Vorwort

Im vorliegenden Band erwartet den Interstellaren Bund mit Lew Romanow, Golem und Poseidon aus Atlas, dem verbündeten Androiden-Imperium aus der Zwerggalaxie, weitere Herausforderungen. Kaum zeichnet sich ein erster Erfolg mit den fremdartigen Vogelwesen aus Flagos ab, trudelt schon ein Ultimatum eines Volks aus einer weit entfernten Galaxie ein, das auf die USOP aufmerksam wurde.

Unvorhergesehene Ereignisse, überraschende Wendungen und unerwartete Gefühle begleiten die Leserschaft im

8. Band der Future-Reihe "Golem – Die künstliche Intelligenz"

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Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Last Hope, Andromeda, Juni 10.011

Lew Romanow, Vorsitzender des Interstellaren Bundes, der mit Beginn der Präsidentschaft von Francesco Moretti im Januar 10.011 gegründet worden war, stand mit seinen Stellvertretern Golem, Poseidon und Admiral Röttger sowie Präsident Moretti als Begrüßungskomitee auf dem Raumhafen des Hauptquartiers, Last Hope, Andromeda.

Das Cosmonave aus Flagos sollte jeden Augenblick mit dem Oberhaupt Isos und seinen Begleitern landen. Die Flagolaner waren ein kranichähnliches Volk, mit dem erst in diesem Jahr ein endgültiger Friedensvertrag zustande gekommen war.

Es war ein schwieriger Start zwischen Flagos und der USOP gewesen. Durch einen Sabotageakt, der im vorletzten Jahr zu einer Planetenexplosion geführt hatte, war Flagos schwer verwüstet worden. Da die Menschheit uralten, humanoiden Feinden ähnelte, war es danach zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen, die vor 16 Monaten beigelegt worden waren. Doch trotz des Friedens waren Menschen auf Flagos noch nicht willkommen – die Ähnlichkeit mit den Antaranern, einem humanoiden Volk, das ursprünglich auch noch auf dem 11. Planet des irdischen Sonnensystems gelebt hatte, war für viele Flagolaner zu groß, um so schnell ein Vertrauen zu entwickeln.

Romanows Gedanken schweiften weiter zu den beiden Begegnungen mit Isos, die außergewöhnlich gewesen waren. Seitdem hatte er wieder von seiner Reise zum Ursprung des Universums zu träumen begonnen. Damals hatte er sich mit einer Energie vereinigt in der Absicht, den Materiebrand in der Milchstraße, Andromeda und der Zwerggalaxie zum Stillstand zu bringen. Es war eine unbeschreibliche und überwältigende Erfahrung jenseits aller Worte gewesen. Danach hatte er sich schwer getan, sein irdisches Leben wieder aufzunehmen, das ihm plötzlich klein und beengt erschienen war. Hatte dieses Vogelwesen Isos auch eine derartige Erfahrung gemacht und spürte dasselbe in ihm? In jedem Fall hatte er im Kontakt mit dem Flagolaner wahrgenommen, wie etwas aus der Tiefe seines Bewusstseins auf Isos reagierte. Seit langem hatte er diese Qualitäten nicht mehr gespürt, die in ihm eine unbestimmte und starke Sehnsucht wachriefen – in einem seiner Träume war er mit einem glücklichen Gefühl von unendlicher Weite und grenzenloser Leichtigkeit wie ein Vogel durch das Weltall geschwebt.

"Es war eine besondere Erfahrung, mein Freund", hörte er Golem in seinen Gedanken anteilnehmend sagen und sah seinen klugen Blick auf sich gerichtet. Seit jener Reise konnte er sich mit Golem und Poseidon gedanklich austauschen, wovon nur wenige wussten. Dadurch hatte sich auch eine besondere Freundschaft und enge Verbundenheit zwischen ihnen entwickelt.

"Isos erinnert mich aus irgendeinem Grund daran", erwiderte er. "Ich habe schon lange nicht mehr so intensiv daran gedacht."

Die Abgesandten Hermes und Apollon aus Atlas waren bereits gestern eingetroffen, genauso wie der stellvertretende Abteilungsleiter des Forschungszentrums der USOP, der Golden Future-Androide Han, und Admiral Schneider, Kommandant des Flaggschiffs der USOP, aus der Milchstraße.

Gestern Abend war Admiral Michael Röttger mit dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte von Genesis, dem atlantischen Androiden Ares, und Chefingenieur Philip Einstein aus der 420 Millionen Lichtjahre entfernten Kaulquappen-Galaxie angekommen. Mit Fynn Shan und Mr. Tanaka aus Andromeda, die als Repräsentanten von Andromeda heute Morgen angereist waren, waren nun alle acht Abgesandte der Mitgliedsgalaxien vollzählig.

In diesem Moment meldete die Raumüberwachung das Auftauchen eines würfelförmigen Raumschiffes, das sich im Anflug auf Last Hope befand. Auf dem riesigen Holo-Bildschirm, der sich jetzt am Rande des Raumhafens aufbaute, erschien die Aufnahme eines fantastisch aussehenden Raumschiffs, das mit zahlreichen Ornamenten versehen war, die wie pures Gold im Licht der Sonne funkelten. Als sich die Kameradrohnen im Orbit dem Raumschiff näherten, wurde sichtbar, dass sich die Ornamente ständig veränderten. Die Flagolaner nannten dieses Raumschiff Cosmonave und als es in die Atmosphäre von Last Hope eintauchte, wandelte sich die Farbe der Ornamente in ein leuchtendes Rosarot, das selbst das leichte Glühen des planetaren Schutzschirmes überstrahlte. Es waren keine Geräusche zu hören, was auf eine ausgezeichnete Abschirmung hinwies. In zwei Kilometern Höhe übernahmen die Traktorstrahlen des Raumhafens das weitere Absinken und die raumschiffeigenen Triebwerke erloschen.

Im Prinzip konnte dieses unbekannte Raumschiff ähnliches wie ihr Dimensionsschiff leisten, ging Romanow durch den Sinn, denn Isos hatte davon gesprochen, dass es Millionen von Lichtjahre innerhalb kürzester Zeit bewältigen konnte.

Nach zehn Minuten setzte das Raumschiff, das eine Größe von gut 1.100 Meter im Durchmesser aufwies, auf riesigen Stützen auf.

Wenige Augenblicke später öffnete sich eine Schleuse in der unteren Region und eine Rampe fuhr bis zum Boden hinunter. Als Erstes tauchten eine Reihe von Flagolanern auf und bildeten ein Spalier bevor Isos mit Pelikos und Kantos erschien und sich der ganze Trupp langsam in Bewegung setzte. Alle trugen Raumanzüge, da sie eine andere Luftzusammensetzung benötigten. Doch die Helme waren transparent und zeigten flaumbesetzte Vogelköpfe. Im Prinzip ähnelte dieses Volk großen Kranichen: Sie besaßen lange, dünne Beine, einen federbesetzten Körper mit Schwingen, unter denen sich zwei 6-gliedrige, dünne Hände mit kleinen Krallen verbargen. Auch der Kopf wies einen rudimentären Schnabel auf, große Augen und war federbesetzt. Emotionen waren diesen Wesen genauso wie Vögeln schwer anzusehen. Ein leichtes Nicken zeigte ihre Zufriedenheit, bedeutete aber genauso ein "Hallo" oder "Auf Wiedersehen", wie Romanow mittlerweile wusste; außerdem nahmen sie Spannungen oder Schwingungen wahr. Es gab andere Bezeichnungen, wie z.B. der Nestbehüter, der das Oberhaupt des Staates darstellte. Zur Verständigung waren Translatoren nötig, die das Gesprochene übersetzten. Außerdem war vorgesehen, dass ein Protokoll der gemeinsamen Sitzung über das, was besprochen wurde, im Anschluss jedem als Datenkristall ausgehändigt werden sollte.

Präsident Moretti, Admiral Röttger, Golem, Poseidon und Lew Romanow liefen nun in Begleitung der Security zur Rampe, um Isos zu begrüßen. Beide verneigten sich voreinander und Romanow begann: "Willkommen auf Last Hope, Nestbehüter von Flagos! Ich freue mich über Ihren ersten Besuch und begrüße Sie im Namen des Interstellaren Bundes. President Moretti kennen Sie bereits – und das sind Golem und Poseidon, der Bündnispartner der USOP und mein stellvertretender Vorsitzender genauso wie Golem. Admiral Röttger, der Oberbefehlshaber unserer Streitkräfte."

Kantos und Pelikos nickten und Isos blickte langsam von einem zum anderen: "Ich grüße die Nation der Menschen, die mich angenehm erstaunt hinterlässt. So jung und dennoch reich an Weisheit, was nicht allen Bewohnern des Universums vorbehalten ist."

Dann nickte er und zusammen gingen sie auf dem roten Teppich zu verschiedenen Gleitern, um damit zu den Gebäuden des Interstellaren Bundes zu schweben. Das Hauptquartier bestand aus zwei, scheinbar gelandeten Kugelraumschiffen, die dicht nebeneinander standen und durch einen kurzen Verbindungstunnel miteinander verbunden waren. Eine der Kugeln mit einem Durchmesser von 1000 Metern beherbergte die Wohnungen der Beschäftigten des Interstellaren Bunds, viele Gästeapartments, Forschungslabore und die Überwachungsstation des Luftverkehrs von Last Hope.

Das zweite, runde Gebäude war mit 800 Metern im Durchmesser etwas kleiner. Es konnte sich im Notfall abkoppeln und als vollständig ausgerüstetes Raumschiff abheben. Hier befand sich der Saal für die Abgesandten der Mitgliedsgalaxien, die das Parlament bildeten sowie Räumlichkeiten für den im Aufbau befindlichen Obersten Gerichtshof für Grundsatzfragen, Streitigkeiten und Grundrechte der Mitgliedsstaaten des Bundes. Der große Saal war wie ein Amphitheater aufgebaut, zeigte an der Decke die Milchstraße und war zukunftsträchtig auf 100 mögliche Abgesandte ausgelegt.

Nicht zuletzt befanden sich in diesem Gebäude auch die die Privaträume des jeweiligen Vorsitzenden und seiner Stellvertreter sowie die Quartiere für die Security. Einmal im Jahr wurde eine Notfallübung angeordnet, um festzustellen, ob alles funktionierte. Als Bord-KI fungierte hier ebenfalls Caecilia mit einem Ableger.

Unter dem Hauptquartier befanden sich viele unterirdische Hangars für die Dimensionsraumschiffe und vier Großraumhangars für Raumschiffe bis 2500 Metern im Durchmesser.

"Da Ihre Ankunft eine Sensation ist", erklärte Romanow im Gleiter, "wartet unsere Presse am Eingang darauf, Aufnahmen von Ihnen zu machen, wenn Sie einverstanden sind."

Isos nickte und als sie aus den Gleitern stiegen, stellten sie sich gemeinsam Seite an Seite auf. Das gab den dort wartenden Reportern die Gelegenheit, die fremden Besucher aus der Nähe zu betrachten und ihre Fotos zu machen, die galaxienweit übertragen wurden. Doch an Isos gestellte Fragen fanden keine Erwiderung – nach einem höflichen Nicken standen die Flagolaner unbeweglich vor der Menge und so hielt Romanow eine kurze Ansprache über die Bedeutung dieses Besuchs.

"Ich schlage vor, dass wir jetzt hineingehen", wandte sich Präsident Moretti im Anschluss an Romanow und Isos.

Admiral Röttger, der ruhig neben beiden stand, hatte sich während Romanows Rede ohne besonderen Grund kurz umgedreht und sah zur Security am Eingang des Hauptquartiers. Unwillkürlich blieb sein Blick an einem der Männer der Security hängen, der sein Interesse weckte. Während er ihn noch anschaute, drehten sich Isos und Romanow um und dann registrierte Röttger, dass der Mann seinen Laser zog und auf Isos zu zielen begann!

Geistesgegenwärtig brachte Röttger Isos und Romanow mit einem "Achtung!" zu Fall. Gleichzeitig hatte er seine eigene Waffe gezogen und schoss in Richtung des Schützen. Durch sein Eingreifen ging dessen Schuss weit über Isos und Romanow hinweg, traf aber einen der Reporter der Gruppe, die sich noch bei den Gästen befand. Im nächsten Augenblick geschah mehreres gleichzeitig: Der Attentäter wurde überwältigt und die Begleiter aus Flagos waren in Bruchteilen von Sekunden förmlich herangeflogen, um ihr Oberhaupt vom Boden aufzuheben und in ihre Mitte zu nehmen. Abwehrbereit standen sie um ihn herum und warteten ab, was als Nächstes geschehen würde. Die irdische Security war ebenfalls herangeeilt und hatte sich vor Präsident Moretti und Romanow gestellt. Gleichzeitig nahm ein Androide bereits den verletzten Reporter auf den Arm, um ihn zur medical unit zu tragen. Alle anderen waren im ersten Augenblick erschrocken in Deckung gegangen, begannen aber schon, die Situation mit den Kameras festzuhalten.

Admiral Röttger, der sah, dass der Attentäter abgeführt wurde, gab nach aufmerksamer Beobachtung der Umgebung vorläufig Entwarnung und schlug vor, das Hauptquartier zu betreten.

Nachdem sich alle hineinbegeben hatten, sagte Romanow: "Es tut mir sehr leid, Isos. Bedauerlicherweise gibt es auch andere Strömungen in der Menschheit, die sich wenig offen für Veränderung zeigen."

Beide sahen sich einen Moment lang an und dann erwiderte das Oberhaupt von Flagos: "Auch bei uns gibt es viele, die die Ankunft von Menschen nicht friedlich begrüßen würden. Alles Fremde braucht seine Zeit, um vertraut zu werden. Doch der, dem wir vertrauen, kann unerwartet genauso zur Bedrohung werden. Schreiten wir also weiter auf der Route des Kennenlernens voran."

Dann wandte sich Isos mit einem Nicken an Röttger, der mittlerweile wieder zu ihnen gekommen war. "Ich baue auf den Schutz derer, die mit den Strömungen des Universums fliegen."

Röttger verbeugte sich leicht und veranlasste umgehend, dass die Sicherheit dieses Mal vor allem durch atlantische Androiden verstärkt wurde. Mit dem Attentäter würde sich der Geheimdienst der USOP später ausführlich beschäftigen.

Die Gruppe machte sich auf den Weg zum Parlamentssaal, in dem sie erwartet wurden. Dort angekommen war das Attentat noch einmal Thema und alle waren erleichtert, dass es glimpflich ausgegangen war und Isos den Vorfall anscheinend gelassen hinnahm.

Der Saal war mit seinen Gästen kaum besetzt und so wirkte die kleine Gruppe hier fast etwas verloren. Romanow dachte nicht zum ersten Mal, dass noch viel Platz für die Aufstockung des Bundes mit weiteren Mitgliedern vorhanden war, bevor er nach einem nochmaligen, herzlichen Willkommensgruß die erste, außerplanmäßige Sitzung des Interstellaren Bundes eröffnete. Ab diesem Zeitpunkt war die Öffentlichkeit, bis auf Präsident Moretti als Gast, ausgeschlossen.

"Wir sind hier zusammen gekommen, da wir von einem Volk, dass sich "Antaraner" nennt, ein Ultimatum erhalten haben."

Romanow nickte Golem zu, der die Nachricht, die vor einer Woche angekommen war, abspielte:

"Wir, die Nachkommen der Ersten, fordern die Menschheit auf, uns einen Zugang zur Zeitsteuerungseinheit zu ermöglichen! Es ist notwendig, die Zeitlinie zu verändern, um unser Überleben zu sichern. Euer Handeln wird zu unserer Vernichtung führen und daher nehmen wir uns das Recht der Verteidigung heraus. Wir lassen euch vier Wochen Zeit, sämtliche Sperren und Sicherungen zu entfernen, damit wir damit arbeiten können. Solltet ihr dem nicht Folge leisten werden wir die Menschheit unwiederbringlich auslöschen, um zu verhindern, dass unsere zukünftige Vernichtung Wirklichkeit wird."

"Dazu möchte ich erwähnen", ergänzte Romanow, "dass ich vor nicht allzu langer Zeit Besuch von Abilael, der dem Volk der Ersten auf Planet 3 in der Kaulquappen-Galaxie angehört, Besuch bekam. Er warnte uns, dass sich die Antaraner darauf vorbereiten, uns auszulöschen, da wir uns mit Flagos verbündet haben. Sie sind der Ansicht, dass wir früher oder später gemeinsam zu einem vernichtenden Gegenschlag ausholen werden. Es ist ihnen bisher nicht gelungen, uns mit Hilfe einer Veränderung der Zeitlinie zu tilgen, da unsere Zeitsteuerungseinheiten mittlerweile gut abgesichert sind. Diese Technik steht ihnen anscheinend selbst nicht mehr zur Verfügung. Auf welche Weise die Antaraner uns dann allerdings eliminieren wollen, bleibt unklar."

Anschließend begannen die Beratungen.

Isos verfolgte mit Interesse die Wortmeldungen, äußerte sich aber nicht dazu.

"Wie schätzen Sie das Ultimatum der Antaraner ein?", wandte sich Präsident Moretti nach Absprache mit Romanow schließlich an Isos.

"Ich bin nicht darüber informiert, über welche Waffen die Antaraner heute verfügen. Unseren Überlieferungen zufolge waren sie damals sehr mächtig und nur mit der später entwickelten Dimensionswaffe hatten wir den entscheidenden Erfolg."

"Mit anderen Worten: Wir haben keine Kenntnis über die Art der Waffen unseres Gegners", stellte Golem klar. "Ob uns unsere Dimensionsschiffe dieses Mal ausreichend schützen werden, bleibt ebenfalls unklar."

Dann sagte er zu Isos: "An dieser Stelle möchte ich mein Bedauern über die Zerstörung Ihrer Raumschiffe und der Besatzungen ausdrücken. Wir sahen anfangs keine andere Möglichkeit der Verteidigung und bedauerlicherweise kam erst später eine Verständigung zwischen uns zustande."

Die menschlichen Abgesandten hielten die Luft an, während sich die Androiden unter ihnen wie gewohnt gelassen zeigten. Wie würde Isos reagieren? Dieser Punkt war bisher nicht angesprochen worden und schließlich hatten die Flagolaner den gewaltigen Verlust von 148 Raumschiffen hinnehmen müssen!

Isos sah ihn eine Weile schweigend an und äußerte sich dann: "Jedes Nest war damals der Meinung, im Recht zu sein. Damit sollten wir diese Vorkommnisse dort lassen, wo sie hingehören: in die Vergangenheit. Heute sitzen wir zusammen, um zu beraten, ob es mit den Antaranern zu einer Verständigung kommen kann. Unserer Erfahrung nach ist diesem Volk kein Vertrauen zu schenken - selbst wenn große Worte ausgesprochen wurden."

Nach dieser Ansprache herrschte einen Moment lang eine gedankenverlorene Stille, bis die einzelnen Abgesandten ihre Meinung dazu kundtaten.

"Wenn ich das alles bedenke, dann sage ich: Abwarten kann keine Option sein genauso wenig wie der direkte Angriff", meinte Admiral Schneider, Erde, Milchstraße. "Vom militärischen Standpunkt aus gesehen schlage ich eine getarnte Erkundung vor, um den Gegner kennenzulernen und dann zu entscheiden, ob und welche Handlungen erfolgsversprechend sind."

"Vielleicht ergibt sich dabei die Chance einer Verständigung", äußerte sich Philip Einstein, Genesis, Kaulquappen-Galaxie, mit einem hoffnungsvollen Blick. "Einen weiteren Krieg zu führen halte ich für kontraproduktiv."

"Es muss eine Lösung erzielt werden, die eine Wiederholung des damaligen Kriegs ausschließt", tat der atlantische Androide Ares, Genesis, Kaulquappen-Galaxie, entschlossen kund.

"Wir müssen uns auch der Möglichkeit stellen, dass es mit diesem Volk unter Umständen keine friedliche Lösung gibt", entgegnete Mr. Tanaka aus Eden, Andromeda.

Nach diesen Worten schwieg er und sah die anderen Gesandten ernst an.

"Ich stimme Admiral Schneider zu: Wir sollten mit einer Mission starten, die eine verdeckte Erkundung des Gegners zum Ziel hat", begann Poseidon, Atlas, Zwerggalaxie. "Diese Mission kann aufgrund der Entfernung nur mit einem unserer Dimensionsschiffe erfolgen. Das wirft eine wichtige Frage auf: Was, wenn es in die Hände des Feindes fällt? Die Antaraner hängen mit dem Volk der Ersten zusammen – erhalten sie in dem Fall Zugriff auf unsere Technologien?"

Die Bord-KI der Dimensionsschiffe mit dem Namen Caecilia (Griechisch: Die Himmlische) besaß einen Androiden als Avatar, der die Raumschiffe verlassen konnte, aber mit ihr vernetzt blieb. Auf diese Weise war sie ebenfalls in jeder Sitzung des Bundes anwesend, saß in der Regel jedoch nur still dabei. Aber jetzt ergriff sie das Wort: "Nur das Kollektiv der Ersten kann auf mich zugreifen. Die Nutzung ist an legitimierte Erben gebunden oder von ihnen autorisierte Personen, die die Bedingungen akzeptieren müssen. Unbefugte Eingriffe führen zur Zerstörung des Raumschiffs."

"Damit ist dieses Problem gelöst", kommentierte Fynn Shan, Last Hope, Andromeda. "Kommen wir zu den nächsten Fragen: Wer nimmt teil? Und wie kommen wir unentdeckt auf die Welt der Antaraner?"

"Wir wissen von einer Transferstation weit außerhalb unseres Systems", sagte Isos. "Sie ist gegenwärtig zwar inaktiv, aber für einen kurzen Zeitraum könnte von dort aus eine Teleportation direkt ins System der Feinde stattfinden. Ob der Transport von der Gegenseite registriert wird wissen wir nicht. Eine Rückkehr darüber ist nicht möglich; diese Option haben wir aus nachvollziehbaren Gründen deaktiviert."

"Sehr gut", äußerte sich Admiral Schneider, Erde, Milchstraße beifällig. "Dann kommen wir zu dem Punkt, wer an der Mission teilnehmen wird. Allerdings sollten wir uns alle über das Risiko im Klaren sein: Es handelt sich hier um keine normale Erkundungstour eines fremden Planeten – im schlimmsten Fall werden die Teilnehmer gefangen genommen oder kehren nicht mehr zurück."

Nach diesen Worten sahen alle unwillkürlich zum Vorsitzenden des Bundes, Lew Romanow.

"Was die USOP angeht, so kann nur einer von beiden Erben, also entweder meine Person oder Golem teilnehmen."

"Ich werde dabei sein", warf Poseidon ein.

Jetzt erbat sich Präsident Moretti als Gast das Wort. "Ich stimme dem Vorsitzenden zu, dass entweder er oder Golem teilnehmen. Ich schlage Golem vor, da er die meiste Erfahrung von uns allen hat. Außerdem besitzen Athena oder Isis die größten Kenntnisse, was Zeitlinien und deren Manipulation angeht. Dann sehe ich Admiral Röttgers Kampferfahrung als vorteilhaft an, falls es zu Auseinandersetzungen kommen sollte. Schließlich wissen wir nicht, was uns dort erwartet. Und mit Poseidon an Bord haben wir eine gute Truppe zusammengestellt."

Romanow sah ihn ausdrucklos an, aber er wusste, dass Francesco recht hatte: Isis war sogar eine der am besten geeignetsten Personen für diese Mission. Da war sie wieder, die Situation, die er nicht mehr hatte erleben wollen! Ihm war klar, dass Isis diese Mission als Abenteuer begrüßen würde und mit einem inneren Seufzer dachte er an die Zeit, in der er hier alleine festsaß und jeden Tag aufs Neue hoffte, dass er sie wohlbehalten wiedersehen würde!

Isos meldete sich nun auch zu Wort: "Als Nestbehüter von Flagos steht es mir nicht frei, mit dabei zu sein. Aber ich werde Kantos entsenden."

Nach einigem Hin und Her wurde dann beschlossen, dass Poseidon und Golem die Mission leiten würden. Admiral Röttger, Isis und Athena sowie der Flagolaner Kantos würden sie begleiten.

Nach Abschluss der Sitzung wurden die ausgewählten Teilnehmer hereingeholt und gefragt, ob sie den Auftrag annehmen wollten. Romanow wollte in dem Fall, da die Mission auch ein Risiko barg, keine Anweisung erteilen.

Wie erwartet gaben Isis Romanow, Kantos und Admiral Röttger sofort ihre Zusage. Wenig später teilte Golem mit, dass auch Athena ihm eine Bestätigung gesendet hatte mit der Bitte, dass Finn Schwarz mit von der Partie war.

"Gut", schmunzelte Romanow. "Die beiden sind ein eingeschworenes Team. Wenn es keine Einwände dagegen gibt, bin ich einverstanden."

"Ich schlage vor, dass wir in drei Tagen mit der VISION FOUR starten", sagte Golem abschließend.

Nach Beendigung der Sitzung ging Romanow auf Isos zu und fragte, ob er in einer Stunde an einer zwanglosen Runde mit den Abgesandten teilnehmen wollte, zu der auch ihre Frauen, sofern sie welche hatten, dabei sein wollten. Dazu würden sie sich in seinen privaten Räumen hier im Hauptquartier treffen. Isos sagte zu und kündigte an, dass neben ihm, Kantos und Pelikos auch ihre Gefährtinnen erscheinen würden.

Währenddessen war Röttger zur EARTH ONE gegangen, um mit seiner Frau zu sprechen, die als Kommandantin dort noch ihren Dienst tat. In ihrem Quartier angekommen erzählte er von der Mission, die in drei Tagen beginnen würde.

Carli sah ihn daraufhin einen langen Moment schweigend an. Mit einem tiefen Atemzug begann sie tonlos: "Du bist ein guter Stratege und auf der VISION FOUR zusammen mit Caecilia unschlagbar. Du, Athena, Finn, Isis, Golem und Poseidon – ihr seid ein ausgezeichnetes Team. Wenn jemand Erfolg haben wird, dann ihr."

"Ich bin in spätestens zwei Wochen wieder zurück", erwiderte er so zuversichtlich, wie er es vermochte.

"Versprich mir nichts, was du nicht halten kannst", hielt sie ihm nur trocken entgegen, sodass es ihm fast das Herz zerriss.

"Nella …"

Röttger schloss sie fest in seine Arme, in die sie sich mit einem Seufzer hineinschmiegte.

"Mio guerriero stellare – mein Sternenkrieger", sagte sie leise, "komm zurück zu mir, Raffaela und Giovanni."

Das war wohl der Preis des Erfolges, dachte sie dabei. Als er auf der Erde von der Anlage beim Neptun als unbekannter Klon des berühmten Admiral Röttger vor Jahren aufgetaucht war, hatte sie sich in ihn verliebt. Heute waren zwei entzückende Kinder von bald 3 Jahren in ihrem Leben und er bedeutete alles für sie! Zurückblickend hatte sich in nur drei Jahren viel getan – Michael war auf seine ruhige, besonnene Art trotzdem sehr ambitioniert und hatte seine Fähigkeit, sich dank seiner ihm angeborenen Implantate mit der Bord-KI der Dimensionsraumschiffe zu vernetzen, gut genutzt; dazu noch all die Kampferfahrungen eines einstigen Admirals der USOP … er hatte sich mittlerweile einen eigenen Namen gemacht und den Admiral, den er im letzten Jahr erhalten hatte, mehr als verdient.

Und so saßen einige Zeit später Admiral Leon Schneider und seine Frau Katharina, Maya und Fynn Shan, Admiral Antonia Carli und Admiral Michael Röttger, sowie Mr. Tanaka, Chefwissenschaftler Philip Einstein und die Androiden Han, Ares, Hermes, Apollon, Golem und Poseidon in der großzügigen Lounge, die für solche Zwecke vorgesehen war. Lew und Isis Romanow sowie Präsident Moretti und seine Frau Isabella hatten die Gäste aus Flagos am Haupteingang erwartet und als sie die Lounge betraten begann Romanow, seinen Gästen die einzelnen Familien oder Abgesandte vorzustellen, die sich jeweils erhoben.

Zu aller Überraschung war durch den Helm deutlich zu erkennen, dass die jeweiligen Gefährtinnen im Gegensatz zu ihren Partnern, die mit grau-melierten, schwarzen oder weißen Federn ausgestattet waren, eine rosarote Färbung der Federn im Gesicht aufwiesen. Die Augen schimmerten dunkelbraun, während die ihrer Partner grau-blau oder fast schwarz wirkten.

Isos nickte und sagte dann: "Das ist meine Gefährtin Ik, das ist Kantos mit Kin und Pelikos mit No-il."

Isabella Moretti sagte jetzt zu Ik: "Wollen Sie sich dort mit uns setzen?"

Mrs. Moretti steuerte mit Ik und Isos sowie Kantos und Ki auf eine freie Sitzfläche zu, die Maya Shan und Antonia Carli in Erwartung der Gäste freigehalten hatten. Romanow und Isis begleitete Pelikos mit No-il zu den Sitzen neben Ares und Admiral Schneider und seiner Frau und setzte sich dort.

Fynn Shan hatte sich zurückgelehnt und beobachtete lächelnd, wie seine Frau ein vorsichtiges Gespräch mit Kin begann und Isabella Moretti mit Ik erste Worte wechselte. Er wusste, dass sich Antonia und Maya auf den Abend und die fremden Gäste sehr gefreut hatten.

"Wie haben Sie die Reise überstanden?", fragte Isabella Moretti gerade. "In kurzer Zeit so weite Entfernungen zurückzulegen muss überaus anstrengend sein."

"Es ist wenig davon zu spüren", gab Ik über den Translator zur Auskunft. "Wir verbringen den Flug in einem Ei."

"In einem … Ei?", fragte Mrs. Moretti interessiert nach.

"Es ist ein eiförmiges Behältnis", erklärte Ik, als sie ihren Blick bemerkte.

"Wir haben auch eine Art Sarkophag, in den wir uns legen müssen, um den Flug in der 10. Dimension zu überstehen", warf Carli jetzt ein. "Unser Körper gewöhnt sich erst nach vielen Flügen daran."

"Ihre Federfarbe ist sehr hübsch; sie gefällt mir", sagte Maya Shan spontan und schaute bewundernd auf die weichen Federn, die sich durch den Helm zeigten.

Ik nickte mit einem gurrenden Laut und Maya Shan sah sie etwas ratlos an.

"Meine Gefährtin ist erfreut", erklärte Isos, der die beiden beobachtet hatte.

Maya Shan strahlte und fuhr fröhlich fort: "Wir haben lange keine so interessanten Gäste mehr gehabt!"

Nach zwei Stunden verabschiedeten sich Isos, Ik und die anderen Flagolaner.

"Wir bedanken uns für die Gastfreundschaft. Wir laden Sie morgen Vormittag auf einen Rundgang durch unser Cosmonave ein", endete Isos.

"Sehr gerne. Es wird allerdings nicht für alle möglich sein", erwiderte Romanow, "da einige heute noch nach Hause zurückkehren."

Präsident Moretti und seine Frau sowie Romanow und Isis begleiteten ihre Gäste zum Gleiter, der sie zu ihrem Raumschiff fliegen sollte.

"Es war ein guter Abend", sagte Romanow. "Wir Menschen geben uns zum Abschied gerne die Hand, was eine andere Art von Kontakt herstellt. Ich bedaure, dass das aufgrund unserer Raumanzüge nicht möglich ist. Aber vielleicht ist das bei Ihnen auch nicht erwünscht?"

"Es ist nicht üblich", erwiderte Isos daraufhin. "Wir teilen den Abschied auf eine andere Weise, bei der uns kein Raumanzug hindert."

Romanow sah ihn an und plötzlich hatte er den Eindruck, dass sich die Schwingen in Isos Raumanzug zu heben begannen, denn er wirkte aufgeplustert. Dann hörte er ein leises Gurren und wie bei den letzten beiden Begegnungen begann sich tief in ihm etwas zu regen. Dieses Mal ließ er sich erwartungsvoll in den Kontakt fallen und nahm ein Prickeln im Körper wahr, das ihm das Gefühl gab, über sich selbst hinauszuwachsen. Gebannt hielt er den Augenkontakt und dann spürte er beglückt die bekannte Leichtigkeit in sich aufsteigen. Vollkommen in diesem herrlichen Empfinden aufgehend nickte er schließlich. Isos erwiderte sein Nicken und dann wanderten die sechs Flagolaner die Rampe hinauf und die Schleuse schloss sich hinter ihnen.

Als Romanow sich nun Moretti zuwandte sah er sich neugierigen Blicken ausgesetzt.

"Wann erzählst du mir endlich mal die Geschichte deiner Reise zum Ursprung des Universums?", fragte Moretti auch schon. "Es muss eine besondere Erfahrung gewesen sein, wenn ich dich so ansehe."

"Das war es", bestätigte Romanow lächelnd. "Wenn ihr noch ein wenig Zeit habt, dann gehen wir in meine Suite." Als sich Francesco und Isabella Moretti später verabschiedet hatten ließen Lew und Isis Romanow den Abend Revue passieren.

"Du hast Francesco nicht alles erzählt", kommentierte Isis mit einem fragenden Blick.

"Wir hatten damals vereinbart, dass die ganze Wahrheit nur einem kleinen Kreis bekannt bleibt. Ich halte das nach wie vor für richtig, Isis. Was uns in einer fernen Zukunft erwartet, sollte keiner vorher erfahren, um nicht davon beeinflusst zu werden", gab Romanow zu. "Isos lässt meine Erinnerungen daran wieder wach werden und das ist sehr angenehm. Ob er ähnliche Erfahrungen gemacht hat?"

"Es ist möglich, dass er einfach einen natürlichen Zugang zu diesen Empfindungen hat, die du beschreibst", erwiderte Isis. "Die Flagolaner sind ein Volk, das eine andere Sinneswahrnehmung zu haben scheint als wir Menschen."

"Allein die Wortwahl weist darauf hin; vielleicht hast du recht", nickte Romanow nachdenklich und fuhr dann begeistert fort. "Ich war mit Isos wortwörtlich auf einer Wellenlänge! Das ist etwas, was ich lange nicht mehr erlebt habe, mal von Golem und Poseidon abgesehen."

"So ist das also!", stellte Isis stattdessen empört fest. "Mir war nicht klar, wie du unsere Beziehung wirklich siehst. In jedem Fall sind wir beide wohl nicht "angenehm" auf einer Wellenlänge!"

Verblüfft schaute er sie an: "So war das doch nicht gemeint, mein Schatz …"

"Ich habe genau das von dir gehört", funkelte sie ihn an. "Du und Golem und Poseidon – da kann ich leider nicht mithalten!"

Romanow wusste, dass Isis auf seine besondere Freundschaft mit den beiden Androiden von Anfang an eifersüchtig gewesen war und nun kam auch noch Isos on top! Schmunzelnd zog er seine widerstrebende Frau unnachgiebig zu sich: "Was für ein gesträubtes Gefieder habe ich da in meinen Armen! Du machst viel Lärm um nichts und das weißt du auch, mein Engel."

Bevor Isis noch etwas von dem sagen konnte, was ihr ganz offensichtlich durch den Sinn ging, verschloss er ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss, den sie kurz darauf hingebungsvoll erwiderte.

Am nächsten Vormittag betrat eine kleine Gruppe Menschen und Androiden erwartungsvoll das Cosmonave der Flagolaner. Was würden sie wohl dort sehen? Mittlerweile war es nicht mehr notwendig, einen Raumanzug zu tragen, so, wie bei Beginn ihrer Bekanntschaft. Alle Menschen hatten sich eine spezielle, transparente Atemmaske übergezogen, die das notwendige Luftgemisch für einen halben Tag zur Verfügung stellte. Der integrierte Translator war drahtlos mit einem winzigen Modul, das im Ohr befestigt wurde, verbunden und sorgte für die Übersetzung. Die Androiden hatten diese Maske nicht nötig; der Translator war in ihrem System nicht sichtbar integriert worden.

Isos hieß sie willkommen und wandte sich dann an Kantos. "Unser Oberbefehlshaber der Kriegsflotte, Kantos, wird Sie herumführen."

Isos entsandte also einen der ranghöchsten Personen von Flagos, dachte Golem anerkennend.

Nach Passieren der zweiten Schleuse eröffnete sich den Menschen und Androiden eine völlig andere Welt, als wie sie es bisher von ihren Raumschiffen gewohnt waren: Es schienen auf den ersten Blick wenige Ecken vorhanden zu sein – stattdessen war alles irgendwie rund!

Kantos führte sie nun durch verschiedene, riesige Hallen, in denen die unterschiedlichsten Fluggeräte stationiert waren: von den bekannten, vogelartigen Gleitern bis hin zu kleineren, würfelförmigen Raumschiffen. Dann ging es an Wohnbereichen vorbei. Kantos hielt inne und zeigte das Innere eines Nests, wie es durch den Translator übersetzt wurde. Auch hier gab es kaum Ecken und die Schlafgelegenheit sah tatsächlich aus wie ein etwas zu groß geratenes Vogelnest. Insgesamt wirkte die Behausung, wie Romanow feststellte, entspannend und anheimelnd gemütlich.

Schließlich erreichten sie die Zentrale und Isos wies auf einige Sitzgelegenheiten, auf denen die Gäste Platz nahmen.

"Wir möchten Ihnen einen kurzen Flug anbieten, wenn Sie damit einverstanden sind", begann Kantos.

"Dieses Angebot nehmen wir sehr gerne an", ließ Moretti sofort vernehmen.

"Ich kontaktiere die Raumhafenkontrolle", sagte Röttger und, da er sich jederzeit mit dem Androiden Caecilia, der ebenfalls anwesend war, vernetzen konnte, gab er ihm wortlos die Anweisung, die Freigabe einzuholen. Bereits nach wenigen Minuten hoben die Traktorstrahlen das Cosmonave der Flagolaner in zwei Kilometer Höhe.

"Bitte starten Sie Ihre Triebwerke" ertönte die Raumhafenkontrolle in der Zentrale. Nachdem das geschehen war hob sich das Raumschiff geräuschlos weiter in die Höhe. Auch die Gestaltung der Zentrale war ungewohnt, erkannte Golem. So war statt der gewohnten Decke über ihnen der Sternenhimmel als Hologramm zu sehen und auf den Wänden wurde rundherum die Außenwelt übertragen. Darauf erschienen sich permanent ändernde, fremde Schriftzeichen in rosaroter Farbe, die sehr wahrscheinlich Informationen wie Triebwerksleistung, Flughöhe und sonstige Daten darstellten. Noch waren die Schriftzeichen unbekannt und ohne die hochwertigen Translatoren wäre eine Verständigung mit diesem Volk sehr schwierig geworden.

Der Flug war ein Genuss, denn man hatte das Gefühl, mitten im Weltall zu schweben. Doch plötzlich gab es kleinen Ruck und Kantos erklärte dazu: "Sie haben gerade unseren Teleportationsantrieb erlebt. Wir befinden uns jetzt fünf Lichtjahre von Last Hope entfernt. Ab einer Entfernung von 100 Lichtjahren ist die Benutzung des Schwingen-Netzes, der Transferstationen notwendig, um die Auswirkungen auf den Körper zu reduzieren. In der 5. Dimension kommen beide Antriebe zum Einsatz: Es handelt sich dabei um einen Dimensionsantrieb kombiniert mit dem Teleportationsantrieb. Damit können wir zeitlos Reisen in der 10. Dimension durchführen - allerdings nur mit diesem Raumschiff. Unsere anderen Raumschiffe sind nur bis Dimension 8 geeignet."

In diesem Augenblick wurde ein Bild des Maschinenraums gezeigt, was bei den Menschen zu erstaunten Blicken und Ausrufen führte. Interessiert betrachtete Golem die blaue Pyramide, wie sie auch in den Dimensionsraumschiffen vorhanden war! Da sie jetzt ihrerseits von den Flagolaner musternd beäugt wurden erklärte Romanow: "Sie besitzen anscheinend den gleichen Antrieb, der sich auch auf unseren Dimensionsraumschiffen befindet."

"Er ist Ihnen sicher von den Ersten zur Verfügung gestellt worden", sagte Isos ruhig.

"Nun, das ist nicht richtig", erwiderte Romanow. "Sie wurden uns von einem Volk überlassen, das sich "die Schöpfer" nannte. Nach ihrem Ableben sind wir in den Genuss der Nutzung gekommen."

Isos betrachtete ihn unbewegt. Er versucht einzuschätzen, ob ich die Wahrheit sage, ging Romanow durch den Sinn. Und so ergänzte er: "Wir gehen mittlerweile davon aus, dass das Kollektiv der Ersten diese Raumschiffe ursprünglich erschuf."

"Flagos existiert länger als die Menschheit in diesem Universum", ließ Isos jetzt vernehmen. "Und doch haben unsere Nester bedeutende Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede im Aussehen und unserer Lebensart sind dagegen klein."

"Verfügen die Antaraner auch über Raumschiffe mit diesem Antrieb?", fragte Golem.

"Wir wissen es nicht, da wir seit langem keinen direkten Kontakt mehr mit ihnen haben", antwortete Kantos. "Uns ist nur bekannt, dass sie genauso wie wir das Schwingen-Netz benutzen."

In diesem Augenblick meldete sich die Anflugkontrolle von Last Hope und gab die Landung frei. Unbemerkt hatte das Cosmonave sie sich wieder in den Orbit von Last Hope teleportiert!

Nach zehn Minuten setzte das Raumschiff auf und Romanow bedankte sich für das Vertrauen und lud Isos und seine Begleiter zu einem Gegenbesuch auf einem Dimensionsschiff und eines der normalen USOP Raumschiffe, der EARTH ONE, ein.

Isos nickte und wies zum Holo-Bildschirm, auf dem der exakte Grundriss eines Dimensionsschiffs und anschließend der EARTH ONE abgebildet wurde. Es war nicht völlig detailgetreu und doch war erkennbar, dass es sich hier um einen übersichtlichen, sehr guten Scan handelte.

Während alle noch verblüfft schwiegen sagte Isos: "Wir wissen nicht, wie angenehm der Flug mit Ihren Raumschiffen sein wird – aber der Aufbau ist uns grundsätzlich bekannt. Sollten unsere Nester weiter zusammenfinden, machen wir Sie mit unserer Technik vertraut. Im Gegenzug interessiert uns Ihr Warp-Antrieb. Es ist immer von Vorteil, mehr als ein Antriebssystem zu integrieren."

Isos nickte leicht und fuhr dann fort: "Wie auch immer sich die Zukunft gestaltet - vielleicht sehen wir die Antaraner irgendwann nicht mehr als unsere größten Feinde, auch wenn sie uns zu diesem Zeitpunkt noch bedrohlich erscheinen. Und es mag sich sogar herausstellen, dass bei unseren Richtern, den Ersten, auch nicht alles rosa erstrahlt."

Eine interessante Sprache und ein weiser Anführer, dachte Romanow beeindruckt. Ein uraltes Sprichwort der Menschen besagte ähnliches: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

"Isos hat recht", hörte er Golem gedanklich sagen. "Es gibt grundlegende Gemeinsamkeiten in unseren Einstellungen."

"Er ist ein guter Führer eines Volkes mit beeindruckenden Technologien", äußerte sich Poseidon. "Der Beitritt von Flagos in den Bund wäre für uns von großem Vorteil."

"Wir sind auf einem guten Weg dahin", stimmte Romanow mit einem Blick auf Golem und Poseidon zu.

Isos, der ihn aufmerksam betrachtet hatte, sagte jetzt: "Ich werde mich jetzt verabschieden und nach Flagos zurückkehren. Kantos wird Sie begleiten."

Admiral Röttger meldete sich jetzt zu Wort: "Ich habe Kantos ein Quartier auf der VISION FOUR in Hinblick auf seine Bedürfnisse hin umgestalten lassen."

Kantos Apartment hatte großzügige Ausmaße und war eigentlich für eine Familie gedacht. Am Eingang befand sich jetzt eine Schleusenkammer, in der er den notwendigen Helm an- oder ablegen konnte, um dann die Räumlichkeiten zu betreten, die einen höheren CO2-Gehalt, einen niedrigeren O2-Gehalt und einen etwas anderen Luftdruck als üblich aufwiesen. Röttger nahm sich vor, noch vor dem Abflug einige, kleinen Änderungen zu veranlassen. Nach allem, was er jetzt gesehen hatte, war es aus Kantos Sicht zu eckig – ein paar Rundungen hier und da und dann dieses eiförmige Bettlager sollten zeitnah noch machbar sein.

Isos begleitete seine Besucher wieder an die Schleuse und nach dem Abschied, der in Form eines respektvollen Nickens von allen praktiziert wurde, begab sich Röttger zur EARTH ONE, während alle anderen zum Regierungssitz zurückflogen.

Kurz darauf erhob sich das Cosmonave und nach knapp einer Viertelstunde verschwand es von den Ortungsschirmen im Nichts des Universums.

"Ich verabschiede mich ebenfalls", begann Präsident Moretti, als sie vor dem Haupteingang standen. "Ich nehme Han, Fynn und Maya Shan auf der UTOPIA mit. Du weißt ja, Lew: Der Nationale Sicherheitsrat besteht auf Fynns Anwesenheit während Golems Abwesenheit. Es läuft zwar alles automatisiert, aber für den Fall der Fälle soll er auf dem Mond alles im Blick behalten. Er ist gut eingearbeitet, wie mir Golem versichert hat. Ich weiß ja nicht, wie lange sich unsere Truppe in der Ferne vergnügt – aber Shan wird sicherlich bei der nächsten Ratssitzung mit dabei sein."

Romanow lachte: "Das wird Nath nicht freuen – die beiden sind sich nicht gerade grün. Herzliche Grüße an Isabella. Mal sehen, wann ich wieder zur Erde komme – hoffentlich nicht erst dann, wenn euer Nachwuchs auf der Welt ist!"

Morettis Gesicht überzog ein stolzes Strahlen und dann meinte er vergnügt: "Es wird ein Junge, wie wir mittlerweile wissen! Isabella hatte wohl eher eine Tochter im Sinn, aber nun ist es entschieden. Also, Lew, wir hören voneinander!"

Nach einer herzlichen Umarmung verabschiedete er sich von Kantos und den Androiden Golem und Poseidon: "Wir zählen auf Sie, meine Herren, ich wünsche Ihnen viel Erfolg!"

Kapitel 2 Antaris

Nun war es also soweit, dachte Romanow, als er sich mit Golem und Isis auf den Weg zur VISION FOUR machte. Er hatte sich nichts von seiner Sorge anmerken zu lassen, sondern in den letzten Tagen mit beiden viel darüber diskutiert, wie wohl der Kontakt mit den Antaranern verlaufen würde. Ob es dort auch Androiden gab? Letztendlich war es ein humanoides Volk und sie wollten unerkannt dort auftauchen - was Poseidon schwerfallen dürfte, wie Isis humorvoll anmerkte. Als sie schließlich an der Schleuse der VISION FOUR ankamen, umarmte er Golem fest.

"Komm heil zurück, mein Freund", bat Romanow nachdrücklich, als sie voreinander standen. Dieses Mal musste er gleich zwei Personen ins Ungewisse ziehen lassen, die ihm am Herzen lagen, denn mit Golem verband ihn seit der damaligen Reise eine tiefe Freundschaft.

"Mach dir keine Sorgen – ich werde gut auf sie achtgeben."

Romanow lächelte: "Ich danke dir. Und pass bitte ebenso gut auf dich selbst auf!"

Dann wandte er sich seiner Frau zu, doch bevor er noch etwas sagen konnte, umarmte sie ihn innig und sagte leise: "Ich danke dir, dass du mich unterstützt – ich liebe dich, Lew."

Bewegt hielt er sie in seinen Armen. "Du bist eine der Besten für diesen Job, mein Engel. Ich bin stolz auf dich."

Nach einem letzten Kuss strich er ihr liebevoll über die Wange: "Viel Erfolg!"

Wenig später erhob sich die VISION FOUR in den Himmel von Last Hope. Unwillkürlich warf Romanow Admiral Carli einen Blick zu, die neben ihm stand und dem Raumschiff gedankenverloren nachsah.

"Es ist nicht einfach, seine Lieben gehen zu lassen", meinte er dann teilnahmsvoll.

"Nein", gestand sie mit einem Seufzer. "Das ist es nicht. Aber Dienst ist eben Dienst."

Die Menschen, Androiden und auch Kantos begaben sich indessen in der VISION FOUR in die Ruhebehälter und mit der Einleitung des Ruhemodus der Androiden und des Tiefschlafs für die biologischen Gäste startete das Dimensionsraumschiff in die 10. Dimension, um zu der Position zu fliegen, die Kantos angegeben hatte. Nach 12 Stunden irdischer Zeit waren sie am Ziel angekommen und die Besatzung erwachte wieder.

"Hier ist im Normalraum nichts erkennbar", tat Finn Schwarz kund. "Wir sind buchstäblich im Leerraum angekommen."

"Soweit, so gut", meinte Röttger. "In der Regel befinden sich Transferstationen allerdings in der 5. Dimension, seltener auf einem Planeten."

"Das ist richtig", nickte Kantos.

"Caecilia, bist du in der Lage zu ermitteln, wo wir uns genau befinden?", fragte Golem.

"Mangels konkreter Sternenansammlungen kann ich nicht feststellen, wo wir uns befinden. Wir haben 30 Millionen Lichtjahre zurückgelegt."

Nach einem kurzen Blick in die Runde sagte Poseidon: "Caecilia, begib dich in die 5. Dimension."

Kurze Zeit später befand sich die VISION FOUR in der 5. Dimension und nach wenigen Minuten hatte die KI tatsächlich die entsprechende Signatur geortet und sendete die ihr bekannten Autorisierungscodes. Doch es tat sich nichts.

"Gibt es hier einen anderen Code?", fragte Isis Kantos.

Kantos, der mittlerweile auch nur noch einen Helm trug, der ihm das notwendige Luftgemisch zur Verfügung stellte, übergab Isis einen kleinen Datenkristall.