À la mémoire de mon beau-frère Peter
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© 2020 Michael Reymann
Lektorat: Ines Heuser, Bonn
© Cover: Michael Reymann
© Alle Bilder und Illustrationen: Michael Reymann
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7526-9439-0
In den vielen Jahren, in denen wir unseren Wohnwagen auf dem Campingplatz Les Grand Pins in Le Camp du Castellet in Südfrankreich stehen hatten, führten uns viele von den von uns dort getätigten Ausflügen in die unterschiedlichsten Himmelsrichtungen.
Oft genug lenkte uns dieser Weg in die Camargue und an Orte darüber hinaus, da wir eine solche Tour gerne mit einem Badeaufenthalt am Rhônestrand bei Port Saint Louis verbanden.
Irgendwann kamen wir bei einer dieser Tagestouren auch auf die andere Seite der Camargue, um dort eine der Städte Narbonne oder Beziers zu besichtigen.
Und auf einer dieser Touren durch die sonnenverbrannte Landschaft des Languedoc führte uns eine Straße aus Zufall über den Canal du Midi, dessen grüner Gürtel der Platanenallee uns zum Anhalten bewegte, da dies ein so krasser Kontrast zu der Steppenlandschaft um uns herum war.
Die angenehme Kühle unter den Bäumen ließen uns dort ein wenig verweilen und am Ufer des Kanals rumbummeln.
Immer wieder hörten wir lustiges Gelächter von Kindern oder Jugendlichen, die wohl in der Nähe am Spielen waren.
Es war nur niemand weit und breit zu sehen.
Und dann erschien ein Hausboot um die Ecke einer Kanalbiegung, das des Rätsels Lösung war.
Das vergnügliche Treiben auf dem Boot, das langsam näherkam, hielt uns irgendwie gefangen.
Wir lauschten dem Geschehen noch eine Weile, bis das Boot auf der anderen Seite von uns unter der kleinen Brücke der Landstraße versschwand.
So etwas muss auch viel Spaß machen, so unsere Überlegung, die aber anschließend wieder schnell vergessen war.
Weit später im Herbst zu Hause in Düsseldorf, unser Urlaub, der Ausflug und dieser besondere Moment waren schon lange vergessen, kam aus zufälligem Grund das Thema auf diese Fahrt und brachte uns diese Erinnerungen zu uns zurück.
Im Annoncenteil meiner Automobilclubzeitung fand ich mehrere Inserate, die einen solchen Hausbooturlaub bewarben.
Die verschiedensten Boote von unterschiedlichsten Anbieter an den mannigfachsten Reisezielen in mehreren Ländern warteten nur darauf, führerscheinfrei gemietet zu werden, oder besser gesagt, gechartert, wie es in der Bootssprache korrekt heißt.
Jetzt war doch tatsächlich unser Interesse geweckt worden, obwohl wir mit unserem Wohnwagen für den Urlaub immer ein festes Reiseziel an der Cote de Provence hatten.
Aber den kostenlosen Katalog, den konnte man sich ja mal schicken lassen, selbstverständlich vollkommen unverbindlich.
Und so kam es, dass ich ein paar Tage darauf einen dieser Kataloge in meinen Händen hielt.
Nach dem Schreckmoment bei der Durchsicht des Kataloges und den darin beschriebenen Booten und deren Mietpreise überkam mich sofort das Gefühl, den Katalog direkt zum Altpapier geben zu müssen.
Aber irgendwie blieb das Schriftstück dann erst einmal bei uns im Bücherregal liegen.
Zu einem späteren Zeitpunkt ergab es sich bei einem Gespräch innerhalb der Familie, dass das Thema Hausbootfahren erneut bei uns zur Sprache kam.
Spontan wurden wir dazu befragt und uns wurde angeboten, zusammen mit meiner Mutter und ihrem Lebensgefährten eine solche gemeinsame Tour zu unternehmen, darüber hätten sie auch schon öfters gesprochen, das würde ihnen auch gefallen.
Die Bootsmiete und alle anderen anfallenden Kosten wollten wir uns hälftig teilen, so war dann direkt eine Absprache dazu getroffen worden.
Und als idealer Termin suchten wir uns das Frühjahr aus, in der Nebensaison waren die Preise etwas moderater.
Das geeignete Boot und die Region mitsamt Abfahrtsbasis waren schnell gefunden und ausgesucht worden, ein einzelner Telefonanruf reichte vollkommen aus, um die Anmietung perfekt zu machen.
Und so kam es zur Anmietung der Buccaneer 6 von der Crown Blue Line für eine Woche zu Ostern 1997 auf dem Canal du Mid in Südfrankreich.
Die gebuchte Ferienwoche auf dem Boot schmiegte sich gut in die Pläne zu unserem Aufenthalt am Wohnwagen in Südfrankreich in den Osterferien ein.
Zuerst fuhren wir für eine Woche zum Wohnwagen nach Le Castellet, um anschließend am folgenden Osterwochenende das Boot auf der anderen Seite der Camargue für eine Woche in Beschlag zu nehmen.
Für Karfreitag hatten wir noch eine Einladung zu einem Mittagessen nach Nice angenommen, die die Eltern der Tanzpartnerin unseres ältesten Sohnes ausgesprochen hatten.
Die Eltern hatten sich zu diesem Zeitpunkt für zwei Wochen eine Ferienwohnung in einer Ferienanlage in Nice angemietet.
Der Besuch dort gestaltete sich an diesem Tag ausgesprochen entspannt und angenehm, obwohl wir im Vorfeld mit sehr gemischten Gefühlen dorthin gefahren waren.
Die Eltern, hier besonders die Mutter, war eine sehr schwierige Person mit einer beherrschenden Art, die auch versuchte, sich in unsere Freizeitplanung bestimmend einzubringen.
Dennoch verbrachten wir einen wunderschönen Tag in Nice, der noch durch einen spontanen Bummel durch die Stadt und einem Besuch in einem Eiscafé ergänzt wurde.
Zum Abend machen wir uns dann auf die Rückfahrt von Nice nach Le Castellet, da wir uns am nächsten Morgen nicht zu spät auf den Weg durch die Camargue aufmachen wollten.
Irgendwo dort auf der anderen Seite von Sand, Wasser und Rhône wartete ein schwimmendes Abenteuer auf uns.
Hausboot, wir kommen.
Am Ostersamstag ging es dann los. Wir machten uns mit den beiden Fahrzeugen auf den Weg nach Port Cassafières, um dort unsere gebuchte Abenteuerwoche auf dem Hausboot zu verbringen.
Die Fahrzeuge wurden mit den nötigsten Sachen wie Getränke und Konserven beladen, da wir diese bereits in der Woche zuvor vor Ort in Südfrankreich einkaufen konnten.
Frisches Brot sollte später unterwegs täglich dazu gekauft werden und die nötigen Lebensmittel für das Frühstück an den ersten Tagen war bereits in den Autokühlschränken verstaut.
Der Campingbus von Hilmar hatte einen festen Kühlschrank eingebaut und bei mir im Pajero hatten wir einen Campingkühlschrank über das 12 Volt Netz des Fahrzeuges angeschlossen in Betrieb.
Den benutzten wir so auch im Sommer auf unseren Ausflügen oder bei den Strandbesuchen an der Rhône. Das war extrem praktisch und es hatte schon einen kleinen Hauch von Luxus, immer gekühlte Getränke im Auto zu haben, besonders in der Gluthitze des Südens im Sommer dort unten in der Provence.
Am Morgen kamen noch die Taschen mit der Bekleidung für die nächste Woche in die Fahrzeuge und dann konnte es endlich losgehen.
Wir hatten bis zum späten Nachmittag Zeit, um zu der Abfahrtsbasis vor Ort zu kommen, da die Übernahme des Bootes erst ab 16°° Uhr erfolgen konnte.
Die Basis des Bootvermieters lag auf der anderen Seite der Camargue unweit von Béziers, dort, wo hinter Agde die langen Sandstrände des Languedoc anfingen, die sich entlang der Küste bis kurz vor der spanischen Grenze ausdehnten und die Urlaubsregion entlang der Küste des Languedoc-Roussillon bildeten.
Bei den Vorbereitungen zu unserer Anfahrt auf die andere Seite der Camargue hatten wir beschlossen, ab Aubagne die Autobahn nach Marseille zu nehmen und in der Stadt runter zum Hafen zu fahren, dort durch den neuen Tunnel unter dem alten Hafen zu fahren um dann die Stadt entlang der Rade de Marseille auf der anderen Seite der Stadt in Richtung Vitrolles zu verlassen.
Bei La Pigne wechselten wir später auf die A 55, die uns entlang des Étang de Berre über Martigues nach Fos-sur-Mer führte.
Die Autobahn ging dann irgendwann am Rande der östlichen Camargue in die Nationalstraße RN 568 über, die dennoch hoch bis nach Arles autobahnähnlich ausgebaut ist.
Nach der Stadtumfahrung von Arles folgten wir der RN 572 nach Saint Gilles und passierten dabei den nördlichen Teil der Camargue, der hier bereits auf der anderen Seite der Grand Rhône lag.
Unterwegs suchten wir uns einen schönen lauschigen und schattigen Platz, um dort eine kleine Mittagspause einzulegen.
Dieser gewählte Weg durch Marseille und die Camargue ersparte uns den weiten Bogen über die Autobahn von Aubagne über Aix-en-Provence bis hoch an die A9 bei Orange, der uns von dort über die La Languedocienne genannte Autobahn wieder runter über Nîmes an unsere jetzige Position gebracht hätte.
Nicht immer ist die Autobahn die schnellste und günstigste Verbindung.
Landkarten sind von Vorteil, wenn man sie lesen kann.
Nach der Mittagspause galt es das letzte Teilstück unserer Anreise zur Basis bei Beziers zu bewältigen.
Die weitere Fahrt führte uns über Lunel Richtung Montpellier, ab dort nutzten wir für die letzten siebzig Kilometer aber dann doch die Autobahn, da die Landstraße hinter Séte entweder südlich am Étang de Thau vorbeiführte oder nördlich davon ab Mèze einen weiteren Umweg für uns bedeutete. Die Autobahn hingegen führte über die Hügel von Florensac direkt nach Béziers.
Dort galt es mit Hilfe der Anfahrt- und Anreiseinformation, die uns in Form einer Fotokopie mit den Buchungsunterlagen mitgeschickt worden war, den Weg von Béziers zur Basis vom Bootsvermieter Crown Blue Line in der Nähe von Portiragnes zu finden.
Zu diesen Zeiten gab es noch keine bezahlbare Navigationsgeräte oder Handys, mit denen man leicht und einfach wie in der heutigen Zeit seinen Weg finden konnte.
Klar von Vorteil war es, wenn man Karten lesen konnte und sich bereits im Vorfeld einen Überblick in den gängigen Karten ( MICHELIN 83) gemacht hatte.
Die bei meiner Vorbereitung der Fahrt zum Hafen bei Beziers erstellten Notizen ergaben, es wären noch etwa vierzehn Kilometer über unterschiedlich kleine Landstraßen zu fahren. Ich erwartete auch erst auf den letzten Kilometern der Fahrt eine Ausschilderung zu unserer Basis.
Und genauso kam es dann, obwohl das erste Teilstück ab der Autobahnausfahrt leicht zu finden war.
Nach dem Verlassen der Autobahn brauchten wir nur der Bezeichnung der D 37 folgen und gelangten nach einer kurzen Strecke an den Canal du Midi, der die Landstraße hier einige Kilometer begleitete, um dann den Canal du Midi hinter Portiragnes zu überqueren und anschließend Richtung Mittelmeer zu den Stränden von Portiragnes Plage, der gleichnamigen Gemeinde dort, führte.
Und hier stand dann neben einer Abzweigung ein Schild mit dem Hinweis zur Basis von Crown Blue Line.
Wir bogen von der kleinen Landstraße links ab und bereits einige wenige hundert Meter weiter stand ein weiteres Hinweisschild, dem es ebenfalls nach links zu flogen galt.
Die Spannung bei uns wuchs mehr und mehr, die Ungeduld wurde, besonders bei den Kindern, immer größer und größer. Kurz vor einer Zufahrt zu einem Campingplatzgelände zweigte erneut ein Weg nach links ab, und schon erreichten wir ein Hafenbecken, in dem ein gutes Dutzend Boote unterschiedlichster Bauarten lag, die meisten davon gleich hellblau eingefärbt und mit dem Emblem des Bootsvermieters CROWN BLUE LINE versehen.
Wir waren angekommen.
Ein großzügiger Parkplatz, zu dem man über eine Zufahrt seitlich des Hafenbeckens gelangen konnte, war mit Fahrzeugen gut belegt, deshalb stellten wir unsere Autos erst einmal neben dem Fahrweg ab.
Die Familie machte eine erste Entdeckungstour auf der Anlage der Basis, während ich mit Hilmar zur Rezeption schritt, um uns anzumelden und den weiteren Ablauf abzuklären, hatten wir doch absolut keine Ahnung, wie das so abläuft.
Im Büro wurden wir freundlich empfangen und es wurden uns die weitere Vorgehensweise erklärt.
Zuerst wurde der Papierkram erledigt, es erfolgte das Einchecken und die Übergabe der Fahrerlaubnis für das führerscheinfreie Boot. Danach wurde uns das Boot zugewiesen und nun hatten wir ausreichend Zeit, um all unser Gepäck an Bord im Boot zu verstauen.
Unser erster Eindruck bei der Begehung des Bootes war enorm, das Schiff wirkte einfach nur riesig und war im Innenbereich nicht mit dem Innenraum eines Wohnwagens zu vergleichen.
Ein seitlicher Gang, der von hinten bis nach vorne durch das ganze Schiff führte, endete nach der seitlich gelegenen Küchenzeile an der Türe zum Salon.
Wenn man aus diesem Gang aus dem Fenster schaute, hatte man den Eindruck, als ob man auf gleicher Höhe wie das uns umgebende Wasser war.
Und irgendwie war da so ein leichter und eigentümlicher Geruch im Boot zu vernehmen. Eine Mischung aus Dieselkraftstoff und etwas uns Unbekannten umgab uns im Boot, an das wir uns aber sehr schnell gewöhnten.
Hilmar und meine Mutter bezogen die Achterkabine, die beiden Jungs die Kabine mittschiffs und für die Eltern kam dann nur noch das Klappbett im Salon in Frage, aber das war bereits im Vorfeld bei der Auswahl und der Buchung des Schiffes so abgesprochen worden.
Zu einem späteren Zeitpunkt wollte dann ein Mitarbeiter der Basis zu uns kommen und uns eine technische Unterweisung der Besonderheiten des Bootes hier an Bord geben.
Wir kannten uns zwar mit Wohnwagen, Camping und vielen anderen Dingen aus, viele Jahre zuvor waren wir regelmäßig zum Segeln gefahren, aber so ein Hausboot war doch eine ganz andere Nummer, totales Neuland für uns.
Nach dem ersten Erkunden des Bootes wurde nun das Gepäck an Bord gebracht und verstaut. Unsere vorher getätigten Einkäufe wurden in der Küche im Kühlschrank und in die Lagerschränke verstaut, die sich dort versteckten. Dabei bekam man auch einen Überblick, in welchen Fächern sich Teller, Tassen und Besteck befanden.
Unsere Autos waren schnell entladen, denn sehr viel Gepäck hatten wir für diese eine Woche auch nicht mitgenommen. Die entleerten Fahrzeuge wurden dann auf den abgeschlossenen Parkplatz gefahren und dort für die nächsten paar Tage abgestellt.
An Bord war die Crew mit den restlichen Einräumarbeiten beschäftigt und hatte auch bereits verschiedene Utensilien an Bord gesäubert oder besser gesagt nachgewischt, da irgendetwas nicht der gewöhnten Vorgabe entsprach.
Um die Jungs brauchten wir uns nicht kümmern, deren Taschen landeten irgendwo in der Kabine und wenig später war auch schon das bekannte Geräusch vom Game Boy zu vernehmen.
Freddy war angekommen.
Dann klopfte es an der Bordwand, der Mitarbeiter der Basis war gekommen, um uns unsere Unterweisung für das Boot zu geben.
Zuerst bekamen wir die technischen Erklärungen für die Besonderheiten bei einem Boot: wo befand sich der Zugang zum Wassertank, wo wurden die Pumpen eingestellt, wie funktionierten die Toiletten und die Dusche an Bord.
Anschließend erfolgte die Erklärung für den Motor und der dort befindlichen technischen Einrichtungen. Der Deckel zum Maschinenraum wurde geöffnet und gab den Blick auf den Motor und seine Anbauaggregate frei. Alle Einrichtungen und deren Funktionen wurden uns erklärt, zusätzlich wurden wir angewiesen, jeden Tag vor dem Start des Motors den Ölstand und den Wasserstand im Kühler zu kontrollieren, außerdem wurden wir über die Aufgabe und die Wartung des Seewasserfilters unterrichtet. Das war Alles Neuland für uns Landratten, so etwas hatte ein reines Segelboot nicht, langsam qualmten bei uns die Köpfe.
So weit, so gut.
Dann kam der große Augenblick, es ging zurück nach vorne in den Salon und dort an den Steuerstand. Die wenigen Instrumente dort waren eigentlich selbsterklärend, dennoch wurde jede einzelne Anzeige davon genaustens besprochen, wofür waren die Warnlichter, wozu diente der große Hebel an der Seite. Wie wird das Auskuppeln des Getriebes vorgenommen, wie bedient man den Schubregler, auch hier war wieder einiges Neues zu erlernen. Dann kam der Zündschlüssel in das Schloss und die Prozedur des Vorglühens wurde erklärt und erfolgte dann auch sofort. Anschließend wurde der Schlüssel gedreht und der Motor sprang nach einigen Umdrehungen des Startermotors sofort an. Um den Motor abzustellen musste ein Griff gezogen werden, auch das war für uns neu, am Auto drehte man einfach den Schlüssel zurück und zog ihn ab.
Der Motor lief ruhig im Leerlauf. Was kommt nun?
Unser Einweiser machte sich nun daran, die Leinen zu lösen, Hilmar half ihm dabei, und so waren wir das erste Mal nicht mehr mit dem Land verbunden auf „unserem“ eigenen Motorboot unterwegs. Also noch nicht so richtig, wir lagen ja nur lose in der Box. Geschickt wurde das Boot vom Einweiser aus der Box manövriert, begleitet von dauernden Erklärungen zu den einzelnen Manöverabläufen, und warum diese so erfolgten.
Langsam stieg Rauch auf im Salon, so qualmte jetzt mein Kopf. Wohin noch mit dem ganzen Input?
Ganz langsam und sachte wurde das Boot in die Fahrrinne im Hafenbecken in Richtung Hafenausfahrt und Einmündung in den Canal du Midi gelenkt.
Dort fuhr der Mechaniker mit dem Boot einige hundert Meter nach rechts in den Canal du Midi ein, um uns dann anschließend noch einige Tipps zu weiteren Manövern zu geben.
Wie wird das Boot aufgestoppt, ein Boot hat ja bekanntlich keine Bremsen. Was muss man machen, um das Boot zu wenden, am besten noch auf der Stelle, auf engstem Raum, das wurde uns auch sofort demonstriert.
Das Anlegen wurde besprochen, wie nahe konnte man mit dem Boot ans Ufer fahren, wozu dienten die Eisenstäbe im Motorraum, wenn man Anlegen wollte und keine Poller am Ufer dazu bereitstanden.
Input, Input, Input.
Hoffentlich konnte ich mir das Alles merken.
Diese Erklärungen standen zwar auch im Kapitänshandbuch, das wir mit den Buchungsunterlagen von der Vermietungsfirma erhalten hatten, um sich im Vorfeld damit zu beschäftigen, aber jetzt alles Live zu erleben war doch etwas ganz anderes.
Der Mechaniker fuhr gemütlich in den Hafen zurück, stoppte vor dem selben Steg, von dem wir losgefahren waren ab und manövrierte das Boot fachkundig rückwärts an den Steg, ohne daran anzustoßen, sprang die wenigen letzten Zentimeter an Land und vertäute das Boot an den Klampen, die in gewissen Abständen am Steg befestigt waren.
Der Motor wurde abgestellt und es erfolgten noch ein paar Erklärungen, an deren Einzelheiten ich mich nicht mehr erinnern kann, mein Kopf war voll, da passte nichts mehr hinein.
„Noch Fragen“?
„Keine“?
Wir waren sprachlos, uns viel in dem Moment wirklich nichts ein.
„Einen schönen Urlaub dann“ wünschte er uns und war zum nächsten Boot verschwunden.
Und nun?
Oh je, jetzt wurde es ernst.
Alle Zeichen deuteten darauf hin, dass unsere Abfahrt mit dem Boot unmittelbar bevorstand.
Man könnte auf einem Hausboot auch ein paar schöne Tage in einem schönen Hafen verbringen, oder?
Aber diese Gedanken fanden keine Anhänger unter meiner Mannschaft auf der Buccaneer 6.
Ein letzter Landgang wurde getätigt. Erste Verpackungstüten, die nicht mehr gebraucht wurden, und der erste angefallene Müll wurden in die Entsorgungsbehälter gebracht.
Meine Frau benutzte die Telefonzelle an der Einfahrt zum Parkplatz für einen letzten Telefonanruf nach Deutschland und meldete sich bei ihrer Oma ab.
Vielleicht ein letztes Lebenszeichen von uns, bevor wir uns in die unbekannten und stürmischen Gewässer begeben und wer weiß wohin wir durch stürmische Winde getrieben werden?
Die Mannschaft traf sich zu einer letzten Besprechung im Salon an Bord, es wurde sich noch einmal kurz beraten, wie der weitere Verlauf des Tages gestaltet werden sollte, obwohl wir darüber bereits im Vorfeld gesprochen hatten.
Wir wollten die ersten acht Kilometer auf dem Canal du Midi fahren und in der Nachbargemeinde Villeneuve-lès-Béziers an dem dort im Kanalführer angegebenen Anlegeponton unsere erste Nacht verbringen. Für den Ort waren im Kanalführer mehrere Geschäfte, eine Bäckerei und auch mehrere Restaurants eingetragen. Dort wollten wir zur Feier des Tages unser Abendessen in einem Restaurant genießen und den Tag ausklingen lassen. Die Fahrzeit bis dorthin betrug etwa eine Stunde, so die Überschlagsrechnung anhand der Daten aus dem Kapitänshandbuch, das war gut zu schaffen. Es war gerade kurz vor siebzehn Uhr, eine Stunde Fahrt sollte eigentlich kein Problem darstellen. Einzig die erste Schleuse, die nach drei bis vier Kilometern im Kanalführer eingezeichnet war, stellte eine unbekannte Größe dar, von der wir bisher keine Ahnung hatten, wie lange man für so eine Schleusenpassage brauchen würde.
Es gab nur eine Möglichkeit, dies herauszufinden.
Auszug aus dem Bordbuch: 17:25 Uhr Der Motor wurde gestartet und es erfolgte das erste Leinen-Los-Kommando. Behutsam wurde der Antrieb eingekuppelt und langsam das Boot aus der Box gefahren. Zu früh erfolgte allerdings das Einlenken, sodass unser Heck beim Ablegen am Nachbarboot entlangscheuerte.
Zum Glück waren bei beiden Booten die Gummischeuerleisten auf der gleichen Höhe angebracht, das andere Boot war nicht besetzt und es entstand auf diese Weise kein Schaden.
Die Fender am Boot verhakten sich an den Fendern des Nachbarbootes und zogen sich hoch, da die Befestigungsleinen der Fender keine andere Möglichkeit boten. Als sie aneinander vorbeizogen plumpsten sie zurück in ihre alte Position.
Nichts passiert.
Schon etwas dazu gelernt, obwohl es eigentlich auch im Kapitänshandbuch erwähnt war:
Boote schwenken beim Lenkmanöver mit dem Heck stark aus, dieses Auslenken sollte beim Manöver berücksichtigt werden.
Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag fuhren wir mit dem Boot aus dem Hafenbecken heraus und auf den Canal du Midi, diesmal war allerdings ein blutiger Anfänger am Steuer, vielmehr am Ruder, also ich selbst.
Die Einmündung in den Canal du Midi kam immer näher und näher und ich suchte nach der Bremse.
Ach Nonsens, so etwas hat ja ein Boot nicht.
Zum Glück viel mir in diesem Moment spontan wieder ein, was uns auf der Einführungsfahrt gezeigt und erklärt worden war:
Zum Aufstoppen Rückwärtsgang einlegen und Gas geben.
Gesagt, getan.
Das Boot kam zum Stehen, bevor wir gegenüber der Hafeneinfahrt einen neuen Querkanal in Richtung Paris anlegen konnten.
Nein, eigentlich war diesmal alles gut ausgegangen, das Boot gehorchte so wie ich es mir vorgestellt und gedacht hatte.
Der Bug des Bootes ragte knapp zwei Meter in den Kanal hinein, sodass wir ihn gut einsehen konnten und auch nun gut sehen konnten, ob aus einer der beiden Richtungen ein anderes Boot kam, das dann eventuell von uns gerammt und versenkt worden wäre.
Also Vorfahrt achten, ist doch gar nicht so schwer, oder?
Schon drei Sachen dazu gelernt, und dass in einer so kurzen Zeit. Diese Woche auf dem Hausboot wird bestimmt sehr lang werden, zumindest für mich.
Weder von links noch von rechts, also weder von der Backbordseite noch von der Steuerbordseite war ein anderes Boot zu sehen, also freie Fahrt für uns.
Nun galt es, das Boot irgendwie dazu zu bewegen, in die von mir angepeilte Richtung zu drehen und in die Richtung zu fahren, die ich mir vorstellte.
Das Drehen am Steuerrad bewirkte dabei Wunder.
Sicher im Kanal angekommen wurde der Gashebel vorsichtig nach vorne gelegt und los ging es.
Nun waren wir tatsächlich mit einem Hausboot auf dem Canal du Midi unterwegs.
Vorne im Salon war die Türe geöffnet worden und gab den Weg frei auf die kleine Runde auf dem Vorschiff, auf der man sich aufhalten und auf den beiden Stufen auch sitzen konnte. Die Plätze waren schnell besetzt worden.
Langsam schob sich die Landschaft an uns vorbei und gab uns ein erstes Gefühl für die Ruhe und Gelassenheit, die das Fahren auf dem Wasser so mit sich bringt.
Der Kanal führte entlang einer mehr landwirtschaftlich genutzter Flächen, Zäune und Büsche reichten bis an das Wasser heran. Auf der anderen Seite verlief irgendwo in nicht zu weiter Entfernung die Landstraße, auf der wir vor ein paar Stunden den Weg zur Basis gesucht hatten. Dort drüben erschien uns das Gelände flacher und weniger bewaldet als auf der linken Seite des Bootes. Eine Waldung mit Pinien säumte kurz darauf das Ufer, hier fuhren wir an einem Campingplatz vorbei und wir fragten uns, ob das der Platz sei, den die Familie eines Freundes hier irgendwo am Kanal betrieb, das wäre gut möglich.
Nach diesen ersten paar Kilometern durch die halboffene Landschaft näherten wir uns einer Kanalbiegung, die danach den Blick frei gab auf unsere erste Schleuse auf dem Canal du Midi, die uns bei Portiragnes den Weg versperrte.
Und das Anzeigelicht, die Ampel, war aus.
Der Erbauer des Canal du Midi, Paul Riquet, erbaute die Schleusen alle in einer ovalen Form, eine typische Eigenart des Canal du Midi, die es auch nur hier unten in Südfrankreich so gibt
17:55 Uhr Was nun? Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Trotz der angegebenen Öffnungszeit im Kanalführer war die Schleuse geschlossen. Eine kurze Beratschlagung erfolgte, als Ergebnis wollten wir die Lage dort an der Schleuse erkunden. Dazu legten wir an Steuerbord an einem kleinen Wartekai an, was mir, da es zum ersten Mal erfolgte, erstaunlich gut gelang. Pascal und meine Frau hielten das Boot mit den Seilen an den Pollern, die an dem Steg befestigt waren, während ich mit Hilmar an Land und hoch zum Schleusenwärterhäuschen ging. Die Erkundung am Aushang in einem Schaukasten am Schleusenwärterhaus ergab, dass die Schleusen im März bereits um 17:30 Uhr schlossen, Vorsaison eben. Unser Abendessen im Restaurant löste sich langsam in Luft auf. Zum Glück hatten wir zwar für alle Fälle ausreichend Lebensmittel an Bord, aber wir hatten uns bereits auf ein gemütliches Abendessen in einem Restaurant gefreut und waren etwas enttäuscht.
Was nun?
18:10 Uhr Nach kurzer Beratung und Diskussion wurde das Boot sicher an den Pollern belegt und der Motor abgeschaltet. Hier wollten oder mussten wir die kommende Nacht verbringen.
Unser heutiges geplantes Etappenziel wurde um vier Kilometer verpasst, das entsprach etwa einer halben Stunde Fahrzeit plus der Zeit für das Scheusenmanöver. Aber die Zeit werden wir am nächsten Tag mit Sicherheit wieder herausholen können, obwohl wir eigentlich keinen festen Reise- oder Zeitplan für die ganze Woche hatten.
Und wir hatten noch eine Möglichkeit: im Kanalführer war auch für Portiragnes ein einzelnes Restaurant verzeichnet, das es nun zu finden gab.
Die Crew machte sich fertig für einen ersten Landgang und im Gänsemarsch ging es an Land und in Richtung zu dem Ortskern, um nach der Taverne Ausschau zu halten.