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© 2020 herausgegeben von Dirk Bertram, Ennigerloh (NRW) Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Diese Ausgabe basiert auf:
Wilhelm Conrad Röntgen: Über eine neue Art von Strahlen, Kindler Verlag, München 1972, ISBN 3463005077
ISBN: 978-3-7526-3584-3
erlaubt sich die Physikalisch-Medizinische Gesellschaft in Würzburg die aufrichtigsten und herzlichsten Glückwünsche zum siebzigsten Geburtstag zu senden.
Vielen unserer Mitglieder ist es vergönnt, sich noch der schönen Zeit zu erinnern, in welcher Sie an unseren Sitzungen teilnahmen und die wissenschaftlichen Bestrebungen der Gesellschaft förderten. Vielen von uns sind auch jene denkwürdigen Abende noch in frischem Gedächtnis, an welchen Sie zum erstenmal Ihre bahnbrechende, die theoretische Wissenschaft, die praktische Medizin und das gesamte Leben der Menschen in gleichem Maße fördernde Entdeckung der nach Ihnen benannten Strahlen mitgeteilt haben. Und wiewohl in unserer seit dem Jahre 1849 bestehenden Gesellschaft viele neue wertvolle Ergebnisse der Wissenschaft vorgetragen und diskutiert wurden, so betrachten wir doch jene denkwürdigen Sitzungen als den Höhepunkt der Leistungen, auf die unsere Gesellschaft hinzuweisen hat.
Unter diesen Umständen glauben wir, daß wir Euer Exzellenz zum siebzigsten Geburtstag keine größere Ehrung darbringen können, als wenn wir die drei klassischen Aufsätze, in welchen Sie die Grundlagen Ihrer Entdeckung behandelt haben, dem gesamten deutschen Volke und der gesamten wissenschaftlich interessierten Welt leicht zugänglich machen. Wir haben uns daher mit Ihrer Genehmigung entschlossen, eine Ausgabe der genannten hervorragenden Arbeiten zu veranstalten. Gleichzeitig lassen wir Ihnen einige Exemplare in schönerer Ausstattung zugehen.
Würzburg, im März 1915.
Die Physikalisch-Medizinische Gesellschaft in Würzburg
(vorläufige Mitteilung)
1. Läßt man durch eine Hittorfsche Vakuumröhre, oder einen genügend evakuierten Lenardschen, Crookesschen oder ähnlichen Apparat die Entladungen eines größeren Ruhmkorffs gehen und bedeckt die Röhre mit einem ziemlich eng anliegenden Mantel aus dünnem, schwarzem Karton, so sieht man in dem vollständig verdunkelten Zimmer einen in die Nähe des Apparates gebrachten, mit Bariumplatinzyanür angestrichenen Papierschirm bei jeder Entladung hell aufleuchten, fluoreszieren, gleichgültig ob die angestrichene oder die andere Seite des Schirmes dem Entladungsapparat zugewendet ist. Die Fluoreszenz ist noch in 2 m Entfernung vom Apparat bemerkbar.
Man überzeugt sich leicht, daß die Ursache der Fluoreszenz vom Entladungsapparat und von keiner anderen Stelle der Leitung ausgeht.
2. Das an dieser Erscheinung zunächst Auffallende ist, daß durch die schwarze Kartonhülse, welche keine sichtbaren oder ultravioletten Strahlen des Sonnen- oder des elektrischen Bogenlichtes durchläßt, ein Agens hindurchgeht, das imstande ist, lebhafte Fluoreszenz zu erzeugen, und man wird deshalb wohl zuerst untersuchen, ob auch andere Körper diese Eigenschaft besitzen.
Man findet bald, daß alle Körper für dasselbe durchlässig sind, aber in sehr verschiedenem Grade. Einige Beispiele führe ich an. Papier ist sehr durchlässig1): hinter einem eingebundenen Buch von ca. 1000 Seiten sah ich den Fluoreszenzschirm noch deutlich leuchten; die Druckerschwärze bietet kein merkliches Hindernis. Ebenso zeigte sich Fluoreszenz hinter einem doppelten Whistspiel; eine einzelne Karte zwischen Apparat und Schirm gehalten macht sich dem Auge fast gar nicht bemerkbar. − Auch ein einfaches Blatt Stanniol ist kaum wahrzunehmen; erst nachdem mehrere Lagen übereinander gelegt sind, sieht man ihren Schatten deutlich auf dem Schirm. − Dicke Holzblöcke sind noch durchlässig; 2−3 cm dicke Bretter aus Tannenholz absorbieren nur sehr wenig. − Eine ca. 15 mm dicke Aluminiumschicht schwächte die Wirkung recht beträchtlich, war aber nicht imstande, die Fluoreszenz ganz zum Verschwinden zu bringen. − Mehrere zentimeterdicke Hartgummischeiben lassen noch Strahlen2) hindurch. − Glasplatten gleicher Dicke verhalten sich verschieden, je nachdem sie bleihaltig sind (Flintglas) oder nicht; erstere sind viel weniger durchlässig als letztere. − Hält man die Hand zwischen den Entladungsapparat und den Schirm, so sieht man die dunkleren Schatten der Handknochen in dem nur wenig dunklen Schattenbild der Hand. − Wasser, Schwefelkohlenstoff und verschiedene andere Flüssigkeiten erweisen sich in Glimmergefäßen untersucht als sehr durchlässig. − Daß Wasserstoff wesentlich durchlässiger wäre als Luft habe ich nicht finden können. − Hinter Platten aus Kupfer, resp. Silber, Blei, Gold, Platin ist die Fluoreszenz noch deutlich zu erkennen, doch nur dann, wenn die Plattendicke nicht zu bedeutend ist. Platin von 0,2 mm Dicke ist noch durchlässig; die Silber- und Kupferplatten können schon stärker sein. Blei in 1,5 mm Dicke ist so gut wie undurchlässig und wurde deshalb häufig wegen dieser Eigenschaft verwendet. − Ein Holzstab mit quadratischem Querschnitt (20 x 20 mm), dessen eine Seite mit Bleifarbe weiß angestrichen ist, verhält sich verschieden, je nachdem er zwischen Apparat und Schirm gehalten wird; fast vollständig wirkungslos, wenn die X-Strahlen parallel der angestrichenen Seite durchgehen, entwirft der Stab einen dunklen Schatten, wenn die Strahlen die Anstrichfarbe durchsetzen müssen. − In eine ähnliche Reihe, wie die Metalle, lassen sich ihre Salze, fest oder in Lösung, in bezug auf ihre Durchlässigkeit ordnen.
3. Die angeführten Versuchsergebnisse und andere führen zu der Folgerung, daß die Durchlässigkeit der verschiedenen Substanzen, gleiche Schichtendicke vorausgesetzt, wesentlich bedingt ist durch ihre Dichte: keine andere Eigenschaft macht sich wenigstens in so hohem Grade bemerkbar als diese. Daß aber die Dichte doch nicht ganz allein maßgebend ist, das beweisen folgende Versuche. Ich untersuchte auf ihre Durchlässigkeit nahezu gleichdicke Platten aus Glas, Aluminium Kalkspat und Quarz; die Dichte dieser Substanzen stellte sich als ungefähr gleich heraus, und doch zeigte sich ganz evident, daß der Kalkspat beträchtlich weniger durchlässig ist als die übrigen Körper, die sich untereinander ziemlich gleich verhielten. Eine besonders starke Fluoreszenz des Kalkspates namentlich im Vergleich zum Glas habe ich nicht bemerkt.
4. Mit zunehmender Dicke werden alle Körper weniger durchlässig. Um vielleicht eine Beziehung zwischen Durchlässigkeit und Schichtendicke finden zu können, habe ich photographische Aufnahmen (vgl. pag. 12) gemacht, bei denen die photographische Platte zum Teil bedeckt war mit Stanniolschichten von stufenweise zunehmender Blätterzahl; eine photometrische Messung soll vorgenommen werden, wenn ich im Besitz eines geeigneten Photometers bin.
5. Aus Platin, Blei, Zink und Aluminium wurden durch Auswalzen Bleche von einer solchen Dicke hergestellt, daß alle nahezu gleich durchlässig erschienen. Die folgende Tabelle enthält die gemessene Dicke in Millimetern, die relative Dicke bezogen auf die des Platinbleches und die Dichte:
Dicke | relat. Dicke | Dichte | |
Pt. | 0,018 mm | 1 | 21,5 |
Pb. | 0,05 ’’ | 3 | 11,3 |
Zn. | 0,10 ’’ | 6 | 7,1 |
Al. | 3,5 ’’ | 200 | 2,6 |