei wäre diese Aufmunterung gar nicht nötig gewesen. Denn den größten Druck machte ich mir selbst – doch ich war auch überzeugt von meiner Leistungsfähigkeit. Auch der Quarterback Brady war jemand, der sich keine Sorgen über meinen Einsatz machte. Wir hatten in dieser Woche vor meinem ersten Spiel öfter in der Cafeteria zusammengesessen, einen Espresso getrunken und ganz normal über die kommende Partie gesprochen und darüber, was es dabei taktisch zu beachten gab. Mein direkter Gegenspieler sollte Kyle Vanden Bosch sein, ein mehrfacher Pro Bowler auf der Position des Defensive End. Aber auch das bereitete mir keine Sorgen. Ich war vorbereitet und topmotiviert.
Allerdings musste ich mein Starter-Debüt unter erschwerten Bedingungen geben. Denn über den Spieltag hinweg hatte sich vor allem über dem Patriots-Stadion ein unglaublicher Schneesturm zusammengezogen, der dann in kürzester Zeit für 10 bis 15 Zentimeter Neuschnee gesorgt hatte. Natürlich versuchten fleißige Helfer, unseren Kunstrasen im Stadion mit Schaufeln vom Schnee zu befreien, aber es schneite immer weiter und so stark, dass sie mit dem Schippen trotz aller Bemühungen nicht hinterherkamen. Also ging ich schon vor der Partie einige Male aufs Spielfeld und testete, mit welchem Schuhwerk ich starten sollte. Da wir wirklich im Schnee standen, entschied ich mich letztlich für hohe Schuhe mit langen Stollen. Die sollten mir beim Kampf Mann gegen Mann den entsprechenden Halt geben. Außerdem wurde rund eineinhalb Stunden vor dem Kick-off nochmals ein Meeting mit dem gesamten Team einberufen, in dem wir aufgrund der Witterungsbedingungen unseren Game-Plan anpassten – wegen des Schnees möglichst keine langen Pässe, viel Laufspiel, und unsere Defense sollte den gegnerischen Quarterback durch ihre Verteilung an der Seitenlinie möglichst zu Pässen nach außen zwingen, weil die Bälle an der Seitenlinie im Schnee schwerer zu fangen sind. Wir hatten bei den Patriots ein sogenanntes »Schlecht-Wetter-Paket«, wenn es stark schneite, regnete oder stürmte. Wenn der Rasen aufgrund der Nässe sehr rutschig und matschig war, sprachen wir im Locker Room auch vom »Offensive-Lineman-Weather«. Solche Bedingungen waren für diese Positionen eher von Vorteil – und von Nachteil für die gegnerische Defensive Line. Dann konnten sie nicht mehr so flink sein, sondern mussten quasi gezwungenermaßen versuchen, mit Kraft und Wucht durch den Offensive Lineman »durchzulaufen«. Da diese Kraft und enorme Wucht jedoch meine persönliche Stärke war, kam mir das natürlich sehr entgegen. Außerdem wächst man mit seinen Aufgaben.
So war es dann auch gegen Vanden Bosch. Ich merkte bereits nach fünf, sechs Spielzügen, dass sowohl ich als auch das Team einen guten Tag erwischt hatten. Ich ließ ihn nicht an mir vorbei, gab bei meinem Debüt keinen Sack ab. Das gesamte Team machte ein sensationelles Spiel und wir schickten die Titans in diesem sogenannten »Throwback Game«, bei dem wir einmalig als Boston Patriots und unser Gegner als Tennessee Oilers antraten, mit 59:0 wieder nach Hause. Wir brachen damit zwei NFL- und neun teaminterne Rekorde, Brady warf dabei in nur einem Viertel so viele Touchdowns wie noch kein Quarterback in der NFL zuvor. Es lief alles wie geschmiert. Und das trotz oder vielleicht sogar wegen des schlechten Wetters. Auch meine persönliche Leistung wurde nach der Partie von den Medien sehr positiv bewertet, ich wurde nach nur diesem einen Spiel in der Öffentlichkeit fast schon ein Stück weit »gehypt«. Wie sehr auch die Patriots selbst von mir und meiner Leistung als Rookie gegen die Titans beeindruckt waren, erfuhr ich letztlich erst rund fünf Monate später. Denn da bekamen wir nach dem Ende der Saison alle eine Trainingsmappe für die Offseason in die Hand gedrückt, die in diverse Schwerpunkte wie »Schnelligkeit«, »Kraft« und »Ausdauer« unterteilt war, und auf jedem Deckblatt zu den einzelnen Punkten war stellvertretend ein Spieler aus dem Patriots-Roster abgebildet. Bei »Strength«, also Kraft, war ein Bild von mir zu sehen, wie ich in meinem ersten Spiel als Starter gegen Tennessee meinen Gegenspieler mit voller Wucht zu Boden warf. Das machte mich natürlich sehr stolz und zeigte mir, dass die Patriots wohl auch in Zukunft auf mich setzen würden und sich harte Arbeit definitiv auszahlt.
In der Tat war dieses Titans-Spiel damals wie eine Initialzündung für mich. Ich konnte mein Niveau auch in den Wochen danach halten, zeigte gegen Superstars wie Dwight Freeney oder Jason Taylor absolute Topleistungen, konnte mich also gegen diese erfahrenen Defensive Ends als Rookie behaupten und spielte mich mit diesen Leistungen bei Head Coach Bill Belichick immer mehr in die Stammmannschaft der Patriots. Selbst als Matt Light in dieser Spielzeit wieder fit wurde, musste ich meinen Platz als Starter nicht räumen. Belichick entschied sich stattdessen dafür, den bis dahin gesetzten Right Tackle Nick Kaczur auf die Bank zu setzen und mich dafür in der Offensive Line zu behalten. Ab diesem Zeitpunkt musste ich meine Position auch nicht mehr räumen, es war der Startschuss für eine achtjährige sehr erfolgreiche NFL-Karriere, während der ich unter anderem schon nach meiner zweiten Saison im Jahr 2010 ins »All-Pro-Team« gewählt wurde und den »Madden Most Valuable Protectors Award« verliehen bekam. Außerdem wurde ich, der im NFL Draft 2009 eigentlich erst in der zweiten Runde und insgesamt an 58. Stelle gepickt wurde, in einem Re-Draft des Jahres 2013 von Experten des US-amerikanischen Sportsenders ESPN in die Top Ten und somit in der ersten Runde auf Position acht gewählt – der Lohn für meine vierjährige Rookie-Zeit, in der ich konstant gute Leistungen gezeigt hatte. Der Höhepunkt meiner NFL-Karriere und die wohl größte Belohnung für all die harte Arbeit und Schinderei im Kraftraum und auf dem Rasen waren aber natürlich die beiden Super-Bowl-Erfolge in den Jahren 2015 und 2017. Doch um dort hinzukommen, braucht es ein ganz spezielles Mindset, ein gesundes Selbstbewusstsein, den Glauben an sich selbst und seine eigene Stärke sowie die absolute Bereitschaft, immer wieder neue Hindernisse zu überwinden. Das ist definitiv nicht immer einfach, ich musste all das erst lernen. Zumal meine Karriere schon hätte vorbei sein können, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte.
Ich brach mir nämlich als 17-Jähriger in meinem erst zweiten Jahr als American-Football-Spieler bei den Düsseldorfer Panthern das Bein, sodass ich monatelang nur auf Krücken unterwegs sein durfte und durchaus kurzzeitig Sorgen hatte, überhaupt wieder auf den Rasen zurückkehren zu können. Die Verletzung war das Resultat einer insgesamt unglücklichen Situation, in der mir ein Gegenspieler ins Bein fiel und ich es nur noch knacken hörte. Als ich in der Klinik ankam, wurde ich geröntgt und die Ärzte entschieden, dass ich operiert werden musste. Der Bruch war so kompliziert, dass sie gezwungen waren, mir unter anderem einen Nagel zur Stabilisation des Knochens in mein Bein einzusetzen. Natürlich waren das keine guten Nachrichten, aber ich wollte mich nicht entmutigen lassen. Es konnte ja nicht sein, dass ich endlich meine Leidenschaft gefunden hatte und mich nun diese erste ernsthafte Verletzung schon wieder stoppen würde.
Die Operation verlief sehr positiv, aber ich hatte nun einen Gips, der mich eine gewisse Zeit außer Gefecht setzen sollte. Das frustrierte mich, denn ich wollte so schnell wie möglich wieder zurück auf den Rasen und meinen Teamkollegen bei den Panthern helfen. Als mich mein damaliger Coach Steffen Breuer im Krankenhaus besuchte, sagte ich ihm auch, dass er noch in dieser Saison mit mir rechnen könne. Natürlich klappte das nicht. Dennoch war ich auf Krücken bei jedem Training und bei jedem Spiel dabei – wenn auch nur als Zuschauer auf der Tribüne. Aber ich wollte einfach bei meiner Mannschaft sein. Dennoch nervte es mich gewaltig, dass ich nicht auch auf dem Rasen stehen konnte. Meine Eltern machten mir dann eines Abends klar, dass der Weg im Leben nicht immer nur geradeaus führt, sondern auch Abzweigungen hat. Damit haben Sie mir erklärt, wie man mit Rückschlägen umgeht. Das hat mir enorm geholfen. Ich habe mich daraufhin in der Reha extrem angestrengt. Ich wollte so schnell wie möglich wieder American Football spielen. Ich hatte also ein klares Ziel vor Augen. Aufgeben war für mich nie eine Alternative. Und so habe ich mich damals schnell durch die Reha und somit zurück zu den Düsseldorfer Panthern auf den Rasen gekämpft.
Mein Körper hat mir in meinem Leben danach noch sehr viel ermöglicht – nicht zuletzt eine achtjährige Karriere in der NFL mit den beiden Super-Bowl-Erfolgen. Ohne meine Einstellung und meinen »gewaltbereiten« und äußerst schmerztoleranten Körper wäre das kaum möglich gewesen. Dessen bin ich mir bewusst. Denn ohne den entsprechenden Körperbau und die notwendige Muskulatur kann es im American Football und speziell in der NFL nicht funktionieren. Natürlich kann nicht jeder 140 Kilogramm wiegen, aber alleine zum Eigenschutz und auch zum Schutz des Gegenübers auf dem Spielfeld, der sehr viele Kilos auf die Waage bringt und über eine enorme Kraft verfügt, muss man seinen Körper in Form bringen – denn man will seinen Gegenspieler im besten Fall besiegen und über den Rasen schieben.
Ich hatte während meiner gesamten Karriere das Gefühl, dass ich mich körperlich immer noch verbessern kann, selbst auf einem hohen Niveau. Auch Bodybuilder, die über eine extreme Muskelmasse und einen – zumindest in unseren Augen – sehr ausdefinierten Körper verfügen, schauen sich regelmäßig im Spiegel an und befinden, dass sie vielleicht noch ein bisschen an ihrem Bi- oder Trizeps arbeiten könnten. Und so hat sich auch bei mir nie das Gefühl der völligen Zufriedenheit eingestellt, wobei es mir dabei nie ums Aussehen, sondern ausschließlich die Leistung ging.
Als ich als Kind mit Fußball und später vor allem mit Schwimmen anfing, begannen auch gleich die Vergleiche mit den anderen in meiner Gruppe. Immer wenn es vor dem Training oder vor Wettkämpfen in die Badehose ging, schaute ich mir die anderen Schwimmer an, die allesamt viel dünner gebaut waren als ich, verglich sie mit mir. Dabei musste ich feststellen, dass bei ihnen fast schon die Rippen zu sehen waren und ich im Gegensatz dazu schon deutlich kräftiger und muskulöser war. Ich war eben schon als Kind und später dann auch als Jugendlicher ein kleines Kraftpaket und erledigte all meine Aufgaben vor allem mit Wucht und viel Power, und das meistens auch mit Erfolg. Gerade auf der Kurzstrecke brachte mir diese natürliche Kraft, die ich damals schon hatte, viele Siege ein. Ich war sicherlich nicht der technisch beste Schwimmer oder Fußballer, dafür allerdings extrem kräftig, körperlich gut in Form und den anderen allein dadurch überlegen. Dafür sah ich aber auch anders aus als die meisten doch sehr dünnen Sportler in meinen Trainings- und Wettkampfgruppen. Aus diesem Grund fühlte ich mich in manchen Situationen sicherlich auch beobachtet.
Im Wasser selbst fühlte ich mich immer wohl und war voller Selbstvertrauen, aber wenn wir dann alle draußen am Beckenrand saßen und der Trainer uns etwas erklärte, dann fühlte ich mich mit meiner vergleichsweise kräftigen Figur immer ein bisschen unwohl. Das war, als ich elf oder zwölf Jahre alt war. Natürlich holten wir uns damals auf dem Schulweg auch mal eine gemischte Tüte mit Süßigkeiten, doch ich bin jemand, der zwar sehr schnell zu-, aber eben auch abnehmen kann. Ich steuere dann alles über Kalorien. Zehn Kilogramm Gewichtsabnahme in nur ein, zwei Monaten sind und waren für mich nie ein Problem.
Als Kind dachte ich noch, dass Knäckebrot mit Käse beim Abnehmen helfen würde. Aus heutiger Sicht ist das natürlich eher als suboptimal zu bewerten, weil ich dadurch Fett, Kohlenhydrate und somit viele Kalorien zu mir nahm. Allerdings hatte ich zum damaligen Zeitpunkt auch noch keine Ahnung von gesunder und somit »richtiger« Ernährung. Ich hatte noch kein richtiges Körpergefühl entwickelt, wusste auch nicht, wie man richtig trainiert oder aber auch mental mit sich und seinen körperlichen Voraussetzungen umgeht. Dafür war ich zu diesem Zeitpunkt schlichtweg noch zu jung und hatte auch einfach noch kein Interesse.
Mein fehlendes Interesse resultierte letztlich sicherlich auch daraus, dass ich mit meiner Statur und meiner Kraft im Schwimmen auf der Kurzdistanz kaum zu schlagen war. Dafür zogen die anderen auf allen längeren Distanzen jedoch regelrecht an mir vorbei. Deswegen konzentrierte ich mich vor allem auf die Kurzdistanz-Wettbewerbe und versuchte da zusätzlich zum »normalen« Wettkampf, meine eigenen Rekorde zu brechen. Jedes Mal, wenn ich anschlug, schaute ich zu meinem Vater auf die Tribüne, der meine Zeit mitstoppte. Und wenn ich meinen eigenen Rekord nicht geschlagen hatte, war es für mich ein schlechter Tag. Im Prinzip befand ich mich immer im Wettkampf gegen mich selbst. Dieser Ehrgeiz sollte mich mein Leben lang begleiten.
Wenn ich nun auf meine NFL-Zeit zurückblicke, dann war ich körperlich damals schon sehr groß und breit. Ich bin 2,05 Meter groß und wog zu diesem Zeitpunkt 140 Kilogramm. Wenn ich mit dieser Statur im kleinen Foxborough das Restaurant betrat, drehten sich viele nach mir um und starrten mich an – zum einen sicherlich deshalb, weil sie sofort dachten, dass jemand mit dieser Statur bestimmt American Football spielt und damit auch interessant sein könnte, und zum anderen, weil sie eine solch mächtige Erscheinung nur selten zuvor gesehen hatten. Ich war eben einfach größer und breiter als die meisten Menschen im beschaulichen Foxborough. Ich muss zugeben, diese Blicke waren zum Teil recht unangenehm, vor allem während der Saison, wenn ich als Spieler sowieso schon gestresst war. Häufig versuchte ich zumindest, es mit Humor zu nehmen, und fragte den einen oder anderen im Vorbeigehen lächelnd: »Und, gefällt Ihnen, was Sie hier sehen?« Im Rückblick kann ich diese Reaktionen auf meine Statur und Erscheinung schon deutlich besser verstehen. Ich war nun einmal ein großes, kräftiges Kerlchen und bestellte mir im Restaurant auch oftmals zwei Abendessen.
Gezweifelt habe ich an mir und meinem Körper damals nicht. Ich musste und wollte einfach so aussehen, weil mir klar war, dass ich nur so auch echte Erfolgschancen in der NFL hätte. Somit war mein Körper ein Teil meines Jobs, alles andere war mit egal. Mein Ziel lautete von Anfang an, in der NFL erfolgreich zu sein und als Offensive Tackle ein All-Pro zu werden. Und dafür musste ich meiner Meinung nach 140 bis 150 Kilogramm wiegen. Das schaffte ich, indem ich mich entsprechend ernährte und trainierte. Gedanken an Konsequenzen wie beispielsweise an Verschleißerscheinungen in den Knien ließ ich nicht an mich heran und verdrängte sie, so gut es eben ging.
Dennoch war ich selten zufrieden. Selbst als ich bereits 130 Kilogramm wog, war mir das noch zu wenig. 145 Kilogramm waren mir dann hingegen wieder ein bisschen zu viel. Ich habe also ständig mit mir gehadert. Das ist auch heute nach der Karriere noch so. Wenn ich mit meinem Körper nicht zu 100 Prozent zufrieden bin, dann gibt es eben mal einen Monat lang kein Brot oder keinen Kaffee oder keinen Zucker. Ich möchte einfach den für mich persönlich gesündesten und fittesten Körper haben, und daher überlege ich, was ich machen kann, um mich zu verbessern. Ich brauche immer eine Herausforderung – und das letztlich seit rund 17 Jahren, seit ich in den USA aufs College kam. Seitdem geht es irgendwie immer um meinen Körper und die Fragen: Wie kann ich besser werden, und was kann ich tun, um mich besser zu fühlen?
Bis zu meiner Collegezeit habe ich nie ernsthaft Krafttraining gemacht. Vielleicht hier und da mal ein paar Liegestütze oder Sit-ups, das war’s dann aber auch schon. Die Motivation ließ immer sehr schnell wieder nach. Die extreme Besessenheit von Training kam erst in der Collegezeit in den USA. Allerdings weiß ich noch genau, dass ich in meinem ersten Semester – während dem ich noch davon ausging, dass ich danach wieder dauerhaft nach Deutschland zurückkehren würde – zunächst einmal knapp fünf Kilogramm abnahm. Das war auch mein Ziel, weil mir alle sagten, dass man in den USA gerne mal zunimmt. Da ich in meiner Anfangszeit kein Auto hatte und somit nur selten einkaufen ging, aß ich fast schon gezwungenermaßen so wenig, dass mein Kaloriendefizit häufig so groß war, dass ich im Training fast umfiel und dauernd zitterte. Mein Körper war für diese Art von Belastung einfach nicht bereit. Das wollte ich damals aber nicht verstehen. Für mich war es wichtig, körperlich in Form zu bleiben und nicht zuzunehmen.
Das positive Gefühl für meinen Körper und dafür, dass er mich auch mental beeinflusst, entwickelte sich bei mir erst sehr spät, als ich Profi in der NFL wurde. Im College wurden dafür aber zumindest schon die Grundlagen gelegt. In Deutschland bei den Düsseldorfer Panthern hatte ich all das noch nicht gebraucht. Ich war sowohl im Klub als auch in der Europaauswahl erfolgreich. Außerdem war ich zu dieser Zeit auch schon groß, aber für Football-Verhältnisse eben doch noch zu schmal – vor allem für die Position des Tackle. Mein späterer Entdecker für das College, Jeff Reinebold, nannte mich nicht umsonst »Big Skinny«. Es hatte jedoch trotzdem gereicht, um in Deutschland und Europa ganz vorne mitzuspielen – und das, ohne dass ich auf korrekte Ernährung geachtet hätte. Ich hatte einfach Glück, dass meine natürlichen körperlichen Voraussetzungen anders als bei meinen meistens viel kleineren und noch schmächtigeren Gegnern so gut waren, dass ich solche Leistungen abrufen konnte. In der Tat hatte ich schon mit 16 Jahren eine gute Kraftbasis und schaffte damit im Bankdrücken ohne jegliches Training 100 Kilogramm immerhin zwei- bis dreimal. Im Rückblick war das natürlich viel zu wenig, die heutigen Talente in diesem Alter drücken 100 Kilogramm bestimmt zehn- bis fünfzehnmal. Allerdings habe ich mich mit den Jahren weiterentwickelt. Als ich später in der NFL spielte und in absoluter Topform war, stemmte ich beim Bankdrücken 240 Kilogramm. Das hat mir gezeigt, was mit hartem Training alles möglich ist.
Während meiner Karriere lernte ich also, dass Talent alleine nicht ausreicht. Man darf sich darauf nicht ausruhen. Der US-Schauspieler Matthew McConaughey schreibt in seinem Buch Greenlights aus meiner Sicht völlig korrekt, dass es bei Talent und Arbeit drei unterschiedliche Typen gibt: Erstens gibt es Menschen, die über ein großes Talent verfügen, aber nicht hart arbeiten und dennoch erfolgreich sind. Zweitens gibt es Menschen, die vielleicht weniger Talent besitzen, dafür aber umso härter arbeiten – auch sie sind im Leben häufig erfolgreich. Und dann gibt es drittens eben noch diejenigen, die extrem talentiert sind, dieses Talent für sich aber nicht »anerkennen« und deswegen zusätzlich täglich hart an sich arbeiten. Sie ruhen sich nicht auf ihrem Talent aus, sondern wollen noch mehr erreichen und noch besser werden. Auf den Sport übertragen resultieren daraus dann Ausnahmeathleten wie Michael Jordan, Kobe Bryant, Tiger Woods oder Tom Brady.
Ich habe mir immer Prioritäten gesetzt und dann strikt danach gelebt. Natürlich wollten die Coaches und alle anderen um mich herum, dass ich im American Football noch besser werde und noch härter dafür trainiere. Aber der Erfolg, den ich mit meinem persönlichen Weg bereits erzielt hatte, hat mir in dieser Zeit letztlich ein Stück weit recht gegeben. Ich habe letztlich alles gewonnen und musste somit nichts ändern – so dachte ich jedenfalls. Was ich damals aber noch nicht verstanden habe, war, dass man ja letztlich für sich selbst arbeitet, um noch besser zu werden und um sein gesamtes Potenzial auszuschöpfen. Doch das wollte ich in dieser Zeit noch nicht einsehen – dabei hatten alle meine Coaches mit all ihren Forderungen an mich ja eigentlich recht, wie ich mir mit der Zeit definitiv eingestehen musste.
Im College und vor allem später in der NFL konnte ich mich nämlich nicht mehr »nur« auf meine körperlichen Voraussetzungen verlassen. Da musste ich hart trainieren und sehr viele Extraschichten einlegen, um bestehen zu können, sonst wäre ich regelmäßig von meinen Gegenspielern über den Haufen gerannt worden – und meine Karriere wäre aus sportlichen Gründen wahrscheinlich schneller beendet gewesen, als ich vermutet hätte. Für die Düsseldorfer Panther habe ich mein bestes Spiel in der Partie um die Deutsche Meisterschaft im Jahr 2003 gemacht, als ich auch fürs College entdeckt wurde – nur zwei Tage zuvor hatte ich noch auf meinem Abiball bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. So etwas wäre in den USA definitiv nicht mehr möglich gewesen. Und rückblickend muss ich auch sagen, dass mein Verhalten damals sicherlich nicht korrekt war. Da hätte ich professioneller sein können und vielleicht sogar müssen.
Diese Professionalität lernte ich dann im College. Als ich dort ankam, wurde ich mit meinen 2,05 Metern und 110 Kilogramm mehr oder weniger ausgelacht, man dachte wohl, ich sei nicht die Verstärkung für das Team, die man sich eigentlich erhofft hatte. Hinter vorgehaltener Hand sprach man aufgrund meines schmalen Körperbaus sogar von einem »verschwendeten Stipendium«. Kein Wunder, denn all die anderen Jungs des Collegeteams brachten locker 130 Kilogramm auf die Waage – dagegen hätte ich es zu Beginn selbst mit sehr guter Technik, die ich noch nicht wirklich hatte, durchaus schwer gehabt. Das war für mich ein extremer Sprung, und ich merkte zum ersten Mal, dass ich etwas ändern musste, wenn ich in den USA und meinem Collegeteam mithalten wollte.