Copyright © by Jesper Juul

Verschriftlichung & Lektorat: Nuka Matthies, Berlin

Verlagsredaktion: Mathias Voelchert GmbH

Umschlaggestaltung: Mathias Voelchert GmbH

Typografische Bearbeitung und Satz: Sead Mujić

Herstellung BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Printed in Germany

ISBN 978-3-9357-5806-2

Dieses Buch ist auch als Hörbuch erhältlich,
gesprochen von Claus Vester ISBN 978-3-935758-07-9

Wie auch als eBook mit der ISBN ISBN 978-3-935758-06-2

Copyright für die deutsche Ausgabe 2014

© by Jesper Juul und Mathias Voelchert GmbH Verlag, München, edition + plus

1. Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten. Reproduktion, Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, Wiedergabe auf elektronischen, fotomechanischen oder ähnlichen Wegen, Funk und Vortrag, auch auszugsweise, gerne mit schriftlicher Genehmigung der Copyrightinhaber.

Kontakt: mvg@mathias-voelchert.de

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Inhalt

In dieser familylab-Schriftenreihe finden Sie zeitlose Gedanken zu Beziehung und Familie von Jesper Juul, und anderen Autoren. Die Überlegungen können Eltern, Lehrern, Mitarbeitern, Menschen in Leitungsfunktionen, wie auch Fachleuten dazu dienen, die Qualität ihrer Beziehungen zu reflektieren und zu modifizieren.

Der Autor

Jesper Juul, 1948 in Dänemark geboren, ist Lehrer, Gruppen- und Familientherapeut, Konfliktberater und Buchautor. Er war bis 2004 Leiter des »Kempler Institute of Scandinavia«, das er 1979 gründete. Mit 16 Jahren fuhr er zur See, jobbte später als Bauarbeiter, Tellerwäscher und Barkeeper. 1972 schloss er sein Studium der Geschichte, Religionspädagogik und europäischen Geistesgeschichte ab. Statt die Lehrerlaufbahn einzuschlagen, nahm er eine Stelle als Heimerzieher und später als Sozialarbeiter an und bildete sich in Holland und den USA bei Walter Kempler zum Familientherapeuten weiter. Seit Anfang der 1990er Jahre arbeitet er in Kroatien mit Flüchtlingsfamilien. Er lebt heute in Dänemark. 2006 gründete er das familylab, das mit Elternkursen und Schulungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und vielen weiteren Ländern aktiv ist. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt.

Einleitung

Die Idee, ein Buch über Werte zu schreiben, wurde geboren, als ich einmal eine Woche lang ein Gespräch mit einer deutschen Philosophin geführt habe. Am Ende hat sie mich gefragt, ob ich nicht ein Buch über Familienwerte schreiben könnte, weil sie fand, dass wir so ein Buch brauchen. Ich habe geantwortet, dass ich das sicher schreiben könnte, aber dass dieses Buch wahrscheinlich acht- bis neunhundert Seiten lang werden würde und dass niemand das lesen würde. Dann habe ich mich aber selbst herausgefordert und mir gesagt, dass es vielleicht doch möglich ist.

Die Werte oder Wertvorstellungen, die wir zwei bis drei Jahrhunderte lang hatten, sind mehr oder weniger verschwunden. Ich glaube, dass meine Eltern genau so viele emotionale Schwierigkeiten mit ihrer Elternrolle und mit uns Kindern hatten wie die Eltern heute, aber wenn es um Werte ging – also um die Frage, was macht man, wenn dieses oder jenes passiert –, war es eigentlich ganz einfach. Sie konnten sich mit der Nachbarin unterhalten, mit der Schwester, dem Bruder oder mit meinen Lehrern, und die hatten alle irgendwie dieselbe Meinung. Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern, dass meine Eltern und meine Lehrer je gestritten hätten. Wenn meine Eltern meinten, ich wäre ein schlechtes Kind, dann meinten meine Lehrer das auch, und so war es dann auch. So etwas gibt es heute kaum – die armen Lehrer! Die Wertvorstellungen meiner Eltern und der Eltern meiner Freunde waren ganz einfach: „In unserer Familie machen wir, was man macht, und wir machen nicht, was man nicht macht.“ So war das. Heute gibt es kein „man“ mehr. Darüber können wir natürlich trauern und sagen, dass wir etwas ganz Wichtiges verloren haben. Doch ich denke, dass einige der Wertvorstellungen, die wir damals hatten, nicht besonders konstruktiv waren. Als Paare, Partner oder Eltern haben wir heute andere Ziele.

Meine Generation hat noch geglaubt, es wäre ganz einfach. Wir dachten, wenn wir einfach das genaue Gegenteil von dem leben, was unsere Eltern gemacht haben, ist alles okay. Doch es war nicht alles okay. Die Männer und Frauen, die heute, morgen oder gestern Eltern werden, haben fast gar keine Wertvorstellungen. Man kann natürlich als Individuum sehr starke Wertvorstellungen mitgebracht haben – aus der eigenen Familie oder aus der Gegend, dem Land oder der Kultur, aus denen man stammt – aber eine gemeinsame deutsche, bayerische oder dänische Sammlung von Wertvorstellungen gibt es kaum. Das macht das Leben natürlich schwieriger. Entweder lebt man als Familie von Konflikt zu Konflikt, was bedeutet, dass es eine Riesennachfrage nach Lösungen gibt, die überhaupt nicht möglich sind. Oder man muss reflektieren und nachdenken. Man muss sich miteinander unterhalten, und man muss sich fragen: Was habe ich eigentlich für Wertvorstellungen? Was will ich eigentlich als Basis für meine Familie, was will ich als Fundament für unser gemeinsames Heim? Und was finde ich so wertvoll, dass ich es auch meinen Kindern gern mitgeben möchte, weil ich glaube, dass es in zwanzig und auch in fünfzig Jahren noch sehr wertvoll sein wird? Diese Fragen sind nicht einfach. Sie sind zwar einfach zu stellen, aber sie sind nicht einfach zu beantworten.

Werte in Familie und Partnerschaft

Ich habe versucht, vier zentrale Werte zu beschreiben:

Gleichwürdigkeit

Authentizität

Integrität

Verantwortung

Dazu möchte ich sagen, dass diese vier Werte meiner Ansicht nach nicht ausreichen. Ich glaube, dass jede Familie auch andere Werte braucht. Doch diese anderen Werte stammen normalerweise aus einem Zusammenhang, über den ich sehr wenig weiß. Sie können aus der Philosophie, der Religion, der Politik oder aus ganz anderen Quellen stammen. Von den vier Werten, die ich hier beschreibe, wissen wir, dass wir sie mindestens brauchen für das, was wir eine gesunde Familie nennen. Ich verwende das Wort „gesund“ hier ganz bewusst. Ein Grund ist, dass wir über das Wissen verfügen, was mental gesund macht und was nicht. Der zweite Grund ist, dass heute alle glücklich sein wollen. Die Eltern wollen zwar nicht notwendigerweise selber glücklich sein, aber sie wollen unbedingt glückliche Kinder haben. Sie wollen Kinder haben, die vierundzwanzig Stunden am Tag glücklich sind. Das ist natürlich Wahnsinn, und es ist unmöglich, aber so ist der momentane Trend. Und hier möchte ich mich gern mit ein bisschen Vernunft einmischen.