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Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff

Persische Textilien

Die Sammlung Ramezani

Persian Textiles

The Ramezani Family Collection

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Dedicated to the late Mr. Nasser Ramezani

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Zar-baft – Golden glänzende Seidenstoffe

Termeh – Fein gemusterte Gewebe aus Wolle

Pateh-duzi – Stickereien aus Kerman

Rasht-duzi – Patchworkstickereien aus Rasht

Dara’i – Seidene Kettikat-Stoffe

Qalamkar – Gedruckte Ornamente und gemalte Geschichten

Stammestextilien aus Persien und Zentralasien

Bachtiari

Belutschen

Khordi (Kurden)

Shasavan

Tekke-Turkmenen

Suzani-Stickereien aus Usbekistan

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Kurzbiographie Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff

Contents

Preface

Introduction

Zar-baft—Shiny Golden Silk Fabrics

Termeh—Finely-Patterned Wool Weaves

Pateh-duzi—Embroideries from Kerman

Rasht-duzi—Patchwork Embroideries from Rasht

Dara’i—Silk Warp Ikat Fabrics

Qalamkar—Printed Ornaments and Painted Stories

Tribal Textiles from Persia and Central Asia

Bakhtiari

Baloch

Khordi (Kurds)

Shasavan

Tekke-Turkmen

Suzanis from Uzbekistan

Bibliography

Photo credits

Short Biography Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff

Vorwort

Textilien gehören zu den ältesten Erzeugnissen, die der Mensch erschuf. Sie dienten nicht nur dem Schutz vor Kälte und Hitze, sondern oft auch als Identitätsmerkmal gewisser Bevölkerungsgruppen oder als Kennzeichen einer bestimmten sozialen Stellung. Kunstvolle Formen waren stets ein Privileg des Adels, der reichen Bevölkerungsschichten und der offiziellen Würdenträger.

Geboren in einer Familie, deren Tätigkeitsschwerpunkt im internationalen Handel mit handgeknüpften Teppichen, Kelims und Textilien lag, durfte ich bereits während meiner Kindheit schon manchem eindrucksvollen Textil begegnen. Die Beobachtung dieser einzigartigen Werkstücke war für mich ein Antrieb, die Kultur und Geschichte dahinter genauer zu hinterfragen. Nach meinem Studium wurde ich von meinem Vater ermutigt, im Teppichhandel tätig zu werden. In dieser Zeit hatte ich die Möglichkeit, verschiedene Länder zu bereisen, deren Kulturen zu erforschen sowie deren Methoden der Textilverarbeitung kennenzulernen. Als besonders reizvoll empfand ich die Handstickerei. Diese Faszination forderte mich dazu auf, neben antiken Knüpfteppichen und Kelims auch Textilien aus verschiedenen Ländern für unsere Familie zu sammeln, um meine Leidenschaft sowie mein Wissen in diesem Bereich zu erweitern. Aus diesem Interesse heraus eröffnete sich für mich auch die Möglichkeit, die Textilsammlung einer persischen Familie zu übernehmen. Seither sammle ich Werkstücke aus dem Orient, insbesondere aus Persien.

Als ich im Jahre 2005 die Ausstellung „Pfauen, Blüten und Zypressen“ im Museum Rietberg Zürich besuchte, konnte ich Bekanntschaft mit deren Kuratoren Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff und Axel Langer schließen. Das ermutigte mich, meine Leidenschaft für alte persische Textilien weiterzuverfolgen sowie meine Sammlung zu erweitern. In der Folge entstanden mein Wunsch sowie die Möglichkeit, einen Teil unserer Sammlung zu publizieren, um auch anderen Interessenten einen Einblick in die Meisterwerke persischer Textilkunst zu ermöglichen.

An dieser Stelle möchte ich das Buch meinem verstorbenen Vater widmen, der mich stets auf meinem Weg begleitet und durch sein vertieftes Wissen in mir das Interesse für antike Textilien erweckt hat. Sein Engagement bei der Arbeit sowie seine Großzügigkeit gegenüber Mitarbeitern der ganzen Branche wird uns allen lange in guter Erinnerung bleiben. Bedanken möchte ich mich auch bei meiner Familie, meinen Mitarbeitern bei Ramezani (London) und Ramezani (Teheran) sowie dem Museum Rietberg und Axel Langer, Kurator für die Kunst des Nahen Ostens, das heißt allen denjenigen, die mich während dieser Zeit unterstützt und begleitet haben. Auch die große Unterstützung und das Engagement von Abolfazl Ramezani, CEO von Ramezani (London) seit Beginn dieses Projekts waren sehr wertvoll. Besonders würdigen möchte ich auch Philippe Bodingers, François Olliviers und Hedyeh Rahimimaneshs wunderschöne Aufnahmen der Textilien in diesem Buch und die Hilfe von Koorosh Madani bei der Bildbearbeitung.

Nicht zuletzt möchte ich noch einen ganz besonderen Dank an Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff richten, die für das Konzept und sämtliche Texte dieser Publikation zuständig war.

Hossein Ramezani

Preface

Textiles are among the oldest products that man has created. Not only did they enable people to protect themselves from cold and heat; they also served as identity markers for certain population groups or as indications of a particular social status. Elaborate forms were a privilege of the aristocracy, the wealthier classes, and dignitaries.

Since I was born into a family which was engaged in international trade with hand-knotted carpets, kilims, and textiles, I came across many impressive textiles during my childhood. My acquaintanceship with these unique workpieces motivated me to learn more about their cultural and historical background. After my studies, my father encouraged me to take an active part in the carpet trade. This activity gave me the possibility to travel to various countries, to explore their cultures, and to get to know the techniques of textile manufacture. I found hand embroidery particularly captivating. This fascination also led me to begin to collect textiles as well as antique knotted carpets and kilims from various countries for our family. That enabled me to expand my knowledge of these textiles, which I did with great passion. Later on, I was able to acquire a textile collection from a Persian family. Since then, I have been collecting workpieces from the Orient, especially from Persia.

While visiting the exhibition “Pfauen, Blüten und Zypressen” (“Peacocks, Blossoms and Cypresses”) in the Museum Rietberg Zurich, I became acquainted with the curators Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff and Axel Langer. The contact with them encouraged me to pursue my passion for old Persian textiles, as well as to enlarge my collection. Subsequently, I felt the wish to publish a part of our collection, in order to give others insight into the masterpieces of Persian textile art.

I would like to dedicate this book to my late father, who always supported me in all of my endeavours. His in-depth knowledge stirred my interest in antique textiles. His commitment to his work, as well as his generosity toward his employees in all areas of the industry, left a lasting impression on all of us.

Finally, I would also like to thank my family, my colleagues at Ramezani (London) and Ramezani (Tehran), as well as the Museum Rietberg and Axel Langer, the curator for Near Eastern art, who assisted us during this time. The comprehensive support and incredible help and commitment of Abolfazl Ramezani, CEO of Ramezani (London), also proved to be very valuable right from the beginning of this project. I also highly appreciate the beautiful photos of Philippe Bodinger, François Ollivier and Hedyeh Rahimimanesh in this book as well as Koorosh Madani’s help in editing the pictures.

Last but not least, I would like to extend my heartfelt gratitude to Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff, who was responsible for the concept of and all of the texts in this publication.

Hossein Ramezani

Einleitung

Die Wurzeln meiner Bewunderung für die persische Kultur und ihre vielfältigen Textiltraditionen reichen weit in meine Vergangenheit zurück – bis ins Jahr 1961, als ich mit einem jungen Kunsthistoriker und einem Kunstmaler-Ehepaar auf dem Weg von Basel bis nach Indien auf abenteuerlicher Fahrt in einem 2CV Sahara kreuz und quer durch Iran reiste. Damals habe ich viele Facetten dieses beeindruckenden Landes erlebt – von der Großstadt Teheran mit ihrem erdrückenden Verkehr, ihrem Kontrast von Luxusvillen und Armenquartieren und einem Teehaus mit Wasserpfeifenrauchern und einem Märchenerzähler mitten in der Altstadt. Oder Isfahan mit seinen Juwelen islamischer Architektur und dem lebendigen Bazar mit qalamkar-Druckern, atemberaubenden Landschaften und antiken Stätten wie Persepolis oder Naqsh-e Rostam, um nur einige wenige Orte zu nennen. Nicht zu vergessen die Gastfreundschaft in kleinen Dörfern, das Übernachten in ehemaligen Karawansereien gemeinsam mit Buschauffeuren, im Zelt oder unter freiem Himmel.

Später übernahm ich dann die Betreuung persischer Textilien im Museum der Kulturen Basel, jenes nicht unbedeutenden Teils seiner riesigen, international berühmten Textilsammlung. Im Jahre 1984 folgte die Begegnung mit dem Bildhauer, Teppich- und Textilexperten Parviz Tanavoli, dem ich viel Inspiration und Wissen über die persische Textilkultur verdanke. In der Folge organisierte ich mehrere Ausstellungen im Museum – „Suzanis“, „Khordjin – gewebte Taschen der Shasavan“, „Kelims aus Iran“ – und 1994 als Höhepunkt „Von Liebe, Macht und Mystik: persische Bildteppiche erzählen Geschichten“ aus der Sammlung Tanavoli. Eine weitere reiche Erfahrung schließlich wurde die Ausstellung „Pfauen, Blüten und Zypressen“ im Jahr 2005 im Museum Rietberg Zürich, in fruchtbarer Zusammenarbeit mit Axel Langer. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Hossein Ramezani kennen und freue mich nun, mit der Bearbeitung der Sammlung seiner Familie erneut in die faszinierende Welt persischer Textilien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts eintauchen zu können.

Die komplexe historische Situation zur Zeit der Qajaren-Dynastie darzustellen würde den Rahmen dieser Publikation sprengen. Den Lesern seien deshalb die auf kurze und verständliche Weise hervorragend zusammengefassten Beiträge von Axel Langer in der Begleitpublikation zur Ausstellung „Pfauen, Blüten und Zypressen“ empfohlen (s. Literaturverzeichnis S. 154). Über die Rolle und den Gebrauch von bestimmten Textilien hingegen finden sich in den Kommentaren zu den abgebildeten Stücken zusätzliche Erläuterungen.

Der vorliegende Katalog stellt die breite Palette von Textilien nach Techniken geordnet vor. Im Zentrum stehen die Abbildungen der einzelnen Stücke, die jeweils kurz kommentiert und mit Detailaufnahmen und Fotografien ergänzt werden. Im Sinne einer leserfreundlichen Darstellung wurde dabei bewusst auf Fußnoten und präzise Verweise mit Seiten- und Abbildungszahlen verzichtet; die wesentlichen Quellen sind jeweils am Anfang der Kapitel angegeben. Die Begriffe persisch und iranisch sowie die Landesnamen Persien und Iran wurden synonym gebraucht, durchaus im Bewusstsein, dass die offizielle Bezeichnung Iran seit 1935 gilt. Die meisten der vorgestellten Textilien sind jedoch vorher entstanden. Für die außerhalb Irans liegenden Länder wurden die heutigen Namen verwendet.

Den Auftakt bilden kunstvoll mit Goldfäden durchwebte Seidenstoffe (zar-baft) und daraus geschneiderte höfische Kleidungsstücke. Es folgen fein gemusterte Wollgewebe (termeh) und Stickereien (pateh) aus Kerman, die in verschiedensten Bräuchen und Zeremonien eine bedeutende Rolle spielten. Besonders abwechslungsreich sind die vielen Patchwork-Stickereien aus Rasht in der Form von Teppichen bis hin zu Sesselbezügen, Satteldecken oder Behängen mit figürlichen Darstellungen. Auf einige wenige seidene Kettikatstoffe (dara’i) aus Yazd folgen damals äußerst populäre qalamkar-Drucke aus Isfahan mit charakteristischen Behängen und Speisetüchern (sofreh) sowie einige ikonografisch besonders interessante figürliche Stücke (qalamkar-e tasviri). Den Abschluss bilden unter dem zugegebenermaßen etwas veralteten Begriff „Stammestextilien“ Beispiele, die nicht im höfischen, städtischen und dörflichen Bereich entstanden sind, sondern von bestimmten, einst nomadischen und semi-nomadischen Bevölkerungsgruppen und zum Teil auch in Gebieten außerhalb Irans gefertigt wurden.

Obwohl die Textilindustrie gegen Ende des 19. Jahrhunderts stark von politischen und ökonomischen Krisen betroffen war, schufen technisch versierte und künstlerisch begabte Handwerker in professionellen Werkstätten sowie Frauen zu Hause für den Eigenbedarf bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Web- und Druckstoffe sowie Stickereien von höchster Qualität.

Während die Textilkunst der Qajarenzeit lange unterbewertet blieb und weniger beachtet wurde als jene aus der safawidischen Ära, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr Spezialisten eingehend diesem Thema gewidmet, mit hervorragenden Darstellungen und Analysen persischer Textilien (s. Literaturverzeichnis S. 153f.: Baker, Bier, Gluck, Floor, Vogelsang-Eastwood, Wearden und andere). Hinzu kam das steigende Interesse für Malerei (Diba) und Fotografie (Bohrer), so dass man dank bildlicher, oft sehr detailgetreu gestalteter und zum Teil präzis datierter Quellen über wertvolle zusätzliche Informationen verfügt. Ein Glücksfall war eine vor kurzem erfolgte Schenkung von über 500 Fotografien aus der Sammlung Emil Alpiger an das Museum Rietberg Zürich (s. Langer 2018), von denen einige erstmals als Auftakt zu den einzelnen Kapiteln publiziert sind.

Mein erster Dank geht an Hossein Ramezani für das mir geschenkte Vertrauen, die Sammlung seiner Familie darzustellen und den Lesern mit vielseitigen Zusatzinformationen näherzubringen. Bedanken möchte ich mich auch für die Unterstützung durch viele andere Personen: bei Axel Langer vom Museum Rietberg Zürich für den Zugang zu alten Fotodokumenten der Sammlung Emil Alpiger, Jörg Affentranger und Gerd Näf für wertvolle Hinweise, Renate Würsch, ihren Kollegen Eilika Palenzona-Djalili, Urs Gösken und dem Meisterkalligraphen Gholam Reza Vakili in Isfahan für das schwierige Entziffern von Inschriften, Iran und Sadegh Riahi, Annette und Hermann Landolt-Tüller, Ferdinand Aichhorn und Jon Thompson für die Reproduktion von zusätzlichem Bildmaterial, und schließlich Judith Turcati für das Verbessern meiner englischen Texte. Zu guter Letzt geht mein aufrichtiger Dank an alle beteiligten Mitarbeitenden des Verlags Anton Pustet in Salzburg, die dieses Projekt erfolgreich zum Abschluss gebracht haben.

Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff

Introduction

The roots of my admiration for the Persian culture and its many-faceted textile traditions go far back into my past. In 1961, I travelled from Basle to India in a Citroën 2CV Sahara. I drove the length and breadth of Iran together with a young art historian and an artist couple. On that occasion, I witnessed many facets of this impressive country—the metropolis Tehran with its stifling traffic, its luxurious mansions, and its quarters where the poorest of the poor are at home, its teahouses with shisha smokers and storytellers. I marvelled at Isfahan with its jewels of Islamic architecture and its vibrant bazaar with qalamkar printing workshops, saw stunning scenery and visited ancient sites such as Persepolis and Naqsh-e Rostam, to name but a few. I experienced hospitality in small villages, stayed overnight with bus drivers in former caravanserais, slept in my tent or under the stars.

Later on, I assumed the curatorship of the Persian textiles in the Museum der Kulturen in Basel, which constitute a significant part of its huge, internationally renowned textile collection. In 1984, I got to know the Iranian sculptor and textile expert Parviz Tanavoli, to whom I owe infinite inspiration and knowledge of the Persian textile culture. Later on, I organized several museum exhibitions, such as “Suzanis”, “Khordjin—Woven Bags of the Shasavan”, “Kilims from Iran” and in 1994, as a highlight, “Love, Power and Mysticism—Pictorial Carpets tell Stories”, with rugs from the Tanavoli collection. Another enriching experience was the exhibition “Peacocks, Blossoms and Cypresses” (2005) in the Museum Rietberg Zurich, which I curated in fruitful collaboration with Axel Langer. On this occasion, I made the acquaintance of Hossein Ramezani. Now, I am very pleased to be able to study and work with the collection of his family, and thereby to once again immerse myself into the fascinating world of Persian textiles of the 19th and early 20th centuries.

A presentation of the complex historical situation during the Qajar period would go far beyond the scope of this book. To gain insight into that epoch, we recommend the short and readily comprehensible introductory chapters authored by Axel Langer in the publication accompanying the exhibition “Peacocks, Blossoms and Cypresses” (see bibliography, p. 154). The texts commenting on the illustrated examples will help to clarify the role they played and their usage.