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© 2020 Ingeborg Bauer
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7504-3925-2
Haiku - das ist die kürzeste lyrische Form, sie hat sich aus dem etwas längeren Tanka entwickelt. Entstanden sind die beiden Formen im 16. und 17. Jahrhundert in Japan. Anders als die europäischen Strophenformen, die auf dem Wechsel der Betonung beruhen, wird hier nach Silben gezählt. So folgt der Dreizeiler Haiku der Silbenfolge 5 – 7 – 5, der Fünfzeiler Tanka der Silbenfolge 5 – 7 – 5 – 7 – 7, wobei das Haiku die Kurzform des Tanka darstellt. Die beiden Formen spielen mit Assonanzen und Alliterationen. In der Regel handeln Haikus (und Tankas sind hier immer mitgemeint) von der Natur. Es ist gerade das Jahreszeitliche, das sich in ihnen ausdrückt. Haikus gehen auf eine Situation, ein Ereignis, einen bestimmten Augenblick zurück. Und diese Momente werden in die Gegenwart gerückt.
Haikus basieren auf dem Konkreten, und obwohl eigentlich keine bestimmte Person spricht, ist das Subjekt doch einbezogen, gibt wieder, was der Mensch in diesem Moment empfindet. Haikus sind eine besondere Art der Welt- und Existenzerfahrung. Häufig findet sich eine Zweiteilung, der im Deutschen oft ein Bindestrich entspricht. So können Haikus durchaus auf den ersten Blick vom Widerspruch geprägt sein. In Japan wurde das Haiku eine gesellschaftliche Institution, die Kunst und Religion, aber auch Unterhaltung beinhalten konnte. Ein Haiku in der westlichen Welt wird sich natürlicherweise nicht auf japanische Welterfahrung gründen, und doch führen allein Form und Motiv schon auf zumindest verwandte Wege.
Literatur: Haiku – Japanische Gesichte. Ausgewählt, übersetzt und mit einem Essay herausgegeben von Dietrich Krusche (München 1994)
Wie eine sich öffnende Spirale
laufen die Jahreszeiten
im Kreise und schrauben sich fort.
Sie vermitteln das Verlässliche
in den dahineilenden Tagen
und Jahren, schaffen Vertrauen –
und doch schreitet das Leben
des Einzelnen fort. Veränderung
schleicht sich unmerklich ein.
Unser Leben aber spiegelt sich
in den Jahreszeiten, verbindet
das Tröstliche einer Wiederkehr
mit der Veränderung, der wir
uns stellen müssen.
Gerade darum: Carpe diem!