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Stephan Meder

Rechtsgeschichte

Eine Einführung

6., durchgesehene und aktualisierte Auflage

BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN · 2017

Stephan Meder ist Professor für Zivilrecht und Rechtsgeschichte an der Universität Hannover.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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6. Auflage 2017

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Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig.

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Satz: büro mn, Bielefeld
EPUB-Erstellung: Lumina Datamatics, Griesheim

UTB-Band-Nr. 2299 | ISBN 978-3-8252-4885-7 | eISBN 978-3-8463-4885-7

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Wo anfangen?

2. Vom römischen Recht zum europäischen ius commune

3. Wo stehen wir heute?

1. Kapitel
Das altrömische Recht

1. Das Zwölftafelgesetz

2. Zum Inhalt des Zwölftafelgesetzes

2.1 Vermögensrecht

2.1.1 Die Libralakte

Mancipatio

Nexum

2.1.2 Stipulatio

2.2 Familienrecht

2.3 Straf- und Deliktsrecht

3. Die Entstehung des Rechts aus der Gewalt

2. Kapitel
Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der römischen Rechtskultur

1. Interpretatio

1.1 Emancipatio

1.2 In iure cessio

1.3 Interpretatio extensiva

2. Der Legisaktionenprozess

3. Prätorisches Recht

3.1 Das Ende der Priesterherrschaft

3.2 Der Formularprozess

4. Das „Völkergemeinrecht“ (ius gentium)

5. Römische Juristen der Frühklassik

5.1 Der Einfluss des Hellenismus

5.2 Soziale Stellung und Tätigkeitsfelder

5.3 Die Rechtsschulen der Sabinianer und Prokulianer

6. Rechtsfortbildung durch Abbau von Förmlichkeiten

3. Kapitel
Der Prinzipat

1. Libertas, potestas und auctoritas

2. Römisches Juristenrecht unter dem Prinzipat

3. Römische Juristen der Hoch- und Spätklassik

4. Rechtsquellen unter dem Prinzipat

4.1 Das Senatus Consultum Velleianum als Beispiel

4.2 Geschriebenes und ungeschriebenes Recht

5. Die Ehegesetzgebung des Augustus

4. Kapitel
Die römische Spätzeit bis zur Justinianischen Kodifikation

1. Rechtsquellen und Rechtsliteratur in der Zeit der Nachklassik

2. Rechtsfortbildung durch Kaiserrecht

3. Die Teilung des Reiches

4. Die Kodifikation unter Justinian

5. Resümee und Ausblick

5.1 Das Kommentierungsverbot

5.2 Das justinianische Gesetz als Kodifikation

5. Kapitel
Germanische Rechte zwischen Antike und Frühmittelalter

1. Das durch die Germania des Tacitus vermittelte Germanenbild

1.1 Ehe und Stellung der Frauen

1.2 Erziehung und Erbrecht

1.3 Gerichtsbarkeit

1.4 Gefolgschaft

1.5 Kampf und Kampfbereitschaft als größte Tugenden

2. Frühmittelalterliche „Stammesrechte“

2.1 Rechte der Westgoten und Burgunder

2.2 Rechte der Franken und Langobarden

2.3 Rückschlüsse auf das ursprüngliche germanische Recht?

2.4 Kompositionensysteme

3. Karl der Große als Gesetzgeber

4. Ausblick: Die Teilung des fränkischen Reiches

6. Kapitel
Die mittelalterliche Kirche und das kanonische Recht

1. Vom Eigenkirchenwesen zum Investiturstreit

2. Zweischwerterlehre

3. Corpus iuris canonici

4. Beispiele kanonistischen Rechtsdenkens

4.1 Das Streben nach Gleichstellung der Geschlechter

4.2 Pacta sunt servanda

4.3 Sonstige Rechtsbildungen

7. Kapitel
Rechtsbildungen im deutschen Mittelalter

1. Sachsenspiegel und Tochterquellen

2. Beispiele mittelalterlichen Rechtsdenkens in Deutschland

2.1 Schadensersatz und Strafe

2.2 Handlungs-, Rechts- und Geschäftsfähigkeit

2.2.1 Rechtsfähigkeit

2.2.2 Geschäftsfähigkeit

2.3 Einfluss des Sachsenspiegels auf Deutsches Privatrecht

3. Reich und Reichsrecht in Mittelalter und Früher Neuzeit

8. Kapitel
Die Rezeption des römischen Rechts in Bologna und die Entstehung der Universitäten

1. Die Entstehung der Universitäten

2. Die Schule der Glossatoren

3. Das römische Recht in Frankreich

4. Das römische Recht in England

5. Die Schule der Kommentatoren

9. Kapitel
Juristischer Humanismus

1. Allgemeine Erscheinungen des Humanismus

2. Juristischer Humanismus in Italien

3. Juristischer Humanismus in Frankreich

4. Juristischer Humanismus in den Niederlanden

10. Kapitel
Feudalrecht und Stadtrecht

1. Lehnswesen

2. Grundherrschaft

3. Leibeigenschaft

4. Die Stadt als Insel personaler Freiheit

11. Kapitel
Die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland

1. Theoretische und praktische Rezeption

2. Rezeptionsjuristen und Praktiker im 16. Jahrhundert

3. Usus modernus im 17. und 18. Jahrhundert

12. Kapitel
Die Naturrechtsschule

1. Naturrecht als überpositives Recht

2. Historisches Naturrecht als Vernunftrecht

3. Geistesgeschichtliche Voraussetzungen des Naturrechts

4. Hugo Grotius

5. Zwischenergebnis

6. Naturrechtliche Strömungen in Deutschland

Samuel Pufendorf (1632 – 1694)

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716)

Christian Thomasius (1655 – 1728)

Christian Wolff (1679 – 1754)

7. Vor den Kodifikationen im 18. und 19. Jahrhundert

13. Kapitel
Einzelne Kodifikationen: Bayerische und preußische Gesetzgebungswerke, Code civil und österreichisches ABGB

1. Das bayerische Gesetzbuch

2. Das Preußische Allgemeine Landrecht

3. Der französische Code civil

4. Das Österreichische ABGB

5. Gesamtwürdigung der Naturrechtskodifikationen

14. Kapitel
Gründung der historischen Schule und erste Generation der Savigny-Schüler

1. Der Kodifikationsstreit

2. Person und Werk Savignys

3. Savignys Methodologie und das BGB

4. Würdigung der Haltung Savignys im Kodifikationsstreit

5. Historische Schule und Germanistik

6. Die erste Generation der Savigny-Schüler: Puchta

7. Puchtas Nachfolger Friedrich Ludwig von Keller

15. Kapitel
Pandektenwissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

1. Bernhard Windscheid (1817 – 1892)

2. Rudolph von Jhering (1818 – 1892)

2.1 Die erste Werkperiode: „Begriffsjurisprudenz“

2.2 Die zweite Werkperiode: Kritik der Begriffsjurisprudenz

3. Weitere Gemeinrechtler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

4. Werke des Deutschen Privatrechts

16. Kapitel
Kodifikationen unter dem Einfluss der Pandektenwissenschaft: Sächsisches BGB, Deutsches BGB und Schweizerische Zivilgesetzgebung

1. Die Kodifikation von Teilgebieten und das Sächsische BGB

2. Die Entwicklungen nach Gründung des Zweiten Deutschen Reiches

3. Die drei Entwürfe des Bürgerlichen Gesetzbuchs

4. Die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuchs

5. Schweizerische Zivilgesetzgebung

5.1 Das Schweizerische Obligationenrecht (OR)

5.2 Das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB)

17. Kapitel
Globalisierung von Recht und Rechtswissenschaft durch die historische Schule

1. Westeuropa

1.1 Frankreich

1.2 Italien

1.3 Österreich

1.4 Schweiz

2. Osteuropa

2.1 Russland

2.2 Ungarn

3. Länder des Common Law

3.1 England

3.2 USA

4. Resümee und Ausblick

18. Kapitel
Fortbildungen des Gesetzesrechts im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts

1. Formales und materiales Recht

1.1 Autonomie des Rechts

1.2 Trennung von Recht und Moral

1.3 Negativität des juristischen Freiheitsbegriffs

1.4 Bürgerlich-liberales „Sozialmodell“?

2. Methodenstreit

2.1 Freirechtsbewegung

2.2 Interessenjurisprudenz

2.3 „Begriffsjurisprudenz“ als Bollwerk menschlicher Freiheit gegen staatliche und richterliche Willkür?

19. Kapitel
Die Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945)

1. Das Ermächtigungsgesetz

2. Verabschiedung des subjektiven Rechts

3. Preisgabe des Gleichheitssatzes

4. Germanistik versus Romanistik

5. Führerprinzip und Gefolgschaft

6. Die Entkoppelung von Richter und Gesetz

7. Reform der Juristenausbildung, Abschied vom BGB und Volksgesetzbuch

20. Kapitel
Nachkriegszeit

1. Überblick über die Ereignisse nach der Kapitulation

2. Rechtspflege und Rechtswissenschaft in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR

2.1 Begriffsjurisprudenz, Interessenjurisprudenz und historischer Materialismus

2.2 Beseitigung des Prinzips der Gewaltenteilung

2.3 Rückschritte in der Gesetzgebungslehre

2.4 Weitere Merkmale des Rechtsbegriffs in der sozialistischen Gesellschaft

3. Rechtspflege und Rechtswissenschaft in den Westzonen und der späteren Bundesrepublik

3.1 „Renaissance des Naturrechts“

3.2 Entstehung und Inhalt des Grundgesetzes

3.3 Begriffsjurisprudenz, Interessenjurisprudenz und Wertungsjurisprudenz

21. Kapitel
Wo stehen wir heute?

1. Zivilrecht, Bürgerliches Recht und Privatrecht

1.1 Das Sonderprivatrecht

1.2 Entwicklungen in einzelnen Teilgebieten des Privatrechts

1.2.1 Vertragsrecht

1.2.2 Exkurs: Pacta sunt servanda?

1.2.2.1 Zunahme von Formgeboten

1.2.2.2 Pacta sunt servanda und Privatautonomie

1.2.3 Deliktsrecht

1.2.4 Familienrecht

2. Probleme der Verfassungsauslegung und der Drittwirkung von Grundrechten

3. Strafrecht

4. Ausblick: Vom Erbe der historischen Schule zu einer Theorie transnationaler Rechtsprozesse

Abkürzungen

Nützliche Internet-Adressen

Personenverzeichnis

Sachverzeichnis

Vorwort

Das Buch ist für die neue Auflage durchgesehen und an einigen Stellen geringfügig erweitert worden. Völlig neu formuliert wurde der Abschnitt über Gottfried Wilhelm Leibniz in dem Kapitel über das Naturrecht (12. Kapitel). Aus Anlass seines Todestages, der sich am 14. November 2016 zum 300. Male jährte, sind die wissenschaftlichen Debatten über sein juristisches Werk wieder in Fluss geraten. In der 6. Auflage soll diesen Diskussionen Rechnung getragen werden. Darüber hinaus sind neben den Querverweisen Schreibfehler korrigiert und Literaturhinweise aktualisiert worden. Alexander Ihlefeldt danke ich für die Umsetzung des Textes in die ‚neue‘ Rechtschreibung und für die Generierung einer Vielzahl von Verknüpfungen, wie sie die Herstellung eines e-Produkts erfordert.

Hannover, im Juli 2017

Stephan Meder [<<13]

Einleitung

Die Rechtsgeschichte ist traditionell in zahlreiche Einzelfächer gegliedert, wobei der Einteilung in Romanistik und Germanistik besondere Bedeutung zukommt. Diese Einteilung stammt aus dem 19. Jahrhundert und scheint derzeit in Rückbildung begriffen zu sein. Für eine zuverlässige Prognose über die künftige Entwicklung mag es noch zu früh sein, doch mehren sich die Anzeichen, die auf eine eher unspezifische Widmung des Faches als Rechtsgeschichte hindeuten. Es steigt die Anzahl juristischer Fakultäten, an denen nur noch ein Lehrstuhl für Rechtsgeschichte eingerichtet ist. Die Romanistik scheint die große Verliererin der aktuellen Reformbestrebungen zu sein. Wie schon einmal in der Zeit von 1933 – 1945 droht das vielleicht glänzendste und international am meisten angesehene Feld rechtshistorischer und juristischer Gelehrsamkeit in Deutschland an den Rand gedrängt zu werden.

1. Wo anfangen?

Die Idee zu diesem Buch entstand an einem Fachbereich, wo Rechtsgeschichte jenseits der traditionellen Einteilung in Römisches und Deutsches Recht unterrichtet wird. Ist das Stoffgebiet nicht auf ein bestimmtes Herkunftsland oder auf eine bestimmte Epoche festgelegt, so stellt sich die Frage: Wo anfangen? Den Ausgangspunkt der vorliegenden Darstellung soll das römische Recht bilden. Wenn es dafür eine Rechtfertigung gibt, so liegt sie in der geschichtlichen Tatsache der Rezeption des römischen Rechts. Wie Goethes Faust ohne Helena kaum zu verstehen ist und Brecht nicht ohne die Bibel, setzt auch die Darstellung moderner Rechtsentwicklungen gewisse Kenntnisse der antiken Grundlagen voraus. Dies sei an zwei Beispielen erläutert. [<<15]

Das erste betrifft den Einfluss des römischen Rechts auf die modernen Kodifikationen. Vom BGB hat man bekanntlich gesagt, es sei ein in Paragraphen gegossenes Pandektenlehrbuch (16. Kapitel 3, S. 347.). Und auch die anderen Privatrechtsgesetzbücher Europas sind romanistische Kodifikationen. Dass das BGB deutsch, der Code civil französisch, das Wetboek niederländisch, der Código civil spanisch oder der Codice civile italienisch spricht, spielt im Vergleich zur gemeinsamen Tradition nur eine untergeordnete Rolle. Über Gesetzgebung nimmt ein mehr als zweitausend Jahre altes Recht also noch heute Einfluss auf die Rechtsordnung. Um diese „seltsame Erscheinung“ (Jhering) angemessen würdigen zu können, bedarf es zunächst einer Vorstellung von der überlegenen Methode und der verfeinerten Begriffstechnik, die römische Juristen entwickelt haben. Man muss aber auch wissen, dass Methode und Begriffstechnik einer bestimmten Verfassungsordnung entsprungen sind, deren Kern die römische Idee von Freiheit (libertas) bildet. Diese hat sich in der römischen Republik entwickelt, „die selbst noch Historikern der Moderne als Vorbild einer freiheitlichen Ordnung erschienen ist“ (Bleicken). Es ist daher kein Zufall, dass die 1945 und 1989 zusammengebrochenen Systeme das römische Recht – mit zum Teil unterschiedlichen Begründungen – jeweils auszuschalten suchten. In einer Zeit, in der viele die Abenteuer der großen Ideologien im 20. Jahrhundert schon für beendet halten, verdient diese Tatsache besondere Hervorhebung.

Das zweite Beispiel ist spezieller und handelt von dem Satz pacta sunt servanda. Der Satz ist im Mittelalter aufgekommen und bis heute anerkannt. Seine historischen Voraussetzungen stoßen aus Gründen, auf die noch zurückzukommen ist, derzeit wieder auf gesteigertes Interesse (21. Kapitel 1.2.2, S. 464). Juristische Laien pflegen anzunehmen, den Schlüssel zum Verständnis biete schon die schlichte Übersetzung: „Verträge muss man halten“. Ebensowenig lässt die Erläuterung der Ursprünge im kanonischen Recht des Mittelalters (6. Kapitel 4.2, S. 161) ermessen, warum der Satz einst eine Revolution bedeutete, deren Auswirkungen noch heute spürbar sind. Man muss wissen, dass das römische Vertragsrecht auf einem numerus clausus von klagbaren Vertragstypen beruht, wonach bloße pacta keine Rechtsverbindlichkeit entfalten (S. 73). Ohne [<<16] Kenntnis der romanistischen Grundlagen bleibt unverständlich, warum auf Basis von pacta sunt servanda in Europa über die Jahrhunderte hinweg ein einheitliches Vertragsrecht wachsen konnte, das derzeit wieder auf dem Prüfstand steht (21. Kapitel 1.2.2.2, S. 467).

Was wir als Anfänge wahrzunehmen glauben, „sind schon ganz späte Stadien“ (Jacob Burckhardt). Rom steht am Ende der Antike und die Menschheit hat bereits vor Griechenland, Israel oder Ägypten Tausende von Jahren erlebt, die von den altsteinzeitlichen Jäger- und Sammlergesellschaften über Viehzucht und Ackerbau im Neolithikum bis zu den ersten schriftlichen Quellen reichen. Die Lehre der „Rechtsgeschichte“ kann weder „vollständig“ sein noch eine „objektive“ Auswahl treffen. Die vorliegende Darstellung will einen ersten Zugang zum Fach und zur Welt des positiven Rechts eröffnen. Dazu gehört auch die Entdeckung, dass Vergangenheit keine Vorgeschichte der Gegenwart, sondern ein eigenständiges und zugleich fremdes Gebiet ist. Das altrömische Recht gestattet es, unter Stichworten wie „strukturelle Mündlichkeit“, „Form“, „Gewalt“, „Rache“, „Selbsthilfe“ oder „Einschaltung von Dritten“ Merkmale archaischer Rechtskulturen exemplarisch zu behandeln (z. B. S. 43, 1. Kapitel 3, S. 47., S. 132, 136). Vom jüngeren römischen Recht der Klassik oder Spätantike führen dagegen viele Linien zur Moderne. Diese Linien verlaufen aber nicht auf direktem Wege, oft sind sie verschlungen oder nur schwach ausgeprägt, sie können auch ganz abbrechen oder sich verlieren, um später an unvermuteter Stelle wieder aufzutauchen.

Mit dem integralen Konzept des vorliegenden Überblicks soll also dem Bedürfnis nach einer Kurzdarstellung entsprochen werden, die auch dem antiken Recht einen Platz zuweist. Die Stoffauswahl in den ersten vier Kapiteln über römisches Recht erfolgt mit Blick auf Entwicklungen und Begriffsbildungen, die über das Mittelalter hinaus bis in die Neuzeit oder Gegenwart reichen. Dies ermöglicht es, Vorgänge von langer Dauer (long durée) gegenüber Zäsuren schärfer zu akzentuieren. Insgesamt folgt die Darstellung sowohl chronologischen wie systematischen Gesichtspunkten. Wo das chronologische Schema Gefahr läuft, zur bloßen Aufzählung von Ereignissen zu werden, treten systematische Gesichtspunkte in den Vordergrund. So wird zum Beispiel der juristische Humanismus (9. Kapitel, S. 209) im Anschluss an das Kapitel über die Renaissance [<<17] der Rechtswissenschaft in Bologna behandelt, obwohl die nachfolgend erörterten rechtlichen Strukturen des Feudalsystems (10. Kapitel, S. 223) schon viel früher entstanden sind. Bisweilen werden einzelne Stoffgebiete vom chronologischen Ende her vorgestellt, um mehr Hier und Jetzt in die Lehre der Rechtsgeschichte zu bringen. Dies erscheint vor allem dann gerechtfertigt, wenn bestimmte, bereits überwunden geglaubte Merkmale früher Rechtskulturen in der Gegenwart wieder in Erscheinung treten. Als Beispiele seien die um die Gemeinsamkeiten von Schadensersatz und Strafe (punitive damages), von Schuld- und Familienrecht oder die um Verschuldens- versus Erfolgshaftung geführten Debatten genannt. Im Übrigen war beabsichtigt, die in der Vorlesung bewährte Darstellung der Abfolge des Geschehens so weit als möglich zu erhalten.

Nachfolgend sei noch ein Überblick über die wichtigsten Stationen der Darstellung gegeben.

2. Vom römischen Recht zum europäischen ius commune

Die uns bekannte Geschichte des römischen Rechts umfasst mehr als tausend Jahre, sie reicht von den ersten Regelungen der Könige, den sogenannten leges regiae aus dem späten 6. Jahrhundert v. Chr., über das um 450 v. Chr. verfasste Zwölftafelgesetz bis zu Justinians Gesetzgebung im 6. Jahrhundert n. Chr. Man pflegt drei Zeitabschnitte zu unterscheiden: die republikanische, klassische und nachklassische Epoche. Die republikanische Zeit erstreckt sich von der Vertreibung der Könige im 5. Jahrhundert v. Chr. bis zur Zeit des Prinzipats, also des gemäßigten Kaisertums, das mit Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.) seinen Anfang nimmt. Mit Augustus beginnt zugleich die klassische Epoche, in der die römische Rechtswissenschaft ihre volle Kraft und Eigenart entfaltet. Sie wird von der Nachklassik abgelöst, die mit der Wirtschaftskrise des 3. Jahrhunderts n. Chr. beginnt und bis zum Ende der Antike reicht.

Das römische Recht ist keine systematische Einheit, sondern über die Jahrhunderte hinweg aus mehreren Einzelquellen in Schichten gewachsen. Am Anfang steht das Zwölftafelgesetz, vermutlich ein Ergebnis der zwischen Patriziern und Plebejern geführten Ständekämpfe. Mehr als [<<18] jede spätere literarische Quelle vermitteln die Zwölf Tafeln einen Einblick in die sozialen Verhältnisse der durch Landwirtschaft geprägten altrömischen Periode (1. Kapitel 1, S. 27.). Als die Ständekämpfe im 3. Jahrhundert v. Chr. ein Ende finden, beginnen sich die inneren Verhältnisse der Republik zu stabilisieren. Dies schafft die Voraussetzungen für eine neue, auf Expansion gerichtete Außenpolitik. Schon bald erstreckt sich der römische Machtbereich auf ganz Italien und zahlreiche große griechische Handelsstädte, die ihrerseits mit den wichtigsten Handelszentren des gesamten Mittelmeerraumes verbunden sind. Die bäuerlichen Verhältnisse weichen zunehmend urbanen Lebensformen, deren wirtschaftliche Struktur von Handwerk, Gewerbe, Handel und Geldverkehr geprägt ist. Der gesellschaftliche Wandel stellt das Recht vor Aufgaben, die auf Grundlage des Zwölftafelgesetzes nicht mehr adäquat zu lösen sind. Immer häufiger werden den Gerichten Sachverhalte zur Entscheidung vorgelegt, für deren rechtliche Bewertung sich keine passenden Regeln ausfindig machen lassen. Da die Rechtspflege im alten Rom nicht juristischen Sachkennern, sondern Laien übertragen war, die an spezialrechtlichen Fragen wenig Interesse zeigten, werden Fachleute (iuris consulti) zu Rate gezogen. Man wendet sich an Juristen, die das Recht den wechselnden Bedürfnissen der Praxis anpassen, indem sie es von Fall zu Fall weiterentwickeln (S. 67). Dieses in erster Linie von Juristen geschaffene Recht tritt zunehmend an die Stelle des alten Gesetzesrechts und gewinnt in der klassischen Epoche schließlich eine dominierende Rolle.

Die Juristen sind die eigentlichen Schöpfer der römischen Privatrechtsordnung, die in der klassischen Zeit zur vollen Blüte gelangt (3. Kapitel 2, S. 82.). In der sich anschließenden nachklassischen Periode kommt es zu einem dramatischen Niedergang der wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse, der auch im juristischen Bereich deutliche Spuren hinterlässt. An die Stelle des gemäßigten Kaisertums tritt in der Nachklassik das absolute Kaisertum. Dem Kaiser muss nun göttliche Verehrung gezollt werden. Er erhebt sich zum alleinigen Gesetzgeber und engt den für die Herausbildung von Juristenrecht notwendigen Spielraum zunehmend ein. Die Entwicklung mündet in den spätantiken Zwangsstaat mit einem umfassenden bürokratischen Apparat. Gegen Ende des [<<19] 4. Jahrhunderts (395) erfolgt die Teilung des römischen Imperiums in ein west- und oströmisches Reich. Auf Grund des anhaltenden Niedergangs endet das weströmische Reich, und mit ihm die Antike, im Jahre 476 n. Chr. Dagegen haben sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände im oströmischen Reich auf einem ungleich höheren Niveau gehalten. Seine Auflösung erfolgte erst 1453 nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken. In neu gegründeten Rechtsschulen, unter denen vor allem die von Berytos (Beirut im Libanon) und Konstantinopel (auch Byzanz, heute Istanbul) hervorragen, wird der überlieferte Stoff auf anspruchsvolle Weise weiterhin bearbeitet (4. Kapitel, S. 99).

Einen Höhepunkt erlangt die Arbeit der oströmischen Rechtsschulen durch das Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian (527 – 565), dem wir die umfassende Kenntnis der klassischen römischen Jurisprudenz zu verdanken haben. Das Werk gliedert sich in vier Teile: Institutionen, Digesten (auch Pandekten genannt), Codex und Novellen.1 Nun hatte Justinian den Text 533 und 534 zwar als Gesetz verkünden und in Kraft treten lassen. In Wirklichkeit aber enthalten seine wichtigsten Teile überhaupt keine Gesetze, sondern eine Zusammenstellung von eben jenen Problemlösungen, welche die klassischen römischen Juristen fallmäßig erarbeitet hatten. Dass es sich um von Juristen erarbeitetes Fallrecht handelt, ist im Übrigen auch einer der Gründe für die besondere Aktualität des römischen Rechts (4. Kapitel 5.2, S. 117). Die „Gesetzgebung“ des Justinian hat zunächst nicht die erhoffte praktische Bedeutung erlangt. Doch galt das römische Recht in den oströmischen Gebieten in einer von hellenistischen Gedanken überlagerten und stofflich reduzierten Form weiter. Ganz anders war die Lage im Gebiet des ehemaligen weströmischen Reiches. Dieses war zum Auffangbecken für germanische Wanderstämme geworden und befand sich gegen Ende des 5. Jahrhunderts [<<20] in den Händen einzelner Heerkönige, die aus eigener Machtvollkommenheit über die einheimische Bevölkerung herrschten. Die Abwendung von der klassischen Tradition hatte im ehemals weströmischen Gebiet zu einer Vulgarisierung des Privatrechts geführt, nachdem die Rechtspflege zunehmend in die Hände von juristischen Laien oder halbgebildeten Rechtspraktikern geraten war (5. Kapitel 2, S. 128.).

Es mussten fast 600 Jahre vergehen, bis das römische Recht die praktische Bedeutung erlangte, die Justinian sich erhofft hatte. Eine Schlüsselrolle spielt die Gründung einer Rechtsschule durch die Glossatoren in Bologna um die Wende zum 12. Jahrhundert (8. Kapitel, S. 191). Aus dieser Rechtsschule, die sich zum Ziel setzte, das justinianische Werk auf Grundlage einer von der frühscholastischen Theologie entwickelten Methode wissenschaftlich zu bearbeiten, ist die moderne Universität hervorgegangen. Durch Abstraktion aus den Einzelfallentscheidungen der Digesten suchten die Bologneser Legisten allgemeine Rechtssätze herauszupräparieren, die im praktischen Rechtsleben als Leitfaden dienen konnten. Parallel zu den Legisten begannen ebenfalls in Bologna die Kanonisten kirchliche Rechtsquellen mit ähnlichen Methoden wissenschaftlich zu bearbeiten (6. Kapitel 3, S. 153.). Im 14. und 15. Jahrhundert wurden die Glossatoren von der stärker auf praktische Ziele ausgerichteten Schule der Kommentatoren abgelöst. Beide Schulen haben auf die Rechtskultur der kontinentaleuropäischen Länder entscheidenden Einfluss ausgeübt. Dies gilt im Prinzip auch für England. Doch hat sich hier schon bald eine eigene hochstehende Rechtswissenschaft entwickelt, die der Aufnahme des Rechts einer fremden, untergegangenen Kultur zunehmend Widerstand leistete (8. Kapitel 4, S. 202.). Eine selbständige Erscheinung der Bearbeitung des römischen Rechts bildet der juristische Humanismus, wie er sich – ausgehend wiederum von Italien – vor allem in Frankreich und den Niederlanden entwickelt hat. Die textkritischen Forschungen der humanistischen Juristen verleihen dem justinianischen Werk im Laufe des 16. Jahrhunderts eine deutlich veränderte Gestalt. Den Endpunkt einer Reihe gedruckter Ausgaben bildet eine Edition von 1583, in der die einzelnen Teile des Werkes erstmals unter dem Titel Corpus iuris civilis zusammengefasst sind (S. 218). [<<21]

In Deutschland ist zu dieser Zeit die Rezeption des römisch-kanonischen Rechts bereits in vollem Gange (11. Kapitel, S. 243). Die Übernahme insbesondere des an den italienischen Universitäten fortgebildeten Rechts des Corpus iuris war die Folge einer zunehmenden Verwissenschaftlichung des Rechtslebens. Universitär ausgebildete Spezialisten verdrängten die juristisch gebildeten Laien aus ihren Positionen in Rechtsprechung und Rechtsetzung. Unterrichtet wurden die angehenden Juristen an den seit der Mitte des 14. Jahrhunderts auch nördlich der Alpen in großer Zahl gegründeten Universitäten im römischen und kanonischen Recht, was ihnen nach erfolgreichem Studienabschluss den Titel doctor utriusque iuris, Doktor beider Rechte, einbrachte. Das römische Recht hat im Laufe der Zeit vielfache Veränderungen erfahren. In seiner veränderten Gestalt bezeichnete man es als das gemeine, d. h. das allgemein geltende Recht (ius commune). Das Verhältnis des aus römisch-kanonischem Recht gewachsenen ius commune zum einheimischen Stadt- oder Landrecht bestimmte die sogenannte Statutentheorie. Danach galt im Grundsatz der Vorrang des besonderen gegenüber dem allgemeinen Recht, so dass das ius commune im Verhältnis zu den örtlichen statuta (Vorschriften) zurücktreten musste. Das partikulare Recht war allerdings häufig lückenhaft und seine Existenz oft nur unter großen Schwierigkeiten oder überhaupt nicht beweisbar. So kam es, dass die in der Theorie vorgegebene Hierarchie der Rechtsquellen in der Praxis unterlaufen wurde. Bald schon ist die Dogmatik der Glossatoren und Kommentatoren auch auf die Partikularrechte angewandt worden, was diese vor einer Verdrängung durch das römische Recht bewahrte.

Die Verschmelzung römisch-rechtlicher, kirchenrechtlicher und partikularrechtlicher Elemente führt im 17. Jahrhundert zum sogenannten Usus modernus pandectarum (11. Kapitel 3, S. 252.). Darunter versteht man die zeitgemäße Praxis des römischen Rechts, das von einem universitär gebildeten Juristenstand logisch nachvollziehbar gehandhabt wird. Das Merkmal der Rechtsquellenvielfalt prägt den Charakter dieser Epoche, die sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert erstreckt. Mit den großen Naturrechtskodifikationen im 18. und 19. Jahrhundert kam das über Jahrhunderte gewachsene europäische ius commune zunächst außer Geltung (12. Kapitel, S. 261 und 13. Kapitel, S. 281). Die Kodifikatoren des [<<22] Naturrechts hofften, das römische Recht durch eine Systematisierung des gesamten Rechtsstoffs weitgehend überflüssig machen zu können. Diese Hoffnungen waren aber bald zerronnen, und zwar nicht nur, weil die römisch-gemeinrechtliche Dogmatik tiefe Spuren in den Gesetzgebungen hinterlassen hatte. Entscheidend war vielmehr, dass diese Dogmatik zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel bei der Anwendung der neuen Gesetze wurde – ein Vorgang, den man treffend als „Pandektisierung“ charakterisiert hat. Die als neuhumanistische Gegenbewegung zur Naturrechtsschule im 19. Jahrhundert gegründete Historische Schule ließ das römische Recht wiederum einen gewaltigen Aufschwung erleben. Die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts, die nach ihrer Hauptquelle auch Pandektistik heißt, hat dann die jüngeren Kodifikationen des Zivilrechts, insbesondere das schweizerische Zivilgesetzbuch und das BGB, wesentlich beeinflusst (14. Kapitel, S. 299 bis 16. Kapitel, S. 341).

Bis zum Jahre 1900 waren noch knapp die Hälfte der veröffentlichten höchstrichterlichen Entscheidungen nach gemeinem Recht, also überwiegend nach bis zu 2000 Jahre alten Texten aus dem Corpus iuris entschieden worden. Daneben galten in Deutschland französisches, preußisches, bayerisches, sächsisches, österreichisches und dänisches Recht sowie eine ganze Fülle von Partikularrechten, darunter ganz altehrwürdige wie etwa das „Jütisch Low“ oder Teile des Sachsenspiegels.2

3. Wo stehen wir heute?

Mit Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 haben die jahrzehntelangen Bemühungen um ein einheitliches Recht einen erfolgreichen Abschluss gefunden (16. Kapitel, S. 341). Daher mag es überraschen, dass der Rechtszustand heute wieder durch eine Vielfalt von Rechtsquellen gekennzeichnet ist und das BGB nur noch eine unter mehreren bildet. Einer der Hauptgründe liegt darin, dass sich die Beziehungen von Recht und Staat [<<23] gewandelt haben: Fortschreitende Globalisierung und unzureichende Finanzierung geben Anlass, die vom Staat traditionell wahrgenommenen Aufgaben zu überdenken. In bestimmten Bereichen möchte der Staat heute nicht mehr Eigenleistungen erbringen, sondern Leistungen an Dritte abgeben und sich darauf beschränken, einen Rahmen zu gewährleisten. Diesem Wandel tragen Leitbilder wie „Gewährleistungsstaat“ oder „kooperativer Staat“ Rechnung, die frühere Modelle des Sozial- oder Interventionsstaates inzwischen weitgehend verdrängt haben. Danach soll auch die Kompetenz zur Rechtsetzung nicht mehr allein dem staatlichen Gesetzgeber vorbehalten sein. In der jüngsten Zeit mehren sich die Stimmen, die darauf hinweisen, dass es zunehmend auch privaten Dritten gestattet wird, objektives Recht zu setzen.

An Beispielen für private Rechtsetzung besteht kein Mangel. Zu denken wäre etwa an tradierte Formen wie Verbandssatzungen, Standesordnungen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bereits in den 1930er Jahren als „Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft“ charakterisiert wurden. Als aktuell diskutierte Erscheinungsmuster wären zu nennen: Corporate governance, lex mercatoria, lex digitalis, lex sportiva, Unidroit-Prinzipien oder das Gebiet technischer Standardisierung, wo auf nationaler und internationaler Ebene Normen von privaten Gremien jeweils erarbeitet und publiziert werden. Außerdem hat die Bedeutung des Richterrechts erheblich zugenommen, die Spezialgesetzgebungen sind deutlich angewachsen und durch Rechtsetzungsakte auf europäischer Ebene hat das Spektrum von Rechtsquellen in den letzten Jahren eine zusätzliche Ausdehnung erfahren. Unter diesen Umständen ergibt sich wie schon so oft in den vergangenen Jahrhunderten ein gesteigerter Bedarf an allgemeinen Prinzipen und sinnstiftenden Begriffen, den wissenschaftlich gebildete Juristen in Form von Dogmatik zu decken haben. Durch Abstraktion aus einer Fülle möglicher Problemlösungen müssen sie die leitenden Grundsätze herausarbeiten und so diejenigen Denkfiguren und Verständigungsmittel zur Verfügung stellen, derer die Rechtspraxis angesichts der weiter steigenden Zahl von Rechtsquellen bedarf. [<<24]

1Digesten (D.) und Codex (C.) sind jeweils in Bücher, Titel, Fragmente und Paragraphen unterteilt. Zitiert werden nacheinander die Nummern von Buch, Titel, Fragment und Paragraph (z.B.D. 1.1.1.3). Dem entspricht die Zitierweise der Institutionen (Inst.) – mit dem Unterschied, dass die Fragmente entfallen. Die Novellen (Nov.) stehen in zeitlicher Reihenfolge, ohne Einteilung in Bücher. Die größeren Novellen sind in Kapitel unterteilt (z. B. Nov. 98.2).

2Vgl. den Überblick über das vor 1900 in den verschiedenen Gebieten Deutschlands geltende Recht in der 2. Auflage, 8 f.

1. Kapitel

Das altrömische Recht

Auf dem hügeligen Gelände, das später „Rom“ heißen wird, befanden sich um 1000 v. Chr. einige Siedlungen, die überwiegend von Latinern und Sabinern bewohnt waren. Über die Anfänge dieser Siedlungen ist kaum etwas bekannt. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts geriet die dort ansässige Bevölkerung unter den Einfluss der Etrusker. Sie sind die eigentlichen Gründer der Stadt Rom. Nach der sagenhaften Überlieferung fällt die Stadtgründung in das Jahr 753 v. Chr., in Wirklichkeit steht aber nicht einmal das Jahrhundert der Gründung fest. Man vermutet, dass der Gründungsakt im Zusammenschluss verschiedener Bevölkerungsgruppen bestanden hat. Etwa zweihundert Jahre regierten in der Stadt etruskische Könige (reges), von denen insbesondere der Name der Tarquinier in Erinnerung geblieben ist. Auch der Name des legendären Gründers und ersten Königs Romulus (Rumelna, Rumele) ist etruskischen Ursprungs.

Unter der Herrschaft der Etrusker begann der eigentliche Aufstieg Roms. Die mit der Stadtbildung verbundene Konzentration der politischen Kräfte und die dadurch bewirkte Verdichtung der Staatlichkeit ermöglichte überhaupt erst die Entwicklung der einheimischen Bevölkerung zu einer Macht. Im Jahre 508 v. Chr. organisierte der römische Adel eine Revolte gegen den etruskischen König Tarquinius Superbus. Nach dessen Vertreibung übernahmen die erfolgreichen Adelsfamilien die Macht im Stadtstaat. Sie hießen Patrizier (patricii), weil sie sich wie Väter (patres) um den Staat gekümmert haben sollen. An dessen Spitze standen Beamte, die man zunächst Prätoren (praeire, vorangehen) und später Konsuln nannte. Nach dem Bericht des römischen Geschichtsschreibers Livius (59 v. Chr.–17 n. Chr.) schwor das Volk, nie wieder einen König über Rom zu dulden. Von der Königszeit grenzte sich die frühe Republik dadurch ab, dass die leitenden Beamten jährlich wechseln mussten (Annuität). Die Annuität, eine Art Rotationsprinzip, war aus Sorge vor [<<25] einer Wiederholung der Geschichte eingeführt worden. Nie wieder sollten sich einzelne Personen zum Herren (dominus, tyrannus, rex) über die römische Bevölkerung emporschwingen können.

Die römische Bevölkerung gliederte sich in zwei soziale Gruppen: Den Patriziern, einer relativ kleinen Gruppe von Adeligen, die über Grundeigentum verfügten, standen die zwar zahlenmäßig überlegenen, wirtschaftlich aber unterlegenen Plebejer gegenüber, die aus zugewanderten auswärtigen Flüchtlingen hervorgegangen waren. Die Rechtsordnung beruhte auf ungeschriebenem Gewohnheitsrecht, das mündlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurde. Bald kam es zu Spannungen und schließlich zum offenen Kampf zwischen Patriziern und Plebejern. Zwar gelang es einigen plebejischen Familien, in wirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutsame Positionen aufzusteigen. Von leitenden politischen Ämtern blieben sie aber weitgehend ausgeschlossen. Unzugänglich waren ihnen insbesondere der Senat (senex, alt, Versammlung der Alten) und die Priesterämter der Auguren und Pontifices.

Die Pontifices waren ausschließlich Patrizier. Wegen der engen Verflechtung von religiösem und weltlichem Leben hatte sich ihre Bedeutung nach Beseitigung des Königtums erheblich vergrößert. Zunehmend bewarben sich auch Politiker um das begehrte Amt des Oberpriesters (pontifex maximus). Als Hüter der Kultrituale und der Technik ihrer Anwendung hatten die Pontifices ein Monopol für die Beratung des Senats und der Privatpersonen über die Richtigkeit und Wirksamkeit kultischer Handlungen. Ihre Befugnis erstreckte sich auch auf Situationen, in denen die Anwendung einer Regel des Gewohnheitsrechts auf einen bestimmten Fall zweifelhaft war. Die Normen, nach denen sie ein Urteil fällten, hielten sie geheim. Juristische Entscheidungen waren daher kaum vorhersehbar. Unter den Plebejern regten sich zunehmend Zweifel an der Unparteilichkeit der Pontifices. Sie argwöhnten, dass juristische Entscheidungen nicht immer frei von eigenem Interesse gefällt wurden und empfanden es daher als besonders schmerzlich, dass ihnen der juristische Bereich verschlossen war. Einen Ausweg hätte die schriftliche Fixierung des Gewohnheitsrechts bieten können. Dadurch wären die grundlegenden Rechtsquellen für jeden Römer zugänglich geworden: Würden die Plebejer ihre Rechte besser kennen, so müssten sie die [<<26] Priesterschaft nicht mehr in jedem Fall um Rat fragen. Um 450 v. Chr., als die einzige Kodifikation, die es in Rom jemals gegeben hat, auf zwölf – vermutlich hölzernen – Tafeln veröffentlicht wurde, hatten die Plebejer ihren ersten großen Erfolg im Ständekampf errungen.3

1. Das Zwölftafelgesetz

Gesetze dienen der Freiheit, indem sie die Befugnisse von Einzelnen beschränken. „Es ist vorzuziehen“, schreibt bereits Aristoteles, „wenn das Gesetz regiert und nicht ein einzelner Staatsbürger“. Bis heute hat dieser Gedanke seine Gültigkeit bewahrt, alle modernen Kodifikationen lassen sich auf ihn zurückführen. Auch im alten Rom musste er auf fruchtbaren Boden fallen, da Freiheit dort seit der „Vertreibung der Könige“ zu einem Zentralbegriff der Gemeinschaftsordnung geworden war. Merkmale eines freiheitlichen Rechts sind Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit. Rechtssicherheit gewähren die Zwölf Tafeln durch ihre allgemeine, in konfliktträchtigen Bereichen bisweilen pedantisch genaue Aufzeichnung der Normen in Form von Gebotssätzen. Auch Rechtsgleichheit (aequum ius) suchen die Tafeln zu verwirklichen, was in der römischen Geschichtsschreibung als revolutionäre Tat gefeiert wurde. Das Gesetz habe, so Livius, „die Rechte aller, der Hohen und der Niedrigen, gleichgemacht“, es verhindere, dass einzelne zuviel Macht über die anderen bekommen (Römische Frühgeschichte, III, 34). Die Identifikation der „Rechte aller“ mit den Rechten aller Männer lässt Livius freilich nicht danach fragen, ob die Gleichbehandlung vor dem Gesetz für Frauen ebenfalls gelte (S. 39). Auch haben die Tafeln keineswegs alle Standesunterschiede beseitigt. So war etwa das Eheverbot zwischen Patriziern und Plebejern [<<27] zunächst bestehen geblieben. Es ist allerdings schon kurze Zeit später, nach Livius bereits 445 v. Chr., beseitigt worden (lex Canuleia).

Über die Entstehungsgeschichte der Zwölftafelgesetzgebung weiß man nicht viel. Livius zufolge soll eine Kommission aus Rom nach Griechenland gereist sein, um das eigene Recht nach dem Vorbild der um 600 v. Chr. entstandenen athenischen Gesetze aufzuzeichnen. Wahrscheinlich hatte sich in der antiken Welt herumgesprochen, dass die Athener soziale Spannungen durch Gesetzgebung erfolgreich zu entschärfen wussten. Bis heute sind die Gesetze des Solon wegen ihrer Weisheit und die des Drakon wegen ihrer Strenge sprichwörtlich geblieben. Soziale Spannungen bilden aber nicht den einzigen Grund für den Erlass dieser Gesetze. Sie können – zumindest auch – als das Ergebnis eines durch die griechische Erfindung des Alphabets in Gang gebrachten Veränderungsprozesses betrachtet werden. Aus Griechenland stammt der Gedanke, das Recht aufzuzeichnen und die Aufzeichnungen bequem zugänglich zu machen. Die römischen Geschichtsschreiber zeigen sich in eigentümlicher Weise blind für den Anteil des Mediums der Schrift an der Entstehung ihrer Rechtskultur. Dagegen gibt es mehrere Beispiele aus der griechischen Literatur, wo die Rolle der Schrift, insbesondere auch für die Gesetzgebung, gewürdigt wird. So enthält etwa das Stück „Die Hilfeflehenden“ des Euripides eine Stelle, die wegen ihrer Parallelen mit dem Bericht des Livius hier wiedergegeben sei:

„Nichts ist dem Volke so verhaßt wie ein Tyrann. Dort gelten nicht als Höchstes die gemeinsamen Gesetze; einer schaltet als Gesetzesherr ganz unumschränkt; und das ist keine Gleichheit mehr. Doch wurden die Gesetze schriftlich festgelegt, genießt der Arme wie der Reiche gleiches Recht.“4

Die auf dem Forum in Rom aufgestellten Tafeln sind der Nachwelt nicht erhalten geblieben. Vermutlich sind sie bereits 390 v. Chr. vernichtet worden, als die Gallier bei einem Eroberungsversuch große Teile der Stadt in Flammen aufgehen ließen. Heute sind nur noch Bruchstücke erhalten. [<<28] Unter den Fragmenten des Gesetzes unterscheidet man zwischen unmittelbaren und mittelbaren Resten. Die ersteren sind Bruchstücke aus dem Gesetzestext selbst, die dessen wirklichen Wortlaut bringen. Die antiken Quellen hierfür sind u. a. Cicero, Festus, Gellius, der ältere Plinius, die Juristen Gaius und Ulpian. Daneben gibt es zahlreiche mittelbare Quellen, die lediglich Angaben über den Inhalt des Gesetzes machen. Über die Anordnung dieses Materials bestehen viele Fragen, die sich wohl niemals abschließend klären lassen.

2. Zum Inhalt des Zwölftafelgesetzes

Mehr als jede spätere literarische Quelle vermitteln die Zwölf Tafeln Einblicke in das Leben der altrömischen Periode. Cicero (106 – 43 v. Chr.) preist sie als „das starke und getreue Bild der Vergangenheit“. In ihnen sei die gesamte „Staatsordnung mit ihren Interessen und Teilen abgebildet“. Früher habe man den Text der Tafeln „wie ein unentbehrliches Lied“ (carmen necessarium) in der Schule auswendig gelernt, was nun aber, im ersten vorchristlichen Jahrhundert, nicht mehr üblich sei. Auch sagt man, dass ihr „wuchtig lapidarer Ausdruck“ seinesgleichen in der späteren Gesetzessprache nicht mehr wiederfand (Wieacker).

Die Zwölf Tafeln bilden die wichtigste Quelle des alten ius civile (S. 56). Unter ius civile verstehen die Römer jenen Bereich der Privatrechtsordnung, der allein für den römischen Bürger gilt. Weil die römischen Bürger seit alters her auch „Quirites“ hießen, wurde das ius civile auch als ius Quiritium bezeichnet. Der deutsche Übersetzungsbegriff für ius civile ist „Zivilrecht“. Daneben sind in der modernen Fachsprache die Begriffe „Bürgerliches Recht“ und „Privatrecht“ (ius privatum) geläufig (zu den Unterschieden vgl. 21. Kapitel 1, S. 456.). Die Zwölf Tafeln suchen ein Recht umfassend darzustellen, das bislang weitgehend ungeschrieben war. Sie stehen an der Schwelle des Übergangs von der Mündlichkeit zu Denkformen der Schrift. Allerdings bezeichnet dieser Übergang keine Epochenschwelle, sondern eine kulturelle Transformation. Die bloße Aufzeichnung von Texten macht eine Kultur nicht schon zur Schriftkultur. Die vielen Spruchformeln und rituellen Elemente der in [<<29] den Zwölf Tafeln erwähnten Rechtsinstitute lassen vermuten, dass sich das geschriebene Wort hier nur in geringem Maße strukturierend auf das Recht auswirkt. Es handelt sich um verschriftlichte Mündlichkeit, deren Einfluss über das Ende der Antike hinaus bis ins Mittelalter und die Neuzeit reicht (S. 77.). Das römische Recht hat sich von der in den Zwölf Tafeln aufgezeichneten mündlichen Tradition zunächst also nicht abgesetzt, sondern diese in einzigartigem Umfang aufgenommen und weitergeführt. Die Folge war, dass Mündlichkeit und Schriftlichkeit über lange Zeit nebeneinanderstanden. Erst in der klassischen Epoche hat letztere eindeutig das Übergewicht erlangt.

Die Zwölf Tafeln enthalten Vorschriften über den Ablauf des gerichtlichen Verfahrens, der Vollstreckung sowie über diejenigen Rechtsgebiete, die wir heute als Privat- und Strafrecht so sorgfältig voneinander abgrenzen. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. bildete das Bauerntum mit Viehzucht und Ackerbau die wirtschaftliche Grundlage der römischen Bevölkerung. Dementsprechend enthält das Zwölftafelgesetz eine beträchtliche Zahl von Regeln aus den Bereichen des Familien-, Erb- und Nachbarrechts. Von Handelsgeschäften und anderen schuldrechtlichen Verträgen ist in den erhaltenen Fragmenten dagegen nur sehr wenig die Rede. Dies mag auf die damals noch wenig entwickelten wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen sein. Erwähnt werden allerdings bereits die für die spätere Rechtsentwicklung wichtigen Libralakte und die Stipulation. Keine Regelung haben die Ordnung des Gemeinwesens und jener Teil des Rechts erfahren, welcher die Verhältnisse der Rechtsgemeinschaften als Träger hoheitlicher Gewalt betrifft. Die Beschränkung des Rechtsstoffs auf eine Zusammenfassung der Normen, die für das Recht des einzelnen Bürgers – des sog. kleinen Mannes – maßgebend waren, lässt an den Zweck des Gesetzes erinnern: Es sollte vor allem den sozial Schwachen Schutz vor Willkür bei der Rechtsfindung bieten. Der folgende Überblick über den damaligen Rechtszustand muss auf einige Beispiele aus dem Vermögens-, Familien-, Straf- und Deliktsrecht beschränkt bleiben. [<<30]

2.1 Vermögensrecht

Es gab einmal eine Zeit, in der Geld aus Vieh, Reis, Salz, Tabak oder ähnlichen nützlichen Dingen bestanden hat. Das lateinische Wort für Geld (pecunia) bezeugt, dass auch in Rom das Vieh (pecus) einmal Verrechnungseinheit gewesen ist. Der sich entwickelnde Handelsverkehr erzwingt indes schon bald eine Befreiung der Geldform aus ihrer Abhängigkeit vom Gebrauchsgut. Insbesondere der Handel über See sucht nach einem festen, beweglichen, dauerhaften, nicht verderblichen, zum Transport geeigneten Äquivalent und findet es im Metall. Am Anfang steht das ungemünzte, lediglich nach Gewicht bemessene Barrengeld. Im Wort für das englische Pfund klingt noch heute an, dass Geld ursprünglich eine Gewichtseinheit gewesen ist. Den entscheidenden Schritt in die Zukunft bedeutet der Übergang von den Metallbarren zu den kleinen Münzen aus Erz oder Kupfer (aes). Gegenüber dem alten Barrengeld hat die Münze den Vorteil, dass sie sich stückeln und relativ leicht transportieren oder thesaurieren lässt.

Nach einer berühmten Formulierung des römischen Juristen Paulus (S. 87) liegt „der Ursprung des Kaufens und Verkaufens im Tausch; früher gab es nämlich noch keine Münze“ (D. 18.1.1). Diese Feststellung verweist auf die gemeinsame Wurzel von Kauf und Tausch, bei denen es sich jeweils um zweiseitige Geschäfte handelt (S. 72). Davon zu unterscheiden sind einseitige Formen des Besitzwechsels wie Raub oder Geschenk, die nach allgemeiner Meinung am Anfang der Rechtsentwicklung stehen.5 Anders als beim Kauf wird beim Tausch keine Kaufpreiszahlung vereinbart. Von Kauf pflegen wir daher nur zu sprechen, wenn Ware gegen Geld umgesetzt wird. Der altrömische Kauf ist ein Barkauf, bei dem die Leistungen Zug um Zug ausgetauscht werden (vgl. § 320 BGB). [<<31]

2.1.1 Die Libralakte

Die ältesten römischen Geldgeschäfte sind die Libralakte, die auch als Geschäfte „durch Erz und Waage“ (per aes et libram) bezeichnet werden. Sie weisen zurück in eine Zeit, in der das römische Geld noch nicht aus Münzen, sondern aus Kupferbarren bestand, deren Wert sich nach der Höhe des Gewichts gerichtet hat. Die Libralakte werden in Form eines Rituals vollzogen, bei dem der Geldgeber dem Nehmer vor mindestens fünf Zeugen und dem Waagehalter (libripens) eine bestimmte Geldsumme zuwiegt. Formale Voraussetzungen sind ferner Gebärden und das Aussprechen bestimmter Worte oder Sätze, deren Inhalt – je nach Art und Alter des jeweiligen Geschäftstyps – divergiert.

Die Libralakte geben Aufschluss über die Eigenarten eines Rechts, das auf struktureller Mündlichkeit beruht. Zu seinen Merkmalen gehören die Verwendung von Spruchformeln oder Gebärden und die Hinzuziehung von Zeugen. Der Gebrauch von Spruchformeln soll den Rechtsakt aus dem formlosen, unverbindlichen Fluss bloßen Gesprächs herausheben. Das Erfordernis von Zeugen dient der Absicherung mündlich getroffener Vereinbarungen. Die Zwölf Tafeln erwähnen mit mancipatio und nexumInstitutionen